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Formel sagen, daß über ihren Sinn niemals Klarheit geschaffen worden ist. Die Neichsregierung formuliert einen anderen Vor schlag, der mit den Grundsätzen des Paktes kaum verein bar erscheint; indem sie anregt, daß die Einhaltung der abzuschlietzenden Vereinbarungen durch ein Schieds gericht sichergestellt werde, dessen Entscheidungen obli gatorisch sein sollten, schaltet sie nicht nur jedes Eingreifen des Ständigen Internationalen Gerichtshofes aus, son dern scheint auch im voraus sogar die Zuständigkeit des Rates abzulehnen. Würde im Falle der Verletzung eines der Nichtangriffsverträge, deren Abschluß Deutschland beabsichtigt, diese Verletzung unter die Zuständigkeit des Völkerbundspaktes sollen? VIII. Die Neichsregierung scheint sich nur mit größter Umsicht auf den Weg der Nüstungsbegrenzung begeben zu wollen. Die Begrenzung der Lustrüstüngeu scheint von dem deutschen Plan weder vom qualitativen noch vom quantitativen Gesichtspunkt aus in Betracht gezogen zu werden. Was die Landrüstungen anlangt, so ist eine quantitative Begrenzung nicht einmal vorge schlagen, und wenn von einer qualitativen Begrenzung gesprochen wird, so wird doch nichts gesagt von dem Ausbau eines wirksamen Kontrollsystems, das die uner läßliche Vorbedingung dafür wäre. Allerdings schlägt die deutsche Regierung vor, daß der Humanisierung des Krieges Aufmerksamkeit ge widmet werden soll. Die französische Regierung kann nicht daran denken, einen solchen Vorschlag jemals abzulehnen. Aber, wichtiger als den Krieg zu humanisieren, ist es, ihn unmöglich zu machen, indem man gegen den »"entuelleu Angreifer das wirksame, und sofortige Vorgehen der Gesamtheit orga- nisterr. rroervtes ist Ms voll Deutschland vbrgeschlagene Verbot des Abwurfs von Stick-, Gift- oder Brandbomben aus der Luft bereits in dem Genfer Protokoll von 1925 enthalten, das die französische Negierung ratifiziert bat. IX. Der deutsche „F r i e d e n s p l a n" enthält Vorschläge über die Besserung der deutsch-französischen Beziehungen. Die französische Regierung hat davon Kenntnis genommen. Aber es versteht sich von selbst, daß Absichten dieser Art, soweit sie die Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland betreffen, in dem System allgemeiner Abkommen, die gegenwärtig in Aussicht" genommen sind, nicht an ihrem Platze sind. Damit ist der Völkerbund,.soweit es sich um die allgemeinen Probleme der moralischen Abrüstung handelt, bereits befaßt worden, und wichtige Vorarbeiten sind geleistet worden, die, wenn der Augenblick gekommen ist, für die unmittelbaren Beziehungen zwischen Frank reich und Deutschland maßgebend sein sollen. X. Was die Einhaltung der Verpflichtungen, die die französische Negierung übernimmt, durch Frankreich be trifft, so bedarf es zu ihrer Sicherstellung keiner Ver fahren, die den Grundsätzen der französischen Verfassung zuwiderlaufen. Zum Schluß der Denkschrift heißt es dann: Keine europäische Regierung kann sich auf den Abschluß neuer Abkommen einlassen, ehe sie hierauf eine klare Antwort vernommen hat. Und noch unmittelbarer kann der deut schen Regierung eine andere Frage gestellt werden: Er kennt Deutschland ohne jeden Vorbehalt das territo riale und politische Statut des gegenwär tigen Europa an? Erkennt es an, daß die Einhal tung dieses Statuts durch Abkommen auf der Grundlage der gegenseitigen Hilfeleistung garantiert werden kann? Sie 24 Punkte der MdensMnes. Die französische Regierung veröffentlicht ihre Gegen vorschläge zum Friedensplan in Gestalt einer Erklärung, die mit der Versicherung beginnt, daß die französische Re gierung den Frieden mit allen, den Frieden in der Gleich berechtigung und Ehre wünscht. Die Erklärung führt dann in ihrem Teil I folgende Grundfähe an: 1. Der erste Grundsatz für internationale Beziehun gen muß die Anerkennung der Gleichberechtigung und der Unabhängigkeit aller Staaten ebenso wie die Achtung vor übernommenen Verpflichtungen sein. 2. Es gibt keinen dauerhaften Frieden zwischen den Völkern, wenn dieser Friede Veränderungen unterworfen ist, die sich aus den Bedürfnissen und dem Ehrgeiz eines jeden Volkes herleiten. 