Volltext Seite (XML)
Nr. 164 — 95. Jahrgang Wilsdruff-Dresden Donnerstag, Len 16. Juli 1936 Drahtanschrift: „Tageblatt Postscheck: Dresden 2040 Uli Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen und des Stadt rats zu Wilsdruff behördlicherseits bestimmte Blatt und enthält Bekanntmachungen des Amtsgerichts Wilsdruff, des Finanzamts Nossen sowie des Forstrentamts Tharandt. Nationale Tageszeitung für Landwirtschaft und Tageblatt" erlchetnl werktags nachm 4Uhr BezugSPr. monatl.2RM. fiel Hau«. bel Postbestcllung l,8» RM. zuzügl. Bestellgeld. Einzelnummer 10 Rps. Alle Postanstalten, Postboten, unsere Austräger u Geschästsstelle oehmm zu jeder Zeit Be- slellungen entgegen Im Falle höherer Gewalt oder Wochenblatt fUk Wllsdkllff U. UMgegeNd sonstiger Betrtebsstörun. gen besteht kein Anspruch aus Lieferung der Zei ¬ tung oder Kürzung des Bezugspreises Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Rückporto beilicgt. alle anderen Stände des Wilsdruffer Bezirks Anzeigenpreise laut anfktegender Preisliste Nr 6. — Z t f f e r - G c b ü h r : 2g Rpig. — Porgesch-t» bene Erscheinungstage und Plahwünschc werden nach Möglichkeit berücksichtigt. — Anzetgen-Annahm« bis vormittags w Uhr .. Mr die Richtigkeit d« durch Fernruf übermit- Fernsprecher: Amt Wilsdruff 206 teilen Anzeigen übernA men wir keine Gewähr. — Bei Konkurs und Zwangsvergleich erlischt jeder Anspruch aus Nachlaß Siir -ie -entsch-englische BeWdigWg. Eine Veranstaltung der Angla-German Fellowship. Die Angla-German Fellowship veranstaltete im Dor chester-Hotel inLondonzu Ehren des Herzogs und der Herzogin von Braunschweig ein Essen, an dem zahlreiche führende Persönlichkeiten der englischen Politik und der Wirtschaft und ihre Damen teilnahmen. Nachdem auf den Führer und den König von England der Toast ausge bracht worden war, ergriff zunächst der frühere britische Botschafter in Rom, Lord Rennell of Rodd, das Wort. Er erklärte, daß die große Mehrheit der breiten Masse in England freundschaftliche Beziehungen mit Deutschland herzlichst wünschte. Gleichzeitig wies er aus die alte traditionelle Verbundenheit beider Länder hin. Lord Lothian: Rückkehr zur Zusammenarbeit. Nach Lord Rennell of Rodd hielt der bekannte eng- kssche Politiker Lord Lothian eine großangelegte Rede, die er mit der Feststellung eröffnete, daß in den Beziehungen zwischen England und Deutschland ein Stadium erreicht sei, das gleichzeitig voller Hoffnu n g en und B e fü r cht u n g e n sei, die, wenn man sie ergreife, der Welt den 25jährigen Frieden geben könne, von dem Adolf Hitler im vergangenen März ge sprochen habe. Nehme man aber die Gelegenheit nicht wahr, so werde man vielleicht der Katastrophe entgegen steuern. Der Redner fragte, ob man die Streitigkeiten der letzten 30 Jahre fortseben lassen wolle, oder ob man gewillt sei, einen neuen Zeitabschnitt für die Menschheit zu beginnen. Das sei die Kernfrage, der man heute gegenüberstehe. Er glaube, daß die Stimmung auf beiden Seiten eine Rückkehr zur Zusammenarbeit ver- lange. Allerdings glaube er im Hinblick auf die Ereig- mste des letzten oder der letzten beiden Jahre auch, daß der erste und entscheidende Schritt zur Ergreifung der jetzigen Gelegenheit nunmehr von England getan werden müsse. Dieser Schritt müsse darin bestehen, ein für allemal auf das zu verzichten, was in Deutsch ¬ land der Geist von Versailles genannt werde. Was die Kriegsschuldfrage angehe, so bestehe bereits Nebereinstimmung, nämlich darin, daß