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Waue au Wir, die Wir beim Diebstahl und bei der Verfolgung des Diebes nicht dabei gewesen waren, bestürmten Hans nun mit allerhand Fragen. Warum er den Dieb so verprügelt habe, wollten wir vor allem wissen. „Weil er meinen Loki mitgenommen hatte!" schrie Hans uns an. Schön. Gut. Und warum er dann den Kerl erst so prachtvoll verteidigt habe... Hans sah über uns hinweg, Winkte ab und sagte auf deutsch: „Was wißt ihr von Objektivität!" — Unsern argentinischen Freunden versuchten wir klar zumachen, was Hans gemeint hatte. Aber sie verstanden uns nicht. Spiel um die Kuh. Der Wirt, der für seine Kegelbahn werben wM, tut gut, ab und an durch die Stiftung eines wertvollen Preises neue Gäste anznlocken. Manchmal aber nützt selbst dieses Mittel nichts. So geschah es auch kürzlich, als nichts weniger als eine schone große Kuh auf dem Spiele stand. So gewaltig die Menge der Zwchaner war, es beteiligte sich doch nur eine geringe Zahl an dem Kegelschieben. Der Gewinner, ein Bauernsohn, stieß daher auf erbitterten Widerstand, als er von dem Wirte die zum Preise bestimmte Kuh verlangte. Sie wurde ihm verweigert. Hundert Mark solle er haben, mehr nicht. Er, der Wirt, erleide ohnehin Schaden. Aber der junge Bauer gab sich nicht geschlagen. Er rief die Gerichte an. Die erste Instanz entschied allerdings, es habe sich um ein Glücksspiel gehandelt, das nicht einklagbar ei. Der Wirt brauche also die Kuh nicht zu liefern. Da wandte ich der glücklich-unglückliche Gewinner an die nächste Instanz. Und die gab ihm recht. Das Kegelschieben sei kein Glücksspiel. Denn es "hänge nicht vom bloßen Zufall ab, sondern von der Kraft, der Geschicklichkeit, der Urbung des Spielers. klagten Vis Frauen; die Kinder Welten sich an den Fellbeinen der Mütter fest, blinzelten zu Umanak. Der stand vor dem Eingang des weißen Hauses und ^pfiff seinen Hunden. Die stürmten heran, als brause der granL Blizzard neu in ihrem Rücken, jaulten und winselten, sprangen ihrem Herrn an den Hals. Der umarmte die Tiere einzeln,und koste sie, ließ sich Nase und Augen lecken, Stirn und das Kinn. Bald kamen aus einen Wink die Kinder, von den Müttern vorwärts ge schubst, sich sträubend. Auf leisen Fellfohlcu, wie tapsige, junge Füchse krochen sie Umanak zwischen den Beinen hoch. Der hob sie aus den Arm, ein jedes, noch einmal stark, hielt sie gen Osten. Verlegen kicherten die Söhne und Tächter des Stam mes, strampelten, rieben die Nasen an Umanats Nase, glitteni herab in den Schnee. ' > Die Männer hatten sich um ihres Aeltesten Habe ver sammelt, die Frauen- Drei Schlitten mit Fellen und Fallen, -mit Köchern, Messern und Walroßzähnen, mit Kajaks und Flinten. Schlitten mit Tran und Geweihen von Renntieren, mit Bälgen der Eiderenten und Lummen, mit weicher Speise ,aus dem Süden: Mehl und Buchweizen. Mit Feuer, gefangen in den roten Köpfchen winziger Hölzchen, mit Arzneien aus den geheimnisvollen Küchen der Zivilisierten. Umanak gebot die Männer und Frauen des Stammes zu sich, ganz nahe, berührte alle, Stirn an Stirn, und teilte. Die Hunde aber bekam Sörö allein, zottige Tiere, klug und stark wie die bellenden Löwen des Nordmeeres. Dann sprach Umanak. Es war ein Singen noch einmal aus des alten Eskimo Brust» die Antwort der Götter auf die Klage der Menschen: Umanak stirbt nicht, er zieht wie die weißen Bären mit ench! Umanak geht in die Hütte zu den Ahnen'und wacht. Kämpft, ihr Männer, und mehret den Wohlstand