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MM Stadt- Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Freitag, den 20. März 1936 Drahtanschrift: „Tageblatt' Postscheck: Dresden 264» Wilsdruff-Dresden W Das Wilsdruffer Tageblatt rats zu Wilsdi Bezirks -g. — VorgeschrU- en-Annah m« die. Richtigkeit der Anzeigen tiberneh- !ei Konkurs und Nationale Tageszeikun Das „Wilsdruffer Tageblatt' erfcheint t,M RM. zuzügl. Bestellgeld, ^inzelnummer^^ nehmen zu jeder Zeit Be- M? Falle höherer Gewalt oder 0äj 0 tt VlltttHi gen besteht kein Anspruch tung oder Kürzung des AezugspreifcS. Rülkfend^ Nr. 68 — 95. Jahrgang Die Rede Ribbentrops Obwohl die Ratssitzung erst für 10 Uhr morgens an gesetzt war, hatten sich die Vertreter der Weltpresse schon lal»ge vor Sitzungsbeginn versammelt. Vor dem Palast warteten Hunderte von Menschen, um die Ankunft der Ratsvertreter, von denen sie der deutsche Botschafter am meisten interessierte, zu sehen. Die Londoner Schunlcutc vermochten dem Ansturm der Neugierigen an den schmalen Saaleingängcn, besonders der Pressevertreter, denen von hier lediglich ein Blick auf die Ratstagung vergönnt war, kaum standzuhalten. Um ?/ü0 Uhr erschien Botschafter von Ribbentrop in Begleitung verschiedener Herren der deutschen Abordnung sowie des deutschen Botschafters v. Hoesch und des Bot schaftsrates Fürst Bismarck. Botschafter v. Ribbentrop nahm seinen Platz am rechten Ende des hufeisenförmigen Ratstisches ein, hinter ihm Ministerialdirektor Dieckhoff und die übrigen Mitglieder der deutschen Abordnung. Der Ratspräsident erteilte sofort dem deutschen Ver treter das Wort. Botschafter von Ribbentrop führte in seiner Rede vor dem Völkerbundsrat u. a. folgendes aus: Die deutsche Reichsregierung ist der Einladung des Völkerbundsrates zu seiner heutigen Tagung gefolgt in dem Bestreben, auch ihrerseits einen Beitrag zu leisten zur Klärungderbe st ehenden politisch en Situa tion. Die deutsche grundsätzliche Einstellung zu dem Problem Locarno ist der Weltöffentlichkeit durch die Rede des Deutschen Reichskanzlers vom 7. März eingehend vor Augen geführt worden. Die Tatsache aber, daß es zu den heute hier zur Beratuna stehenden Anträgen der französischen und belgischen Re gierung kommen konnte, macht es erforderlich, daß ich nochmals vor dem Rat den deutschen Standpunkt zu diesem Problem kurz darlcge. damit bei der Beschluß fassung des Rates die schwerwiegenden Gründe, die Deutschland zu dem bekannten Schritt vom 7. März ge zwungen haben, ihre volle Würdigung finden können. Der Sinn des Nheinpaktes von Locarno War es, die Anwendung von Gewalt zwischen Frankreich und Belgien einerseits und Deutschland andererseits für ewige Zeiten auszuschlicßcn. Diese Abmachung wurde garantiert durch England und Italien. Es wurde be stätigt, daß bei einer Verletzung dieses Vertrages der Völkerbundsrat verurteilten Angreifern zu erhalten. Denn welche Sanktionen könnten überhaupt eine so gigan tische, von Ostasien bis zum Kanal reichende Koalition treffen? Es ist daher diese zweite Einschränkung, die ihren Bezug nimmt auf die Rücksichtnahme auf eventuelle Sank tionen, rcalpolilisch gänzlich belanglos. Ich bitte nun aber die Mitglieder des Rates, sich nicht nur die rechtliche und praktisch politische Tragweite dieser Verpflichtung Frankreichs zum selbständigen Handel'/, zu vergegenwärtigen, sondern sich vor allem die Frage zu stellen, ob