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Wilsdruffer Tageblatt : 18.07.1936
- Erscheinungsdatum
- 1936-07-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193607187
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19360718
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19360718
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1936
-
Monat
1936-07
- Tag 1936-07-18
-
Monat
1936-07
-
Jahr
1936
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 18.07.1936
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brzäklung von yerberl Reinkolä. sie gehe, und zwar sofort. Uns würde es an nichts ie Wirtin wieder hergestellt sei und nur auf schnee- brne Seimimte von Mrreck yein. den toten Regimentskommandeur allen zum Inzwischen hatte er auch da^ Eiserne, Kreuz und die Be- tausende auskommen. wurden nicht weniger als 46 Zoll gemessen, die etwa einem Meter entsprechen. Ank die unglückliche Stadt ergossen sich 57 Millionen Tonnen Wasser. Die Naturkatastrophe, die mit einem Taifun im Zusammenhang stand, dauerte insgesamt vier Tage lang, vom 14. bis zum 17. Juli, und erbrachte 88 Zoll Niederschlagsmenge. Mit gleichviel Regen, wie in Baguia an einem einzigen Tage niederging^ muß der trockenste Ort der Erde, Arica in Chile, zweieinhalb Jahr- uns ein. Wir sollten vernünftig sein, sagte sie. Es sei be schlossene Sache, daß sie wegmüßte, und wir sollten ihr ver sprechen, die Alten, die klugen, anständigen Jungs zu bleiben. Der Wirt sei vollauf in seinem Recht, aber auch sie könne nicht anders, als wie sie es getan habe, und darum sei es das beste, wenn sie gehe, und zwar sofort. Uns würde es an nichts fehlen, da die freie Wege warte, um heraufzukommen. Sie nehme also Ab schied und bedanke sich vielmals und wünsche uns nur Gutes. Der schlimmste Regentag der Welt. Die Forschung, die sich mit der Messung der nieder gehenden Regenmenge befaßt, ist verhältnismäßig mng. Und so liegt denn der Tag, der in dieser Richtuna den Rekord auf gestellt ha«, noch nicht sehr weit zurück. Vom Mittag des 14. Juli 1911 bis zum Mittag des folgenden Tages ging über der Stadt Baguio auf den Philippinen ein Wolkenbruch nieder, der als der ergiebigste der ganzen Welt bezeichnet wird. Jedenfalls behauptet dies Miguel Selga. der Direktor des Wetterbüros der Philippinen. Während fener 24 Stunden Trotz holen. „Es ist Ihr sicherer Tod, Klimaschka, ich kann die Verantwortung nicht übernehmen", sagte der Hauptmann. „Warten wir ab, bis wir die Stellung stürmen, dann erreichen wir auch damit das Ziel."' „Jawohl, Herr Hauptmann, aber ich hole ihn schon jetzt!" - In der Dämmerung eines friedlich über dem Schlachtfeld träumenden Sommerabends ging Klimaschka mit Drahtschere und Handgranaten los. „Ist der Kerl verrückt geworden!" schrie der Hauptmann ihm nach. Forderung zum Unteroffizier erhalten. Doll Stolz trug Anton Kreuz und Tressen. „Was wird meine Berta sagen? Halt, ich werde ihr telephonieren! Ausnahmsweise, pieronie!" Berta war Hausmädchen bei einem Bergwerksdirektor in Zabrze. Anton er kundigte sich, wo er nach Zabrze telephonieren könnte. „Da müssen Sie zum nächsten Postamt — und Zabrze gibt es übrigens nicht mehr", erhielt er zur Antwort. „Der Ort heibt jetzt nach unserem Feldmarschall, der augenblicklich hier in Posen sein Kommando aufgeschlagen hat, Hindenburg." Klimaschka stürmte davon und fragte alle Leute unterwegs, wo das nächste Postamt wäre. Plötzlich kam er nicht weiter. Die Straße war auf beiden Seiten voller Menschen. Schutzleute sperrten ab. Aber der junge Unteroffizier war so in Gedanken versünken, daß er gar nicht nach der Ursache des Menschen auflaufs fragte, sondern sich nur wieder erkundigte, wo denn das nächst; Postamt wäre. Da drüben jenseits des Fahrdammes. Anton wollte die Straße überqueren, aber schon hielt ihn der Schutzmann an: „Jetzt kommt niemand