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> > ' ' t (Fortjetzung fotgr.) Die ganze enge Komurkc erfüllte Fliedcrduft. Im Lehnsessel am Fenster saß Nelda, an ihre Seite war ein Tischchen gerückt; darauf stand ein Fliederstrautz, üppige Ma Dolden mit saftig grünen Blättern. In ihrem Schoß, auf der über die Knie gebreiteten Decke, lag ein Buch, aber sie las nicht darin. Träumerisch hielt sie den Kopf an die hohe Lehne gedrückt, ihre Finger^drchten einen Blütenstengel hin und her. Sie freute sich daran. Als sie krank wurde, de? stand der Flieder noch in unscheinbaren Knospen; jetzt waren drei Wochen vergangen, viel Sonne war gekommen, er blühte über und über. Sie lächelte. Drüben der Star pfiff nicht mehr, er Hatte eine Gelegenheit erwischt und war davongeflogen — heidi, wie ein dunkler Punkt schoß er hinauf in die Lust. Oh, er konnte doch noch fliegen! Ter Schuster fluchte und lamentierte, Nelda hatte es über den Hof schallen hören und sich freudig die Hände gerieben — der Logckl war fort, er war frei! Sie glaubte sein glückseliges Lied überm Hof, hoch über dem rauchigen Dach zu hören. War das eine selige Ermattung in den Gliedern, und dabei doch ein Gefühl wiedcrerwacheuder Kraft, ein warmes Flute» in den Ädern! Der Kopf war frei, noch Line süße Müdigkeit darin, aber die Gedanken klar, heiter wie seit lange nicht. Es war doch schön zu leben, gesund zu seiu; die Welt sah ganz anders aus als vor Wochen. Selbst in dies enge Fenster drang ein ganzer Strom von LiiM. Sie saß darin wie gebadet und blinzelte schläfrig. Und die Mutter war so vergnügt, man sah ihr an, wie froh sie war, ihre Tochter wieder gesund zu haben. ^beileibe uich von der Berg sprechen, sie hat sich zu zehr alteriert? Schwamm drüber", flüsterte Schmolle hinter der angelehnten Tür Frau Rätin zu. »Man ja uichk* »Ich höre alles", hatte Nelda mit klarer Stimme ge rufen. »Bitte, Herr Schmolle, kommen Sie herein!" Whmolle kam, ganz gerührt, sehr erfreut. Das große blonde Mädchen da im Lehnstuhl, dem das schlichtge- scheitekte Haar in zwei langen Zöpfen über den Rücken hing, gefiel ihm ungemein. »Na, Gott sei Dank, Kindchen, waS habe» Sie denn für Geschichten gemacht?" Er hätte pe in seiner Herzensfreude am liebsten auf die Stirn ge küßt, aber er traute sich nicht. " »Herr Schmolle", sagte Nelda und sah ihn durch- vringend an, »sagen Sie mir die Wahrheit, ist Fräulein Berg ordentlich begraben worden?" Der gute Schmolle fuhr auf, als hätte er sich auf einen hohlen Zahn gebissen — kam sic schon wieder mit Ler. .UvLlücksüklchichte? ..Natürlich", stotterte- er eilig. — es verzehrt «nch. mmyr mtq zoll — geh zu deinen Ettern, du hast es da besser;—be^ klage dich, schrei meine Schuld aus — Willi« NM eh» — willige eint"' Er war außer sich. ' »Nein!" Jetzt stand sie neben ihm und blickte auf ihn «feder. Er sah nicht den Ausdruck tödlichen Schmerzes, mit dem sie dann die Augen schloß und nach Atem rang. i »Ich gehe nicht zu meinen Eltern, ich beklage mich nicht. Hier ist mein Platz. Innerlich sind wir von einander ge schieden, vor der Welt bleibe ich deine Frau. Für Feli citas trag ich alles!" Eine große Energie lag in ihren Worten; sie stand wankend am Tisch, ihre Knie trugen hr kaum, aber die Stimme war fest. Lerstört sah er auf — war das seine Frau? Ihre Wicke trafen sich; ernst und traurig, ohne mit der Wimper »u zucken, sahen ihn die braunen Augen an. Mit einem schmerzlichen Lächeln nickte sie leicht. .Ich bin dir über- Lstig, schon lange, dein bißchen Liebe war rasch ver flogen. Aber jetzt hast du Pflichten. Ach" — sie fuhr zu sammen, der alte schüchterne Ausdruck breitete sich wieder über ihr Gesicht; es klang wie ein Hauch — „ich hatte dich krüher so lieb!" „Agnes!" Er erschrak vor dem zitternden Weh in ihrem Flüstern, für einen Augenblick versank die be rückende Gestalt Anselmas; das arme Geschöpf in dem schlaff niederhängenden Kleid tat ihm unsäglich leid. Sein Herz zog sich zusammen. Nein, er war nicht schlecht, eine wilde Wut gegen sich selbst überkam ibn. Er schlug sich mit der geballten Faust vor die Stirn. „Ich elender Kerl!" „Armer", sagte sie leise. „Arme Frau!" Man wußte sicht, meinte sie jene oder sich selber. Wie ein Geist glitt