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Ostern. Du Fest der Primeln und Anemonen. Du Fest zu des Lenzes Beginn: In die keimenden Gärten und Diesenzonen Ziehst du uns magisch hin. Dir neigen uns in den Rasen nieder, Zu pflücken den ersten Strauß; Horch, aus den Büschen die ersten Lieder Jubeln ins Land hinaus. Wir lauschen voll Unruh' dem Ruse der Glocken, Sie klingen so selig und nah, — Dir fühlen s, und unsere Herzen frohlocken: Der Frühling, der Frühling ist da! Dir wandeln beglückt wie in silbernen Schleiern, Der irdischen Mühsal fern; Die Menschen, die Wälder und Wolken feiern Die Auferstehung des Herrn. Die deutsche Passion Von Franz Schauwecker. Wir Deutschen sind das Volk der Gegensätze, der Span nungen, des unaufhörlichen Werdens. Ewig setzt sich die deutiche Seele mit sich selbst auseinander um des rnneren Wachstums willen. Dieser Weg steigt aus der Tiefe der Mütter und der fau stischen Verzweiflung auf und verliert sich in der Mozartischcn Heiterkeit der Ueberwindung, wie sie den Göttern zu eigen ist. In dieser Heiterkeit verbirgt sich jeder Schmerz und jedes Leid. Sie sind dadurch überwunden, daß sie nicht zu Zerstörern, sondern zu Gestaltern geworden sind. Im Schmerz und in der Not ruhen ungeheure Kräfte der Wiedergeburt und der Auferstehung... Das Osterfest ist nur innerhalb der Grenzen dieses weiten, deutschen, seelischen Raumes zu begreifen. In diesem Fest des Frühlings lösen sich die Spannungen eures ver gangenen Winters, der in der dunkelsten und längsten Nacht den Menschen das Wunder und die Hoffnung des leuchtenden Weltenbaumes zeigte. Hier werden diese Sterne zur Sonne, die nach Eis und Schmelzwässern über Krokusblüten und saft- glänzenden Weidenzweigen in einen blauen Himmel steigt. Es liegt ein fernhinhallender Ton in den höchsten Luftschichten, ein unsichtbarer Jubel, eine zarte Berührung im Licht, das rosig und silbern ist. Diese sehr feinen, ungebrochenen Töne und Farben sind durchaus männlicher Art. Es liegt etwas vom fernen Aufbruch der Männlichkeit zu kommenden Gefahren in diesen fast pastell- farbenen Klängen des Frühlings. Er ist wie ein Knabe, der kommt und schon in Gebärde und Schritt den künftigen Mann verrät. Und zugleich umschattet eine leichte Trauer sein Gesicht und seinen Blick, in welchem bereits der verborgene Winter sich anze-gt. Er ist sich aller Wandlungen der Gestalt gewiß, ober er besitzt zugleich die unverlierbare Zuversicht auf das Ewige und Unveräußerliche, das durch alle Wandlungen hindurchgeht, auf den Sieg und auf das Wesen. So wie sich die Zeiten des Jahres wandeln, wie die Landschaft sich begrünt nnd wieder bunt färbt und mit Schnee bedeckt, wie Tiere und Menschen sterben und geboren werden, wie die Wolken den Regen verschütten und vor der Sonne Weichen, — nicht anders bleibt das Wesentliche als ein ewiger Bestand erhalten, unzerstörbar durch jede Niederlage, unvergänglich in jedem Zerfall. Nach dem großen Sinnbild des Lichterbaumes folgen die zeichenhaften Erscheinungen des Osterfestes, das die Ver heißung der winzigen Kcrzenflammen bestätigt. Auch sie ent stammen der Natur.., Das E i als Keimpunkt aller Dinge, in dem noch ungewnßt Mann und Weib verborgen ruhen, ist in Einem die Frucht und das Ergebnis des Lebens und auch der Beginn eines neuen Daseins. Es ruht im Angelpunkt der Dinge, und in seiner fest in sich geschlossenen Form pocht und quillt schon der versteckte Herzschlag der Zukunft... Der Hase aber kommt grau aus der silbrigen Morgenfrühe gehuscht, kaum als Gestalt, eher als Bewegung merkbar. Das Erstarrte rührt sich in Wald und Feld, das Leben beginnt wieder seine Tänze, noch schwerfällig zuerst und unbeholfen; aber immer schneller kreist das