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Die Schlacht an der Marne Vormarsch des deutschen Westheeres im August 1914 Joffre will Frankreich retten - Deutsche Siege an Ourq und Petit Morin Der Befehl zum Rückzug , Schwer flND Re Verluste der Franzosen und Engländer st« den Schlachten des August 1914. General Joffre, ver Oberkommandierende, sieht seine Pläne Überakt durchkreuzt. Ende August hält nur noch die Linie Belfort—Ponr-ä-Mousson. Die drei Armeen der Nordfront und das englische Expeditions- Lorps sind überall gewichen. Er befiehlt den Rückzug in sie Limen Jonville (südwestlich von Toul)—Arcis-sur-Aube— Nogent-sur-Seine—Melun—Juvisy südöstlich von Paris. Ist das der endgültige Ruckzug? Nein, sagt Joffre, nur der Marsch in eine günstige Ausgangsstellung zur Wiederaufnahme -er Offensive. Aus der Front Belfort—Pont-ä-Mousson werden zweieinhalb Korps und zwei Kavallerie-Divisionen heran gezogen und dem bedrohten linken Flügel zugeführt. So fängt die Schlacht an Die Absichten des Gegners bleiben der Obersten Heeres leitung vorerst verborgen. Kluck setzt seine durch Marschverluste, Abgabe starker Verbände und Sicherung der rückwärtigen Ver bindungen stark geschwächte Armee am 31 August zur rück sichtslosen Verfolgung an, die 2. Armee folgt einen Tag später, Während die 3. Armee östlich von, Reims vorbeistößl. Am Abend des 4. September steht die 1. Armee östlich von Paris zwischen Meanx—Chateau-Thierry aus dem südlichen Marneufer. Kluck will die vor ver 2. Armee zurückgehenden Franzosen überholen und in der Flanke fassen; die von Paris drohende Gefahr wird von ihm in diesem Augenblick nicht voll erkannt, nur. ein Korps und eine Kavallerie-Division bleiben als Flankendeckung vor der Nordostfront zurück. Die 2.'Armee gewinnt ebenfalls das südliche Marneufer in der Linie Montmirail—Vertus, die 3. Armee bei Jslons—Chälons. Die 1. Armee ist am 3. September entsprechend einem Befehl der Obersten Heeresleitung aus der ursprünglichen Marschrichtung gegen Paris nach Südosten abgedreht worden. Diese entscheidende Schwenkung bleibt dem Gegner nicht ver borgen. Der Gouverneur von Paris, General Galisni, will diese günstige Wendung zu einem Flankenstotz gegen Kluck benutzen. Joffre, der diesen Stotz nur im Rahmen der von ihm vorbereiteten Offensive führen würde, lehnt zunächst ab. Sein Aufmarsch ist noch nicht vollendet, von den Verstärkungen sind erst die Spitzen eingetrosfen, autzcrdcm wollen die Eng länder bei ihrem Rückmarsch bleiben. Aber er kann sich nicht der Tatsache verschließen, daß die neue strategische Lage genutzt werden mutz. So erläßt er am 4. September den Befehl zum Beginn der Offensive am 6. September aus den Richtungen Paris—Maas; die deutschen Armeen sollen abgeschnitten werden. Etwa um die gleiche Zeit hat die deutsche Oberste Heeres leitung erkannt, daß ein Abdrängen des französischen Heeres gegen die schweizerische Grenze nicht mehr möglich ist und daß mit einem Angriff des Gegners aus Paris gerechnet Werden mutz. Sie läßt durch einen in der Nacht zum 5. Sep tember herausgegebenen Befehl die 1. und 2. Armee gegen Paris einschwenken. Die 3. Armee soll ihren Stotz südlich weiterskhren, während es bei den anschließenden Armeen bei der bisherigen Richtung verbleibt. Aus dieser Entwicklung entsteht di« Marne-Schlacht. Die Ueberraschung am Ourq Zuerst nicht günstig für die deutschen Armeen! Noch gehen Engländer und Franzosen am 5. September zurück. Der Beseh! der Obersten Heeresleitung, daß 1. und 2. Arme« gegen Paris einschwenken sollen, vollzieht sich langsam Bülow läßt mit Rücksicht aus die 3. Armee nur die beiden Korps des rechten Flügels verhalten, Kluck ist der Ansicht, daß der Gegner bis hinter die Seine geworsen werden mutz und setzt deshalb die Verfolgung südöstlich fort, um den Pein Morin zu über schreiten. So schiebt