des Stammes! Umanak wandert im warmen Rauschen der Küste, im kalten Toben des Nordens. Wenn der Schnee die Augen kratzt, die Luft zum Atmen in den Ein- geweiden reißt, dann zieht Umanak mit euch! — Der Alte verstummte. Die Männer, Frauen und Kinder wichen zurück. Nur noch die Hunde blieben. Sörö pfiff, doch seine Tiere kamen nicht: Umanaks Hunde! Sie jaulten wie nur eine Stimme, sechs zottige Bestien, groß und stark, als ihr Herr in sein Grab schritt, schwankend und gebückt, sich durch die schmale Oesfnung zwängte, allein nun, ohne Nah rung, ohne Felle und Kajaks, ohne Schlitten, Messer und Fallen, Flinten und Bälge der Lummen. Da heulten die Hunde! Es war wie das Klingen des Eises unter den Füßen der Kreatur, schrill wie ein Peitschenschlag von den Sternen herab, ganz lang gezogen, ohne Ende, ein Heulen, wie das Pfeifen der Meteore durch den weiten Naum. Das Jaulen griff den Männern ans Mark, den Frauen und Kindern. Da sah Sörö, wie sich Umanaks Hand noch einmal aus der Oesfnung schob. Nichts mehr hören und sehen wollte der Einsame! Langsam schritt der neue Führer des Stammes mitten durch die klagen den Tiere, heran an das Grab, drückte die letzte weiße Tasel in den Eingang. Die Hunde verstummten, neigten die Köpfe, kamen heran und berochen die Stelle, zuckten und stießen mit der Schnauze nach Umanak. Wandten sich um, preschten zu ihrem neuen Herrn, leckten ihm den Hals und die Augen, das Gesicht. Mischten sich erregt unter die anderen Tiere, die drüben vor den Schlitten stumm auf den Hinterbeinen gesessen, die ganze Hans kam zu uns, ziemlich abgerissen. Aber er besaß einen prachtvollen Gaul, einen Fuchs, den er „Loki" getauft hatte. Loki war ein Pferd mit Menschenverstand, Hans dagegen ein Jurist aus Jena... Die Gegend wimmelte von Pferdedieben. Die Tiere waren knapp. Für die Ausfuhr wurden viele gebraucht. Es war ein gutes Geschäft, Pferde zu stehlen. Aber auch gefährlich. Fast in jeder Woche wurde einer erwischt und gehängt oder erschossen. Nach einem Gerichtsverfahren, das zwar meist recht kurz war, bei dem es aber sehr feierlich und gesittet herging. Richter, Beisitzer und sogar Verteidiger fehlten nicht, obwohl besonders die ganze Verteidigung nur eine Formsache war. Denn das Urteil kannte man ja im voraus. „Nimm dich in acht!" sagten wir zu Hans. „Dein Loki ist zu auffallend für diese gemütliche Gegend." „Den möchte ich sehen", antwortete Haus, „der es wagen würde, mir meinen Loki zu klauen." Und dabei richtete er sich drohend hoch. Hans war eilt Niese... Eines Tages kehrten wir von einem langen Ritt heim — Hans und einige andere Kameraden waren diesmal nicht mitgekommen — und erfuhren, daß gerade eine Gerichts sitzung im Gange war. Ein Pferdedieb sollte erledigt werden. Der Richter aus Formosa war auf der Estancia eingctroffen. Der Dieb, ein verwachsener, elender, schielender, Levantiner, hatte den Rio Pilcomayo nnd die rettende Grenze nicht erreichen können. Ein Verteidiger war ernannt worden: der Hans Enk! Das erfuhren wir in unserm Puesto. Und obwohl wir hundemüde waren, trabten wir die vier Leguas hinüber zur Estancia, wo der Dieb verurteilt werden sollte. Als wir durch die Tranguera in den Hof ritten, war dort mächtiger Betrieb. Hans begann gerade mit seiner Verteidigungsrede. Wir bekamen zu essen und zu trinken und stellten uns dann zu den andern Männern, die auf das Urteil warteten. HanS ging mächtig ran. Er legte sich für den schielenden Levantiner ins Zeug, daß cS eine