nicht eine Nation allein ausschließlich für den Krieg verantwortlich gemacht werden könne. Im Blick auf die Bestimmungen des Ver sailler Diktats erklärte Lord Lothian, keine große Nation könne sich solchen Einschränkungen auf allen Seiten unter werfen. Das sei der erste Punkt, über den man sich klar werden müsse. Lord Lothian kam hierauf auf den Völkerbund zu sprechen, der niemals imstande gewesen sei, die Deutschland zugefügten Ungerechtigkeiten gemäß den Ab sichten des Präsidenten Wilson abzustellen. Es sei nie mals ein wahrer Völkerbund gewesen, weil so viele seiner Mitglieder nicht imstande waren, sich von der Ueberlieferung von Versailles loszulösen. Er sei, so fuhr Lord Lothian fort, ein Anhänger des Völkerbundes. Die Welt brauche notwendigerweise irgendeine Form von internationaler Organisation. Wichtiger aber sei, daß der Völkerbund überalterte Verträge revidiere, als daß er die Macht habe, einen Angreifer in Schranken zu halten. Wenn er die Kriegsursachen rechtzeitig besei tigen könne, werde die Angrisfsfrage niemals entstehen. Die eigentliche Probe stehe der Genfer Einrichtung noch bevor, nämlich die Frage, ob der Völkerbund die Ver- tragsrevision auf friedlichem Wege zustande bringen könne, die Deutschland denjenigen Platz in der Welt geben werde, auf den es Anspruch habe. Hierdurch würde d»r Menschheit vor dem Unglück eines neuen Weltkrieges be wahrt werden. Lord Lothian beschäftigte sich dann mit der Politik des nationalsozialistischen Deutschlands und erklärte, er habe die einseitige Wiederbesetzung der Rheinlande begrüßt, nachdem der französisch-russische Pakt ratifiziert worden fei. Er glaube, daß die Hauptverantwortung für die Erzwingung dieser Verletzung bei den Nationen liege, die nicht anerkennen wollten, daß die einseitigen Diskriminie rungen nicht 15 Jahre lang nach dem Waffenstillstand ausrechterhalten werden könnten. Deutschland habe heute sowohl die Gleichberechtigung als auch die Macht. Für die britische Regierung bleibe ledig lich zu tun übrig, ein für allemal auf das verhängnis volle System zu verzichten, das darin bestehe, sich zuerst mit Englands Freunden zu besprechen und dann die Er gebnisse dieser Besprechungen als eine Art Ultimatum Deutschland vorzulegen. Ein Beispiel für dieses System '«i kürzlich der Fragebogen gewesen. An die Stelle dieses Systems muffe eine freie, gleiche «nd freimütige Beratung am runden Tisch treten. Der Redner empfahl England einen Verzicht auf die beabsichtigte Brüsseler Locarnokonfercnz und schlug statt dessen eine gemeinsame Aussprache vor. Nachdem Lord Lothian sich mit der osteuropäischen Frage beschäftigt hatte, erklärte er, in dem gleichen Maße, in dem eine Lösung der osteuropäischen Frage erreicht werde, müsse das Kolonial- und Wirtschastsproblem naturnotwendig in den Vordergrund treten. Es sei eine Weltfrage. Persönlich glaube er nicht, daß das Problem durch die bloße Rückgabe der alten deutschen Kolonien an Deutschland gelöst werden könne. Das würde Deutschlands Bedürfnissen unter den veränderten Bedingungen der heutigen Zeit nicht entsprechen. Die Frage müsfe auf einer viel weiteren Grundlage erwogen werden. Alle Kolo nialmächte müßten gewillt sein, ihren Beitrag zu einer Gebietsübertragung zu leisten. Die im Artikel 22 der Völkerbundssatzung nieder gelegten Grundsätze müßten allgemein angewandt wer den. Es sei weit wichtiger, daß der Völkerbund, möglichst mit Deutschland als Mitglied, im kommenden September ernstlich an dieses