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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.03.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-03-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19050329018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1905032901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1905032901
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-03
- Tag 1905-03-29
-
Monat
1905-03
-
Jahr
1905
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Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Extra-Beilagen lnnr mit der Morgen: Ausgabe) nach besonderer Vereinbarung. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig (Inh. l)r. R. L W. Kliukhardt). Sir. M Mittwoch den 29. Mär; 1905. Vs; wichtigste vom Lage. * Prinz Friedrich Leopold von Preußen ist in Hongkong eingetroffen. Der Gouverneur gab zu Ehren des Prinzen ein Frühstück. * Die Osterferien deS Reichstags werden, wie in Reichötagskreisen verlautet, am 5. April beginnen, nachdem er gestern die zweite Lesung des Etats beendet hat. (S. Bericht.) * Das preußische Abgeordnetenhaus überwies die Berggesetznovellen einer Kommission von 28 Mit gliedern. (S. Bericht.) * Der Botschafter Graf Szoegenyi-Marich ist gestern in Pest vom Kaiser Franz Josef empfangen worden und hat dann den Grafen Julius Andrassy besucht. (S. AuSl.) * Durch Anordnung des russischen Ministers des Innern Bulygin wird vom 27. März ab über Livland der Zustand des verstärkten Schutzes verhängt. (S. Die Krisis in Rußland.) * Nach den letzten Petersburger Meldungen hält die Sorge um den russischen Westslügel und die rück wärtigen Verbindungen der russischen Armee an. (S. russ.-jap. Krieg.) veuttchianO uns Mawlrlrs. Es ist eigentlich noch nicht dagewesen, daß zwei Mächte, um alte Differenzen zwischen sich auszugleichen, ein drittes, mit beiden im tiefsten Frieden stehendes Land beim Kragen nehmen und darüber verfügen. Napoleon III. wollte so handeln, als er Bismarck eine Verständigung über Belgien und über einen Teil der Rbeinpfalz anbot. Aber er kam doch nicht damit zu Stande. Um das Dekorum zu wahren, verständigten sich England und Frankreich dahin, in den Vertrag die Be stimmung aufzunehmen, daß Frankreich die Staatsord nung Marokkos nicht antastcn dürfe. Und doch enthielt der Vertrag schon andere Bestimmungen, die mit der Selbständigkeit Marokkos gar nicht vereinbar waren. So mußte sich Frankreich verpflichten, den Freiliandel im Lande für englische Güter aus dreißig Jahre hinaus be stehen zu lassen: und weiter, Tanger nicht zu einen» Kriegshafen ausznbauen und nicht zu befestigen. Tas zeigt doch mit vollster Deutlichkeit, daß von einer wirk- lichen Unabhängigkeit des Sultans nicht mehr die Rede sein sollte. Einer solchen Unabhängigkeit können nur die tatsäch lichen Verhältnisse ein Ende machen, nicht Verabredungen zwisckfen zwei dritten Mächten. Diese sind für kein anderes Land verbindlich. Tic tatsächliche Eroberung Hannovers machte dieses zu einer preußischen Provinz, trotz des Anspruches des Königs auf Fortbestand seiner Souveränität. Wenn Frankreich Marokko übergeschluckt hätte, so iväre es mit den» selbständigen Sultanat Matthäi am letzten gewesen. Der bloße Vertrag macht nichts aus: selbst die Mitteilung dieses letzteren an die fremden Regierungen — die übrigens gar nicht erfolgt ist — hätte daran nichts geändert. Richtiger wäre es gewesen, wenn die anderen Mächte, namentlich T-entschland, die Vereinigten Staaten und Spanien, dies schon vor Jahresfrist erklärt hätten. Der Sultan hätte dann gewußt, daß er an ihnen einen Halt habe, und dies würde der