Freude war. Er schien einen besonder« guten Tag zu haben. Er redete wie ein Buch. Er machte aus dem Pferdedieb einen Unschuldsengel, einen Men schen, der nur durch widrige Umstände gezwungen worden- war, sich auf die Pferde fremder Männer zu werfen. Dar Hohe Gerichtshof war platt. Die Herren sahen sich gegenseitig verlegen an. Sie kamen sich beinahe wie An geklagte vor. „Der Deutsche muß Plötzlich den Verstand Ver-^ loren haben", sagten die Gauchos in unserer Nähe. Und wir schlossen uns dieser Ansicht an. Auch für uns stand es fest,,' daß sich bei Hans eine Schraube gelockert hatte. Wir riefew ihm zu: „Ho! Ho!" und „He! He!" Aber er ließ sich nickst stören. Er verteidigte seinen Levantiner weiter. Dieser Unglückliche sei, deklamierte er, nur zu bedauern, stehe er hier doch allem auf weiter Welt, habe keine Freunde und Bekannte, es sei ihm unsagbar schlecht gegangen, durch den Diebstahl habe niemand Schaden gehabt, die Pferde seien ja wieder da, nnd der Angeklagte werde es bestimmt nicht wieder tun. „Bestimmt nicht!" heulte der gekrümmte Levan tiner aus und hielt seine Hände beschwörend hoch. Hans Enk beantragte die Freisprechung des Angeklagten und empfahl, diesen seiner Obhut anzuvcrtrauen, denn er wolle dafür sorgen, daß jener nicht noch einmal vom Pfad der Tugend abweiche. Dos war starker, als jeder erwartet hatte. Alle standen da und sperrten die Mäuler auf. Und auch der Hohe Gerichts hof war ganz weg. Aber es kam noch besser: Das Urteil wurde gefällt. Hs lautete auf Freisprechung des Angeklagten. Auch der Wunsch des Herrn Verteidigers wurde berücksichtigt, der Angeklagte seiner "Obhut anvertraut. Der erste, der den Sinn des Urteils voll erfaßt hatte, war der Angeklagte. Er sah sich scheu nach allen Seiten um, sprang hoch und wollte sich empfehlen. Aber Hans stand hinter ihm, griff nach ihm, packte ihn am Kragen und schwenkte ihn ein wenig hin und her. Nun ging ein Gejohle los, wie Wir eS schon seit langem nicht gehört hatten. Hans schleifte den Levantiner hinter sich her, quer über den Hof, zur Tranquern hinaus. Alle folgten ihm, sogar der Hohe Gerichtshof, der sich davon überzeugen wollte, wie der Herr Verteidiger den Freigesprochenen in seine Obhut nahm. Draußen ließ Hans den Dieb los, haute Ihm aber im gleichen Augenblick rechts und links ein paar runter, daß er tanmclte und in die Knie ging. Aber ehe er stürzte riß Hans ihn hoch und verprügelte ihn, wie Wohl selten ein Mensch verprügelt worden ist. Windelweich, als unglückliches Häufchen rollte der Pferdedieb den Abhang zum Tränkebach hinunter und blieb liegen, umheult von Hunden aller Gattungen und Größen. Hans schien mit seiner Hände Werk zufrieden... Nur "die Gauchos schienen nicht restlos befriedigt. Ein Pferdedieb nicht gehängt — daS War neu. Diese Leute hier liebten Neuerungen nicht. Zeit nur leise winselnd. Keine Klage kam mehr, aus keinem Munde, als die Kara- fbrach zur letzten Anstrengung, das Ziel herbei zu zwingen, und niemand wandte sich um. Denn mit Sörös Fischern und Jägern durch die Polarnacht zog Umanak im Knirschen des Schnees unter den Schlittenkufen. Deutsche Sachlichkeit Eine Geschickte aus äern Gauckolancl. Von tzans Seiffert. Vier Tage dauerte der Marsch die Küste entlang im Flockentreiben und peitschenden Eiswind. Manchmal stand die Natur still, der Orkan hielt den Atem an, das Halbdunkel der Polarnacht verfärbte sich grün und blau, Funken tanzten vom Westen nieder, Sterneuzacken - und phosphoreszierende Kristalle... Am