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Oieketien uncl Ulk' k^orolkop. kleine Satire von Sie wird überall nur Dickchen genannt, und nicht mit Unrecht. Denn sie ist ein kleiner Pummel, dunkelkrausköpfig und mehr als mollig. In ihrem Gesicht, das rund und süß wie ein Mond ist, sitzt über einem vollen, kirschfarbenen Mund eine allerliebste Stupsnase mit beweglichen Nüstern, und rechts und links davon blinkern zwei kecke braune Augen. Sie sieht aus, als ob sie gern Schokolade äße, zu allerhand neckischen Streichen aufgelegt sei und gern einem netten jungen Mann, so anmutig es ihre Rundlichkeit eben erlaubt, um den Hals fiele. Dem ist aber nicht so. Dickchen wartet. Sie wartet mit Geduld. Sie hat die Mitte der Zwanzig schon überschritten, und es ist ihr noch kein Mann in den Weg gekommen, der mit einigermaßen guter Stellung und anständigem Charakter die Möglichkeit einer soliden Ehe hätte bieten können. Aber sie sucht Beruhigung und Belehrung im Studium gewisser Wissenschaften; in Phrenologie, Physiognomik, Graphologie, vor allem aber in all jenen unergründlichen Beziehungen zwischen Erde, Mensch und Sonne, Planeten und Stern bildern, — was man so als Astrologie bezeichnet... Und sie betreibt all diese Dinge mit großem Ernst. Sie tzeht in die Cafes und studiert Menschen, besonders Männer. Sie traut sich zu, mit Hilfe ihrer phrenologischen Kenntnisse einem jeden unweigerlich bis in die geheimsten Winkel der Seele zu schauen. In Graphologie freilich hat sie es noch nicht so weit gebracht. Und in Astrologie überläßt sie neidlos großen Männern den Rnf der Kompetenz. Sie schickte ihr genaues Geburtsdatum an einen Astro logen, bekam ihr Jahreshoroskop gestellt und wußte, daß ihr ein einschneidendes Erlebnis uno großes Glück bevorstehe. Es Würde im Dezember sein. Vor dem November aber sollte sie Ach hüten. Er könne ihr großen Schaden, ja gar ein Unglück Dringen... Dickchen hat keine Angst vor dem November. Wenn im Dezember das Glück zu ihr kommt, dann ist es klar, daß sie nun den grauen Unglücksmonat glücklich herumkommt. Sie wird schon auf der Hut sein. Sie ist ja nicht auf den Kopf gefallen. Ach, es ist schön, in Erwartung des kommenden Glückes wie in Knospen "zu stehen. Man steht mit dem Gedanken auf. -Man geht mit ihm ins Geschäft, man geht davon beseelt wach Hause, man geht damit zu Bett... und selbst der Schlaf pst noch phantastisch erfüllt davon ... - Im November ist Dickchen sehr vorsichtig. Sie verrichtet sfhre Arbeit im Geschäft aufs genaueste, geht allen Debatten saus dem Wege, meidet die Cafes und guckt sich auf dem dunk len Nachhausewege heimlich um... So treibt sie es bis gegen Ende November. Dann lacht sie sich eins. Nun ist die Gefahr bald überstanden. Sie kann teS wohl auch wieder wagen, mal abends in ein Cafe zu gehen. sWas kan« ihr lallt noch aelckebc«? Marga Vieiller. Aber es geschieht doch' etwas. In einer Nische sitzt ein junger Mann, der sic beobachtet. Er hat einen gutgebauten Kopf, ein schmales, rassiges Gesicht, hohe Stirn, ernste Augen, einen nicht zu vollen und nicht zu schmalen festgeMossenen Mund. Dickchen übersieht alles mit einem Blick. Das ist ein Mann, bei dem Geist, Herz und Vitalität in gutem Einklang miteinander stehen, eine harmonische Natur, zweifellos... Dickchen ist brennend interessiert. Sie ist sogar etwas aufgeregt, weil sich der Fremde ebenfalls zu interessieren scheint. Sie ist so aufgeregt, daß sie eine hochpolitische Tages zeitung beim Kellnrr bestellt, die sie sonst gar nicht in