Wiederherstellung feiner Autorität nützlich gewesen sein. Das ist nun leider nicht geschehen — weshalb, das mag hier auf sich beruhen bleiben. Es scheint, daß inan gar zu voreilig ange nommen hat, der Uebergang Marokkos in die Hände der französischen Republik sei unabwendbar. Nun ist dieser aber auf Schwierigkeiten gestoßen, die Kennern der Ver hältnisse keineswegs unerwartet gekommen sind, auf die jedoch weder die Diplomatie, noch das größere Publikum gerechnet zu haben scheint. Es lebt in den» noch niemals, d. h. seit rund zwölfhundert Jahren, einer christlickfcn Herrsck>aft unterworfen gewesenen muhamme- danischen Bevölkerung berberischen wie arabischen Stammes ein starker Unabhängigkeitssinn, der sich seit der Bedrohung des Landes erneut geltend macht. Was er bedeutet, »veiß Frankreich aus den Kämpfen mit Algier. Algerien hat knapp 5 Millionen Einwohner, Marokko lvcnigstcns acht. Und wenn im marokkanischen Atlas die grüne Fahne des Propheten entrollt wird, so steigen auch im algerischen die Kabylen zu Roß, um die verhaßte Herrschaft der Franzosen abzuichütteln. Tie Franzosen haben ernstlickw Besorgnisse vor der Notwen digkeit einer kriegerischen Aktion in Marokko gehabt. Sie haben nicht nur die Kosten gefürchtet, sondern auch die Festlegung von hunderttausend Soldaten, die man in Europa nicht entbehren könne, ohne dem politischen Gewicht der französischen Republik Eintrag zu tun. Wenn Frankreich in marokkanischen Wirrnissen engagiert sei, so werde es nicht die Hände frei lxaben für den große»: Augenblick, an den nach Gambetta alle Welt denke»» und vo»» den» niemand sprechen soll: für den Augenblick der Rache an Deutschland Diese Bedenken wurden über- wunden, »veil man glaubte, zu einer sanften Einver leibung seien alle Wege geebnet. Frankreich hütete sich daher auf den Sultan mit Genialt zu drücken. Es nötigte ihm nur — was kein muselmanischer Herrscher von der Hand zu weisen vermag — eine Anleihe auf, wo mit die Geldverlegenheit verschwand und nahm dafür die Zollverwaltung in die Hand. Schon das war den Marokkanern nicht genehm, denn sie erkannten wohl, wohin es führt, wenn ein Land die Verwaltung auf einem so wichtigen Gebiet aus der Hand gibt. Um weiter zu gehen, sandte Frankreich Herrn Tallandier mit einer be sonderen Mission nach Fez ab. Eben in diesen Tagen ist sie gescheitert: Herr Tallandier kehrt unverrichteter Sache nach Tanger zurück. Er trifft dort eine völlig verän derte Situation. Nach deutschen und englischen Berichten ist die Bevölkerung in lebhafter Erregung wegen der be vorstehenden Ankunft des deutschen Kaisers. Frank reichs Aktien fallen. Man glaubt, daß dein Uebergang des Landes in das Protektorat Frankreichs nun ein Riegel vorgeschoben werde. Eins hat die französische Herrschaft besonders unbe liebt gemacht. Als nämlich die Tinte der Unterschriften des Vertrags der beiden Großmächte kaum trocken ge- worden war, stellte sich schon ein Heer französischer Abenteurer und zweifelhafter Geschäftsleute ein. Wirte, Händler, Handwerker (wirkliche und vorgebliche). Wuchs- rer, „Unternehmer" aller Art kamen und dachten, sie hätten nun von obrigkeitlicher Gewalt nichts mehr zu fürchten. Ter Sultan dürfe sich nicht mehr an einem civis xmUicus vergreifen, während die französische Polizei noch »richt funktioniere. Tie beginnende Ver treibung des eingeborenen Volkes von feinen Nahrungs quellen und Gewohnheiten trat bereits deutlich hervor. Auch die Vertreter der fremden Mächte mußten er kennen. daß es nicht mehr lange währen werde, bis Marokko nur noch für dieFranzown npx-n cka<»r sein werde, allenfalls auch noch für die Engländer, die