sie hinaus und zog geräuschlos die Tür hinter sich zu; draußen lehnte sie sich an die Wand und brach in hilfloses Weinen aus. Da war niemand, zu dem sie flüchten konnte. Doch — Nelda! „Man za nllh ausregen, Neldckchen, 8m Gottes WMktkMkfl Sie ist begraben, natürlich, und sehr auflandig, ans mein Ehrenwort! Und was den Speicher, de» Müller anbe langt, wissen Sie was, der hat sich dünne gemacht; er hat gekündigt und sich die Sachen holen lasten, er müßte vorderhand zu Hause bleiben. Na, so dumm! Ich habe ihm 'nen Brief geschrieben uird mal durch die Blume ge winkt — puh, der denkt, Schmolle läßt sich begimpeln! Jawohl! Am neuen Tor wohnt er; kann ja gar nicht so weit von der Charits zieh», aber kröche am liebsten in 'n MausÄoch!" „Sie meinen wirklich, Herr Schmolle?" Nelda beugte sich vor und faßte nach seinem Arm. „Sie weinen, Dok tor Müller und Fräulein Berg —" „Ich meine gar nischt, ich sage nur: Schubiack! So 'nem armen Balg von Liebe reden und sie dann sitzen lassen — ja, ja, das ist so die Manier! Hat dann eine nich genug Docht in sich, na dann —! Aber Schwamm drüber, was reden wir davon?! Regen Se sich nicht auf! Sie haben sich doch nicht etwa -aufgeregt, Neldachen?" Sie faltete die Hände. „Gott, sei du ihr gnädig!" Und dann liefen ihr die Tränen über die Wangen, und Herr Schmolke konnte sich gar nicht halten, er zog das große seidene Taschentuch — gelb war's mit rotem Rand — und schneuzte sich umständlich. Wie rasch die Tage flogen, halb verschlafen, halb ver träumt! Eben kam die Rätin herein. „Mama", bat Nelda, „gib mir Papier und Tinte, ich muß an Agnes von Osten schreiben, es läßt mir kein: Ruh. Was wird sie denken, sie hat so lange nichts vor mir gehört!" ' Ter Dichter Skizze von Aisred Angermann (Wien). Tag für Tag lebte in der Seele des Dichters der Wunsch, den Quell und kl sprung des Schönen zur erforschen, das in ihm drängte und lebte. Woher diese. uunLerbare Schönheit stamme, der er tausenderlei Gestalten gab, die ec i> jauchzenden und ernsten, aber immer harmonisch ge,üg.en Worten stierte, das wußte ec nicht. Woher er das Licht empfange, Las i.)n so herrlich durch drang, das konnte er nicht sagen, nur fühlen in den Stun den der Begeisterung und der Weihe. In diesen Sunden schien es ihm, als ob seine Seel? ein klarer Kristall wäre oder ein Ldrlstein mit tausend und aber tausend Flächen, der die Eigenschaft befaß, alle Strahlen, die auf ihn sielen, in sich rufzunehmen uns einzusaugen, Ms dir durstige Erde es tuc, wenn sie Regen trinkst So war des Dichters Seele! In seinem Herzen aber, da wohnte eins große, all umfassende Liebe, nicht die Liebe des Genusses, die an der Uebersättigung stirbt, sondern jene Liebe, die niemals endet» weil sie keine Uebrrfättigung sennst sie, di: nichts mi: dem Egoismus gemeinsam hat, die große gewaltige Menschen- und Schönhritsiiebe. So war Las Herz des Dichlersl Wenn Ler Frühling die Welt mit seinem Blütenschuee bestreute, Ler Sommer sie mit sattem Grün, niit reifender Fülle beschenkte, dann zog Ler Dichter durch die Natur, und ihre Schönheit wuchs in seiner Seele. In ihrem Krstia.Ir sammelten sich alle die wunderbaren, alt die tausendfältigen Strahlen der Anmut und erschienen schärfer, wirkungsvoller rar Brennpunkte seiner Dichtung wieder. Und nur die Schönheit allein nahm ec in >eme Seele auf, daß sie das Häßliche, Widerwärtig e^dieser Welt besiege. Er wies auf die Pracht Ler Rosen und Tulpen m wunderbaren und berauschenden Worten hin, aber er zeigte nicht ihre Mängel; diese sollten ja Lie Menschen ver gessen, alles Unvollkommene — unvollkommen wie es eben uns Menschen erscheint! — sollten sie vergessen, wenn er sie in den Bann seiner Tichrung schlug. Durch ihn wurde das Vielfache, Zerstreute zur Einheit, zur Wesenheit, zu Gott. Kein Zergliederer coolste er sein, sondern ein Sammler^ eilt Bannerträger der Schönheil und ihr begeisterter Verkünder. Tie Pracht der Tulpen sollte ihm und den andern mehr bedeuten als ihr Mangei an Duft, der herrliche Duft der Rose mehr als ihr lauernder scharfer Dorn. Ler blutig rizt. So war das Wirken Les T-chters! To. kamen Leute Laber, und ihrer waren viel?, dk: Huben also zu ceo-n an: „-sb-c, er ist unwahr; er ist eia Leucht