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Krieg gegen Vie Ratten Gift die wirksamste Waffe — Soviel Ratten wie Menschen auf der Welt? In ganz Deutschland findet kn diesen Tagen, wie alljährlich, eine glotze Aktion zur Bekämpfung der Ratten statt. , Mit allen nur denkbaren Waffen — angefangen beim Giftgas und endigend bei den modernsten Giftpräparaten — wird Krieg gegen die Natten Europas geführt. Eine Uebersicht aus wenigen Tagen verrät, daß die Rattengefahr größte Aufmerksamkeit verdient. Denn aus allen Teilen Europas werden Zwischenfälle berichtet, die ohne die Natten nicht denkbar gewesen wären. Als in Kopenhagen plötzlich eine große Kraftstation durch einen Kurzschluß aus viele Stunden stillgelegt wurde, ergab sich bei einer Kontrolle der Leitungen, daß die Iso lierung an einer Stelle durch Ratten durchgenagt worden war, so daß sicherns diesen Nagestellen der Kurzschluß ent wickeln konnte. In Rumänien ereignete sich eine schwere Explosion, nachdem drei Ratten, wie berichtet wird, Gas rohre ans Blei durchgenagt hatten. Das Gas entzündete sich dann nach der Vermischung mit Luft an einer offenen Herdflamme. In Turin wurden bei einem Gärtner 500 wertvolle Pflanzen in einer Nacht durch Natten zerstört. In Nordschweden wurde ein Miner^rrbeiter, der zur Kon trolle eines alten Schachts in eine alte Mine hinunter- gestiegen war, nicht mehr lebend gesehen. Der Unglückliche War von Ratten gefressen worden. Eine von verschiedenen Fachleuten in Europa auf gestellte Schätzung ergibt, daß im Augenblick auf der Erde mindestens soviel Ratten wie Menschen vorhanden sind. Es ist aber auch möglich, daß die Zahl der Ratten bereits die Zahl der Menschen überschritten hat. Das ist eine un geheuere Gefahr, wenn man bedenkt, daß vor einigen Jahrhunderten die Ratten noch vollkommen unbekannt in Europa und in der Reuen Welt waren. Sie kamen in zwei großen Märschen nach Europa, wobei die später kommen den Ratten die Ratten der ersten Wanderung auffraßen. Die weitere Schätzung geht nun dahin, daß zum Beispiel in einem einzigen großen Land im Jahr mindestens Le bensmittel im Werte von 180 Millionen Mark von Ratten aufgefressen werden. Aber größer noch als die Schäden, die durch den direkten Konsum an Nahrungsmitteln ver ursacht werden, sind die Verluste, die durch die Unter grabung der Häuser, durch Beschädigungen von Dämmen usw. angerichtet werden. Aber wie soll nun der Kampf gegen die Ratten geführt werden? In den Häfen hat man mancherlei Methoden versucht und ist noch dabei, die beste Einrichtung zur Rattenvernichtung zu erproben. Sie scheint noch nicht er funden zu sein. Es hat sich gezeigt, daß die Natten zu klug sind, um in die Falle zu gehen. Man kennt zahl reiche Fälle, die durch Filmaufnahmen und direkte Beob achtung kontrolliert wurden, daß die Ratten die für sie aufgestellten Fallen genau untersuchten, dann über die Fallen hinwegsprangen, mit ihrem Schwanz die Fallen zur Auslösung brachten, um nachher ganz gefahrlos den Köder in der Falle auffressen zu können. Wurde bei einem solchen Sprung über die Falle eine Ratte mit dem Schwanz zu fällig eingeklemmt, dann machte sie sich sofort daran, den Schwanz abzunagen und die eingeklemmte Schwanzspitze im Stich zu lassen. Die Vergasungen, die man heute aus Schissen und in großen Fabriken vornehmen kann, sind für die Privathäuser und für alle Orte, an denen regelmäßig größere Menschenmassen verkehren, unbrauchbar. Unter diesen Umständen ist es selbstverständlich, daß die Suche nach sehr wirksamen Mitteln im Kampf gegen die Ratten weitergehl. Man verwendet heule Phosphor-Präparate, Arsenik und auch Thallium. Allerdings wird neuerlich von Thal lium