sich der linke Flügel der 1. Armee gestaffelt vor den rechten Flügel Bülows, während die 3. Armee neben der 2. Armee rückwärts abhängt. In dem Augenblick, da der Gitzner seine Kräfte zum Schlage bereitstellt, ist die Fühlung zwischen den drei Armeen des deutschen rechten Flügels ver lorengegangen. An diesem Vormittag ist beim Gegner die am linken Flügel neugebildete Armee Maunoury bereits im Aufmarsch. Sie bewegt sich gegen den unteren Ourq, den sie am nächsten Morgen mit Beginn der Offensive überschreiten soll. Fran zösische Kavallerie stößt in das Waldgelände von Nanieuil vor. Meldungen der hier mit dem 4. Reservekorps sichernden 4. Kavallerie-Division geben dem Kommandierenden General von Gronau keine Klarheit über die Absichten des Gegners. Um Gewißheit zu schaffen, befiehlt er für nachmittags 2 Uhr den Angriff des Korps. Die zwei schwachen Divisionen stoßen in der Linie St. Soupplet—Meaux aus die Franzosen. Harte Kämpfe entbrennen. Abends muß das durch Abgaben be sonders geschwächte Korps zurückgehen. Aber der Schleier ist zerrissen, sein tapferer Vorstoß in die Divisionen des weit überlegenen Gegners hat die Gefahr enthüllt, die dem rechten Flügel der Armee droht. Der Vorstoß des 4. Reserve korps hat die Marneschlacht eingcleitet. Sie entbrennt am nächsten Morgen auf der ganzen Front. Am Ourq steht das 4. Reservekorps gegen die Armee Maunoury i» verzweifelten Kampf, bis nachmittags das von Kluck ent sandte 2. Korps nach einem Gewaltmarsch von 4V Kilometern emtrifft und in den Kampf eingreist. Die wütenden Angriffe der Franzosen werden zurückgeschlagen, die Front steht, ja am Abend Wersen Gegenstöße den Gegner zurück. Hier im Ourq ist die größte Gefahr beseitigt, aber Kluck weiß, daß sie am nächsten Tage größer werden wird, er wirft deshalb den Hauptteil der Armee nach Norden; zwei Korps bleiben südlich des Petit Morin, um zusammen mit zwei Kavalleriekorps gegen den zwischen französischer 5. und 6. Armee stehenden Engländer zu sichern. Das 3. Korps tritt im Morgengrauen an: „Abmarsch zur Einschließung der Rordostfront von Paris!" Das ist ein lockendes Ziel für die müde Truppe. Aber schon ans der Linie Villiers-St. Georges—Montceaux steht ein starker Feind. — I» den nun entbrennenden Kämpfen legt der Franzose einen schweren Feuerorkan auf die vorderen Jnfanteriestellungen und Anmarschwege; er zwingt das 3. Korps am Nachmittag zur Aufgabe von Villiers-St. Georges und Montceaux. Rück sicht auf die 2. Armee verlangt das Stehenbleiben des 9. Korps am linken Flügel der Armee. Nach den harten Anstrengungen der letzten Augustwochen wird die Aussicht auf einen Ruhetag mit Jubel begrüßt; die Führer freuen sich, daß sie ihre Ver bände ordnen können. Da schlägt beim Hellwerden französisches Artilleriefeuer in die vorgeschobenen Sicherungslinien. Das Korpskommando glaubt zuerst, daß es sich um zurückgebliebene feindliche Ko lonnen handelt, die sich durch Vorstötze Luft machen wollen. Bald wird es eines Besseren belehrt: Milte und linker Flügel der französischen 5. Armee treten zwischen Seine und Esternay zum Angriff an. Noch ehe der Ruhetag begonnen Hai, wird er durch den Befehl zum Gegenangriff unterbrochen. Mit ver bissener Wut schlägt sich das Korps um Dörfer und Waldstücke. Gegen die stark massierte französische Artillerie ist die eigene Artillerieunterstützung zu schwach. Das 3. Korps und das 7. Korps «rechter Flügel der 2. Armee) greisen ein. Am Nach mittag ist die Gefahr beseitigt, aber Kluck, letzt auf die Deckung der Front am Ourq bedacht, nimmt die beiden Korps zurück imd unterstellt sie zunächst der 2. Armee. Zwei Kavallerie korps übernehmen die Sicherung gegen die Engländer. 