stockende Blut und nimmt den Kreislauf durch alle Adern von neuem auf. Zu Füßen des unendlichen Weltenbanms Tanne aber entsprießt das geschmeidige Weidenreis, die dünne, bebende Rute, eine kleine Fahne, die das Leben schwingt, als wolle es den Wind prüfen, woher er wehe und wohin er wolle. Wir kennen die kleinen, spitzen, gelbgrünen Blättchen, welche die Luft abzutastcn scheinen, ob es schon warm genug sei. Wir werden immer sichtbarer in unserm Lebensgefühl heute in dieser Zeit des Osterfestes jener Gegensätze und Spannungen inne, von denen zu Beginn die Rede ging. Denn mitten in die Auferstehung oer uralten Legenden unseres Volkes tönt ein Klang von anderen Ufern, der unser Herz ergreift. In dem bergigen Waldgelände des südwestlichen Deutschlands kam zwischen Tannen und Felsen hervor ein Lied, das uns ergriff: „O Sohn, o herzlicher Jesus mein, Wo wirst du am heiligen Sonntag sein? ... Am Sonntag werd ich ein König sein. Da wird man mir Zweige und Palmen streun. O Sohn, o herzlieber Jesus mein, Wo wirst du am heiligen Montag sein? ... Am Montag bin ich ein Wandersmann, Der keinerlei Obdach finden kann. O Sohn, o herzlieber Jesus mein, Wo wirst du am heiligen Mittwoch sein? ... Am Mittwoch bin ich der Welt ein Prophet Und verkünde, wie Erde und Himmel vergeht... O Sohn, o hcrzlicbcr Jesns mein, Wo wirst du am heiligen Donnerstag sein? ... Am Donnerstag rüste das Totenmahl. O Mutter, o herzliebe Mutter mein, O »röcht' dir der F r e i t a g verborgen sein/ Wir fühlen den Zauber, den bis zu Tränen ergreifenden Klang dieses Liedes, und wir wissen, daß im Osterfest, dem Fest des Beginns von vorn, die Mütterlichkeit ihre großen uns schweigenden Opfer bringt. Wir empfinden die ungeheure, die Welt umfassende Spannung des Gegensatzes, aus dem die Deutschen leben. Wir werden dessen immer stärker und ver antwortlicher inne, wenn wir uns der Neunten Symphonie Beethovens erinnern, wenn vor uns die Gestalt des Faust erscheint vor dem Hintergründe des Mephisto, wenn wir Plötz lich der Fugen und Tokkaten Johann Sebastian Bachs gewahr werden, der christlichen Inhalt in eine Form bringt, die so deutsch ist wie kein anderer Klang, der jemals in Deutschland ertönte. Und wir vernehmen die tiefe und leidenschaftliche Prophetie Friedrich Nietzsches, der die Deutschen bekämpfte um der Deutschen willen... Ja, wir fühlen heute — verlorener in die Welt denn je — die große und machtvolle Gegensätzlichkeit unseres Volkes, spüren die hinter den Wolken der künftigen Ereignisse dunkeln den Tage der Zukunft. Darin liegt die unangreifbare Gewiß heit, daß die Zukunft nicht allein ihre Schatten voraus wirft, sondern auch ihr Licht gleichsam wie ein Wetterleuchten noch ungeborener Taten in die Tage der Gegenwart sendet. Es ist das Osterfest von hüben wie von drüben das Fest der kriegerischen, zu einem Waffentanz gehenden Männlichkeit und der Mütterlichkeit, welche verborgen die Opfer der Kinder bringt. Zwischen grenzenloser Verzweiflung und lächelnder Heiterkeit dringt der Weg der Deutschen in die unbekannten Räume des Lebens und der Geschichte vor, immer bereit, sich hinzugeben mit dem Blut und dem Leben, und die Tat zu tun, die notwendig ist. Denn beides ergänzt einander und gehört zueinander: das Opfer und die Tat, die Nacht des Winters und die rosige Frühe des Frühlings. Dies ist die Lehre von der inneren Freiheit der Deutschen, von ihrer »Überlegenheit über den Tod, welchen alle Völker der Welt scheuen, nur die Deutschen nicht, die zuweilen von einer echten Todessehnsucht ergriffen, werden können, um der Unsterblichkeit willen... / , ..... , , , - Osterwünsche. Llraltes Brauchtum lebt auf zu Osten» Vom Ursprung des Ostereies und des Osterhasen. „Appalasina — Appalasina". — „Oster — Schmackoster — grüne Oster ..." — Heiliges Osterwasser. Am Osterfest lebt, genau so wie zu den übrigen Festen, in deutschen Gauen überall uraltes germanisches Brauchtum auf, das allerdings zumeist stark mit kirch lichen Sitten vermischt worden ist. Das kirchliche Oster fest kann als eine Abspaltung von den großen Frühlings feiern unserer Vorfahren bezeichnet werden. Das Bedürf nis des Volkes, zu dieser Zeit der Auferstehung der Natur ein Fest zu feiern, traf mit dem späteren christlichen AUs er stehn ngsmythos zusammen. Die ganze Symbolik der heutigen Osterzeit ist noch rein germanisch. Ihr volkstümliches Beharrungs vermögen mutzte selbst von der Kirche schließlich anerkannt werden, was in der Übernahme germanischer Bräuche in das kirchliche Brauchtum zum Ausdruck kam Das Oster- ei z. B. ist heute Sinnbild dieses Festkreises. Es ist bei fast allen Völkern verbreitet nnd wird als das in harter Winterschale schlummernde Leben gedeutet. Der Oster- Ha s e ist dasjenige Tier, das sich um diese Zeit besonders in den Feldern bemerkbar macht. Damit ist seine Ver knüpfung mit Ostereibringen leicht erklärlich. Schließlich ist noch das Osterfeuer zu erwähnen, das heute noch besonders im nördlichen Teil Deutschlands lebt. Bekannt sind vor allem die O st e r r ä d e r v o n L ü g d e bei Pyr mont, die am Ostersonntag brennend vom Osterberg zn Tal rollen und auf ihrem Weg die segeuspendende Kraft des Feuers den Feldern mitteilen. Reste des germanischen „Notseuers", durch das man früher das Vieh trieb und über das man sprang, um sich zu reinigen und gegen Krankheiten zu schützen, haben wir in der Weihe des heutigen kirchlichen Osterfeuers am Karsamstag. Uralt und vielgestaltig sind die Sinnbilder und Bräuche der Osterzeit, von deren Mannigfaltigkeit nur ein ganz winziger Ausschnitt gegeben werden kann. Vor allem aus dem Lande unter der naturverbundenen bäuer lichen Bevölkerung hat sich altes Brauchtum erhalten. Da ist das EierschiebeninBautzen eines der schönsten und fröhlichsten. Schon früh am Morgen des Ostersonn tages versammelt sich die Jugend Bautzens am Proitz- schenberg vor den Toren der Stadt, um nach allen den leckeren Ostersachen zu Haschen, die da den Berg Herunter rollen. Fröhliche Ausgelassenheit beherrscht die Jungen und Mädchen, und auch die Erwachsenen, die aus der ganzen Gegend und von weither kommen, werden von dieser heiteren Stimmung angesteckt. Oben, bei der Kapelle am Berg, stehen die Erwachsenen und lassen ihre Gaben, hartgekochte und gefärbte Eier, Äpfel, Apfelsinen, Zuckerbrot und Marzipanfrüchte, Osterbrot usw. den unten am Hang stehenden Kindern entgegenrollen. Mit Händen, Mützen, die ganz Klugen auch mit besonders hergerichteten Keschern, Haschen Jungen und Mädchen in lustigem Ge tümmel nach allem, was so den Berg hinunterkegelt. '„Appalasina, Appalasina" ertönt es aus Tau senden von Kinderkehlen; denn diese Früchte sind meist am zahlreichsten vorhanden; weil sie am besten kullern, sind sie auch besonders beliebt. Großen Spaß macht es allen, wenn sie sich durch die greifenden Kinderhände hin durchwinden und bis in die Spree Hinabrollen. Doch so beliebt auch die „Appalasina" sind, begehrter noch sind die Eier. Denn wer die meisten Eier — und nicht etwa Apfel sinen oder andere Gaben — erhascht, ist der Held des Tages. Spender dieser österlichen Gaben sind neben ein-^ zelnen Personen, Bautzenern und Ostergästen aus der Um gebung auch ganze Innungen. Die Bäcker schicken stets ein ganzes Heer von „Gesandten" mit Eierspenden unH leckerem Backwerk zum Proitzschenberg hinauf, und auch die Schlächterinnung beteiligt sich mit Gaben. Und immer wieder kommt Bewegung in die dichten Reihen