abgeraten, da es im Falle eines Zwischenfalls kein Gegenmittel gibt. Phosphor und Arsenik kann man nicht verwenden, wo Haustiere und vor allem Hühner regel mäßig herumlaufen. Die besten Erfolge hat man mit der sogenannten Meerzwiebel erzielt. Diese Zwiebel wird als pulverisierte Wurzel in den Handel gebracht. Sollten Hunde oder Katzen von diesem Pulver oder von einem Köder, der mit dem Pulver bearbeitet wurde, gefressen haben, so beginnen sie sofort die Nahrungsmittel wieder auszuwürgen. Die Ratte aber ist nicht in der Lage, eine Nahrung, die sie einmal verschluckt hat, wieder von sich zu geben. In ihrer Speiseröhre herrscht gewissermaßen Ein bahnverkehr. Die Ratte geht also an dem Gift zugrunde. Nur mutz man das Gift sür die Ratten schön einpacken. Denn die Ratte ist heute schon zu mißtrauisch, um an ein offenliegendes Beutestück heranzugeben. Dagegen ver mutet die Ratte in einer Tüte immer etwas Harmloses. Es ist selbstverständlich, daß man, vor allem dort, wo kleine Kinder sind, äußerste Sorgfalt bei der Auslegung aller Gifte beobachten mutz. Der Rattenkrieg wird unter wissenschaftlichen Gesichts punkten in großem Maßstab geführt werden. Man vergißt den Ratten nicht, daß sie einst die Pest und viele andere Krankheiten nach Europa einschlepptem NEs MS Mee Welt. Der geistige Vater der deutschen A-Boot Waffe, Dr.-Jng. e. h. Berling, beging seinen 70. Geburtstag. Berling kon struierte zusammen mit zwei Mecklenburger Landsleuten, dem Ingenieur Pechel und dem Schiffsbaumeister Schulz, ein U-Boot, das 1908 seine erste Probefahrt machte. Dem U-Boot, das „U2" hietz, folgten dann nach der Konstruktion Berlings weitere U-Bgote. und auch das U-Boot Weddigens gehörte zu deni Tvp der Berlingschen Konstruktion. Versammlungen nur bei Vollmond. Eine Kriegerkamerad- schasi in Solingen, die sich ausschließlich auS älteren Män nern zusammensetzt, Hal für sich und ihre Bersammlungstätig- keii das Problem der Verdunkelung gelöst. Die Tagungen werden nur noch in den Wochen angesetzt, in denen Vollmond herrscht. Chamberlain auf dem Kürbis. Von Arneburg an der Elbe aus ging etn Waggon Kürbiffe nach Hamburg, der auch einige Riesen km Gewichl von >e rund 46 Kilogramm eni- bieli. Auf einem dieser großen Kürbiffe konnte man das Bild des englischen Premierministers sehen. Ein Spaßvogel mutz es im Sommer, als die Fruchl noch nicht so groß war, eingeschnitzt haben. In der Zwischenzeit bis zur Ernte ist der Kürbis natürlich weiter gewachsen, und dabei haben sich Chamberlains Gesichtszüge etwas verzerrt. Es Hai nun den Anschein, als ob Grimm und Wut sich auf dem Gesicht ab zeichnen, als ein Ausdruck des Zorns darüber, daß seine ver brecherischen Pläne gegen das deutsche Volk fehlgeschlagen sind. Das 2V Kind. Dem 62jährigen Zie^xleiarbeiter, SA.- Mann Paul Bartsch in Frei Waldau bei Sprottau wurde das 26. Kind geboren. Bartsch ist zum zweiten Male verhei ratet; seine jetzige Frau ist 39 Jahre alt. Aus seiner ersten Ehe gingen 13 Kinder hervor, aus seiner jetzigen bisher sieben. Äon den 20 Kindern sind 13 Mädel und sieben Kna ben. Von ihnen leben jetzt noch 14 Kinder. Bartsch ist auch schon Großvater von 15 Enkelkindern. Bei seinem 18. Kinde war Adolf Hiller Ehrenpate, beim IS. Kinde Generalseld- marschall Göring. Erstes Prager Wunschkonzert — 46 606 Kronen gespendet. Neben vielen Vertretern von Partei, Staat und Wehrmacht, darunter dem Beauftragten für das Kriegswinterhilfswerk, füllten den Festsaa! der „Lucerna" viele Tausende von Volks- genossen. Der Kreisobmann der NS.