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MMUrAaMM Nationale Tageszeitung für Landwirtschaft und Dar „Wilsdruffer Tageblatt" erscheint werltags nachm 4 Uhr. BezugSpr. monatl 2RM. frei HauS, bet Postbestellung 1,80 RM- zuzügl. Bestellgeld. Einzelnummer 10 Rps. Alle Postanstalten, Postboten, unsere Austräger u. Geschäftsstelle nehmen zu jeder Zeil Be- ,, ... .. ,, . stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt oder WücheNbllllk für Wilsdruff U. IfMgegbNd sonstiger BctriebSstörun- gen besteht lein Anspruch aus Lieferung der Zei ¬ tung oder Kürzung des Bezugspreises. 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Die Generalstabsbesprechunge» haben in Lando» begonnen. Es besteht für uns keine Veran lassung, diese Tatsache besonders wichtig zu nehmen, aber wir verkennen nicht die Gefahr solcher Besprechungen für die beteiligten Länder. Jüngst erst hat der bekannte englische Politiker Lloyd George vor Besprechungen und Ab machungen zwischen den Generalstäben der Westmächte gewarnt in der Erinnerung an jene Jahre vor dem Aus bruch des Weltkrieges, indem er die geheimen Abmachun gen von 1906 und 1912 verantwortlich für den Ausbruch des Weltbrandes machte. Vergegenwärtigen wir uns also leidenschaftslos, weil wir die Geschichte als stärksten Zeugen auf unserer Seite wissen, die Lage, wie sie sich 1914 darstellte. Januar 1906. Zeit der Algeciras-Konfe renz, die Deutschland und die Donaumonarchie zum erstenmal in der absoluten Vereinsamung sah. Der eng lische Außenminister Grey hatte hinter dem Rücken des Kabinetts mit dem französischen Botschafter in London, Paul Cambon, die geheime Abmachung getroffen, daß unter den Militär- und Marinestäben Englands und Frankreichs für den Fall eines Krieges fortlaufende Unterhaltungen gepflogen werden sollten. Unmittelbar nach dem Zustandekommen dieser Vereinbarung teilte Grey dem in London beglaubigten Botschafter mit, „daß .Großbritannien Frankreich gegenüber Verpflichtungen eingegangen sei, denen es bis zum Äußersten Nachkommen werde, selbst im Falle eines deutsch-französischen Krieges und auf alle Gefahr hin". Zu gleicher Stunde erging die Ermächtigung an den englischen Generalstabschef Grierson, mit dem belgischen Generalstabschef Ducarne Verhand lungen für den Kriegsfall zu führen. Im April 1906 wurden diese Verhandlungen abgeschlossen in den so-, genannten „oouvEntioos avAlo-bslgss". Für den Fall eines deutschen Angriffs auf Belgien wurde die Landung eines britischen Expeditionskorps in Calais und Dünkirchen vor gesehen. Im Laufe der Jahre nahmen die Abmachungen der Generalstäbe immer festere Form an, obwohl die eng lische Regierung die Bedingungen gestellt hatte, daß die Besprechungen sie in keiner Weise verpflichten und keine Entscheidung vorwegnehmen dürften. Aber schon die zweite Marokkokrise»von19l1 zeigte die starken, nicht mehr rückgängigzumachenden Bindungen Englands an Frankreich, indem London wiederholt klar zu verstehen gab, daß ein Krieg Deutschlands gegen Frankreich das sofortige Eingreifen Englands herbeiführen werde. Diese Bindung wurde noch verstärkt durch die englisch- französischeMarinekonventionimAugust 19 12. Danach übernahm England den Schutz der fran zösischen Nordseeküste gegen Deutschland. Vergeblich warnte der Erste Lord der Admiralität, Winston Churchill. November1912. Geheimer Briefwechsel zwischen Grey und Cambon, der praktisch als Ersatz für einen offi ziellen Bündnisvertrag zwischen den beiden