sich von Frank reich wenigstens bis zum Jahre 1934 Freihandel aus- bedungen haben. Andere Völker haben solche Rechts- ansprüche nicht. Und außerdem: was ist Freihandel aus dem Papier wert? Die französische VerwaUling kann alle Staatsunternehmnngcn z. B. Eisenbahnen, Hafen- bauten, Zollhäuser, Waffenlieferungen usw. usw. an ihre Landsleute vergeben, so daß die Fremden das Nach sehen haben. Sie kann auf den Eisenbahnen, in den Lagerhäusern und durch mancherlei Einflüsse auf die Eingeborenen die fremden Waren um ihre Konkurrenz fähigkeit bringen. Deutschland. Nordamerika, Spanien usw. hätten nicht einmal einen Rechtsgrund zur Bc- schworde. Die wirtschaftlicher» Interessen aller dieser Länder würden unter allen Umstände»» geschädigt. Diese sind aber vielversprechend- Deutschland, das durch die oldenburgisch-portugicsische Tampfschiffsreederei eine gute regelmäßiae Verbindung mit Marokko unterhält, exportierte 1903 schon für 4 Millionen Mark dorthin. Sobald aber Ordnung im Lande einzieht, vollends so bald einmal Eisenbahnen ins Innere Vordringen, ist eine Hebung der Kaufkraft und damit eine Zunahme unserer Ausfuhr in sicherer Erwartung. Alle Kenner des Landes schildern übereinstimmend das Land, soweit es sich vom Atlas nach dem atlantischen Ozean zu abdacht, als gut bewässert und sehr fruchtbar. Schwerwiegender noch ist die politische Bedeutung. Auf Gebietserwerb können, wie die „Nordd. Allg. Ztg." nachdrücklich geltend macht, die Schritte Deutschlands nicht gerichtet sein. Wenn man die fremden Mächte für die Integrität des Landes interessieren will, so kann man natürlich nicht selbst etwas erwerben wollen. Aber die Abwehr einer französischen Beherrschung ist ein sehr wichtiges Ziel. Marokkos Lage hat eine außerordentliche politische Bedeutung. Es bildet die Südküste der wich tigsten Meerenge der Erde. Den Norden beherrscht England durch Gibraltar, das übrigens gegen Artillerie, die am spanischen Ufer ausgestellt ist, nicht gesichert ist. Wenn nun in einem Kriege, an dem England unbe- teiligt ist, Frankreich, gestützt auf einen Kriegshafen in Tanger die Meerenge sperren kann, so ist es damit in großem Vorteil. Deutschland, Italien, Oesterreich-Un garn. Spanien, die Vereinigten Staaten müssen darin eine Benachteiligung erblicken. Mag England auch durch eine Vertragsklausel die Befestigung Tangers aus geschlossen haben, wer ist der Bürge dafür, daß dies immer inne gehalten wird? Die anderen Länder haben' ja nicht einmal das Recht der Einsprache. Nein, sie müssen jetzt Protest anmclden, so lange der Sultan noch unabhängig ist. Noch sind sie durch nichts gehindert, die Fortdauer der Unabhängigkeit Marokkos zum Programm zu erheben. Sie bedürfe.» dabei eines Bundesgenossen: Marokkos selbst. Gern wird der Sultan einwilligen. Tas allein macht es aber auch noch nicht: er muß auch Gehorsam im Lande finden und Ordnung schaffen. Ohne solche wird Marokko doch eine Beute der Nachbarn. * Zu der Angelegenheit sind heute einige Preßäuße rungen zu registrieren: In einer sickstlich eingegebenen Note sagt „Matin": Wir glauben zu wissen, es sei durch, aus unrichtig, daß Deutschland außerhalb der Ver- Handlungen gelassen wurde, die zum marokkanischen A b - ! ommen führten. Wenn Deutschland in diese Vorver- handlung weniger unmittelbar einbczoaen wurde als England, Spanien und Italien, so ist es, weil die deut- scheu Interessen unendlich weniger bedeutend waren, als die dieser drei Mächte, aber auch weil Deutschland selbst wiederholt feierlich verkündet hat, daß es keine Mlttel- mcermacht ist und nie werden will. Trotzdem (!!) hat Telcass6 beim Vertragsschluß sich gegen