-Gemeinschaft „Kraft durch Freude" konnte stolz verkünden, daß über 40 600 Kronen für das erste Prager Wunschkonzert gespendet worden sind, ein Ergebnis, aus das die Prager Deutschen mit Recht stolz fein können. Ein Heer von Künstlern und Künstlerinnen hatte sich zur Verfügung gestellt, darunter Herms Niel mit seinem Musikzug des Reichsarbeiisdienstes. Das Wunschkonzert er reichte mit der Uraufführung des Marschliedes: „Es geht ums Vaterland" von Herms Niel den Höhepunkt. Eine Million Bananenbänme entwurzelt. Die Insel Jamaika ist von einem vernichtenden Orkan heimgesucht wor den. Es wurden über eine Million Dananenbäume entwur zelt, Straßen und Häuser wurden schwer beschädigt. a-s/ff/s am -eskoa/ TtMNK, WM WO Wiel.' SMeo hat die Heftes Nadbaker Der vom Reichsfachamt Radball in Leipzig veranstaltete Reichs-Lei st ungwettbewerb im Radball brachte durch große Beteiligung der besten deutschen Mannschaften und durch hochwertigen Sport einen vollen Erfolg. Besonders erfreu lich war bas Abschneiden der sächsischen Mannschaften, die sowohl in den Wettbewerben der Reichsklasse, als auch der Eauklaffe die ersten Plätze belegen konnten und dabei die starken Gegner aus dem Reiche sicher hinter sich ließen In der Reichsklasse kam die erste Mannschaft des RC Diamant Chemnitz (Schulz-Hickardt) zu einem ichönen Sieg vor der TSG Leipzig-Lindenau <Eebr. Simethj, beide zeigten in den Ausscheidungs- und Vorrundenkämpfen ihr gutes Kön nen und gelangten zusammen mit den Weltmeistern Köping- Schnorr (Falke Stellingen-Hamburg) in die von den drei besten Mannschaften bestrittene Endrunde. Hier besiegten die Chem nitzer die Hamburger 8:6 (3:2) und die Leipziger 6:6 (3:4), während die Leipziger 8:6 (4:3) gegen die Hamburger erfolg reich waren. Nach Abschluß der Entscheidungstreffen lautete der Endstand in der Reichsklasse 1. Diamant Chemnitz I, 2. TSG Leipzig-Lindenau, 3. RT Falke Stellingen-Hamburg, 4. VC Konstanz, 5. Post-SV Dresden. 6. Reichsbahn TSG Hanau. Konstanz, 5, Post-SV Dresden, 6. Reichsbahn TSV Hanau. In der Kau klasse war die Beteiligung ebenfalls stark. Die zweite Mannschaft der TSG Leipzig-Lindenau kam zu einem ichönen Erfolg. Die Leipziger besiegten in der Endrunde Wettin-Habicht Leipzig II 7:6 und BSE Deutsche Bank Berlin 8:4 und hatten damit den Endsieg sicher Wettin-Habicht II sicherte sich durch ein Unentschieden von 5:5 gegen die Berliner durch besseres Torverhältnis den zweiten Platz. Vierter wurde Wanderlust Fankfurt a. M. II vor NC Falke Leipzig und Wet- tin-Habicht Leipzig I. ReZchAmÄer Mittwoch, 8. November 5 .00: Ans Berlin: Frühkonzen. — 6.00: Aus Berlin: Morgenruf, Ghmnastik. — 6.30: Blasmusik. Das Musikkorps einer Fliegerhorstkommandantur. Dazwischen: 6.50: Mit teilungen sür den Bauern. — 7.00: Nachrichten. — 8.00: Aus Berlin: Gvmnastik. — 8.20: Nus Frankfurt: Konzert. — 10.00: Aus Berlin: Konzert. — 11.00: Sendepause — 11.25: Er zeugung und Verbrauch. — 11.45: Rund um den Karpfenteich. Hörberichl. — 12.00: Aus Köln: Konzert. Dazwischen: 12.30: Nachrichten. — 14.00: Nachrichten. Anschließend: Musik nach Tisch. (Jndustrieschallplatten und Aufnahmen des deutschen Rundfunks.) — 15.00: Kinder hört zn! Flor» Jacobi erzählt Märchen. —»15.25: Musikalisches Zwischenspiel. — 15.40: Begegnung mit Ungarn. — 16.00: Walzerseligkcit. Elfriede Draeger (Sopran), das Orchester des Neichssenders Leipzig. — 17.00: Nachrichten. — 17.10: Aus Dresden: Die Wehrmacht singt: „Auf Stube", nach dem Liederbuch der Wehrmacht „Soldaten—Kameraden", ausgeführt von einer Batterie eines Artillerie-Regimentes. MisMenLeL VerM uns NeuMSaMendee 6 .;«-: Ans Leipzig: Blasmusik. Das Musikkorps einer Fliegerhorstkommandantnr. — 8.20: Aus Frankfurt: Musik am Vormittag. Das Kleine Orchester des Reichssenders Frankfurt. — 10.00: Wir singen in NSB.