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„Wilsdruffer Tageblatt" — 4. Matt Nr. 300. Sonnabend, den 23. Dezember 193» Sonnenwende Deutsche Wintersonnenwende, führe uns empor zum Licht! Durch des Krieges Flammenbrände lodert Gottes Angesicht. Nur die Kämpfer können sehen, was den Feigen sich verhüllt, dasi in ungeheuren wehen völkerschidrsal sich erfüllt. Flammenschwerter laßt uns schmieden wider das Gezücht der Nacht, denn Kern Wort gebiert den Frieden, wenn ihn schmäht die Niedertracht. Drum umgürtet eure Seelen, hüllt die Herzen fest in Stahl, folgt den ewigen Befehlen eures Blutes allzumal! Sieghaft tragen heldenhänae aus dem blut'gen Männerstreit Deutschland durch die Sonnenwende in das Licht der Ewigkeit. Georg Bessrer. schwerer Segen Weihnachtsgeschichte von Walter Persisch. Vom Fischdampfer herüber winkt ein Matrose dem Kutter zu. Ein anderer schreit durchs Megaphon: „Schleppen?" — Klas Pütt, der Fischer, schüttelt den Kopf unterm Oelsüdwester. Er will erst zurück, wenn die Fahrt sich gelohnt haben wird. Dreißig Minuten später, bei einer halben Wendung unterm Wind, ist nur noch der Schornstein über der Kimm zu sehen. Klas Pütt steht grübelnd am Steuer. Wäre nicht drei Tage Sturm gewesen, der den Kutter immer wieder in seine wüsten Fänge klemmte, so könnte er jetzt auf der Heimreise sein, mit Ladung an Bord für Heiligabend, die Ledertaschen offen für Geld der Fisch Händler. Alles ist gegen ihn gewesen dieses Jahr. Lene liegt krank. Sie ist vom dritten Kind sehr mitgenommen. Der Sommer brachte leere Netze — Wie festgebunden lag der Kutter die letzten Tage «nter dem Orkan. Der Jung' — Ostern wird er erst konfirmiert — ersetzte schon einen ganzen Mann. Heute kann er endlick wieder schlafen. Er schnarcht, daß man's hier oben hört. Jan, der Bootsmann, pütschert unten in der Küche mit dem Esten. Sie machen gute Fahrt. Man wird heute noch die Netze werfen können — wenn nur der Regen weggeht! Ein Paar gute Züge — dann will Pütt sofort zurück. Der rote Kopf Jans taucht an der Luke auf. Breit kommt der Bursche her und nimmt das Ruder: „Geh man runter, Klas. Dein Essen steht auf« Tisch. Und denn mußt du auch 'n büschen slafen. Heute abend gibt's Arbeit!" Der Tag hängt diesig unter den Wolke«. Zwanzig Meter und keinen Zoll weiter ist Stcht. So wird es Abend. Pütt kommt ausgeruht wieder an Deck. Neben ihm der Junge. Sie müssen Netze werfen. „Los!" sagt Klas Pütt. „Morgen ist Weihnacht — da gibt uns der liebe Gott Wohl 'n ornlichen Batzen Fisch — für Lene, Jungs!" Sie arbeiten wie Pferde. Endlich ist das Schlepp netz richtig vertäut. Sie müssen im Düstern langsam kreuzen. Geisterhaft brennen die Lampen am Mast. Fast ist es Nacht, da gibt es schwere Fahrt. Das Netz füll: sich. In einen dicken Fischschwarm, der nach Süden will, sind sie hineingeraten — von Minute zu Minute verlang samt sich die Fahrt. In der Eiseskälte schwitzend, setzen sie mit klammen Händen den Hilfsmotor in Gang. „Lene wartet nu", meint Jan, Klas nickt. Der Junge hört nichts und steht als erster an der Winsch. Aber er wird zum Ruder geschickt, und Vater und Onkel arbeiten. Kein Vorwärtskommen ist möglich, das Netz ist zu schwer! Da brauchen sie nicht zum zweitenmal auswer- sen — oder nur ein zweites Mal, daun wird der Lade raum bersten von Fischen! Was aber nützt es, das zu wissen? Die Seile singen hart wie Metall. In den Segeln liegt feucht der Wind und bläst sie wie hohle Säcke voll. Der Kutter stakt mal backbord, mal steuer bord — das Gewicht unter Wasser hält ihn reglos am Fleck. Den Männern läuft der Schweiß über die Backen Ihre Fäuste reißen sich wund am Eisengriff der Winde. Nicht einen Zentimeter rücken die Zahnräder weiter — die Spule steht. Hilflos tackt der Motor. Eine Stunde und noch eine vergeht. Der Regen klopft und klopft wie mit Totenftngern auf das Hotz. Das Netz läßt sich nicht aufwinden. Sollen sie den Fang kappen? Wer weiß, wo sie . jetzt liegen, ob ein zweites Netz Vollzukriegen ist? Es mutz hereingeholt werden, das schwimmende Gold! Photo: Scherl (Mi. Stürmende Lmderaugeu am