durch!" „Aber ich muß mit Hindenburg sprechen!" rief Klimaschka, — „Ach was, da gehen Sie später aufs Schloß und melden Sie sich dort!" war die Antwort. — ,^Jns Schloß? Auf die Post will ich, pieronie!!" Alles lachte. In diesem Augenblick bogen mehrere Offiziere um die Ecke. Die Menge schrie „Hurra!" Anton schwatzte unter dem Ge lächter der Menge mit dem Schutzmann aufgeregt weiter, so daß auch der hohe Offizier, um den sich alles ehrfurchtsvoll be wegte, darauf aufmerksam wurde. Es war Hindenburg. Ein Adjutant kam auf die beiden zu. Anton stand stramm und berichtete. Der Adjutant lachte auf und rief: „Ach so, mit dem Ort Hindenburg in Oberschlesien wollen Sie svrechen. das ist etwas anderes!" AVer schon war der Feldherr selbst aus ore Gruppe zugetreten. Das wohlwollende Gesicht erhellte sich in Heiterkeit, dann fragte er den forschen Verwundeten, wie er sich Auszeichnung und Tressen geholt hätte. Klimaschka sagte zuerst nur: „Also da war ja schont nich allzuviel, Exzellenz — ich hab' bloß meinen toten Oberst geholt." „Ach — den Oberst von Wedeler? Bei Nowogeorgiewsk. Mir ist ausführlich darüber berichtet worden. Das sind Sie — brav, mein Sohn!" nickte Hindenburg freundlich, mit seiner dunklen Stimme wohlwollend den verdutzten Anton anbrum mend. „Wenn die Russen die Papiere des Obersten geschnappt hätten, dann wäre Wohl Nowogeorgiewsk nicht so schnell erobert worden." Klimaschka sagte schlicht: „Das weiß ich nicht." Hindenburg lächelte, klopfte ihm auf die Schulter und schritt langsam weiter. An sein Mädchen konnte Anton nicht mehr telephonieren. Acht Tage lang war er bei begeisterten Landsleuten zu Gaste. Noch heute erzählt der Anton Klimaschka seiner Berta, wie seine Liebe zu ibr ibn mit dem Feldmarschall zusammenführte. Begleiten solle sie niemand, den Weg zu Tal kenne sie, und Gott werde sie schon vor Lawinen bewahren. Wir standen während dieser Rede still, so still eben hundert aufgebrachte, enttäuschte Männer stehen können. Wir baten und bettelten, wir schrien, daß die Berge ringsum widcr- hallten, aber all unser Toben war vergebens: rascher als wir es gewahr wurden, verschwand sie im Kantinengebäude... Da schlug unsere Stimmung in sinnlose Wut um. Wir orangen gegen den Wirt vor, Steine hagelten gegen die Kan tine. Wir drängten, schmissen, lärmten, zerstörten und merkten dabei nicht, wie sie sich durch die Hintertür davonmachte und die Halde hinab dein Talweg zustrebte. Wohl eine Stunde tobten wir, dann überkam uns die Erschöpfung. Bereitwilligst, alle Vorsätze und Versprechen vergessend, nahmen wir das vom Wirt dargcreichte Bier und schütteten es in uns hinein. Unsere Schädel dröhnten, als wir anderntags m den Berg fuhren, und nur widerwillig taten wir unser Werk. Träge schlichen die Schichtstunden dahin, es war keine gute Stim mung unter uns, keiner sprach mit dem anderen, keiner sah dem anderen in die Augen. Nach Schichtschluß eilten wir stracks in die Kantine. Der Wirt rieb sich die Hände: das Geschäft ließ sich wieder an. Wir aßen und tranken, und zum ersten Male seit Tagen hand habte er die Kreide! Auf unsere Frage, ob er wisse, wie Barbara zu Tal gekommen sei, antwortete er ausweichend. sie werde schon sicher unken fern, zumal die Weg? durchass gangbar seien. Allzu leicht nur ließen wir uns beruhigen, und beim schäumenden Bier gab es gar manchen unter uns, der unter Beifall meinte, es sei höchste Zeit gewesen, daß wir vom Ein fluß eines Wcibsrrockes freikamen. Ja, es fehlte nicht viel, und wir hätten dem Wirt ein Hoch ausgebracht. Daß es nicht dazu kam, lag außerhalb unseres Wollens. Plötzlich nämlich stürzte ein Kamerad, einer aus der Kolonne, die unsere Stromleitung regelmäßig zu kontrollieren hatte, in die Kantine. Er war höchst aufgeregt und stotterte etwas von Barbara, die nicht zu Tal gekommen sei, von einer niedergegangenen Lawine, von