der aut Hangrand stehenden Erwachsenen, wenn irgendein Bautzener „Original" — von denen es noch viele gibt —f den Vortritt braucht, um eine ganz besondere Gabedi« Hang Hinabrollen zn lassen. Lustiger Schabernack hat sich in Ostpreußen im „Schmackost er"-Brauch erhalten. Bei diesem Brauch haben es die Burschen auf die jungen Mädchen abgesehen. Am zweiten Ostertage dringen sie, mit grüne« Ruten bewaffnet, bei den Mädchen ein, und mit dem Spruch: „Oster, Schmackoster, grün Oster, bunt' Eichen" teilen sie mehr oder minder derbe Schläge aus. Da und' dort wird der Spruch noch durch die Worte: „. . . ei« Stückchen Speck, um die Eck, dann bin ich gleich weg!" ergänzt, und mit bunten Ostereiern, auf denen allerlei sinnige Verse stehen wie „Aus Lieb' und Treu schenk' ich dir dies Ei" oder „Wenn du dieses Ei zerbrichst, so ist die ganze Liebe nichts", suchen sich die Mädchen vor de« scherzhaften Rutenschlägen zu retten. Auch die Sitte des Osterwasserholens ist in vielen Gegenden noch bei den jungen Leuten gebräuchlich^ Man zieht am Ostersonntag frühmorgens, ehe die Sonne ausgeht, an einen Bach, wäscht sich im fließenden Wasser und trägt eine Kanne oder Flasche voll davon mit heim, damit sich auch die anderen Angehörigen mit Osterwasser waschen können. Das Wasser wird dann nicht etwa fort gegossen, man trägt es noch vor Sonnenuntergang zurück und gießt es wieder in den Bach. Etwas Wasser wird aufgehoben, um Langschläfer oder auch jemand, den man sehr lieb hat, damit zu besprengen oder zu begießen. In manchen Häusern wird auch das ganze Wasser auf gehoben; denn Osterwasser kann das ganze Jahr über in der Flasche sein, es bleibt immer srisch und gut . , . Das Osterei vom König stein. Das Osterei, mag es nun das Huhn oder der Hase lege«, gehört zum Osterfest wie der CHristbaum zu Weihnachten. Allerdings brauchen Ostereier nicht immer wirklich Eier zu sein, man kann auch viele andere Dinge schenken. Ostern ist ein Fest der Freude, das nicht nur die Herzen, sondern auch die Beutel öffnet und den Alltag vergessen läßt. So erging es eines Tages auch dem Kurfürsten August I. von Sachsen, der als sehr sparsamer Landssvater bekannt war. Nie gab er unnötig einen Heller aus. Aber einmal hat auch ihm die Osterfreude ans Herz gegriffen und ihn den Beutel weiter öffnen lassen, als es seine Gewohnheit war. Er machte seiner Gemahlin, Anna von Dänemark, ein kunstvolles Brunnen werk zum Ostergeschenk... In vieljähriger, mühevoller Arbeit hatte der Kurfürst den Brunnenschacht der Feste Königstein in den Fels sprengen lassen, und immer wieder dachte er darüber nach, wie man das Wasser an die Oberfläche befördern könne, in einem Maße, daß auch eine starke Besatzung ausreichend versorgt werden könne. Der Uhrmacher Konrad König aus Altenburg hatte dem Kurfürsten bereits Zci^.mngen vorgelegt, wie er das Wasser ans dem Brunnenschacht heraufpumpcn wolle — da mals ein technisches Wnndcr. Ter Kurfürst konnte sich jedoch infolge der hohen Herstellungskosten nicht zur Annahme ent schließen. Um die Osterzcit des Jahres 1576 kam der Uhrmacher nochmals an den Dresdner Hof und führte in Gegenwart der Kurfürstin das fertige Modell vor. „Sehr hübsch", sagte der Regent, „aber 2000 Goldguldcn sind mir dafür zu teuer. Kann Er das nicht billiger machen?" Der Uhrmacher ver neinte und meinte, daß die Kosten eher noch teurer würden. Da mischte sich die Fürstin ein, die sich das Modell genau besehen hatte. Die ganze in der Natur 150 Meter hohe Pumpstreckc war in 11 Abteilungen gegliedert, und an jedem Abschnitt stand eine Pnmpe, die von zwei Mann bedient werden mußte, uni das Wasser eine Etappe höher zu schaffen. . „Eure Kurfürstliche Gnaden", saute sie. „es ist ein WuudL»,