Deutschland vollkommen korrekt und sogar höflich und zuvorkommend erwiesen. So hat er den Wortlaut des Abkommens mit England auf diplomatischem Wege der deutschen Regierung mitgeteilt, ehe es unterzeichnet war. So hat Delcasss außerdem wiederholt die förmliche Versicherung gegeben, daß die wirtschaftlichen Inter essen, die Deutschland etwa in Marokko haben mag, u n - bedingt geschont werden sollen. Diese Versiche rung hat DelcaW auf der Rednerbühne der Kammer er teilt, er ist bereit, sie nochmals zu geben, er ist sogar be- reit, sie zu schreiben. Uebrigens hat die deutsche Re gierung niemals, sei es mittelbar, sei es unmittelbar, durch irgend einen seiner Vertreter den leisesten Ein spruch gegen das Abkommen mit England oder die ge ringste Beschwerde wegen dec Schonung der deutschen Wirtschaftsinteressen erhoben, es ist also unbedingt un richtig, zu behaupten, daß Deutschland wegen des eng lischen Abkommens gegen Frankreich irgend etwas haben könne. Das Blatt erklärt, die französische Re gierung sei durchaus korrekt von der ge planten Kaiserreise im voraus verstän digt worden, und Deutschland habe ihr das Reisevroqramm in allen Einzelheiten mitgeteilt. Ter .Kaiserbesuch in Tanger ist nicht politisch schließt die Note, und kann in keiner Weise Frankreichs Vertretungs linie in Marokko ändern, die zum Zwecke hat, indem unserem Einflüsse unterworfenenunge- heuern Reich Ordnung, Wohlstand und R u h e he r r s ch e n zu las s e n. Die „Voss. Ztg." meint hierzu niit ein wenig naive»» Optimisinus: Man darf hoffentlich annehmen, daß dem „Matin" nur der allge meine Gedankengang dieser Note amtlich eingegeben wurde, nicht aber der Wortlaut, der vielmehr das Werk des Blattes wäre. So würden sich unrichtige tatsächliche Angaben und auffallende Wendungen befriedigend er klären. Die „Times" warnen bezeichnenderweise in einem Leitartikel über die Lage in Marokko die englische Kolonie in Tanger vor zu demonstrativer Begrüßung des deutschen Kaisers. Angesichts der Umstände, unter denen der Besuch erfolgt, köirnte eine solche in Frankreich leicht als Akt der Unfreundlichkeit angesehen werden. Vie Krim in kurrlancl. Neue wirren in den Oftseeprovinzen. Wegen der sich überall in den Ostseeprovinzen aus breitenden Unruhen ist soeben der kleine Belage rungszustand über Livland verhängt worden. Truppe»» besetzen das flache Land. — Aus Windau wird gemeldet, daß in der vorigen Woche in den benach barten Kreise Goldingen aufgetretene Gärung unter den Bauern auf einige Amts-Bezirke des Krei ses Windau überging. Die Landarbeiter tra ten in den Ausstand und stellten Forderungen. An mehreren Orten störten sie die Ordnung. Auf einige Güter wurden Truppen entsandt. Nach einer Meldung aus Dorpat ersuchten die Bürger den Gouverneur, die Bildung einer Bürgerwehr zu gestatten, weil im Frühjahr Unruhen befürchtet werden. Am Montag trafen Kosaken ein. Bulygin und -ie Semstwo». Wie berichtet wird, beabsichtigt derMinister des Innern zu den Arbeiten seiner Kommission nur Ver treter der 34 Gouvernements heranzuziehen, wo die Semstwos eingeführt sind. In der Moskauer Semstwo- Versammlung wurde von einer Anzahl Mitglieder da gegen Einspruch erhoben: die Vertreter der Stadträte und der Gouvernements-Semstwos stellten nicht die Ge - samtbevölkerung dar. In Moskau seien die dort wohnenden 789 000 Bauern in das Stadtduma durch nur einen vertreten. Auch sei zu beachten, daß weder die Semstwo. noch die Dumavertreter für die Kommission Bulygins Vollmachten haben. Nur die Mandatare könn ten diese Vollmachten erweitern, jetzt aber heiße es, die Regierung solle ohne Zustimmung der Wähler als Ver