die Ansicht vertret bar ist, daß die damalige deutsche Regierung, die dis Locarnoverträge unterzeichnet hat, etwa jemals die Verpflichtungen dieses Paktes übernommen hätte, wenn sich in ihm so einseitig belastende Momente be funden haben würden, wie sie sich nun nachträglich ergeben. Deutschland nnd Frankreich haben durch den Nheinpakt in ihrem Verhältnis zueinander auf die Waf fengewalt verzichtet. Deutschland seinerseits hat sich, wie schon gesagt, mit der Tatsache der bei Abschluß des Rhein paktes bestehenden und in ihrem Inhalt diesem ange« paßten Beistandsverträgen mit Polen und der Tschechoslowakei abgcfnndcn. Den Rheinpakt aber nun nachträglich so zu interpretieren, daß er einer Partei die Möglichkeit offen läßt, über die bei Abschluß bereits bestehenden Verpflichtungen hinaus in beliebigem Maße neue Beistandspflichten militärischer Art gegen die andere Partei einzugehen, ist nach der festen Überzeugung und Rechtsanffassung der deutschen Reichsregierung genau so wie nach ihren politischen Pflichten gegenüber der deut schen Nation ein Ding der Unmöglichkeit. Denn diese liefen am Ende darauf hinaus, daß Frankreich in jedem beliebigen Konflikt Deutschlands mit dritten Staaten berechtigt wäre, nach freiem Ermessen einzn greifen. Damit aber würde Deutschland, das selbst keinerlei militärische Bünd nisverträge mit anderen Staaten hat, ein so ungleiches Vertragsverhältnis zugcmutet, wie es vernünftigerweise von keinem Staat eingeganaen werden kann. Völkerbund zwecks Feststellung des Angreifers angerufen werden sollte. Dieser Locarnovertrag, der von der national sozialistischen neuen Regierung übernommen wurde, belastete Deutschland einseitig mit einer unendlich schweren Verpflichtung durch die Beibehaltung der im Versailler Vertrage diktierten Demilitarisierung des Nhcinlandcs. Eins der wichtigsten und volkreichsten Gebiete des Deutschen Reiches mit 15 Millionen kern deutschen Einwohnern sollte also ohne jeglichen mili tärischen Schutz bleiben. Ich glaube, daß vom Standpunkt einer höheren Gerechtigkeit aus eine solche Einschränkungprimi tivster Souveränitätsrechte an sich schon auf die Dauer für ein Volk eine fast unerträgliche Zumutung bedeutet. Wenn das deutsche Volk trotzdem diesen Zustand so viele Jahre hindurch ertrug, so tat es dies in der Er wartung, daß dann aber auch die anderen Partner von Locarno ihre wesentlich leichteren Ver pflichtungen mindestens ebenso getreulich einhalten wür den wie Deutschland die seinen. Diesem Empfinden des gesamten deutschen Volkes hat der Deutsche Reichskanzler seit der Übernahme der Re gierung im Jahre 1933 wiederholt öffentlich Ausdruck verliehen. Uber der britischen Hauptstadt lag am Donnerstag eine Spannung wie selten zuvor. Der ehrwürdige St.-James-Palast, in dem die weltpolitisch hochbedeutendc Sitzung des Völkerbundsratcs stattsand, in der der deutsche Botschafter von Ribbentrop den deutschen Standpunkt darlcgte, stand im Mittelpunkt des Welt- intercsses. Die Gefahr des Sowjetpaktes — Einseitige Belastung aus dem Rheinlandpakt — Frankreichs falsche Vertragsaus legung — Deutschlands Maßnahmen die einzig mögliche Konsequenz Die große Rede Ribbentrops vor dem Völkerbundsrat Appell an das Weltgewissen Was ist nun geschehen? Im Laufe des vergangenen Jahres begann der eine Vertragspartner dieses Paktes, Frankreich, seine Be ziehungen zur Sowjetunion immer enger zu gestalten. Es wurde schließlich das neue sranzösisch-sowjetrussische Militärbündnis veröffentlicht. Die beängstigende Bedeutung und damit Auswirkung des sranzösisch-sowjctrussischen Bündnisses sür Deutschland ergibt sich aus folgenden schwerwiegenden Feststellungen: 1. Dieses Bündnis bedeutet die Zusammenfügung zweier Staaten, die, eingerechnet der sür militärische Hilfeleistung in Frage kommenden kolonialen Gebiete, etwa 275 Millionen Menschen umfassen. 