einem verschütteten Weg, von gestauten Wassern im Achcntobel, von einem gelben Köfferchen, das er gefunden haben wollte. Im ersten Erschrecken sperrten wir blöde die Mäuler auf, dann aber regten wir uns und eilten nach Werkzeugen. Alle samt hernach rasten wir zu Tal. Wir kamen zu spät. Eine mächtige Lawine war von einem sonst ungefährlichen Hang niedergcgangen und hatte in mäch tiger Breite alles niedergerissen, was ihr im Weg gestanden war. Umsonst schaufelten wir viele Lawinenbrocken beiseite, umsonst setzten wir tausendmal die Sonde ein, von dem Mädchen Barbara war keine Spur zu finden. Entsetzt schließ lich starrten wir in den Tobel, in dem tief unter dem Weg wilde Wasser brodelten: war unsere Königin, war unsere Barbara da hinunter gestürzt? War sie...? Mtt gesenkten Häuptern schleppten wir uns nach dem Grubengelande zurück. Von den Bergen strich der Föhn, und sein Brausen war uns wie Totengeläut. Die Kappen trugen wir in der Hand, stumm grüßten wir uns, als wir ausein ander und nach unseren Baracken gingen. Tage kamen und gingen. Der Sommer stieg vom Tale hoch. Immer noch rangen wir mit dem Berg. Und immer noch liefen wir an die Unfallstelle und suchten, ohne Erfolg. Der Weg zum Tobel wurde uns zur täglichen Wallfahrt, und cs kamen gar bald die Tage, da wir gar nicht mehr zu sagen wußten, ob Barbara tatsächlich unter uns gewesen war. Ge wiß, wir waren andere geworden seit der kalten Zeit, aber war darum ein Menschenkind vom Leben in den Tod ge gangen ...? Klimaschka war aufgesprungen und lief in seiner vollen Größe auf die Stelle zu, wo der Oberst lag. Penk — ein Schuß — Klimaschka schmiß sich hin, hob noch etliche Male die rechte Hand hoch, als wollte er sich aufraffen — dann lag er still. „Hab' ich's nicht gesagt?" murmelte der Hauptmann und kroch, wütend, wieder einen tüchtigen Kerl verloren zu haben, in seinen Unterstand zurück. Die Mannschaften knirschten mit Sen Zähnen; von drüben hörte man durch die Abendstille das höhnische Gelächter der Feinde. — Um Mitternacht sah der wachhabende Scharfschütze etwas schwarzes herankommen. Schon wollte er abdrücken. Da rief -ine leise Stimme: „Nicht schießen, ich bin's, pieronie, der Antek!" Dem sonst beherzten Scharfschützen, einem Landsmann Klimasch- kas, stieg ein klumpiges Gefühl in der Kehle auf. Gespenster stunde — dachte er einen Augenblick. Doch das Gespenst bekam scharfe Umrisse. Es war wirklich der Totgeglaubte, der wahr haftig den Leichnam des Obersten hinter sich her schleppte. „Klimaschka ist da!" ging's durch die Unterstände; bald war alles auf den Beinen und umringte ihn. Auch die Offiziere kamen. „Mann, ich denke, Sie sind tot!" rief der Hauptmann, lauter, als er beabsichtigte, so daß die russhchen Schützen ein Angriffskommando vermuteten und zu schießen begannen. „Ach wo, Herr Hauptmann, ich habe bloß so getan, damit die dort drüben glaubten, ich sei tot. Dann rutschte ich im Fin stern zum Herrn Oberst heran, schnitt ihn aus dem Stacheldraht heraus, und da bin ich, pieronie!" Klimaschka fiel in Ohnmacht. Jetzt merkten die Kameraden erst, daß er sich einen Notverband angelegt hatte. Der linke Oberarm war vollständig zerschmettert — ein Querschläger. Anton kam ins Feldlazarett und später nach Pose«. Die Heilung ging langsam vorwärts; der Arm blieb stei,. Mit dem Soldatsein war's also aus. Anton Klimaschka, ein oberschlesischer Bergmann, lag vot Nowogeorgiewsk im Schützengraben. Stellungskrieg. Er war ein Draufgänger und hatte sich den Krieg anders vorgestellt. Anton begriff Hindenburg nicht, der war doch sonst für „Be wegung", wenn auch in weit umfassendem Bogen... Da hieß es eines Tages: Das Fort III sollte genommen werden. Morgen früh 6.20 Uhr Sturm. Aber der Angriff scheiterte trotz der Tapferkeit und des Draufgehens der Unsern an der Uebermacht der russischen Festungsartillcrie. Man mußte