Weihnachtsbaum Kein Stern sieht über ihnen. Die glitzernden Weg weiser sind wohl vor vier Tagen in die See gesaust vor! dem trommelnden Ostnordost. Jan holt die kleine tickende Kombüsenuhr von unten und leuchtet mit der Taschenlampe auf die Zeiger. Drei Minuten nach Mitternacht zeigen sie. „Jetzt läutet der Hamburger Michel —sagt er. „Ja", kommt es frisch vom Bengel rüber, „jetzt muß der Stern aufgehen, Vadder!" Klas Pütt — er geht sonst nicht zum Pastor, es ist genug, wenn Kindtaufe, Konfirmation, Hochzeit und Be- erdigung ihn in der Kirche sehen — Klas Pütt lacht de« kleinen Kramper in seinen viel zu weiten Seestiefeln, die man im Düstern nicht sieht, heute nicht aus. „Mutter schläft nu schon —" sagt er bedächtig. Sie stehen zusammen und starren in den bleiigen Streif unter der Laterne. Es mögen so Stunden ins Meer fallen mit dem Regen, und Stunden wieder auH steigen aus dem Urgrund, und es wird ein ganz lang sames Dämmern, das die Nässe mit sich fortzieht nach Westen, bis die Segel ganz schlaff hängen unter einem Dach aus Wolken. Jetzt actzt Jan dickt an den Fischer ran: „Jcy hatte man bloß Angst, daß das blaue Licht auch kommt, der Klabautermann, und Lene uns schon! nachis im Traum gesehen hat. Wie die Carstens den; Hinnerk, der vorm Monai geblieben ist, Klas — nu ist bald Tag — denn holt er uns nich mehr!" Klas zieht sein Glas aus dem Rock und starrt ins! Weite. Das Wasser wühlt geheim. Es hat etwas vor. —s Die Windstille ist auch nicht gut — nach zwei Stunden,, es wird bei schwacher Sicht hell, fegt der erste Stoß her über aus Westsüdwest. Sie müssen an die Segel. Wieder wird es still, und da kommt ganz schwach ist der Kimmung eine Rauchfahne auf —. Hält sie den Kurs hierher? Notflagge hoch! Die Männer und der Jung starren, hölzerne Figu ren an Deck, ans den qualmenden Schornstein — Nach einer Stunde geht ein Boot herüber. Dio Breitseite des Dampfers liegt vor ihnen, Janmaatew winken mit den Mützen — und das Torpedoboot schlepp? Netz und Kutter nach Kiel —. Lene ist aufgestanden und geht durch das Haus.. Immer wieder zum Fenster — immer wieder zur Tür — Die alte Mutter wartet an der Brücke mit einem. Glas vom Vater und guckt durchs Dunkel nach dem Segler aus. Ta legt der städtische Dampfer an — dr« Man« steigen aus: Klas, Jan, Fritz der Junge. „Na — denn komm' mit, Großmutter!" Um zehn sieht Lene sie den Weg ans Hans hochkom- mcn, die vier. Sie springt in der Kälte vor der Tür ihrem Jungen an den Hals — Klas trägt ein großes Paket. Darin ist Wollstoff für die Frau. Er packt sie lachend mit der freien Hanl» am Kopf. Hinter ihrem blassen Gesicht, durch die offene Tür, in die der Wind schießt, leuchtet der Baum mtt vielen flackernden Kerzen — MuttekL guter sieftmMel Von Walter Michel In dieser, der Kuppe des Hartmannsweilerkopfes am wei testen vorgeschobenen Riegelstellung lag die Kompanie noch nicht lange. Und es hatte den Gefreiten Mathias Neubauer, der vor einigen Wochen mit einer leichten Verwundung in ein Heimat lazarett gekommen war, große Mühe gekostet, sich zurückzu- fragen. Nun war er da. Seine Gruppe, die Gruppe Huschinski, lag in einem engen Unterstand ganz am rechten Flügel. Mathias Neubauer schüttelte derbe Kameradenfäuste, beant wortete eine Menge Fragen, schnallte langsam und besinnlich den Tornister vom Rücken, verteilte mitgebrachte Zigaretten und sagte: „Ein Druckposten ist das hier gerade nicht, Jungens. Wie weit ist's noch bis zum Franzmann?" „So an die sechzig Meter", gab ihm Unteroffizier Huschinski, den sie kurz Husch nannten, Bescheid. „Er hängt auf der rech ten Seite der Kuppe." „Und Schnee und Kälte habt ihr hier oben auch schon." Irontweihnscht im Vunker Im Bunker ist ein Licht erwacht Bsn vielen frohen Kerzen, And leise dringt die Heil'ge Nacht In die Soldaksnherzen. Li« Weihnachkslied vom Rundfunk her, Am Tisch die Feldpostspende, So reicht sich über Land und Meer Heimat und Front die Hände! G. B. Fern der Heimat auf treuer Wacht leuchtet auch unseren Soldaten der Wechnachtsbaum. (PK.-Borchert-Wb.-Wagend.-M) (PK.-Etzler-Scherl Wagenborg-M. j