riesige Problem herangehe, als daß er verfuche, wieder ein Sanktionsshstem herausznstellen, das lediglich dazu verwendet werden könne, einen überalterten Status guo aufrechtzuerhalten. Die wichtigste Frage von allen sei schließlich die Einstellung des gegenwärtigen Rüstungs- wettbcwerbes. Die eigentliche Gefahr bestehe heutzutage darin, daß die Welt sich allmählich in eine Lage hineinmanövriere, aus der es wie im Jahre 1914 kein Entkommen mehr gebe. Aus diesem Grunde begrüße er Veranstaltungen wie die heutige. Denn ein wiedererstandenes England und ein Wie in unterrichteten Kreisen Wiens verlautet, wird die von Bundeskanzler Schuschnigg bei der Bekanntgabe des deutsch-österreichischen Abkommens angekündigte Amnestie am 25. Juli, dem zweiten Jahrestag des Dollfuß-Mordes, in Kraft treten. Die Amnestie wird alle aus rein politischen Gründen in Haft befindlichen Ratio- nalsozialisten erfassen. Man nimmt an, daß auch der ehe malige Minister Rintelen auf Grund der Amnestie frei- gelassen werden wird. Bei seinem Amtsantritt empfing Staatssekretär für Aeutzeres Dr. Schmidt die Beamtenschaft des auswär tigen Dienstes. Er erklärte in einer Ansprache u. a., er sei überzeugt, daß alle Oesterreicher das zustande gekommene WerkderVersöhnung aufrichtig begrüßen würden: denn außenpolitisches Geschehen berühre das Einzelschicksal aller Menschen, denen dieses Land als Lebensraum zu gewiesen sei. Der Auftakt zu dem, was nun kommen solle, müsse von jedem als erfreulicher Fortschritt bezeichnet werden. Im übrigen beschäftigen sich alle politischen und wirt schaftlichen Kreise mit den Auswirkungen des Abkommens. Die Vaterländische Front hat in allen Bezirken Versammlungen angesetzt, in denen die Gründe und die Folgen des Abkommens erörtert werden sollen. Einzelne Handelskammern haben schon mit der Besprechung der schwierigen wirtschaftlichen Fragen eingesetzt. An zustän digen Stellen wird über Dcvisenfragen, Freigabe der Grenze, wirtschaft liche Maßnahmen und geistigen Austausch verhandelt. An den Grenzstationen, in den Hotels und in den Orten, die früher vom deutschen Reiseverkehr gelebt haben, herrscht Hochspannung. Tausend Fragen liegen in der Luft, die noch niemand beantworten kann: Wie wird es mit dem Reiseverkehr, wie mit dem Geld, zu welchem Kurs wird die Mark eingewechselt und dergleichen mehr. Alle warten auf die Lösung dieser Fragen, die vornehm lich für die österreichischen Älpenländer Lebensfragen sind. Die Logierhäuser, die durch den Ausfall der deutschen Gäste in den drei Jahren der Grenzsperre ruiniert sind, hoffen endlich auf eine Wendung. Wo früher hundert Gäste im Sommer und im Winter gezählt wurden, sind in den letzten Jahren vier oder fünf freies und gleiches Deutschland hätten es in ihrer Macht, dieser Lage entgegenzutreten, die heute die Welt bedrohe. Nachdem der Präsident der British Legion, General major Sir Frederick Maurice, über die Freundschafts besuche englischer und deutscher Frontsoldaten gesprochen hatte, sprach der Herzog von Braunschweig. Unsere beiden Völker, so betonte der Herzog, können sich freuen, daß diese gegenseitigen Besuche von Frontkämpfern sowohl von Ihrem als auch unserem Staatsoberhaupt so warm gefördert wurden. Es war Ihr König, der seinerzeit als Frontkämpfer die Anregung zu einem Besuch eng lischer Frontkämpfer in Deutschland gab, und unser Führer hat einmal die Ueberzeugung ausgesprochen, daß nur Männer, die wirklich vier Jahre lang im Felde gestanden haben, in