3. Es gibt keine wahre Sicherheit in den internatio nalen Beziehungen, wenn alle Konflikte, die zwischen den Staaten auftreten könnten, nicht nach dem internationalen, für alle obligatorischen Recht gelöst werden, das durch ein internationales, unparteiisches, souveränes Gericht aus gelegt wird und das durch die Kräfte aller in der inter nationalen Gemeinschaft vereinigten Mitglieder garan tiert wird. 4. Die Gleichberechtigung ist kein Hindernis dafür, daß ein Staat in gewissen Fällen freiwillig und im AL- gemeininteresse die Ausübung feiner Oberhoheit und feiner Rechte beschränkt. 5. Diese Beschränkung ist vor allem in der Frage der Rü st ungen notwendig, um jede Gefahr der Hegemonie eines stärkeren Volkes über die schwächeren Völker ans zuschließen. 6. Die bestehende Ungleichheit zwischen den Völkern mutz im Schoße der internationalen Gemeinschaft durch den gegenseitigen Beistand gegen jede Ver letzung des internationalen Rechts ausgeglichen werden. 7. Wenn der gegenseitige Beistand im universellen Rahmen des Völkerbundes derzeit noch nur schwer in rascher und nützlicher Form zu verwirklichen ist, so muß hier mit regionalen Abkommen ausgeholsen werden. In einem mit II bezeichneten Teil werden dann folgende „politische Dispositionen" vorgeschlagen: 8. Eine typische regionale Einheit ist in Gestalt Europas vorhanden, dessen eigene Entwicklung die Organisierung der Sicherheit auf den oben angeführten Grundlagen sehr viel leichter mach!. 9. Selbst wenn die Erfahrung lehren sollte, daß Europa ein zu weites Gebiet ist, um die kollektive Sicher heit durch gegenseitigen Beistand oder Abrüstung durch- zusühren, so muß hier mit der Organisierung von regionalenVer st ändig ungen im europä ischen Rahmen eingesetzt werden. 10. Diese Organisation muß einem europäischen Ausschuß übertragen werden, der im Rahmen des Völkerbundes gegründet wird. 11. Das internationale Recht fordert die Achtung vor den Verträgen. Kein Vertrag kann als unveränderlich angesehen werden, aber kein Vertrag kann einseitig zurück gewiesen werden. In der Neuorganisierung Europas, wo alle gleichberech tigten Völker sich freiwillig vereinigen, wird sich jeder Staat verpflichten, den Territorialbestand seiner Mit glieder ru achten, der nur im Einverständnis mit allen geändert werden kann. Keine Forderung auf Abände rung kann vor 25 Jahren eingebracht wer den. Die europäischen oder regionalen Verträge, die die Unabhängigkeit der Staaten betreffen, ebenso wie jede nach Vereinbarung angenommene Beschränkung der Souveränität, besonders in der Frage der Rüstungen, werden unter die gemeinsame Garantie der vereinigten Mächte gestellt. Zu diesem Zweck sind besondere Dispo sitionen vorgesehen, um nach der durch die maßgebende internationale Autorität festgestellten Verletzung dieser Verträge Sanktionsmaßnahmen ergreifen zu können, die, tvenn es sein muß, bis zur Anwendung von Gewalt, zum Zwecke der Wiederherstellung des internatio nalen Rechts gehen können. 12. Um den Pflichten des geaenseitiaen Beistandes gerecht zu werden, werden die im europäischen oder im regionalen Rahmen vereinigten Staaten eine besondere und ständige militärische Streitmacht unterhalten, die auch Luftstreitkräfte und Marine umLrßt, und die dem Europa-Ausschuß oder dem Völkerbund zur Verfügung steht. 13. Die ständige Kontrolle über die Durch führung der Verträge im europäischen oder regionalen Rahmen wird durch den Europa-Ausschutz organisiert. Alle vereinigten europäischen Staaten verpflichten sich, diese Kontrolle zu erleichtern und die Durchführung der Beschlüsse, die diese Kontrolle Hervorrufen könnte, sicher zustellen. 14. Nachdem die kollektive Sicherheit im europäischen oder regionalen Rahmen durch den gegenseitigen Beistand organisiert worden ist, wird zu einer weitgehenden Ab rüstung aller Beteiligten geschritten. Die Rüstungsbeschränkung eines jeden Staates wird durch Zweidrittelmehrheit des Europa-Ausschusses oder durch irgendein anderes Organ bestimmt, das vom Völkerbundsrat ausersehen worden ist. Jeder Staat hat das Recht, einen ständigen inter nationalen S ch i e d s g e r i ch t s h o f anzurufen, der zu diesem Zweck vom Völkerbundsrat geschaffen wjrd, und der beauftragt sein wird, besonders über die Durch führung der im Artikel 5 niedergelegten Grundsätze zu wachen. 