2. Die beiden vertragschließenden Parteien gelten jede für sich zur Zeit als die stärksten Militärmächte der Welt. 3. Dieses Bündnis richtet sich ausschließlich gegen Deutschland. 4. Sowjetrußland, das an sich durch weite Räume von Deutschland getrennt, von diesem gar nicht angreif bar wäre, hat sich durch einen analogen militärischen Bundesvertrag mit der Tschechoslowakei indirekt an die deutsche Grenze vorgeschoben. 5. Frankreich und Rußland erheben sich nach diesem Bündnis zum Richter in eigener Sache, indem sie gegebenenfalls auch ohne einen Beschluß oder eine Empfehlung des Völkerbundes selbständig den Angreifer bestimmen und somit gegen Deutschland nach ihrem eigenen Ermessen zum Kriege schreiten können. Frankreich kann aus eigenem Ermessen entscheiden, »b Deutschland oder Sowjetrußland der Angreifer sei. Es macht dabei lediglich den Vorbehalt, daß es sich durch fein militärisches Vorgehen gemäß einer solchen eigenen Entscheidung nicht Sanktionsmaßnahmen seitens der Garantiemächte des Rheinpaktes, England und Italien, aussetze. Dieser Einwand ist rechtlich und realpolitisch gesehen bel-anglosl Rechtlich: Wie will Frankreich bei der eigenen Fest stellung des Angreifers voraussehen wollen, welche Hal tung zu dieser seiner Feststellung nachträglich die ange zogenen Garanten des Locarnopaktes einzunehmen be absichtigen? Die Antwort auf die Frage, ob Frankreich im gegebenen Falle derartige Sanktionsmaßnahmen zu. befürchten hätte, hängt praktisch nicht lediglich von der loyalen Vertragsireue der Garanten ab, die die deutsche Regierung in keiner Weise in Zweifel ziehen will, son dern auch von den verschiedensten Voraussetzungen rein faktischer Art, deren Wahrscheinlichkeit oder Unwahr scheinlichkeit im voraus in keiner Weise zn übersehen ist. Realpolitisch: Es ist sür einen Staat, der infolge einer unrichtigen, weil in eigener Sache vorweggcnommc- nen Entscheidung von einer so übermächtigen Militär- koalition angegriffen wird, ein belangloser Trost, sein Recht in nachträglichen Sanktionen gegenüber den vom Ribbentrop im Volker- bundsrat. An dem hufeisenförmi gen Tisch in dem Saal des Londoner St.- James-Palasts saß Bot schafter v. Ribben trop mit einigen Herren seiner Abordnung. Von hier aus hielt er die große Rede, auf die die Welt mit Spannung wartete. — Ribben trop (X) am Ratstisch. (Bildtelcgramm Scherl) Frankreich brach den Loearnoverlrag. Die deutsche Regierung muß für sich erklären, daß unter diesen Voraussetzungen einst der Rheinpakt nie ab geschlossen worden wäre. Denn wenn solche Auffassungen damals bestanden hätten, dann wäre es die Pflicht der Vertragspartner gewesen, diese darauf aufmerksam M machen. Das französisch-sowjetrussischc Bündnis aber bedeutet darüber hinaus noch nach der geschichtlichen Auf fassung der deutschen Regierung eine völlige Beseiti gung des bisherigen europäischen Gleichgewichts und damit der fundamentalen politischen und rechtliche«