20 Kilometer breit ist am Abend die Lücke zwischen dem linken Flügel der Ourq-Front und dem rechten Flügel des 3. Korps. Joffres Rechnung geht nicht auf Die 2. Armee soll am 6. September mit Ausnahme des 10. Reservekorps den Petit Morin überschreiten. Der Besehl ist unter Voraussetzungen gegeben, die schon am Morgen dieses Tages fehlen und nimmt den Gegner noch im Rückmarsch hin ter Seine und Aube an. Deshalb glaubt man nur mit fliegen den Kolonnen den Gegner noch erreichen zu können. Tatsäch lich stehen aber die Korps bereits seit dem Antreten am frühen Morgen im schweren Ringen gegen einen Feind, der vor der ganzen Armee gegen Norden stößt. Am rechten Flügel macht das 7. Korps lediglich den Schwenkungsraum für die Armee frei. Das 10. Reservekorps stößt aus dem Raum Mommiral— Boissy—le Thoult in die Linie Charleville—le Gault, mutz aber um die zehn Kilometer Tiefe bis zum Abend verzweifelt ringen. Das 10. Korps, das mit Teilen schon am Vortage den Petit Morin überschritten hat, kann auch heute den Sumpf von St. Gond nicht ganz überwinden, weil am linken Flügel in der Nacht durch dichten Wald Marokkaner in die Lücke zwischen 10. und Gardekorps stoßen. Auch bei der 1. Garde division kommt man daher nicht über den Sumps, dagegen Wirft die 2. Gärdedivtsion den Feind über den Sommebach zurück. Von der Mitte der 2. Armee bis zur Armee Hausen werden am Abend die schweren Kämpfe abgebrochen, ohne daß eine Entscheidung gefallen ist. Bei der 4. Armee kann der Franzose zwar kleine Erfolge erringen, aber von der 5. Armee Wird der französische Angriff zurückgeschlagcn. Ans der ganzen Front ist am ersten Tag der französischen Offensive der taktische Erfolg bei den Deutschen; der Führer der französischen 5. Armee befiehlt vorsichtigerweise für den nächsten Tag, daß jede gewonnene Stellung unangreifbar ge macht werden soll. Joffre sieht sich sogar gezwungen, weitere Verstärkungen heranzuziehcn. Auf dem Schlachtfeld fallt den Deutschen der Heeresbesehl Jofsres in die Hände; jetzt gewinnt die Oberste Heeresleitung Klarheit über die Absichten des Gegners. Für den nächsten Tag handelt es sich sür Kluck darum, den Femd am Ourq zu schlagen. Nach einem beschwerlichen Nachimarsch ist das 4. Korps aus dem Schlachtseld ein- getrofsen. Wie am Tage vorher werden die Bataillone, wie sie aus dem Schlachtseld eintrefsen, in den Kamps geworsen und schlagen den linken Flügel Maunourys. Schwer sind die Ver luste, die weit überlegene feindliche Artillerie lätzt Zweifel auf kommen, ob die überanstrengte Truppe sich wird halten können. Kluck ist in Sorge und zieht deshalb die der 2. Armee umer- stellten Korps, 3 und 9., zuerst in der Nacht hinter den Petit Morin zurück, um sie am Mittag des Tages zur Verstärkung des rechten Flügels am Ourq in Marsch zu setzen. Bülow ist in Sorge um seine rechte Flanke, er nimmt auch das 10. Reservekorps hinter den Petit Morin und ändert den An griffsbefehl für den 7. September dahin um, vatz nur sie linken Flügelkorps (10. und Gardekorps) angreisen sollen. Dis beiden Kavalleriekorps, ebenfalls ausetnanüergerissen, sichern die Lücke zwischen La Fertö und Esternay. Im Lause des Tages weichen sie langsam vor den anrückenden Engländern hinter den Petit Morin zurück. Trotzdem können die zwei Flügelkorps der 2. Armee an diesem Tage die UebergLngs über die Sümpfe von St. Gond erzwingen und den Angriff! dicht an die beherrschenden Höhen des Südrandes vortrage». Die 3. Armee unterstützt die 2. und 4. Armee und wirst iu schweren Kämpfen die Franzosen zurück. Die französische In fanterie erweist sich auch hier unterlegen. Die Franzosen verlieren die Schlacht Nach zweitägigem, schwerem Ringen winkt am 8. Sep tember am Ourq endlich der Sieg. Das 4. Korps zusammen mit dem 2. Korps und 4. Reservekorps stützt mit starker Wucht in die französischen Linien. Tropfenweise treffen hier die mit schnell requirierten Personenautos herangeschafften Ver stärkungen ein Maunoury kämpft bereits in der Linie Cröpq en Valois—Meaux in