Westmächten zu gelten hatte. Von jetzt ab wußten die Politiker an der Seine unter Führung Poincarss, daß Frankreich im Falle eines nicht provozierten Angriffes durch eine dritte Macht oder eines Ereignisses, das den allgemeinen Frieden be drohte (!j, England an seiner Seite finden würde. Übrig blieb nur noch, eine Verbindung zwischen England und Rußland zu finden, nachdem England und Frankreich und schon lange vorher Frankreich und Rußland mitein ander verkoppelt waren. Seit April 1914 wurde eine englisch-russische Marinekonvention beraten. Rußland ver langte von England „die Bindung eines möglichst großen Teiles der deutschen Flotte in der Nordsee", damit eine russische Landung in Pommern erfolgen könne. Für den August 1914 waren neue Verhandlungen in Petersburg > i Aussicht genommen. Sie erwiesen sich als überflüssig, weil die Armeen der Völker sich bereits im Kriege gegen überlagen. 2 8. Juni 1914. In Serajewo streckten die Schüsse serbischer Nationalisten den österreichisch-ungari schen Thronfolger nieder. Deutschland versuchte mit allen Mitteln, den Konflikt zu lokalisieren, aber hinter den Kulissen spielten bereits die Verbindungen, die den Welt krieg auslösten, zeitigten die Generalstabsbesprechungen ihre Früchte. Am 24. Juli sicherte Paul Cambon dem russi schen Außenminister Frankreichs unbedingte Unterstützung zu, so daß Petersburg den serbischen Trabanten zu un- nachgeblichem Vorgehen gegen die Donaumonarchie er mutigen konnte. Einen Tag später, am 25. Juli, unter richtete der russische Außenminister Sasonow die Bot schafter Englands und Frankreichs über den Stand der Dinge. Der französische Botschafter Palsologue warf die Marinekonvention mit England in die Debatte: feine Regierung werde wissen wollen, ob die englische Flotte bereit sei, „die ihr durch die englisch-französische Marine- konvention zugewiesene Rolle zu spielen", überflüssige Mahnung. England hielt sich an die eingegangenen Ver pflichtungen. Am 1. August 1914 setzte Cambon dem englischen Außenminister Grey die Pistole auf die Brush Nachts machte der Leiter des englischen Auswärtigen stmtes dem iranLösischen Botschafter ohne Willen und ElltsWliMW Tage in Genf. Besteht England auf Sanktionen gegen Italien? — Frankreich in der Vermittlerrolle Locarnoaussprache im Völkerbund. Für die interuationale Politik sind entscheidende Tage angebrochen, Tage, von denen man in der franzö sischen Presse sagt, daß sie die cntschridungsschwcrsten der Nachkriegszeiten seien. Die englisch-italienische Spannung wegen des Abessinienkonflikts hat den Höchstpunkt erreicht. Hier steht England, dessen Außen minister Eden für die Verhandlungen in Genf den Auf trag erhalten zu haben scheint, gegenüber Italien nicht nachzugeben und nötigenfalls Verschärfung der Sank tionen zu fordern; dort steht Italien, das pochend auf seine großen militärischen Erfolge sich nicht um die Früchte seines Abessinienscldzugcs bringen lasten will. Dazwischen steht Frankreich, das es nicht mit Eng land aber auch nicht mit Italien verderben will. Die schwierige Lage bedeutet eine ernste Be lastungsprobe für den Völkerbund, ja viel leicht die Entscheidung über seine Lebensbercchtigung, denn im Dreizehnerausschnß des Bundes sollen die Gegensätze ausgepaukt werden. Englands Außen minister hat die ausdrückliche Weisung erhalten, nicht die Plattform des Völkerbundes auszugeben. Die englische Presse betrachtet die Aussichten auf einen baldigen Friedensschlnß sehr wenig