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Zwischen Giftschlangen und Skachelpalmen. HMe. An diesem Nachmittag kamen wir von „Wimi", dem Häuptling der Kaskiha. Auf schmalen Pfaden, quer durch Quebrachogestrüpp und malariaverseuchte Stachelpalmen wälder ging der Ritt; schließlich hielten wir uns an den Lauf eines Baches, der sicher in das Lager der Tümereha zurück- sühren mußte. Die Indianer sangen ihre uralten Litaneien, schauerlich gaben die Baumstämme das Echo zurück. Als wir auf einer Lichtung angelangt waren, schwiegen die Roten und ermunterten uns zu scharfem Trab. Offenbar bereitete es ihnen Vergnügen, zu zeigen, daß ihre nackten Füße schneller seien als die eisenbeschlagenen Hufe der Pferde. Wildschweine greifen an. Plötzlich aber stutzten die Läufer und erkletterten in wilder Panik die nächsten, alleinstehenden Bäume. Aus dem Wald zur Rechten schlug ein seltsames Geräusch an unser Ohr. Wie das Zähneklappern eines Fiebernden, nur in vieltausend facher Verstärkung, hörte es sich an. Und Plötzlich brachen Wildschweine in unzähligen Rotten aus dem Urwalddickicht. In wenigen Sekunden waren es Hunderte unheimlich ab gemagerter Eber und Sauen, junge und alte Tiere, die vor uns auf der Wiese ein wahres Hölleninferno veranstalteten! Die Rudel kesselten uns ein... Aufdringlich, wie ekles Mos kitogeschmeiß, schepperten die vorwitzigsten Keiler heran, schlugen mit einer Heftigkeit die Kiefer gegeneinander, als sollten die fauligen Zähne vor die Hufe der Pferde kollern... In höchster Erregung schrien und winkten die Tumerehas von den Bäumen. Wir gaben Schnellfeuer aus unseren Ge wehren. Ohne lange zu zielen, schossen wir in die sich drängenden und stoßenden Haufen hinein. Der Eisenhagel aber schien nur die Kannibaleninstinkte der Bestien zu ent fesseln. Wie Wölfe fielen sie über die verwundeten Artgenossen her und schlangen ihr Fleisch in großen Brocken... Da erst begriffen wir die „feige" Taktik der Indianer und versuchten, über die Rudel hinweg zu setzen. Aber nach wenigen, nervösen Sprüngen sackten die Pferde mit aufgerissenen Fesseln hol pernd und taumelnd in die Knie... Als wir, wie durch ein Wunder in die Aeste, neben die Tumerehas gelangt,, zur Be sinnung kamen, hatten die rasenden Tiere unsere Kameraden bereits bis auf die Skelette abgenagt. Ebenso plötzlich, wie sie aufgetaucht waren, verloren sich die Wildschweine. Nach einer halben Stunde konnten wir unbehelligt die Baumverstecke verlassen. Das Tanzfcst... Am Abend feierten die Tumerehas unsere Errettung von den struppigen Teufeln, die immer in Rudeln — oft bis zu lausend Stück — auftreten, um ihren Hauptfeind, den Jaguar, m Schach zu halten. Es gab ein Tanzfest... Die Lagerfeuer schwelten. In ihrem gespenstischen Schein tanzten die Männer. Mit den Federn des blauen Papagei an Armen und Bemen geschmückt, hüpften und sprangen sre nach dem Rhythmus der Kürbisrasseln. Von ihren Hälsen baumelten die Schwanzringe der Klapperschlange. Ekstatisch stießen die Zauberärzte in ihre Wundervoll gekerbten, langen Brüllrohre. Unter Mückennetzen, bei Honigbier und Algarrobo, einer Johannesbrotfrucht, folgten wir gespannt jeder Bewegung der Tänzer. Bald brachten uns Weiber das über frischen Feuer- löchern gebratene Fleisch junger Gürteltiere. Sie beachteten das Tohuwabohu raum und kauten gleichgültig Mais und Zuckerrohr. In Bächen lief den Männern der Schweiß über das völlig rot bemalte Gesicht, dennoch setzten die Kürbis rasseln der Mädchen keinen Augenblick aus. Dumpf dröhnten die Rinderhorntrompeten der Jünglinge. Manchmal schauerte ihr Klang wie das Stöhnen des Jaguars zur Brunstzeit. Ganz willkürlich, ohne Uebergang für uns Weiße, ver- siummte auf einmal das Konzert. Den Tumerehajünglingen und -mädchen fielen die Instrumente aus den Händen. Nur noch ein wenig hüpften die Tänzer, sie