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tichtensteinLallnbergerTageblatt SS. Jahrs«*-. - > " Beilage m Rr 260. Sonntag, 9. November 1SLS Zam 9. November. Rückschauend könne» wir nurs das Ergebnis des «rsten Renolutionsjahces überblicken, es wird »ie- «and recht befriedigen, der es ehrlich mit Deutfcki- land und seinem B-lke meint. Und wenn morgen von einem T ile unserer Volksgenossen dec Jahres- tag des »ewaltigr» Umschwunges trotzdem gefeiert wird, andere wi der zum Kampfe aufrufen für den endgültigen Si^g der Revolution, so steht der andere Teil trauernd abkcits; denn das können alle Fest- redner nicht ableugnen: Bon den stolzen Versprech ungen, der goldenen Freiheit, dem wirtschaftlichen Aufschwung uiw., oie zu Beginn die Apostel der neuen Zeit un^ verkündeten, ist bisher wenig zu ver spüren. Gc.mbelter denn je liegt Deutschland am Boden; dran^ liert von äußere», zernagt von in neren Feinden, ein: geistige, sittliche und wirt schaftliche Ruine. Dieses Bild bietet heute das einst so mächtige Reich, das schützend seine Flügel über jeden seiner Untertan n breitete, ihm geistige und leibliche Nahruna gewährend, das Zucht und Ord nung aufrecht erhielt und dem deutschen Namen auch im Auslände Achtung verschaffte; stolz weÄe dis Flagge schwarz-weitz-rot! Und jetzt? Mr brauchen das Btto nicht weiter zu zeichnen, ollen ist es le bendig vor Augen Ziemlich enau lätzt sich sondern, was von den heutigen Zuständen auf Rechnung des Krieges uno was auf Rechnung der Revolution zu setzen ist Dec Krieg hat die einzelnen moralischen Begriffs in alwn Stände» gelockert; die Revolution aber hat die ethische Substanz selber angegriffen: den Pslichtbegriff überhaupt und als Ganzes. Ls ?eigt suh hier die wahrhaft tragische Tatsache, daß eine Richtung, die auf ihre Fahnen die unbedingt: Pflicht des Einzelmenschen gegen die Gesellschaft ge schrieben hat, nicht auf dem Boden einer Revolution gedeihen sann Der echte und hohe Sozialismus ist gestorben in dem Augenblick, als er die äußere Möglichkeit erhielt, sich praktisch zu erproben, eben weil die inneren Voraussetzungen für ihn nicht ge geben wucvn So wahr diese traurigen Feststellungen ü-d so ungerecht wäre es doch, nach den ersten mißlunSetreck ikersuchen die Zukunftsaussichten des Svzimism.s «nogültiz zu bestimmen. Es bleibt die eine unum stößliche T :che, daß eine gewaltige Masse von Menschen, die bis dahin durch einen politisch sozia len Truck in der Entfaltung! ihres geistig-menschli« ckwn Wesens qW mmt waren, einen freieren Beweg- «ngsspielcaum erhalten haben- Es ist auch kein Zweifel, daß in einigen denkenden und führenden Naturen osdurch allein ein stärkeres Verantwor- tungsgcsüm und tiefere Besinnung geweckt worden ist. Vielleicht, baß diese Kräfte nachwirken, wenn wir alle unter veM neuen Politischen Druck von außen' «nv dem heute noch nicht in seiner ganzen Schwere «mpsuuvcn.n wirtschaftlichen Druck uns „wiedersin- den". Vieu.icht, daß dann die alte Kraft des deut schen Geistes n-ch einmal herausschlägt und der wahre Sozialismus kommt, der Sozialismus der Pflicht, der Brüderlichkeit und dec «Geistigkeit, nicht der der gesteigerten Ansprüche, des La ws und des materiellen Wohllebens. Mehr «ber als eine Anweisung auf die Zukunft vermag man «ns heute nickt vorzuzeigen, und es ist besser, sich