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MsdmfferTaßeblatt Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Stadt- rats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nationale Tageszeitung für Landwirtschaft und Da- „Wilsdruffer Tageblatt* erscheint werktags nachm. 4 Uhr. Dczugspr. monatl 2RM. frei Haus, bet PostbesteNung 1,80 RM. zuzügl. Bestellgeld Einzelnummer 10 Rpf Alle Postanstalten, Postboten, unsere Austräger u. Geschäftsstelle nehmen zu jeder Zett Be- .. ... stellungen entgegen. Im Falle höh«cr G°waH°d°r Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend i°nsüa-r Betriebsstörun. „en besteht kein Anspruch — aus Licseruun der Zei- tung oder Kürzung des Bezugspreises. 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Damit ist der Partner ausgeschieden, um dessentwillen diese Konferenz eigentlich anberaumt worden war, denn drei Länder sind im wesent lichen am Ausgang der Konferenz interessiert: Eng land, die Vereinigten Staaten und Japan. Das Washingtoner Flottenabkommen legte für diese drei eure relative Flottenstärke von 5:5:3 fest, womit sich Japan grundsätzlich nicht für die Däner zufriedengeben wollte. Es kämpft um seine Gleichstellung als Großmacht, und, was hier entscheidet, es kann sich sein abwartendes Verhalten leisten, während die anderen Staaten, vor allem England, in allerhand andere weltpolitische Fragen ver wickelt sind und die Flottenfrage gern baldigst bereinigt hätten. Die Einzelheiten der Flottenkonferenz sollen uns in diesem Zusammenhang nicht berühren. Das Gebiet aber, auf dem die drei Mächte mit ihren Interessen hart zusammenstoßen, ist der Stille Ozean. Eine anscheinend gesicherte koloniale Besitz- Verteilung ist zwar nicht erst seit heute problematisch ge worden. Der Drang Japans über seine engen Grenzen hinaus ist keineswegs neuen Datums, die Art und Weise dagegen, wie dieses Streben nach Raum znm Ausdruck kommt, und die Macht, die hinter ihm steht, sind durchaus neuartig. Die Vereinigten Staaten lasten sich ans diesem Dreieckverhältnis noch mit einem gewissen Recht heraus nehmen, denn der amerikanische Kontinent ist relativ nahe, und die Flotte kann die eigenen Inseln im Pazifik jederzeit schützen. Anders ist es mit dem Verhältnis zwischen England und Japan. Wir wollen von allgemein- politischen Sympathien und Antipathien hier vollkommen absehen und das Verhältnis lediglich unter einem ganz bestimmten Gesichtswinkel betrachten. Wir laufen dami' auch nicht Gefahr, uns in einen Handel einzumischen, der uns unmittelbar nichts angeht, der uns aber doch, und zwar vom bevölkerungspolitischen Standpunkte, lebhaft i..eressieren muß. Japan ist ein kleines Land von nur 3 81 000 Quadratkilometer. Es ist kleiner als das Deutsche Reich, hat aber absolut und relativ mehr Einwohner. Auf den Quadratkilometer kommen 177 Menschen und, wenn man die Mandatsgebiete hinzu rechnet, immer noch 156 Einwohner. Das sind bei der Kärglichkeit des japanischen Bodens und trotz der Genüg samkeit der Bewohner ungeheuer viele. Hinzu kommt ein Geburtenüberschuß, der den der enropäischen Länder weit in den Schatten stellt. In Japan wurden im Jahre 1932 32,9 Kinder auf 1000 Einwohner geboren, und der Geburtenüberschuß betrug 15,2 Personen. Stellen wir hierzu die niedrigste Überschußziffer in der Welt — 0,4 in Frankreich — in Vergleich, so wird uns die Bedeu tung der Zahl bewußt. Japan ist ein stark wachsendes Land, es verlangt nach Raum für seine Menschen und Hai am Beispiel der Europäer gelernt, wie man diesem An spruch genüge tun kann. dklch dem Gesetz der kommunizierenden Röhren be steht zwischen einem Gefäß mit Überdruck und einem Vakuum eine natürliche Ausgleichstendenz. Dieses Gesetz ist physikalisch, es ist aber damit auch naturwissenschaftlich und biologisch und darf mit Recht auf das bevölkerungs politische Gebiet angewandt werden. Was der Auswir kung entgegensteht, sind reine politische Hindernisse, die auf Macht begründet sind. Und sobald diese Macht schwin det, steigt die Wahrscheinlichkeit des Ausgleichs. Ein solches Vaknum ist Australie n, — rein briti scher Besitz. Es ist 7,7 Millionen Quadratkilometer groß und beherbergt nur rund einen Menschen je Quadrat kilometer. Seine Lebendgeburten auf 1000 