in die Gräben zurück. Und der Regimentsführer war gefallen. Dort hing sein lebloser Körper... vom Stacheldraht Wie mit eisernen Klammern festgehalten. Der Brigadegeneral versprach das Eiserne Kreuz und Beförderung dem Wag halsigen, der den Leichnam des Obersten bergen würde. Was er nicht sagte, war, daß man in den Taschen des Gefallenen Papiere vermutete, die der Russe nicht finden durfte. Und als ob der Feind dies ahnte, beobachtete auch er den gefallenen Offizier. Einige Russen wollten an den Toten herankriechen; sie wurden abgewiesen. Nicht anders erging es unsern Kühnen. Auf beiden Seiten mehrten sich die Opfer. Scharfschützen lagen hüben und drüben Tag und Nacht auf der Lauer; es schien unmöglich, das Ziel zu erreichen. Anton Klimaschka ging sinnend umher, tagelang. „Deine Braut ist di.r Wohl untreu geworden?" scherzte ein Kamerad. — „Unsinn, pieronie!" sagte Anton. Eines Tages meldete er sich beim Hauptmann. Er wollte Eines sonnenreichen Spätwintertags, nach Schichtschluß, so gegen fünf Uhr also, kam Barbara zu uns herauf in das Grubengelände, das zu den höchstgelegenen Europas zählt. Sic kam allein die vier Stunden von der letzten Ortschaft im Tale hoch, und sie kam ohne Furcht auf lawinengesährlichcm Wege zu uns hundert wilden Männern, die wir gezwungener maßen ein frauenloses Leben führten. Natürlich standen wir alle vor dem einzigen steinernen Gebäude des Lagers, vor dem Kantinengebäude, und erwarteten sie... Das letzte Hausmädchen des Kantinenwirtes war vor Monaten oben gewesen; das lunge Ding, fast noch ein Kind, hatte sich zu einsam in der Verlassenheit unserer ewig Weißen Bergwelt gefühlt und war zugleich mit der erkrankten Kan tinenwirtin, die in ein Spital gebracht werden mußte, zu Tal gegangen. Erst auf unser mehrmaliges Drängen hin hatte sich der Wirt entschlossen, ein neues Mädchen zu verpflichten, und nun erwarteten wir die Nene, die von Angesicht niemand kannte, von der wir aber wußten, daß sie auf den schönen Mmen Barbara hörte. Als wir sie, einen dunklen Punkt inmitten einer grell weißen Fläche, erblickten, schrien wir begeistert auf und eilten ihr entgegen. Sie tat höchst erfreut, lachte, sagte einige frohe Begrüßungsworte mit einer warmen Stimme, die uns durch und dmch ging, und kletterte mit uns nach der Kantine hoch. Auf unsere vielen Fragen, wie es in der Welt draußen aus sieht, wie es ihr hier oben gefalle, ob sie uns morgens das Frühstück servieren werde, ob sie schilaufen könne und der gleichen mehr, antwortete sie ausweichend, sie wolle sich erst einmal verschnaufen, dann müsse sie der Wirt in ihre Pflichten einweihen, aber sie glaube bestimmt, daß es ihr gefallen werde. „Wo sovicle brave Jungs schaffen, wird man schon zufrieden leben können", sagte sie, obwohl sie nicht wußte, was sie uns damit gab. Wir waren allesamt des Lobes voll über das Mädchen, und wir bedauerten es, daß Barbara sich, nachdem sie dem Wirt in die Küche gefolgt war, nicht mehr zeigte. Wir fühlten uns irgendwie beglückt, und wir gaben unserer Freude den für uns einzig möglichen Ausdruck: wir tranken, tranken, bis wir voll waren und nur mit Mühe nach unseren Baracken zurückfanden. Obwohl wir nie vor sechs Uhr in den Berg fuhren, waren wir anderntags schon nach vier Uhr vor der Kantine und ver langten lärmend Einlaß. Der Wirt öffnete mürrisch und schalt uns verrückt, aber das Mädchen Barbara, das längst munter gewesen sein mußte, lachte uns fröhlich an und brachte tän zelnd das Frühstück, Polentasterz und schwarzen Zichorien kaffee. Umständlich verzehrten wir das gewohnte einfache Mahl, und es war mancher unter uns, der sich zwei Portionen kommen ließ, nur daß Barbara an den Tisch treten mußte. In der Grube, vor Ort und in den Stollen, kreiste das Gespräch nur um sie. Es gab nur Worte des Lobes, alles an ihr schien uns vollendet, was kein Wunder war, denn