15. Alle augenblicklich im europäischen Nahmen bestehenden Verträge ebenso wie diejenigen, die in Zukunft zwischen zwei oder drei Mitgliedern der europäi schen Gemeinschaft abgeschlossen werden könnten, müssen dem Europa-Ausschuß unterbreitet werden, der mit Zweidrittelmehrheit beschließen kann, ob sie mit dem europäischen Pakt oder den regionalen europäischen Pakten, wie sie in Artikel 8 und 9 vorgesehen sind, ver-- einbar sind. Diese Dispositionen werden ebenso auf die wirtschaftlichen wie die politischen Abkommen angewandt. Abschnitt HI der Erklärung trägt die Überschrift: Oer Wirischafisfriede. 16. Wenn es als feststehend angesehen werden kann, daß der Wohlstand der Völker und, ohne vom Wohlstand zu sprechen, die Verminderung ihrer augenblicklichen Leiden nur durch die Festigung eines dauerhaften und auf gleichen und ehrlichen Beziehungen aufgebauten Friedens erreicht werden kann, so mutz nach der Beendigung des politischen Werks der Herstellung des Friedens die wirt schaftliche Zusammenarbeit der Völker organisiert werden. 17. Die rationelle Organisierung des gegenseitigen Austauschs stellt die Grundlage der wirtschaftlichen Zusammen arbeit dar. 18. Die Erweiterung der Absatzgebiete stellt eine erste Lösung dar. Eine erste Erweiterung muß in einem Meistbegünstigungssystem gefunden werden, das auf den europäischen Austausch angewandt wird. Wirtschaftliche Sonderbeziehungen kann man sogar bis zur teilweisen oder vollständigen Zollunion führen, wodurch die wirtschaftlichen Bedingungen verschiedener europäischer Bezirke fühlbar verbessert würden. 19. Die Sicherheit im Warenaustausch ist ein zweiter Faktor des wirtschaftlichen Fortschritts. Einerseits muß der Warenaustausch durch eine inter nationale oder mindestens europäische Konven tion geschützt werden, nm Garantien zu schaffen gegen die Mißbräuche des mittelbaren oder unmittelbaren Pro tektionismus. Der Konventionsentwurf für eine gemein same wirtschaftliche Aktion, der im Jahre 1931 vom Völkerbund aufgestellt worden ist, muß zu diesem Zweck wieder aufgegriffen werden. Andererseits muß der inter nationale Warenaustausch geschützt werden gegen das mißbräuchliche Eingreifen der Staaten. Der Abschluß eines europäischen Aollwaffenstillstandes, der durch einen fühlbaren Ausgleich der Währungen in Europa möglich gemacht würde, ist ebenso notwendig wie die Schaffung eines internationalen Waren austausch-Gerichtshofes, der die Kündigung der Handelsabkommen und den Abbruch wirtschaftlicher Beziehungen zwischen den Völkern verhindern würde, die der Regularisierung und der Entwicklung des Warenaus tausches so nachteilig sind. Schließlich müssen die Wäb - ru n g s f ch w a n kü n g e n und die Verknappung des internationalen Kredits bekämpft werden, und zwar be sonders durch eine Geld- und Kreditorganisation im europäischen Rabmen. 20. Die doppelte Notwendigkeit eines ge meinsamen Rohstoffreservoirs und eines A b s a tz g e b i e t e s f ü r d e n n b e r s ch u ß d e r e u r o- päischen Erzeugung müssen zu einer Revision gewisser Kolonialstatute führen, nicht auf dem Gebiete der politischen Souveränität, sondern unter dem Gesichtspunkt der Gleichheit der wirt schaftlichen Rechte und der Kreditzusammenarbeit zwischen den europäischen Staaten, die sich als Gesellschafter und nicht als Rivalen betrachten müssen, nachdem die kollektive Sicherheit und der gegenseitige Beistand durchgeführt sein werden. 21. Alle diese Probleme müssen, sobald die politische Sicherheit wiederhergestellt sein wird, durch eine Sou- derabteilung des Europaausschusses be handelt werden, bevor sie, falls dies notwendig erscheint, dem Völkerbund oder einer allgemeinen Konferenz unter breitet werden, zu der auch die Nichtmitgliedstaaten des Völkerbundes einzuladen wären. Der Teil IV enthält die Gchlußdisposiüonen. 22. In dem vorliegenden Friedensplan darf nichts als dem Völkerbundspakt entgegengesetzt oder als der Durchführung des Völkerbundspaktes Hindernisse be reitend betrachtet werden. Der Plan, und falls ein solcher notwendig werden sollte, der provisorische Pakt, müssen so abgestimmt werden, daß Abkommen Rechnung getragen wird, die zwischen den Vertragschließenden abgeschlossen werden könnten. 