Einwohner liegen mit 16,9 für ein Kolonialland änßerst niedrig, und der Geburtenüberschuß ist mit 8,2 auch nur wenig mehi als halb so groß wie der Japans, so daß mit einem schnellen Wachstum aus eigener Kraft nicht zu rechnen ist. Von der Einwohnerschaft wohnen mehr als füns MillionenindenwenigengroßenStädten, und nur anderthalb Millionen sind ei gentliche Ackerbauerund Siedler. Wenn auch der Boden keine sehr reiche Frucht trägt und durch eine mehrjährige Trockenperiode noch an Wert verlor, wäre dieser „Raum ohne Volk" dennoch das natürliche Aus breitungsgebiet der Japaner gewesen, — wenn man sie hineingelassen hätte. Dagegen besteht aber bis heute ein absolutes Verbot, das auf alle farbigen Völker (merk würdigerweise auch auf Italiener) ausgedehnt ist. Australien ist rvbiw man's countr^ nnd soll es bleiben. Ähnlich ist es mit den anderen britischen Besitzungen im Stillen Ozean. Neuseeland ist zwar etwas volk reicher, es beherbergt 5,9 Menschen je Quadratkilometer, weist aber die gleichen Verhältnisse in der Bevölkerungs bewegung auf wie Australien nnd ist überdies äußerst fruchtbar. Wenn Australien für den geschickten Japaner sehr wohl besiedlungsfühig ist, so muß ihm Neuseeland geradezu als Paradies erscheinen. Militärputsch in Tokio. Mehrere bedeutende politische Führer ermordet? London. In den heutigen frühen Morgenstunden ver öffentlicht Reuter eine Meldung aus Schanghai, wonach in Tokio ein militärischer Putsch stattgefundrn habe. Infolge der Zensur seien Einzelheiten bisher noch nicht bekannt. Es ver lautet, daß mehrere sehr bedeutende politische Führer, darun ter der Finanzminister Takahaschi, ermordet worden seien. Nach einem in Schanghai eingelaufenen Bericht ist der Kriegszustand nicht nur in Tokio, sondern in ganz Japan aus gerufen worden. Alle BerMWtll NterbroSen. London, 28. Februar. Nach einer Mitteilung des ja panischen Außenministeriums an den japanischen Konsul in Singapur habe das Militär die Wohnung des japanischen Mi nisterpräsidenten, dos Pvlizcigebäude, das Innenministerium und die Wohnung des Innenministers besetzt. Das japanische Außenministerium verlautbart, daß es von den Vorfällen nicht betroffen sei und daß die Lage nicht so ernst sei, wie man berichtet habe. Aus Nanking läßt sich Reuter melden, daß die Nachrich ten von einem Militäraufstand in Tokio in China starke Be stürzung hervorgerufen hätten. Man bezeichnet es als bedeut sam, daß der angeblich ermordete Finanzminister Takahaschi ein energischer Eigner der hohen Militärhaushalte war und sich dosier bei den radikalen Elementen der japanischen Armee unbeliebt gemacht habe. Wie aus Nanking berichtet wird, vertritt man dort die Ansicht, daß der Militärputsch in Tokio ein Vorzeichen für weitergebende Maßnahmen der japanischen Armee in Edina und gegen Sowjetrußland sei. Man vermutet, daß es in To kio zu größeren Unruhen gekommen sei. Die Effektenbörsen in Osaka und Tokio hätten den Berichten zufolge den Ge schäftsverkehr eingestellt. In London liegen bis zur Stunde noch keine unmittelbaren Meldungen aus Tokio vor, da sämtliche Telefonverbindungen mit der japanischen Hauptstadt unterbrchen sind. Der japa nische Botschafter in Washington, Saito, erklärte dem Reuter vertreter, daß er keinerlei Nachrichten über die gemeldeten Ereignisse in Japan habe. TeltsMerMW Sn Franzisko— Tokio nolerkroHen. Washington. Die Telesonverbindung San Franzis ko—Tokio ist unterbrochen. Der Transpazifik-Dienst meldet, daß das Telefonamt in Tokio keine Verbindungen mehr her stelle. Ein Telefonbeamter in Tokio habe um 10,30 Uhr ost- asiatifcher Zeit am Mittwoch erklärt, daß er nicht wisse, wann der Dienst wieder ausgenommen werden würde. Aus Ansrage in der japanischen Botschaft in Washington wurde mitgeteilt, daß man bis jetzt noch leine Nachricht über einen angeblich in Tokio ausgebrochenen Militärputsch habe. Sie t.MW besetzte dieMeruW- Mude. London, 26. Februar. Reuter meldet aus Schanghai, daß der japanische Militärputsch von 3000 Mann des 3- In- santerie-Regiments der in Tokio stehenden 1. Division ausge führt worden sei. Im Morgengrauen des Mittwoch besetzten sie das Regierungsgcbäude, das Innenministerium, die Woh nungen des Ministerpräsidenten und des Innenminister« und die