zuversichtlich. Sie erwartet, daß Italiens Vertreter, Aloisi, Mussolinis Bereiterklärung zum Ausdruck bringen werde, einen Waffenstillstand zu schließen, wenn gleichzeitig die Sank tionen aufgehoben würden. Ebenso würden die Ita liener verlangen, daß der Völkerbund bei den Verhand lungen möglichst weitgehend ausgeschaltet werde. Dieses Verlangen wird aber, so meint man in London, vom Dreizehnerausschutz abgewiesen werden, und dann müsse wieder der Sanktionsausschuß zusammentreten. Eden werde sich für die Verhängung weiterer und schärferer Sanktionen einsctzen. Nur wenn Italien bereit sei zu wirklichen Friedensver handlungen ohne Verzögerung, würde England eine Milderung der Sanktionen zngestehen. Die Franzosen würden sich der Stimme enthalten, wenn der Achtzehner- ausschuß etwa die Olsperre beschließen sollte, um sich damit entschieden gegen ernstere Sanktionen auszu- sprechsn. Der französische Außenminister Flandin hat seine Marschroute für Genf in einer Sitzung bekommen, an der Ministerpräsident S a rraut und Staatsminister Paul- Boncour teilnahmen. In französischen politischen Krei sen glaubt man, eine nicht mehr ganz so unnachgiebige Stellung Englands gegenüber der Ostafrika-Frage fest stellen zu können. Immerhin aber zeigt man sich weiter stark besorgt über die Möglichkeit der politischen Entwick lung während der nächsten Tage. Die amtliche französische Auffassung geht am klarsten aus dem dem Pariser Auswärtigen Amt nahestehenden Blatt „Petit Parisien" hervor, das unter der Überschrift: „Der Fehler, der nicht begangen werden darf" betont, daß die Friedensverhandlungen im italie nisch-abessinischen Konflikt keinesfalls unter der Drohung neuer Sanktionen gegenüber Italien begonnen werden dürfen. England habe keinerlei Vor wände, für ein Übermaß von Strenge gegenüber Italien einzutreten. Italien aber müsse Mäßigung, politisches Verständnis und Großmut gegenüber dem Besiegten be weisen. Frankreich müsse seinem englischen und seinem italienischen Freunde energisch „Halt!" zurufen. ohne Billigung des Kabinetts die Mitteilung, daß Eng land „wahrscheinlich einen Angriff auf die französische Küste nicht dulden werde". Die letzten Rücksichten fielen, man wußte jetzt in Paris und Petersburg, daß London an der Seite der Kriegführenden stehen würde. In einem verhängnisvollen Sinne hatte sich Churchills Warnung vom 23. August 1912 erfüllt, daß Frankreich durch die Marinebesprechungen „eine furchtbare Waffe" in der Hand haben würde, um den Beistand Englands zu erzwingen. Wir haben in der Stunde, da in London die General stäbler Englands, Frankreichs und Belgiens beraten, das Bild der Geschichte beschworen, wie es in den unbestech lichen Akten der Vorkriegszeit zum Ausdruck kommt. Diese rückwärts gewandte Betrachtung hat ergeben, daß der englischen Politik durch die Militär- und Marinebe sprechungen von 1906 und 1912 die Hände derart gebunden waren, daß sie im August 1914 nicht mehr die Freiheit des Handelns besaßen. Die Frage von heute lautet, ob Eng land noch einmal sich in dem Netz von Generalstabs bcsprechungen fangen lassen will, die schon einmal einen Weltkrieg ausgelöst haben. Wir glauben noch immer an die Nüchternheit und Vernunft der englischen Politik, die bisher sich immer als fähig erwiesen hat, aus gemachten Fehlern zu lernen. Eberhard Hannay. Das Programm der Ratstagung am 11. Mai. Das Völkerbundssekretariat veröffentlicht die vor läufige Tagesordnung der am 11. Mai in Genf beginnen den 