-Kindergärten. — 10.30: Kleine Musik. — 11.00: Ans Hambnrg: Musik zur Unterhaltung. Die Unterhaltungskapelle des Reichssenders Hamburg und ihre So- listen. — 12.10: Aus Köln: Die Werkpause. — 13.00: Aus Italien: Musik am Mittag. — 14.10: Die Stunde nach Tisch. (Jndustrieschallplatten.) — 15.00: Zither und Harmonika. — 15.30: Schulfunk für die Mittel- und Oberstufe: Zeitsviegel der Jugend. — 16.00: Aus Leipzig: Walzerseligleit. Elfriede Draeger (Sopran) und das Orchester des Reichssenders Leipzig. — 17.10: Aus Dresden: Die Wehrmacht singt. „Aus Stube." — 18.00: Otto Dobrindt spickt. — 20.15: Großes Wunschkonzert für die Wehrmacht. — 22.30: Kammermusik. — 23.00: Abend konzert. Treffen der Marschierer des 9. November Uebertraguna durch alle veuischcn Sender Tie Nationalsozialistische Parieikorresvonven, meldet: DaS Treiien der Marschierer des 8. und 9 November i923. das am Mittwoch. 8 November im Bürgcrbräukeller m München stan- ktndel. wird an diesem Tag ob 1930 Uhr über alle deutschen Senser überttagen. Tie Sendung wird in die örtlichen Feiere stunden der NSTAP. übernommen. >v«NLLL«-Wetti88c:niN2 oviron vrm.zo osxzn EiLie«, (11. Fortsetzung.) Die Küchenfenster standen weit auf. Sie hörte das! irufgeregte Sprechen der Mädchen. Es war doch unmög lich! „Hu," — die dicke Grete kreischte plötzlich laut auf — „die Russen fressen die kleinen Kinder und die jungen Mädchen. Ich bleibe keinen Augenblick mehr Hier." Lisbeth und Frieda fielen schluchzend ein. Lite hielt sich die Ohren zu. Wenn nur die Eltern hier gewesen wären. Leife, ohne anzuklopfen, öffnete Lie die Türe zu des Vaters Arbeitszimmer. Die Sonne fiel in breiten Streifen durch die halb Niedergelassenen Jalousien. Das Bild über dem Schreibtisch stand allem in ein Helles Licht getaucht. Es zeigte den Bruder des Vaters, jung, blondlockig, mit frohen, blauen Augen. Er war 1870 bei den Spicherner Höhen gefallen. Jetzt stand Hellmut vou Dacherode unter diesem Bild. Die Hände hielt er auf dem Rücken verschränkt. Sein junges Gesicht war im Ernst der Stunde verklärt. Es lag nichts Weiches mehr darin, nur noch das fleischgeworoene „Haltung in jeder Lage". Lite wollte die Türe wieder schließen. Sie scheute es, den Bruder in dieser Stunde zu stören. Weit wea- gerückt erschien er ihr, so weit, daß sie ihn in der Wirk lichkeit nicht mehr erreichen konnte. Aber Hellmut hörte den leisen, vorsichtigen Schritt, er wandte sich um. „Lite!" Er zog die Schwester neben sich. Ja, er fuhr morgen früh mit Otto von Plessow fort. Ganz schlicht erfaßte der Mann des Mädchens Finger. Er brauchte keine Worte zu machen. Hand in Hand standen die beiden Geschwister vor dem Bild des Oheims. Vor Spichern verteidigte er des Vaterlandes Eyre. Irgendwo weit im unbekannten Westen lag es. Heute galt es neben der Ehre -es Vaterlandes den Schutz der Heimat. „Haltung!" Hellmut preßte der Schwester Hand fast fchmerzhaft fest, hauchte ihr einen Kuß auf -ie erhobene kindlich rund gewölbte Stirne, in die kleine Löckchen aus dem Scheitel neckisch hervorsp.A.igen. „Haltung!" antwortete das Mädchen und würgte tapfer ein aufsteigendes Schluchzen hinunter. Der Bruder hätte gerade in dieser Stunde nicht unter dem Bild des Oheims stehen dürfen. Aber es war jetzt nicht Zeit zum Nachdenken und Grübeln. Das Notwendigste mußte geordnet werden. „Wenn nur der Herr Graf —" Der weiß haarige Inspektor Ziekrösch jammerte. Hellmut schnitt ihm das Wort ab. „Mein Vater ist nun einmal nicht da. Wir müssen versuchen, ohne ihn auszukommen." Er gab Anordnungen, Befehle, wie sie nur der Wille einer einzigartig gehobenen Stunde geben konnte. Man nahm sein Wort hin wie ein Vermächtnis, das man buchstabenweise erfüllen mußte. Vor allem: Alle