Polizeizrntrale, nachdem sie überall den Widerstand der Wachen überwunden hatten. Einheiten der Kaiserlichen Eardedivision seien angewie sen worden, die Aufständischen aus den besetzten Eebävden zu vertreiben. Das Schicksal des Ministerpräsidenten Admiral Okada und des Innenministers Goto sei ungewiß. Man ver mutet jedoch, daß sie zum mindesten gesangengenommen, wenn nicht ermordet worden seien. Die 1. Division, die sich an dein Aufstand beteiligt haben soll, habe kürzlich Marschbefehl für die Mandschurei erhalten und sei mit scharfen Patronen ausgerüstet worden, anstatt mit den vom Innenministerium gelieferten blinden Patronen. Nach einem chinesifchen Bericht sei der Streich von jüngeren Armeevssizieren eingeleitet worden. Japan gegen den Russenpakt. Herausfordernde Haltung der Sowjetunion nur durch die Entlastung im Westen erklärlich — Japanische Truppen- vcrstärkungen. Die Tokioter Zeitung „A s a h i" berichtet, in diploma tischen Kreisen gewinnt der Eindruck an Stärke, daß der französisch-sowjetrnssische Beistands- Pakt einen Wendepunkt in der europäischen Lage bezeichnen und ein Bündnis oder eine Annähe rung zwischen Deutschland und Italien beschleunigen werde. Um eine Rückendeckung durch Frank reich zu erhalten, habe die Propaganda Moskaus mit einem angeblichen deutsch-japanischen Bündnis gearbeitet, das, wie gesagt wurde, den Weltfrieden bedrohe. Gleich zeitig scheue man sich aber in Moskau nicht, Mon ds ch u k u o tatsächlich zu bedrohen und die Äußere Mon golei aufzuhetzen. Japan müsse daher feststcllen, daß der französisch russische Beistandspakt entgegen den französischen Versicherungen den ganzen Fernen Osten stärkstens bcunrnhige. So liegen die Verhältnisse heute. Großbritan nien hat es verstanden, seine Stellung im Fernen Osten bisher weitgehend zu halten und vor allem seine dortigen Besitzungen vor der Einwanderung uner wünschter Völker zu bewahren. Australien ist noch Land des weißen Mannes. Die Macht, mit der Eng land dies fertiggebracht hat, beruht auf seiner uralten Tradition, seinem politischen Geschick nnd nicht zuletzt ans der Stärke feiner Flotte. Das schwache Australien vermag einer japanischen Invasion ans die Dauer nicht standzu halten. Es bedarf des Schutzes. Die Australier wissen das ganz genau und empfinden das Problem ihres Kon tinents nm so stärker. Man könnte sich nun denken, daß Engwnd weiterhin Menschen anssendet, um die Kolonien stärker zu bevölkern. Aber dazu hat cs deren nicht genug. Die lebendigen Ströme, die einst in die überseeischen Be sitzungen flossen, versiegen langsam. England hat zwar noch 159 Menschen auf den Quadratkilometer, aber es weist auf 1000 Einwohner nur 14 bis 15 Lebendgeburten und einen Geburtenüberschuß von 2,4 (!) auf. überdies gibt es iu Europa jetzt Händel genug, die England offen bar mit wachsamem Äuge zu verfolgen gesonnen ist. Eins aber geht nur: entweder splendid Isolation in euro päischen Dingen und Weltmachtpolitik oder Teilnahme an den Sorgen Europas und Rückzug aus der Welt. Gelegentlich einer Urlaubsreise vor einigen Jahren unterhielt ich mich mit einigen englischen Ehepaaren, die sämtlich kinderlos waren. Sie begründeten dies klagend mit dem Hinweis, daß man sich keine Kinder leisten könne, weil die Aussichten zu schlecht seien. Auf meine Frage aber, wie sie sich ohne genügenden Nach wuchs im Mutterlande den Bestand des britischen Welt reiches fernerhin dächten, äußerten sie sich sofort und mit größter Überzeugung: but rvs kavs our nuvx-. Ja, die Flotte! Dieses Beispiel möge uns, ohne daß wir ein Wert urteil dranknüpfcn oder als Propheten auftreten wollen, zum Nachdenken veranlassen. Wir sind an dieser Ent wicklung nicht beteiligt, können aber aus ihr unendlich viel lernen. Und zwar vor allem das eine, daß jedes Volk, will es in der Welt eine Rolle spielen oder auch mir, wie wir, seinen Lebcnsraum behaupten und sich vor Unterdrückung und Überfremdung dnrch andere Völker schützen, volkreich sein muß. Dies zu erkennen und dies zu wollen ist notwendige Voraussetzung. Ein Volk stirbt nicht eines „natürlichen Todes", wenn cs nicku will. Wer genügend starken Nachwuchs hat, kann die Entwicklung abwartcn und Wira den Prozeß der Geschichte gewinnen, denn Volk ist Macht. Dr. Tornaw