wippten auf den Zehenspitzen, fast entspannt; in kurzen, kleinen Rucken schoben sie sich auf der Stelle um die eigene Achse. Nach einer Weile griffen die Medizinmänner zu den Flöten. Kalt und spitz kamen die Töne aus den Instrumenten, seltsam erregend, als habe man feinen, dünnen Regen durch eine geheimnisvolle Manipulation zum Klingen gebracht... Jetzt standen die Männer wie angewurzelt, nur rhre Muskeln zuckten noch. Wie hypnotisiert von den Klängen, die nicht von den Lippen der Zauberer, sondern aus dem unermeßlich fernen All des S-ternenbogens über uns zu tropfen schienen, vergaßen wir Honigbier und die Reste der Gürteltiermahlzeit... starrten abwechselnd auf die rot und blauschwarz bemalten Körper der Männer, dann wieder mit weit aufgerissenen Augen in tue phantastisch züngelnden Flammen der Lagerfeuer... Schlangcniiberfall. Da fiel ein Schrei, hart und schrill wie ein Peitschen schlag: „Otai!" — Der Schreckensruf ertönte unter einem Stachelpalmenbaum. „Otai!" — „Meine Mutter!" Me „Ana" war aus dem Geäst gefahren, das furcht barste Schlangentier des nordöstlichen Chaco! Die Zauberer wußten es, sie waren die ersten bei dem unglücklichen Opfer, einem Rinderhornbläser, der sich in gräßlichen Zuckungen wälzte und krümmte. Von der „Ana" war nichts mehr zu sehen, blitzschnell hatte das zwei Meter lange, gelbschwarze, männerarmdicke Tier drei, vier Muskelbrocken aus den Schen keln des Jünglings gerissen — mit weit aufgesperrtem Rachen, wie stets — Wunden, die nun nicht mehr heilen würden... Das war das Grauenhafte! Die Bisse der „Ana", die ihre Opfer nicht umschlingt und erwürgt, sondern anschlägt, von oben nach unten, heilen nicht! Die Wunden, große Löcher, bleiben von der Mitte bis zu den Rändern nach allen Seiten hin rauh und roh, lange, oft jahrelang, ohne viel zu eitern, bis der Gezeichnete eines Tages Plötzlich umfällt, in Krämpfen, mit Schaum vor dem Munde, wenn das Gift sich erfüllt... „Otai! Otai! Otai!" — „Mutter! Mutter!" Immer schwächer wurden die Schmerzcnsschreie des Jünglings. Ein Teil der Medizinmänner hatte kaltes Wasser zur ersten Waschung der Wunden herbeigeschleppt, eine andere Gruppe schüttelte aus wunderlich bemalten Tonkrügen ganze Hügel getrockneter Termiten. Sie wurden angezündet, in ihren Rauch hielt man den Kopf des Wimmernden. Nach zwanzig Atem zügen trat Betäubung und Schmerzlinderung ein... Abgebrochen war das Fest, dumpf klagten die Weiber vor sich hin, als der Erstarrte auf einer Hängematte unter em Moskitonetz geschoben wurde. Zehn Jünglinge, von einem Zauberer beaufsichtigt, hielten Nachtwache. Die Tänzer aber krochen wortlos in ihre Hütten. Von ferne kam der Ruf des Jaguars... Der Starrsinn. Heitere Frühlingsgeschichte von Ernst W. Freißler. Jeserichs, knapp über die Flitterwochen hinaus, wollten zum Wochenend eine Paddelreise machen. Jeserich hatte kurz zuvor ein paar hundert Mark einkassiert, viel Geld für junge Leute. Für die Bank war es zu spät gewesen, so hatte er irgendein Versteck im eigenen Neubauhäuschen suchen wollen. Aber die junge Frau widersprach: Das viele Geld tagelang im leeren Hause? Nein und nein; sie würde keinen ruhigen Augenblick haben! Sie wollte es mit sich nehmen, in einer Brieftasche auf dem Leibe tragen, da sei es am sichersten! So fuhren sie los, mit dem Zug nach Mecklenburg hinauf und im Faltboot zurück. Auf dem Müritzsee kamen sie rn schlechtes Wetter, Jeserich schwankte schon, ob sie die Ueber- fahrt noch wagen sollten, als aber seine Frau fragte, ob er Angst habe, kehrte er den alten Sportler heraus und meinte, Angst kenne er nicht. " So fuhren sie über den stürmischen See. Um nicht zuviel Wasser ins Boot zu bekommen, hatten sie die Spritzdecke ganz dicht gemacht. Als sie aber schließlich doch kenterten, wäre ihnen das fast zum Verhängnis geworden, weil sic nicht frei- kamen. Endlich