Kräfte bei der Ernte einsetzen. Auf die fremden Arbeiter konnte man in diesem Sommer ja nicht rechnen. Und Arbeit am deutschen Brot schadete bestimmt keinem Menschen. „Wir helfen alle!" Lite wiederholte die Worte des Bruders vor dem weiblichen Personal. Es waren ein paar Mädchen aus anderer Gegend darunter, die Ost preußen nicht bannte. Deshalb mochten sie auch nicht das Aeußerste einsetzen. Sie erhielten den ihnen zu stehenden Lohn und fuhren noch mit dem Abendzug nach Hause. Keiner grollte ihnen. Es war in solcher Zeit gut, nur Menschen um sich zu haben, auf die man sich verlassen konnte. Denn man wußte nicht — die Stimmen der Angst waren nicht restlos zu ersticken. Die Grenze lag zu nahe. Und plötzlich wollte jeder etwas gehört haben. Entsetzliche Dinge, die von kommendem Schrecken träumten. Die erste Begeiste rung, da ein junger Knecht vom Gutshof drunten ge rufen: „Jetzt zeigen wir es ihnen aber einmal," wich einer inneren Beklemmung. Erst ein Machtwort Hell muts wirkte das große Wunder. Lite schaute bewundernd zu dem Bruder auf. „Wenn du hier bliebst, würde uns bestimmt nichts geschehen!" In der Morgenfrühe stand sie am Bahnhof, umklam merte des Bruders Hände mit zärtlichen schmalen Fingern. Es kam ihr plötzlich zu Bewußtsein, daß sie : allein zurückblieb. Von den Eltern erhielt sie keine j Nachricht. Man sprach auch ernstlich davon, daß Eng- > land in den Krieg mit eiubezogen würde. Vielleicht , kamen ste aar nicht mehr vor Beendigung des Krieges zurück. Und so ein Krieg konnte schon ein paar Wochen dauern. Lite rechnete nach. Ach, da setzte sich der Zug in Bewegung. Hellmuts blonder Kopf, sein wehendes Taschentuch sah ste kleiner und unscheinbarer werden. Sie hatte es kaum gemerkt. Einen Augenblick überkam sie grenzenlose Einsamkeit. Der Nachbar Otto vor; Plessow war mit dem Bruder zusammen fortgefahren. Schweigend stieg das Mäd chen in den Wagen. Die Pferde zogen an. In der Frühe des Morgens stiegen die Nebel aus den Sümpfen und Seen. Schmal schob sich die Fort setzung der Straße den Wald entgegen, an dessen Ewig keit weder Krieg noch Frieden rütteln konnte. Der See schlug sein mattblaues Auge dem Himmel offen ent gegen. Erntewagen rumpelten an ihm vorüber. Die Arbeit des Sommers rief genau so wie an jedem be liebigen Tag. Lite ritt am Mittag aufs Feld hinaus. Sie mochte beute den anderen Frauen und Mädchen, die Arbeit für Männer und Söhne taten, nicht nachstehen. Es fiel schwer, dies fortgesetzte Sichbucken. Aber man war am Abend so erschöpft, daß einem die Totenstille des Schlosses nicht auffiel. Der alte Mirko servierte wie gewohnt im großen Eß zimmer. Wenn er sonst die Zurückhaltung selbst war, erlaubte er sich heute ein offenes Wort. Die einsame kleine Gestalt auf dem hochbeinigen Stuhl erbarmte sein Herz. „Die Leute haben sich gefreut, daß Komteß auf dem Feld mitgearbeitet haben!" Lite legte die Gabel beiseite, die freundlichen Worte des alten Mannes berührten etwas in ihrer Seele, wo von sie nichts wissen wollte. Stumm nickte sie mit dem Kopf. Der Mann wagte einen zweiten Vorstoß. „Wir alle sind froh, daß wenigstens Komteß uns geblieben. Wir werben es alle schon schaffen." Da wandte das Mädchen das Gesicht um. „Mirko, was denkst du von den Eltern ?" Der Diener wollte ausweichen. Doch Lite bannte ihn Hüt einem so eigentümlich barten Blick, daß ihm nichts als die Wahr heit übrig blieb. „Man erzählt sich, daß die Deutschen in England wohl interniert werden, falls es auch mit England zum Krieg kommt." Das Mädchen senkte den Kopf. Es sprach nichts mehr. Auch die Hände mochten sich nicht mehr bewegen. Der alte Mirko mußte fast das ganze Essen wieder abräumen. (Fortsetzung folgt.)'