dies einzng stehen, als sich an den PrZekt-n zu be rauschen, die uns nur über die E»Se der zukünftiges «armen ocrt chen Welt falsche Vorstellungen ermeßen. Aus oem geg.nwärtigen ChaoS bald heran szu- kammen, feh.en uns leider noch die führenden' Män- «er, die hochragend die Zeit erfassen und sie mei den guten Willen gezeigt, aber anstatt zu führen, den guten Wihlen gezeigt, aber anstatt zu führen, bleibt sie dann zaghaft beiseite stehen u„d überläßt «oftmals die Zügel den Schreiern und Jch-Menschen, dis bruta., ohne Rücksicht auf das Wohl d-s Gan zen, ihre Widersacher zu Boden treten »nd mit denen, die am Marke des Volkes zehren, dis Herr schaft t,cr Gasse aufrichten. So darf es nicht weiter «gehen, „venu wir nicht an Deutschlands Zukunft ver zweifeln sollen- Möchten Uns geistige Führer be- jchieden sein, möchten auch die alten drut'chsn Tu genden, d.'c Gottesfurcht, Nächstenliebe, Treue. Pflichtewiulung, Arbeitsamkeit usw- wieder Gemein gut des o utschen Volkes werden; dann darf man Lon den neue» Verhältnissen' manches Guts füc Deutschland erwarten. Nur die Freiheit, die Schillers edlen Geiü atmet und uns auch innerlich frei macht, beglückt u„o kann ein Volk seinen' Jdsal-n näher bringen. Deutschland besinne Teich' MW SM IM Uk MM cilk Bautzen, 6. November. Die wiederholten Pro teste der Obersaufitzer Arbeiterschaft geg^n die Er. Mennung des Geht KegieruingsrateS v. AvftiS-Wall- Witz zum K:eishauptmann von Brühen gaben dem Minister des Innern, Uhlig, Gelegenheit, bei Ein weisung des neuen Kreishauptmannes bemerkenswer te Ausführungen über die innerpolitische Lage Sach sens z^ mache». Gerade die eingegangenen Prote ste hätten ihn bestimmt, persönlich zu ersch'inert und die Einweisung entgegen den Gepflogenheiten am Wirkungsorte vorzunehmen. Die Einsprüche seien hecvorgegangen aus der Stimmung der Verarmung in Kreisen der Arbeiterschaft und dec dadurch ge nährten Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Humanität. Tie Aufgabe des deutschen Volkes nach dem Kriege sei Wiederaufbau der zusammengcbrochenen Kultur. Der Schlüssel der Lage sei zu suchen in dec Ein fuhr von Lebensmitteln, Senkung der Lebensmittel-- preise und Hebung der Arbeitssrcudigkeit Gerech tigkeit der Behörden gegen das Volk sei das wirk samste Mittel, den Willen zur Arbeit neu zu beleben. Der Beamte ist Diener des Staates und des Volkes- Wenn nicht alle Zeichen trügen, sehen wir, daß dis Seele des B.lkes sich immer mehr saniert und kon- s.lidiert. Ter demokratische Staat und feine Re gierung werden nicht danach fragen, welche politische Anschauung jemand vertritt, sondern ob einer rück haltlos in Arbeit für die Erneuerung des Volk-S u. den Wiederaufbau unserer Verhältnisse eintritt. Frei heit der Gesinnung ist es, was die Regierung auch im sächsischen Freistaate vertritt, und dies» Gesin nung Iwi das Ministerium bewogen, fich durch die Proteste von seinem Vorhaben nicht abbringen zu lassen und seinen altbewährten Mitarbeiter v. No stitz-Wallwitz mit der Verwaltung der KreiSkaupt- mannschaft zu betreuen. An die Beamtenschaft im Lande, io sagte der Minister, will ich nur das ein; Wort richten: Die Regierung wird nicht dulden, daß ein Mißbrauch des Dienstes erfolg» im Inter esse einer politischen Partei, fei sie auf diese vorr auf jene Seite gerichtet. —M WIM MWstMk WMV. München. 