strampelte sich Jeserich mit aller Gewalt los, ging an die Oberfläche, holte sich eine Lunge voll Luft und tauchte sofort wieder, als er nur das kieloben treibende Boot und nichts von seiner Frau sah. Schließlich entdeckte er sie: Auch sie war freigekommen, aber versehentlich gerade unter dem Boot aufgetaucht. Nun stak sie mit dem Kopf in der Sitzöffnuirg und atmete erst ein wenig von der eingeschlossenen Luft, ehe sie erneut tauchte. Jeserich holte sie heraus, und sie schwammen, das gekenterte Boot zwischen sich, auf das Land zu. Sie froren entsetzlich und waren überhaupt erschöpft, doch nicht so sehr, daß sie nicht noch Kräfte zu einem kleinen Streit aufgebracht hätten: „Du bist schuld — warum hast du so weit vom Lande abgehalten!" bibberte die Frau. Der Mann klapperte erst eine Weile mit den Zähnen, ehe er herausbrachte: „Und du? Du hast die eine Welle falsch pariert... davon ist alles gekommen!" Bald wurde es ihnen aber doch zu anstrengend, sic hatten den Wind gegen sich, das Ufer kam und kam nicht näher. „Ach was!" sagte die Frau plötzlich und wollte sich sinken lassen. Da zeigte es sich, daß hier das Wasser ganz seicht war, kaum brusttief. Nun wateten sie an Land und zogen das Boot mit sich. Auch so brauchten sie noch alle Willenskraft, um nicht unterwegs umzusinken. Als sie das Boot endlich auf dem Strand hatten und umdrehten, mußten sie feststellen, daß ihre ganze Habe ver schwunden war — nicht nur Bootskissen, Kocher und Geschirr, auch ein neuer Photoapparat, zwei Mäntel und sonst einiges. „Jetzt sollte auch noch das Geld futsch sein!" sagte der Mann und ließ für alle Fälle einen Fluch los. „Lächerlich!" sagte die Frau, griff an die Brusttasche der Trainingsjacke und erschrak: Der Knopf war, vielleicht vom Wasserdruck, weggeplatzt, die. Tasche leer. M folgte eine Aussprache, die den Flitterwochen unwiderruflich ein Ende setzte: „Hätte ich geahnt, daß du so roh bist!" und „Hätte ich geahnt, daß du so doof bist!" so ging es hin und her. Dann mußten sie mildherzige Leute suchen, die ihnen trockene Kleider und das Fahrgeld nach Berlin liehen. Dort aber fanden sie ihr Bororthäuschen geplündert. Schränke und Schübe durchwühlt und ausgeraubt. Zwar waren sie gegen Einbruch versichert, aber es gab ihnen doch einen Schlag; im ersten Schreck schlang Jeserich den Arm um die weinende Frau und zog sie an sich. Ehe sic sich sinken ließ, trumpfte sie unter Tränen auf: „And ich habe doch recht gehabt; das Geld war bei mir sicherer als hier!" Jeserich widersprach nicht. Eine ganz große Erfindung. Lustige Skizze von Paul Reinke. Manchmal liegen Phantasie und Wirklichkeit so nahe bei einander, daß man sie mit einem Schritt verbinden kann. Aber die eigene Klugheit, die oftmals die größte Dummheit ist, hindert uns oft, diesen einen Schritt zu tun. An einem trüben Herbstnachmittag hatte ich ihn als schlecht spielenden Schachpartner kennengelernt. Indem er sich als Doktor Franzke vorstellte, erfuhr ich, daß er Chemiker sei und nicht sehr mit Gütern des Glücks bedacht war. Bis er auf einmal mitten im Spiel meinte: „Wollen Sie mir nicht hundert Mark leihen — oder sich vielmehr an meiner Erfindung Rotor beteiligen?" In einem Atemzug sprach er fort. „Seien Sie gewiß, wir können damit Tausende verdienen." Im Moment war ich sprachlos, daß die Frechheit der Betrüger so weit ging, daß sie einem das Geld mitten im Kaffee aus der Tasche ziehen wollten. „Hier bitte, meine Karte." Oc G. Franzke, Erfinder, Berlin W, Strahlenheimer Straße 78. „Ja, aber sagen Sie einmal, mein Herr, ich kenne Sie gar nicht und da wollen Sie so einfach von mir hundert Mark ge borgt haben?" „Meine Karte dürfte Ihnen genügen. — Sie können sich ja erst einmal Rotor ansehen, ehe Sie sich daran beteiligen." „Aber", meinte ich, „was ist denn eigentlich Rotor?" „Was ist? Wer ist Rotor, müssen