wir hatten ein Jahr lang kein ordentliches Frauenzimmer ge sehen. (Die Wirtin war dank ihrer Krankyeit eine zänkische Alte, und die zu Tal gewanderte Vorgängerin Barbaras war mit ihren fünfzehn Jahren noch kein rechtes Weib gewesen.) Wir träumten von Barbaras Gunst, während wir dem harten, tückischen Berg zu Leibe gingen. Wir sangen mit unseren rauhen Stimmen im Takte der Preßluftbohrer Weiche Lieder, die sich auf sie bezogen. Wir neideten die Kameraden, die schichtfrei waren, und wir glaubten allen Ernstes, sie könnten Mts ein Stück von ihr nehmen. Den Abend verbrachte Barbara in unserer Mitte. Wir tranken, wie wir es gewohnt waren, aber wir tranken uns nicht voll und dämmten jedes Geschrei, denn sie hatte durch blicken lasten, daß sie laute und betrunkene Männer nicht achten könne. Tag um Tag wurde sie uns vertrauter, und Tag um Tag wuchs sie uns mehr ins Herz. Wir verspürten nicht, wie sie uns nach und nach zu anderen Kerlen erzog. Hatten wir bis zu ihrer Ankunft unser Aeußeres aufs gröblichste vernach lässigt, so trachteten wir Plötzlich anständig, sauber und — ja wohl! — fesch zu gehen. Nicht mehr rissen wir Zoten und gröhlten tolle Lieder, nein, wir gaben uns gesittet und wechselten zu den harmlosen Spielen, die sie uns lehrte. Unser Alkoholverbrauch verminderte sich zusehends, daß es uns zu unserem Erstaunen mit einem Male gelang, Ersparnisse zu machen, was aber naturgemäß der Wirt nicht gern sah und was zu ernsten Auseinandersetzungen zwischen ihm und Bar bara führte. Die freien Sonntage verbrachten wir nicht mehr zumeist m der Kantine, wir liefen tagsüber Schi auf den Hängen, die das Grubengelände bis hinauf zu den Gletschern begrenzten. Braungebrannt, voller Sonne und wahrhaftig erholt von einer Woche hartem Schaffen unter Tag, kehrten wir bei Anbruch der Dunkelheit in unsere Baracken zurück und gingen nicht ein einzig Mal hinüber zum Wirt, weil wir wußten, daß Barbara die Sonntagsabende allein in ihrer Kammer zu ver bringen Pflegte und weil uns ohne sie ein Herumhocken in der Kantine zwecklos dünkte. Obwohl sie jung war — Mitte der zwanzig vielleicht — gab es keinen unter uns, der auch nur Lust verspürte, mit ihr anzubandcln. Nicht nur, daß das von vornherein aussichtslos gewesen wäre, alle andern wären wie ein Mann aufgestanden! Sie galt uns mehr als irgendein Weib, sie war uns Schwester, Mutter und . . . Königin. Vielleicht ist der Begleich mit einem Bienenvolke der einzig richtige, wenn ich sagen will, wie wir zu ihr standen: wir waren das Arbeitsvolk, sie war die Herrin, die uns den Weg wies zu einem Schaffen, das Nutzen brachte jedem einzelnen und dem Ganzen und nicht schlechtweg den Erwerb des Lebensnotwendigsten. Unser Leben drehte sich um sie, und wir waren derart selbstsüchtig dabei, daß wir vergaßen, wie sehr auch sie ein Menschenkind, eine unsersgleichen, war. Wohl wußten wir, daß der Wirt ihr gram wurde, Wohl hörten wir von öfteren Auseinander setzungen zwischen Dienstmagd und Herrn... aber diese Dinge glitten an uns vorbei. Solange vorbei, bis... Eines Tages kam ein schichtfreier Kamerad in die Grube gelaufen mit der Alarmnachricht, der Wirt wolle Barbara Hals über Kopf zu Tal schicken. Wir ließen alles stehen und liegen und eilten über Tag. Vor dem Kantinengebäude drängten sich drohend die Kameraden. Der Wirt wollte eine Erklärung abgeben, aber wir schrien ihn nieder und verlangten nach Barbara. Bleich, nicht die alte Fröhliche, jederzeit Gutgelaunte, er schien sie, schon im Reiseklsid und mit einem winzigen gelben Köfferchen. Wir schrien Vivat und Hoch und erklärten, sie auf keinen Fall fortlassen zu wollen. Langsam, Schritt für Schritt, trat sie aus der Tür, am Wirt, der fortwährend mit dem Kopfe schüttelte, vorbei, uns entgegen. Dann lebte sie das Köllercken ab und ivrach auL
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