die Hand nimmt. Sie will diesem geistigen Fremden zeigen, daß sie nicht wie die kleinen Mädchen Modezeitungen, Film- zeitschriftcn und Witzblätter liest! Sie vertieft sich heuchlerisch in die Zeitung und legt sie dann weg, sieht nach der Uhr und korrigiert ihre Armbanduhr. Da erhebt sich der Fremde, geht auf ihren Tisch zu —> Dickchen stockt der Atem — der Fremde verbeugt sich: „Gestatten Sie?" und weist auf die Zeitung. Dickchen sieht ihn verdattert an. Der Fremde verbeugt sich nochmals. Er murmelt einen Namen, den Dickchen nicht versteht. „Gestatten Sie, daß ich hier Platz nehme?" Um Dickchen dreht sich alles. Wie, sie soll ihm qegen- übersitzcn? Mit diesem Zittern und Beben im ganzen Körper? Unmöglich! Und mit einem Male fällt ihr die Prophezeiung ein... Sich hüten vor dem November... Schaden bringen, Unglück... im Dezember erst das Glück ... „Bitte", sagt sie kaum hörbar Und in einer wahnwitzigen Hast steht sie auf, rafft Handtasche und Hut zusammen, sagt „Guten Abend" nnd geht... geht unsicheren Schrittes zum Cafe hinaus, rennt kopflos durch die Straßen und sinkt weinend über ihrem Bett zusammen. In der Nacht träumt sie, daß der junge Mann im Cafe das Glück gewesen wäre und daß sie es von sich gestoßen hätte in der Angst vor dem Unglück ... An den nächsten Abenden ist sie ständiger Gast in dem Cafe. Mit Herzklopfen prüft sie jeden Neueintretcnden. Aber von dem Fremden entdeckt sie keine Spur mehr. Dickchen ver zehrt sich fast in Sehnsucht. ' Der Dezember geht hin, ohne daß sich irgend etwas ereignet. Und es wird ihr immer mehr zur Gewißheit: s i e ist schuld daran. Sie hat den Wink der Sterne mißverstanden. Daß »e den Fremden vor den Kopf stieß, das war es ja gerade, wovor sie sich hätte hüten sollen... Ohhh... die Reue, die bittere Reue... Und so, noch immer im Glaubenswahn an Horoskop und Sternenschicksal befangen, rollt Dickchen durch llhrc kleines Leben — als ihr eigener unglückseliger Saturn. nacke isl M... Humoreske von Yannes kulensckön. Drei schrille Pfiffe gellten durch die Luft. Die Matrosen Kefen zur Reling, um die Laufbrücke einzuziehen. Ungeduldig ließ der Kapitän noch einmal seinen Blick über den Dampfer gleiten — als plötzlich der kleine Dicke angerannt kam. Er trug eine lederne Handtasche, die mit Hotelzetteln aus allen großen Städten der Welt beklebt war, pustete Ivie ein Tornado, schüttelte mir sofort impulsiv die Hände (obwohl ich keinen Dunst hatte, wer er war) und zog plötzlich sein Taschentuch, um wie ein Wilder zum Kai hinüber zu winken. „Sie lassen Ihre Lieben zurück?" fragte ich diskret. „I bewahre!" sprudelte er hervor. „Ich winke aus reiner Leidenschaft. Immer, wenn ich wegfahre, winke ich. Das macht mir großen Spaß. Man kommt sich so gehoben vor." Ich nickte dazu, aber das hätte ich nicht tnn sollen, denn sofort rief er: „Sehen Sie, ich habe es Ihnen gleich angesehen, daß wir verwandte Seelen sind! Großartig! Wir werden uns eine gemütliche Ueberfahrt machen. Uebrigens: Sebaldius ist mein Name. Ich reise in Versicherungen. In was reisen Sie?" „Sozusagen in Literatur — wenn man auch den Ausdruck »reifem nicht gerade gebrauchen darf", gab ich zurück. „Aha, verstehe: Zeitungshändler..." stellte Sebaldius sach verständig fest. — „Nein, Journalist", verbesserte ich. „Was Sie nickt saaen!" strahlte der kleine Dicke. »Dann habe ich fabelhafte Neuigkeiten für Sie. Man sieht Ihnen ja an derNase an, daß Sie Humor lieben." „Nun ja", meinte ich mit leichtem Zöger«, „ich schreibe hin und wieder Humoresken." „Sehen