92. Ratstagung. Neben den üblichen Verwaltungs angelegenheiten sind folgende Verhandlungsgegenstände in Aussicht genommen: Gegenseitiger Garantievertrag zwischen Deutschland, Belgien, Frankreich, England und Italien, abgeschloffen in Locarno am 16. Oktober 1925, ferner der Auftrag des Völkerbundkommissars in der Freien Stadt Danzig und der Streit zwischen Italien und Abessinien. * Londoner Generalstabs besprechungen im Gange. Die in der Denkschrift der RcstlocarnomSchte vorge- sehenen Generalstabsbcsprcchuugen haben am Mittwoch begonnen. An den Besprechungen nehmen Vertreter Eng lands, Frankreichs und Belgiens teil. Italien hat die Be teiligung abgelehnt. Die englische Presse rückt die Besprechungen etwas in den Hintergrund und betont, daß die an diesen Verhand lungen beteiligten englischen Offiziere sehr genaue In struktionen erhalten hätten. Sie müßten dem Kabinett nach jedem Teilabschnitt der Verhandlungen einen ein gehenden Bericht erstatten und hätten keinerleiVoll- machten erhalten, irgendwelche bindenden Beschlüsse zu fassen oder auch nur bestimmte Zusicherungen abzugeben. Die Verhandlungen hätten den Charakter eines rein tech nischen Meinungsaustausches für den Fall eines „unpro vozierten Angriffs", mit dem in London naturgemäß nie mand rechne. DiePariserPresse nimmt mit größter Aufmerk samkeit von dem Beginn der Generalstabsbesprechungen Kenntnis. Das Blatt „Excelsior" behauptet, man werde besonders die Taktik der Luftmacht studieren. Die Zusam menwirkung der französischen und der englischen Seestreit- kräste könne sich nach Mitteilung des Blattes spät-r zu einem Abkommen entwickeln, in dem der französischen Marine der Schutz der britischen Interessen im Mittelmeer zugewiesen würde, während die englische Flotte die fran zösischen Nordküsten schützen würde. Eine solche Einigung aber komme erst nach Regelung des ostafrikanischen Kon flikts in Betracht, da dieser einen großen Teil der eng lischen Flotte im Mittelmeer festhalte. Im Verlauf der Aussprache werde man für den Notfall auch die Entsen dung eines englischen Erpeditionskorps von wenigstens fünf Divisionen nach Belgien vorsehen, um die Nordsee küste zu schützen. Unaufhaltsamer Vor marsch der Italiener. Die italienische Trikolore auf dem Rcgicrungspalast in Dessie. — Tanasee-Halbinsel in Muffolini-Spitze um getauft. Die italienische Nordarmee setzt ihren Siegeszug in Abessinien unaufhaltsam fort. Seit Mittwoch weht auf dem Regierungspalast in Dessie die italienische Trikolore. Die Freude und der Stolz über diesen Erfolg ließen die Truppen die schweren Strapazen vergessen, die sie in den letzten Tagen durchzumachen hatten. Das eroberte Dessie ist eine wichtige Militärbasis, und politisches und wirt schaftliches Zentrum zugleich. Nach Addis Abeba geht von hier aus eine Autostraße, die den weiteren Vormarsch der Italiener wesentlich erleichtert. Die Halbinsel Gorgora am Tanasee ist bei der Hiffung der italienischen Flagge in Mussolini- Spitze feierlich umgetauft worden. Der Generalsekretär der Faschistischen Partei, Starace, nahm die Handlung persönlich vor. Der Einmarsch in Dessie. Die italienischen Truppen sind in Dessie eingezogen, ohne auf den geringsten Widerstand zu stoßen. Sofort wurde auf dem Ghibbi und auf dem italienischen Konsulat die Trikolore gehißt. Dessie, die Hauptstadt der Wollo Galla, ist in wirt schaftlicher, politischer und militärischer Hinsicht einer der wichtigsten abessinischen Punkte. Von dort führt eine