23. Es Wird angeregt, daß die in dem vorliegenden Plan angeführten Organisationen soweit wie möglich solche sein sollen, die bereits innerhalb des Völkerbundes bestehen oder daß der Völker bund aufgefordert wird, die Organisationen zu schaffen, die noch nicht bestehen. Die endgültige Zustimmung zum Friedensplan setzt die Zustimmung zum Völkerbundspakt voraus, dessen Grundsätze das oberste Gesetz der Vertragschließen den bleiben. 24. Die Nichtzustimmung zu diesem Plan seitens dieses oder jenes Staates der europäischen Gemeinschaft würde das Jnkraftsetzen des Planes zwischen den anderen Staaten, die sich zu dem Plan bekennen, nicht hindern. Der Plan müßte nur entsprechend abgeändert werden, besonders soweit die Organisierung der kollektiven Sicher heit, des gegenseitigen Beistandes und der Abrüstung in Frage käme. * Versailles-Geist. Im deutschen Volk wird wohl niemand etwas an deres erwartet haben, als daß die französische Diplomatie aus ihren alten Geleisen weiterfahren würde. Aber es dürfte nicht nur in Deutschland, sondern weit über die Grenzen des Deutschen Reiches hinaus bei allen friedliebenden Elementen der europäischen Völker Befremden erregen, daß die französische Regierung in nichts ihre Bereitwillig keit zu erkennen gegeben hat, die deutschen Frie densvorschläge, die wirklich ehrlich und ernsthaft gemeint waren, in irgendeiner Form zu berücksichtigen. Die französische Negierung stimmt in ihren beiden Denk schriften wieder die altbekannte Weise an, die einst Herr Briand im Konzert der europäischen Völker so geschickt zum Besten zu geben pflegte, ohne daß diesen Sirenen klängen des Herrn Briand ein besonders freundlich zu stimmendes Echo antwortete. Wenn man die französische Denkschrift durchlieft» dann kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die französische Diplomatie, starrköpfig wie sie ist, mit der Entwicklung in der europäischen Politik nicht Schritt zu halten vermag und daß die französische Regie rung an dem System der kollektiven Sicherheit und wie die Programmpunkte Frankreichs alle heißen, die aus dem Versailler System sich ergaben, unbedingt festzuhalten gewillt ist. Man kann gewiß über Vorschläge zur Sicherung und Wahrung des europäischen Friedens verschiedener Meinung sein, aber das wird niemand in der Welt bestreiten können, daß die deutschen Frie densvorschläge klar und eindeutig waren, während die sranzösischcn Gegenvorschläge einerseits sich zum großen Teil auf juristischen Formelkram stützen, andererseits nicht den praktischen Zielen der euro- päischen Friedensbemühungen entsprechen. Man muß wirklich die Frage stellen: Was will Frankreich eigentlich? Vor dem 7. März mußte man immer noch annehmen, es sei aufrichtig und aus- fchließlich um seine Sicherheit besorgt. Da kam das groß zügige deutsche Angebot, das für 25 Jahre den Frieden sichern will, das unter englische und italienische Garantie gestellt, durch einen Luftpakt ergänzt und mit Aus- sührungsbestimmungen über militärischen Beistand für den Fall eines Angriffs versehen ist, an der jeder Politiker und Militär, dem es um Sicherheit seines Landes geht, nichts auszusetzen haben kann. Nun kommt die fran zösische Regierung wieder mit allen möglichen Wünschen nach Aufklärungen und scheut sich sogar nicht, den ehrlichen deutschen Friedenswillen in grober Weise zu verdächtigen. Um aus der französischen Denkschrift nur einen Punkt herauszugreifen: Ist die französische Diplomatie so weltfremd geworden, daß sie überhaupt mit der Möglichkeit eines Paktes zwischen Deutschland und der Sowjetunion rechnet? Es dürfte den französischen Diplomaten nicht unbekannt fein, wie der Bolschewismus selbst in ibrem eigenen Lande, in Frank reich, von Tag zu Tag in verstärktem Maße feine Unter minierarbeit ins Werk setzt, während die französischen Diplomaten außerdem wissen müßten, daß Deutschland und sein Volk genügend böse Erfahrungen mit dem Träger des bolschewistischen Gedankens, dem Kommunismus, ge macht hat, so daß zwischen diesen beiden politischen Erpo- ! nenten niemals eine Brücke geschlagen werden kann. Aus England, aus Frankreich selbst oder aus anderen vom Kommunismus bedrohten Ländern sind genügend einsichtige Stimmen zu verzeichnen gewesen, die die große Gefahr des Bolschewismus für die Welt er kannt und mit Recht ihre Regierungen gewarnt j haben, diese Gefahr nicht zu unterschätzen. Und da kommt