trauensmänner der Bevölkerung Personen anerkennen, denen niemand entsprechende Vollmachten erteilt für die Angelegenheiten von wichtiger allgemeinstaatlicher Be deutung. Die protestierenden Abgeordneten verlangen, daß die Kommission Bulygins nicht aus gewählten Semstwo. und Tumavertretern bestehe, sondern neben Vertretern der Verwaltung hauptsächlich aus vom Minister auf Grundlage des Erlasses vom 3. d. berufe nen Personen ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Stellung, Stand und politische Gesinnung, wenn nur die Gesamt bevölkerung gleichmäßig vertreten werde. Einzelnachrichten von -en Unruhen. In Moskau haben sich 2000 Po st- und Tele- graphenbcamte, in Kiew 800, in Odessa eben falls 800 und in verschiedenen Gouvernementsstädten je 300—600 zur Einreiclmng von Gesuchen um Verbesse rung ihrer materiellen Lage organisiert. — In Tosno wice und im Bezirk Dombrowo wurde die Arbeit wieder ausgenommen, nur in den Poremba- werken und auf den Gruben Koschelew und Paris in MileVizy, Wv ei-ne Verständigung mit den Arbeitern noch nicht erzielt wurde, dauert der Ausstand noch an. — Aus Ascha bad meldet die „Petersburger Tele- graphen-Agentur": Flüchtlinge aus Kölsch an berich ten, dort behaupte man, der Pöbel in Kotschan werde von Mohammedanern aus Baku gegen die Christen aufgchetzt. Der Ausbruch des Volks- Unwillens richtet sich auch gegen den Chan von Kot- fchan, von dein sich die Untertanen bedrückt fühlen, sein Palast werde von bewaffneten Volksmassen be lagert. W. Jahrgang. ver mrrirch-japanircbe Krieg. Vie englische Stimmungsmache für ein englisch-japanisches Schutzbündnis, das gleich mit dem Friedensvertrag erfolgen soll, wächst beständig an. Der „Daily Telegraph" erklärt, wie der „T. R." zu ent nehmen ist, offiziös, das Schutzbündnis sei beiderseits popu lär. Leider stoße der Beitritt Amerikas auf Schwierig keiten; das Schutzbündnis werde, wie natürlich aus dem Prinzip der „Humanität" herausgeschworen wird, den Welt frieden garantieren. Vie Nachrichten von, Nriegrscharrplatz verstärken, auch soweit sie über Petersburg kommen, die Sorge um den russischen Westflügel und die rück- wärtigen Verbindungen der Armee. Die Japaner haben nach Meldungen der Landeseinwohner schon jetzt sehr bedeutende Depots von Vorräten auf dem Wege von Si-nminting nach Tsitsikar und selbst in der Richtung nach Cbailar angelegt. In jener Gegend sollen sogar 60 000 Chunchusen mit japanischen Offizieren unter Waffen stehen. — Der „Russj" meldet aus Guntsuling unter dem 27. d. M.: Fünfzig Werst südlich von der russischen Front sind keine japanischen Truppen gefunden. Chinesen berichten nach dem „Rußkoje Slowo", jedes Zurückgehen der Russen erleichtere den Japanern die Umgehung von Osten her auf Kirin und Ningutu. Ver russische Generalstab wehrt sich in seinem Organ, dem „Rnsskij Jnwalid" gegen die wider ihn gerichteten Angriffe. Er weist daraus hin, daß er jetzt während des Krieges außer stände ist, alles auf- zuklären. Die Wahrung des Kriegsgeheimnisses ver bietet ihm dies. Wie ungerechtfertigt aber die gegen den Generalstab gerichteten Angriffe seien, bewiesen allein die Zahlen der nach demKriegsschauplatz auf einer eingleisigen Bahn gesandten Truppen. Seit dem Beginn des Krieges seien bis zum .12. März d. I. einschließlich 13 087 Offiziere, 761 467 Mann, 146 408 Pferve, 1521 Geschütze und 10 524 977 Pud ver schiedener Lasten ab transportiert worden. Diese Leistung muß allerdings als ganz enorm angesehen werden. Weiterhin bemerkt der Verfasser, daß die Vorwürfe, nach denen Port Arthur nicht genügend mit Lebensmitteln und Muniiion versorgt gewesen sei, ebenfalls