fünften Tagstieß der Sturm nach, die Menschen rissen allen Pelz von den Gesichtern und sprachen das erste Wort. Leise wimmerten die Hunde. Di gebot Umanak dem Stamme Halt. Der Aelteste rief Sörö an seinen Schlitten und ver langte die letzte Schneehütte. Sörö zögerte und schwieg, deu tete gen Osten, doch Umanak zerrte an den Geschirren der Hunde und stemmte sich. Nichts lag ihm mehr am Ziel der Wanderung. So fügte sich der Junge, sammelte alle im Kreis, dem Alten, wie es Brauch der Jahrtausends war, das weiße Totenhaus zu bauen. Stumm und versunken kauerte Umanak ans den Fellen, der Orkan hatte seinen Körper aUs- gelaugt. Manchmal klopfte sein Herz zum Zerspringen, gleich wurde es schwach wie der Flügelschlag der abfallenden Möve hinter der schützenden Gletscherwand. Der Greis fühlte sein Ende, so wie jedes Jahr den An fang, das warme Rauschen lange vor dem Frühling an der Küste. Die Wanderungen hatte er nicht gezählt, die Seehunde und Stürme, die er bezwungen. Umanak beobachtete auf den Fellen vor seinem Schlitten, wie sich der Schnee türmte und wölbte, wie die Gehorsamen harte Tafeln schnitten, ineinander fügten, abkanteten und übereinander stießen. Laut wimmerten die Hunds. Da trat Sörö heran, berührte mit seiner Stirn die Brust des Ahnen. Langsam erhob sich Umanak, bald stand er fest auf den Beinen, aufrecht schritt er zur Hütte. Gesang kam aus den Kehlen der Männer, zuerst dumpf wie das Grollen der Eisschollen im Meer, dann anschwelleno wie das Brechen der Gletscher im Hochsommer, polternd vom Festeis der Küste. Ganz dünn, wie das Sausen des Nordlichts WlllllllllllllllWlllMllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllMlll^ Dev neue Ramerad. Stitt trat er eines Morgens bei uns an: Schon grau die Schläfen und mit krummem Rücken, —» Ein alter, unscheinbarer Arbeitsmann... Er kam zu jedem einzelnen heran, Um uns die Hand zu drücken. Er sprach nicht viel... Nur, daß er fast drei Jahr' Vorher am Stempclschalter stehen mutzte, — Daß er oft der Verzweiflung nahe war... Wir blickten auf das graue Schläfenhaar, — doch nun sei alles wieder gut und klar, Weil er als Bru8er sich bei seinen Brüdern wußte. Und als er dann den Hammer in die Fäuste nahm, Da ist es Wie ein Gleichnis uns erschienen: Mit jedem Schlag schlug er sein Glend lahm... Als wir am Feierabend seine Augen sah'n, Da glomm ein Leuchten auf in seinen Mienen... Und als er dann mit uns nach Hause schritt, Ist er uns nicht mehr wie ein Alter vorgekommen: Gr hielt mit uns, den Jungen, gleichen Tritt, — Nein! Mehr noch! Vor uns ging er, riß nns mit' Weit hinten blieb Vergangenheit, die er durchlitt... Nun war in seinen Augen ein verklärter Schein, Als habe er der Zukunft brausendes Signal vernommen! Peter Burla ch. Drv letzte Schneehütte Skizze aus ciem koken Dorcken von Otto Olingen. Nachschub. Manöver der französischen Alpenjäger. Das 19. französische Korps führt gegenwärtig in den Hoch alpen große Manöver durch: Alpenjäger mit ihren Mg.s, die auf kleinen Schlittenkufen befestigt sind, mährend der Uebung. (Scherl Bilderdienst — M.) Die Straßen an der abessinischen Nordfront sind oft so um Kamel, bas einzige Transportmittel für Lebensmittel und Mu- wcgsam, daß die Lastautos der Italiener nur schwer durch- nition. (Scherl Bilderdienst--M.) Kamele — das wichtigste Transportmittel für den italienischen kommen, verschiedentlich sogar steckenbleiben u. cmfgegeben wer- ' ' den müssen. Daher bleibt dort das „Schiff der Wüste", das