besonderem Maße zu Frieden und Verständigung beitragen können, gerade weil sie die Schrecken des Krieges kennen. Das deutschc Volk will ja Freundschaft mit England! Der Redner verwies weiter auf die sportliche Verbundenheit beider Völker. „Wir in Deutschland", so fuhr er fort, „sehen den Olympischen Spielen entgegen und freuen uns über die große Zahl von Engländern, die ihre Teilnahme zu gesagt haben." Der Herzog schloß seine Rede mit den Worten: Wir sehen der Zukunft hoffnungsvoll entgegen und glauben unbeirrt daran, daß unsere beiden Völker immer näher Zusammenkommen werden, zu ihrem eigenen Besten, zum Besten Europas und zum Besten der Welt. Hierauf ergriff Botschaftsrat Fürst Bismarck, der deutsche Geschäftsträger, das Wort zu einer Rede, in der er in großen Zügen Ziel und Zweck der Anglo- German Fellowship und der Deutsch-Englischen Gesell schaft schilderte. Er glaube sagen zu können, daß täglich die Erkenntnis an Boden gewinne, daß ein freundschaftliches Einvernehmen zwischen England und Deutschland einer der Ecksteine für die Erhaltung des Friedens in Europa sei. Die Schlußworte sprach Präsident Lord Monnt Temple, der die Aüfgabe der Anglo-German Fellowship in die Worte zusammenfaßte: „Wir sind heute abend vereint, um zwischen den beiden Ländern gute Kamerad- ickakt und Freundschaft zu pflegen und zu fördern." erschienen. Die Preise wurden furchtbar gedrückt. Die rejchsdeutschen Besitzer von Hotels und Pensionen sind am schlechtesten daran gewesen. Die große Propaganda hat nur den großen Hotels etwas gebracht, und auch das erst im letzten Jahre. Wie verlautet, sind zum Beispiel in Innsbruck in den Rechnungsjahren 1932 bis 1934, soweit der Fremdenver kehr in Betracht kommt, die Einnahmen um 2 Millionen Schilling zurückgegangen. Bis 1935 sind dann die Ein nahmen immer weiter abgeglitten: Erst vom August 1935 ab hat sich die Propaganda etwas aus gewirkt, wobei aber zu beachten ist, daß Anfang 1936 fran zösische, englische und holländische Gäste, die bei der Olympiade in Garmisch-Partenkirchen waren, nachträglich. nach Innsbruck gekommen sind und von dort aus die schneesicheren Gebiete am Arlberg und im Oetztal besucht haben. Die Erträge der Fremdenverkehrssteuern wurden dadurch in den letzten Monaten wieder etwas höher. Eine grundsätzliche Besserung ist, wie offen zugegeben wird, ohne Deutschland überhaupt nicht möglich. Die Not der Abgebauten in Innsbruck, den kleineren Städten und den Dörfern, die Not derer, welche keine Aufträge von der Gemeinde mehr erhalten konnten, ist die Not aller Einwohner der Alpenländer. Es gibt heute noch Gemeinden, in denen die Unterstützung der Arbeitslosen wegen Geldmangels ausfällt. * Konzentrationslager Wollersdorf Vir geschloffen. Man rechnet in Wiener politischen Kreisen mit der Freilassung von etwa 1300 Inhaftierten; zurückbehaltcn sollen etwa 200 Personen bleiben, deren Vorgehen nicht allein unter politischen, sondern auch unter kriminellen Gesichtspunkten gewertet wurden. Das Konzentrations lager Wöllersdorf soll gänzlich geschlossen werden. Weiterhin ist die Einsetzung einer Kom mission geplant, die alle im Laufe der letzten Jahre ergangenen Disziplinarverfügungen politischen Hinter grundes, wie fristlose Entlassung aus dem Staatsdienst, Entziehung von Pensionen usw., einer nachträglichen Prü- fung unterziehen soll. Oesterreich in ErMtWg -er Amnestie. Inkrafttreten vermutlich am 25. Juli — Das Land hofft aus wirtschaftliche Regelung mit Deutschland.