Sie, habe ich nicht Menschenkennerblick?" rief Sebaldius entzück. „Ja, ja, mir macht so leicht keiner was vor, mein lieber Herr Dnsendüwel!" „Butenschön!" verbesserte ich. „Ganz recht, so sagte ich ja", bemerkte er sachlich. „Kennen Sie übrigens den Witz von dem alten Schweden, der auf der Kommandobrücke steht? Ganz große Klasse, sage ich Ihnen. Also eines Tages fährt ein oller Schwede..." Und nun fing er an zu erzählen, zu sprudeln und zu spucken... Zwei Stunden später faßen wir in der Bar, tranken Kognak mit Selter, und der Dicke sprudelte immer noch Witze, die ich längst in steinalten illustrierten Blättern gelesen hatte. „Kennen Sie übrigens den mit dem Neger, der im Hamburger Hafen eine Flasche englische Sauce trinkt?" fragte er mich. — „Ja", sagte ich, „aber nun entschuldigen Sie mich für fünf Minuten! Ich muß dringend einen Verleger besuchen, der zufällig hier an Bord ist." Als ich in den Rauchsalon trat, war es aber schon zu spät. Der Verleger hatte sich geärgert, daß ich ihm erst durch den Steward eine Botschaft schicken und ihn dann hinterher so lange warten ließ; er war bereits schlafen gegangen. Verstimmt lehrte ich zur Schiffsbar zurück. Schade, da war vielleicht ein guter Abschluß zum Teufel! „Was sehe ich, Sie sind wieder da?" eilte mir der klelK Dicke freudestrahlend entgegen. „Ober, noch zwei ,dito", bitte! Wissen Sie, weshalb ich ,diw" sage? Hahaha! Tas ist doch der Witz mit dem Neger! Der trinkt aus Versehen englische Sauce, weil er sie für Rum hält, und als er hört, daß zwei Hamburger Hafenarbeiter neuen Rum bestellen nnd »Kellner, dito!" rufen, bestellt er eben auch .dito" und kriegt wieder englische Sauce! Großartig!!!" Und dabei fing er an zn brüllen, daß sich alle Gäste in der Bar umsahen. Verdammt, jetzt wurde mir die Sache mit den blöden Witzen aber zu dämlich. „Ich gehe jetzt schlafen!" sagte ich kurz. — „Ich auch", stimmte Sebaldius zu„ „wissen Sie schon, daß ich eine fabelhafte Idee ausgeknobelt habe, als Sie fort waren? Ich tausche nämlich mit Jhr^m Kabinennachbarn den Platz, lieber Dnsendüwel. Ich schlafe jetzt in Ihrer Kabine! Wir werden uns noch großartig unter halten ..." Auch das noch! Entsetzlich! Als ich endlich morgens gegen drei einschlief, war der Dicke bei dem Witz gelandet, wie ein Engländer einem Schotten na, Sie wissen schon! Am nächsten Morgen erschien Sebaldius mit starker Ver spätung an meinem Frühstückstisch und sagte: „Am ie ich iclleicht ein ähn cschu?" „Nanu, soll das Portugiesisch sein?" fragte ich. Er schüttelte den Kopf, bestellten den Kaffee und verdrückte zwei Weiche Eier. Er war übrigens wie umgewandelt und fprach den ganzen Tag kein Wort. Ja, ich konnte mich sogar zu ihm setzen und ihm sämtliche Witze erbarmungslos wieder erzählen, die er selbst mir erzählt hatte — er sagte nur: „Nehm, ähm!" dazu und machte ein verzweifeltes Gesicht. Gegen Mittag erzählte mir der Bordfunker, daß der Dicke an seine Frau telegra phiert hatte, damit sie ihm sein Reservegebiß schickte. Ich lächelte still. Ich hatte ja gleich verstanden, was der „portugiesische" Satz bedeutete, nämlich: „Haben Sie nicht vielleicht meine Zähne gesehen?" Ein Mann ohne sein Gebiß kann eben nicht rede« — das war das Geheimnis! Am nächsten Mittag hörte ich in der Stadt, daß Sebaldius' Neservegebiß angekommcn war — aber zu spät! Den Ver sicherungsauftrag hatte c.in Konkurrcnzvertreter weggeschnappt. Der kleine Dicke schimpfte nicht schlecht, als er cs erfuhr. Und das alles wegen eines dämlichen fehlenden