ungerechtfertigt seien. Die Besatzung Port Arthurs sei zunächst nur auf 12 Bataillone bemessen gewesen. Wenn nachträglich beschlossen worden sei, 30 Bataillone nebst der entsprechenden Artillerie nach Port Arthur zu senden, so hätten selbstverständlich die Vorräte sür eine solche Truppenmaffe nickt ausgereickt. Die „Nowoje Wremja" schreibt, vie Veranlassung ter Ver öffentlichung von Daten über die transportierten Truppen nach Charbin sei merkwürdig genug, weil während der Kriegs zeit die Militärbureaukratie kein Recht habe, Mitteilungen geheimen Charakters zu veröffentlichen. Es wäre besser gewesen, glänzende Taten vom Kriegsschauplatz zu melden, die durch die Tätigkeit des Kriegsministeriums kerbeigeiübrt worden wären. Solche Nachrichten erfolgten jedock leider nicht, und diese Mitteilungen aus kompetenten Quellen könnten den Japanern zur Erleichterung ihrer Aufgaben dienen. Die Meinung der Petersburger Gesellschaft ist, daß die Meldung des „Rußkj Jnwalid" ein Trick Sacharows gjegen Kur»patkin sei, der als unsinnig verurteilt wird Deutsches strich. Leipzig, 28 März. * Lie Leip;iger Konfiskationen. Von Herrn Professor Dr. Georg Witkowski erhalten wir folgende höchst dankens werte Zuschrift untern» heutigen Datum: „Die Ausführungen unter dem Titel „Zu den Leipziger Konfiskationen", die in dec heutigen Morgen-Ausgabe Ihres Blattes enthalten sind, kann ick nach meinen Erfahrungen als literarischer Sach verständiger beim hiesigen königlichen Landgericht durchaus bestätigen. Einen schlagenden Beweis für die Praxis gegenüber Büchern von moralisch zweifelhaftem Charakter liefert ein gestern ergangenes Urteil. 7 Werke waren auf auswärtige Anregung unter Anklage gestellt worden. Von diesen wurden vier freigegeben, nämlich Ferenzuola, Gespräche über die Schönheit der Frauen; Bandello, Künstlernovellen aus der Renaissance; Huys m ans. Da unten (I-L-das) und Lemonnier, Die Liebe im Menschen. In Bezug auf Diderot, Im Kloster (Oa RsIigiouZv) hatte die kgl. Staatsanwaltschaft schon vor der Hauptverhandlung die Anklage fallen lassen. Verurteilung trat nur ein wegen der völlig wertlosen und schmutzigen Romane „DaS Sopha" von Crebillon und „Der Mann mit dem Spiegel" von Bessemer. Jeder, der die genannten Werke kennt, wird bezeugen, daß dieses Urteil, weit entfernt von engsinniger Härte, den Interessen der Literatur und des ehrenwerten Buchhandels vollauf gerecht wird. Leicht ließen sich aus der jüngsten Vergangenheit eine Anzahl von anderen Urteilen des königl. Landgerichts in Leipzig auführen, aus denen dieselbe vornehme und im höchsten Maße verständnis volle Würdigung der besonderen Bedingungen künstlerischen Schaffens spricht. Daß aber zugleich gegen die verderbliche Schundliteratur mit aller Entschiedenheit vorgegangen wird, muß von allen Freunden unsres Schrifttum« mit Genugtuung begrüßt werden." Wir hoffen, daß auch diese Zeilen kräftig dazu beitragen werden, den zur Schädigung des Leipziger Buchhandels er folgten Ausstreuungen entgegen zu wirken. * Berlin, 2g März. * Kaiser Wilhelm in Lissabon. Kaiser Wilhelm hat dem Kronprinzen v. Portugal Ludwig Philipp den Schwarzen Adler-Orden verliehen. Bei dem gestrigen Galadiner aus dem Schloß Aguda wechselten die Monarchen Trinksprüche. Man speiste an zwei Tafeln. An der einen saß der Kaiser, gegenüber der Königin Amalie und zwischen der Gemahlin de« französischen Gesandten Rouvier und der Komteffe Figueiro. An der zweiten Tafel saß König Carlos gegen über der Königin-Mutter Marie Pia und zwischen der G. mahlin des deutschen Gesandten Gräfin Tattenback und der
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