7- November. Tie Gcsamtstaatsre- gierung erläßt mit den Unterschriften sämtlicher Mi nister an oen bayerischen Städtetag, an den Lan- desarbelteri ot, an den Landesbauernrat, cn alle Parteien des Landtages, an alle Vorstände der po litischen Parteien in Bayern, an sämtliche Kreis- regiernngen. an alle Bezirksverwaltuugsbehörden, an alle landmutichastilchen und gewerblichen Vereine. Genossenschaften und Korporationen und an 'Sem bayerischen Stadt- und Marktgemeindeverband ein.'n Tringlichteitsappell zur Stärkung der Staatsauto rität uno zur Besserung in der Lebensmittelerfas sung planmäßige Aufklärungsarbeit zu leisten. Die sem Dringlichkeitsappell, der veröffentlicht werden soll, ist zu entnehmen, daß die Ernährungslage Bayerns schlecht ist. Tas Brotgetreide reicht höch stens bis März 1920. Es fehle» bis jetzt schon über 4 Mill?ne» Doppelzentner Brotgetreide. Mün chen u»o Nürnberg sind mit Brotgetreide nur bis Mitte Dezember 1919 versorgt. An Kartoffeln fehl-n 9 hr Mill. Zentner. Lediglich die Fetiration ist ge sichert. Die Beibehaltung der diesjährigen Milch- und Käseration ist zweifelhaft, ebenso fleht es mit der Fleischversorgung. Angesichts dieser Lage schlägt der Appeil der Staatsregierung drei Weg? vor: 1. Große landwirtschaftliche Versammlungen in ganz Bayern abzuhalten, in denen die Bauern'ührsr un geschminkt die trostlose Lage schildern sollen, damit die Bauern wieder abliefern; 2. Aufklärung durch Wort und Schrift in Versammlungen in allen Be zirken Bayerns: 3. Ausklärungskleinarbeit von Ge meinde zu Gemeinde, von Haus zu Hans unter Bei ziehung dec Bauernfrauen- Die Kosten der von den Kreisregicrungen zu veranstaltenden Werbe- und Auf klärungsarbeit null das Landwirtschastsmlnistecium ersetzen Nur die Kosten in den Bezirken sollen dis Kcmmunaloerbände tragen. Wie Vie Bayer» Sachse» verhungern lassen Eines der traurigste» Kapitel aus dem Kriege ist der einze,staatliche Egoismus i» Ernähruimsfcogen Darüber erfährt man näheres aus einer Eingabe des Reichsausschusses für Verbrauchsinteressen, Be zirk Dressen, an die Nationalversammlung'. Bansrn soll wöchentlich 1547 Rinder iM Durchschnittsgewicht von 145 Kg-, mithin 224 915 Kg. Fleisch, nach Sach sen liefer». Das wären für die Zeit vom 1. August bis 18. Oktober 17 017 Rinder mit 2.40 Mill. Kg. gewesen. Tatsächlich sind aber nur 9964 Rinder mit 1.03 Mill Kg. geliefert worden, sodaß Bayer» m,t über der Hälfte — nämlich 1,43 Mill. Kg Fleisch — im Rückstand blieb. Aus der Zahl der Rinder er gibt fich, daß Bayern gerade die minderwertigen nach Sachsen schickt, die gute» aber behält! Zum gu-> . L-, ten Teil ist das Fleisch nicht einMal frisch, f»nd?rn konserviert geliefert worde», d. ft. teurer! In Bayern beträgt die Fleischration 250 Gramm wö chentlich, i» Sachsen 150 Gramm. Dabei weiß je dermann. daß man in Bayern zu fabelhaft billigen Preisen überall Fleisch ohne Marken haben kau». Ferner weigert sich Bayer», Kartoffeln nach Sachse» zu liefern. Die Eingabe fordert mit allem Nach druck Vie Zuweisung eines anderen LieferungsgebietsS an Sachsen- Interpellationen. Dresden. AM 4. November ist 'bei der Volkskammer eine Interpellation der Deutschs!