Gebisses! Aber ich stelle mir heute vor, w i e entsetzlich er erst gewettert haben muß, als er am Nachmittag folgenden Brief von mir im Hotel erhielt: „Verehrter Herr Sebaldius! Bevor ich abrcise, möchte ich Ihnen herzlich danken für die schönen Stunden, die Sie mir mit Ihren reizenden Witzen bereitet haben. Es war eine wunder volle Ueberfahrt — ganz, wie Sie vorausgesagt hatten! Hoffent lich haben Sie in der Stadt den gewünschten geschäftlichen Er folg, der mir an Bord leider versagt war. Bec dieser Gelegen heit sende ich Ihnen übrigens Ihr Gebiß zurück, das aus Ver sehen in meine Reisetasche geraten war, und empfehle mich Ihnen mit den besten Grüßen, Ihr Hannes Butenschön." Aus alles well Der ließ schlagen einen Brucken... Würdige Nachfolger., des Prinzen Eugen, der nach Aus- age jenes berühmten alten Liedes einen Brücken über die Dona« chlagen ließ, sind die deutschen Techniker, die jüngst die Pent- chewo-Brücke bei „Stadt und Festung Bclgerad" über den Strom bauten. Das Werk wird allgemein als meisterlich an erkannt. Die Donau ist dort 1200 Meter breit. Die Brücken höhe beträgt über den Auflagern zehn Bieter und steigt bis zur Mitte auf 24 Meter an. Neben dem Eiscnbahngeleise zieht sich eine 4,50 Meter breite Straße hin, die dem allgemeinen Verkehr dient. der Hauptösfnung aus, die auf der Belgrader Seit-e liegt, wölben sich fünf Bogen aus Eisenbeton von zusammen 135 Meter Länge. Von den 21 Pfeilern, auf denen die Brücke ruht, stehen acht im Strom. Sie mußten bis zu 30 Meter unter Mittelwasser gegründet werden. Seltsame Trauung. Die japanische Musiklehrerin Masaka Sagisaki hatte sich vor Jahren in Tokio mit ihrem Landsmann Kyochy Oya ver lobt. Dann aber verließ der Bräutigam seine Heimat, um in der Neuen Welt sein Brot zu suchen und später das Mädchen heimzuführcn. Ehe er indessen dazu kam, erkrankte er schwer. Er fühlte sein Ende nahen. Seine Verlobte eilte zu ihm und erhielt, da an eine Genesung nicht mehr zu denken war, von dem Sterbenden die Versicherung, er würde sie auch über das Grab hinaus lieben. Die junge Masaka erklärte, selbst der Tod solle sie beide nicht trennen. Oha starb. Wie sollten die zwei nun weiter vereint bleiben? Man fand einen Ausweg. Der tote Bräutigam wurde verbrannt, die Asche nahm die Braut mit in die japanische Heimat, und dort wurde die Ehe unter feierlichen Riten vollzogen. Ein Dorf, das durch die Olympischen Spiele berühmt wird. Auf dem 3055 Kilometer langen Wege, den das Olympische Feuer von Griechenland nach Berlin zurückzulegcn hat, wer den die Staffelläufer in Hellendorf an der sächsisch-tschechischen Grenze erstmalig den Boden Deutschlands betreten. Am 31. Juli, nachmittags 2 Uhr 30 Minuten, wird der tschechische Marathonläufer das Olympische Feuer in Hellendorf der deut ¬ schen Staffel ip feierlichem Akt übergeben. Am 31. Juli werden die Augen der ganzen Welt auf das bis jetzt unbekannte Dörf chen gerichtet sein, aus dem wir ein Bild zeigen: der hart an der Grenze gelegene Gasthof Hellendorf mit der Straße in die Tschechoslowakei. Am Schlagbaum findet die Zollabfertigung für den Grenzverkehr statt. (Löhrich — Bi.) Die Väter des Automobils auf den neuen Briefmarken. Das fünfzigjährige Jubiläum des Kraftwagens und die dies jährige „Internationale Automobil- und Motorradausstsllung Berlin 1033" haben die Deutsche Rcichspost zur Herausgabe von zwei Sondermarken veranlaßt. Das Wertzeichen zu 6 Psg. trägt das Bild von Gottlieb Daimler, das Wertzeichen zu 12 Pfg. das Bild von Carl Benz. (Wagenborg — M )