Sie fragen. Rotor ist mein Eisenmensch der genau so sprechen wird wie wir. Ich sage Ihnen, Tausende wird er uns einbringen. Was sage» Sie nun?" Ich sagte gar nichts, well ich wußte, einen jener arme« Wahnsinnigen vor mir zu haben, die eines Tages an ihrer eige nen Idee zugrunde gehen. Ich wollte den armen gequälten Menschen in der Person des Doktor Franzke nicht vor den Kopf stoßen und versprach, ihm morgen das Geld zu bringen. Noch als wir uns trennten, sagte er mir: „Glauben Sie mir, das wird ein Geschäft." Dabei meinte ich das Lachen eines Irre« sehen zu können. Ich habe zwei Jahre nichts von ihm gehört, da plötzlich auf einer Reklameschau eine Sensation auf dem Gebiet der Werbung: „Rotor", die sprechende Reklamepuppe, welche mittels einer Schallplatte, die im Körper abläuft, Weroeverse spricht. Her gestellt von der Doktor G. Franzke A. G., einer Fabrik mit einer Belegschaft von zweihundert Mann. Bei meinem sofortigen Besuch des Werke? erklärte mir die Sekretärin: „Unser Chef, vr Franzke bedauert, Sie nicht empfan- gen zu können, wir werden täglich überlaufen von Erfindern und Bekannten des Herrn Doktor." In diesem Moment spürte ich — wie dumm es manchmal ist, -Miner klug und weise zu sein. Weil er kein Ochse war ... Eine schwere Krankheit hatte den Notar der tschechischen Stadt Dekova befallen. Aus dem benachbarten Sächsisch-Bereg mußte der Arzt kommen, und der hilfreiche Mediziner verschrieb dem Leidenden zunächst einmal eine Arznei, die den Schmerz lindern sollte. Dann traf es sich, daß der Bauer Ludwig Szabo in der Stadt zu tun hatte, und er erklärte sich denn auch gleich bereit, die Medizin zu besorgen. Der Abend war noch nicht hereingebrochen, als der gefällige Mann heimkehrte, und er brachte dem Kranken ungesäumt die Arznei. Aber sie bekam dem Notar außerordentlich schlecht. Er wand sich in Schmerzen. Magenkrämpfe peinigten ihn. Und wiederum mußte man den Arzt holen. Der pumpte den Magen leer und wusch ihn aus. Dann suchte man des Rätsels Lösung: Weshalb die Arznei ver sagt hatte... Es klärte sich schnell auf. Der Bauer hatte sirr sich ebenfalls eine Arznei geholt, nämlich für seinen kranken Ochsen. Aber dem Rindvieh war nicht sein Recht geworden« Es hakte die Arznei des Herrn Notars schlucken müßen und der Herr Notar die Arznei, die dem Gehörnten galt. Dem Tiere schadete die Verwechselung nichts, Wohl aber dem unglückliche« Manne. Dreißig Jahre Nauen. Dvr dreißig wahren, im April 1906, errichtete die „Telefunken- Gesellschaft für drahtlose Telegraphie" in der Nähe der Stadt Nauen eine Versuchsanlage zur Durchbildung von Funksendern größerer Leistungen, aus der sich die Großfunkstelle Nauen ent wickelt hat. Seit dem 1. Januar 1932 sind die Anlagen im Besitz und Betrieb der Deutschen Reichspvst. Auf der Groß funkstelle Nauen befinden sich heute zwei Langwellensenderan lagen mit je 400 Kilowatt Hochsrequenzleistung. Die zugehöri gen Antennen sind an zwölf Masten aufgebracht, von denen zwei eine Höhe von 265 Meter haben. Ferner sind hier zahlreiche Kurzwellensender von 20 bis 50 Kilowatt Ausgangsleistung in Betrieb. Diese Sender stehen in wahlweiser Verbindung mit einer Reihe von Richtantennen, die der geographischen Lage der Gegcnstationen entsprechend ausgestellt sind. Für diese Richt antennen sind ferner noch mehr als zwanzig Türme von 32 bis 75 Meter Höhe vorhanden. Die deutschen Funkwege nach Arber see „via Transradio" umfassen heute — außer den Nachrichten diensten — 15 Verkehrslinien für Telegraphie und acht Linien für Sprechverkehr. Unser Bild (Mitte) zeigt die erste Nauener Anlage im Jahre 1906, aus der sich im Laufe der Jahre Sie Großfunkstelle mit ihrem eindrucksvollen Hauptgebäude (links) entwickelt hat. Rechts sieht man einige der riesigen Richtstrahl antennen. (Wagenbvrg-Archiv (2), Scherl Bilderdienst (1) / M.)