der Abwehr auf Zeitgewinn. Joffre hofft, datz die englische Hilfe durch den Stotz in die Lücke Wirk sam wird und den Rücken Klucks bedroht. Tatsächlich greifen am Morgen die Engländer die beiden Kavalleriekorps an und zwingen zuerst das Korps v. d. Mar witz zum Rückzug hinter die Marne. Damit ist der Schleiei zwischen der 1. und 2. Armee zerrissen. Als dann trotz helden hafter Abwehr der feindlichen Angriffe durch widrige Um stünde der rechte Flankenschutz der 2. Armee an der Pariser Straße bei Marchais eingedrückt wird, mutz auch das Kaval leriekorps Richthofen über die Marne zurück. Dadurch ver- breitert sich die Lücke zwischen La Fertö und Chateau-Thierry aus 35 Kilometer, der an die Engländer angelehnte links Flügel der französischen 5. Armee könnte jetzt fast widerstands los vordringen, während der rechte Flügel, zusammen mit der französischen 9. Armee von dem linken Flügel der Armee Bülows und dem rechten der Armee Hausens gefaßt und-mit ungestümer Wucht zurückgeworfen wird. Zwischen St. Prir und Sommesous durchbricht das Gardekorps im Nahkampf die feindliche Front und dringt unaufhaltsam vor. Am Abend des 8. September muß das Hauptquartier der französischen 9. Armee zurückverlcgt werden, General Foch Hal als deren Führer die Schlacht verloren. Es geht auch voran bei der 4. und 5 Armee. An diesem Abend denkt Generaloberst von Bülow unter dem Truck der Bedrohung der rechten Flanke bereits an den Rückzug. Diese Lücke, die ja auch den linken Flügel der 1. Armee gefährdet, hat Kluck weniger ernst genommen. Am 8. Sep tember glaubt er sich durch die Kavalleriekorps und eine von ihm entsandte Brigade ausreichend gesichert. Am 9. September wird dem Korps v. d. Marwitz noch eine weitere Division zugeteilt. Tatsächlich halten diese schwachen Kräfte den Rücken der 1. Armee von den Engländern frei. Die Armee setzt mit den Hauptkräften zum Entscheidungsstotz gegen Maunoury an, auf dem rechten Flügel die beiden vom linken Flügel ein getroffenen Korps. Die Franzosen verlieren schließlich, im Norden umfaßt, den Halt, und Maunoury erteilt den Rück zugsbefehl. Rückzug nach dem Siege Der linke Flügel der 2. Armee versetzt gemeinsam mit der Armee Hausen an diesem Morgen dem Gegner so schwere Schläge, datz Foch seinen rechten Flügel zurücknimmt. Der beherrschende Mont Aoüt wird ihm entrissen. Da erscheint am Mittag des 9. September kn Mareüis, dem Hauptquartier Klucks, ein Abgesandter der Obersten Heeresleitung mit dem Befehl, die 1. Armee vom Feinde -zu lösen und den Rückzug anzutreten. Der gleiche Befehl ist bei der 2. Armee bereits ergangen und er wird im Laufe des Nachmittags den übrigen Armeen übermittelt Die Armeesübrer von Kluck, von Hausen, Herzog Albrecht und Deutscher Kronprinz erheben energische Einwände gegen den Befehl und weisen auf die Erfolge ihrer Armeen hin. Der Befehl wird nicht widerrufen. Der Ab gesandte der Obersten Heeresleitung macht sich die Auffassung des Generalobersten von Bülow zu eigen, datz die Flanken bedrohung der 1. und 2. Armee eine Loslösung vom Feinde verlange. So lösen sich die ungeschlagenen Armeen vom Gegner und »eien den Rückzug an. Erst am Abend bemerken die geschlagenen französischen Armeen die Wende. Mitte September findet der Rückzug sein Ende. Die 1., 2. und 3. Armee halten zwischen Compisgne und Reims hinter Aisn« und Vesle, die 4. und 5. Armee in der Linie Reims—St. Menehould—- Verdun. Kurt Winkler. Die Karte der Marne schlacht Die Karte zeigt die Entwick lung in den entscheidenden Tagen zwischen dem 5. und 9 September. Die 1. Armee steht am 9. Sept, wieder fest vor dem Ourq. Zwischen der 1. und 2. Armee besteht die verhängnis volle Lücke zwischen La Feris und Chateau-Thierry, aber der linke Flügel der 2. Armee und die anschliessenden Armeen bis Verdun haben die Franzosen zurückgewvrsen. Zeichnung: Stiewe — M.