« Bvlkspartei (gezeichnet Blüher, Dr. Kaiser, Anders! folgenden Woitlauts eingegangen: Was hat die Regierung getan und was gedenkk sie zu tun, um bei der Reichs- und Staatsstener- vermaliung die Mitarbeit der Gemeinden und ihrer Steuerbeamten auch für die Zukunft sicher- z »stellen? Zwei Interpellationen der Deutschen Demokrati schen Partei vom 4. November (Dr. Menke-Glük- lert und GcnZsen) lauten: Was hat die Regierung bisher zur Förderung der Volkshochschulbewegung unternommen und was gesenkt sie zu tun, uM eine gewisse V?r:in- heitlichung dieser Bewegung in Sachsen hsrbsi- zuführen? f ' Was hat die Regierung getan, unk in Verbindung mit dem Reich und den einzelnen Gemeinden' das Kmzwestn der Bolkserziehung und Volksbelehrnng nutzbar zu machen mrd dessen Auswüchse zu be kämpfen? Der Beschwerde- und Petitionsausschuß der Volkskammer hat am 4. November beschlossen, d-s Petiii.n oer Vereinigung der Bürgermeister mittle rer und kleiner Städte und berufsmäßiger Gemein- vevorstände Sachsens, die Neuordnung der Gemein- deverfaisung betreffend, der Regierung als Material zur Kenntnisnahme zu überweisen. Aus Nah und Fem. Lichtenstein, 8. November. *— DestenMche Volksversammlung. Bor einer kleinen Zuhörerschar sprach gestern abend im Krystall-Palast Frau Anna Timon-Berlin über: „Kann Deutschland uniergehen - Rednerin griff in ihren Ausführungen zurück auf die Anfänge der Revolution. Daß diese die unblutigste aller bisherigen gewesen sei, habe man der deutschen Arbeiterschaft zu verdanken. Der 19. Januar habe die Erwartungen nicht voll erfüllt, weil dieser Tag der Partei die Mehrheit in der Nationalversamm lung nicht gebracht. Die Gesetze hätten deshalb dem Wunsche der Partei nicht voll entsprechen können. Heber die Schul- und Kirchenoerfassung verbreitete sie sich ausführlich. Weiter erläuterte sie dann das am 1. Oktober in Kraft getretene Gesetz über die R et chswochn Hilfe und das Gesetz über den Schutz der uneheliche» Kinder. Sie beleuchtete dann die neuen Steuer gesetze. Die Kriegsgewlnnsteuer, sowie alle anderen direkten Steuern seien so viel wie möglich heranzuziehen, um die junge Republik über Wasser zu halten. Den Frauen und Mädchen hätte sich ein weites Arbeitsfeld in der Wohnungsfürsorge und in der Armen- und Waisenpflege eröffnet. Rederin kam schließlich auf daS Betriebsrätegesetz zu sprechen. Dasselbe sei der Anfang zur Sozialisierung. Deutschland könne nicht zu Grunde gehen, wenn die Sozialdemokratie fest zusammen halte und noch die Mehrheit in der National versammlung erziele. *— Erneute Si»igu«gsverhandl«»ge» sollen nächsten Montag in Zwickau zwischen Vertretern der Bergarbeiter und Regierung«Vertretern über die Einführung der Achtstunden-Schicht bis zum 31. März 1920 stattfinden. Jede Belegschaft wird zu diesem Zwecke einen Vertreter entsenden. Alle Mitkämpfer im Weltkriege sollen nun auch, wie nach srüher-n Kriegen, eine tragbare Kriegsdenkmünze erhalten. Auf eine Anregung des Kyffhauser-Bundes der deutschen Landes-Krieger- oerbände hin wird eine allgemeine deutsche Kriegs- denkmünze sür die Teilnehmer am Weltkriege 19 l4j 19 geschaffen werden. Der Reichsminister des Innern teilt mit, daß die Verhandlungen über die Frage der Stiftung noch nicht zum völligen Abschluß ge kommen sind. Ehemnitz. (Tödlich verunglückt) ist der 28 Jahre alte Fabrikarbeiter Willy Max Hofmann von hier, der damit beschäftigt war, an einem Brunnen in der Zwickauer Dorstadt die Lisenteile oem Rost