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Wilsdruffer Tageblatt : 08.08.1939
- Erscheinungsdatum
- 1939-08-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193908086
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19390808
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19390808
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1939
-
Monat
1939-08
- Tag 1939-08-08
-
Monat
1939-08
-
Jahr
1939
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 08.08.1939
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zu lassen. Ein Sclbsibcsiimmungsrccht der kleineren Nationen in dem Sinne, datz sie tun und lassen dürften, was ihnen be liebt. wird es niemals geben. Wo wie in Mittel- und Ost europa eine übermäßige Zahl von Nationen durch die histo risch-geographischen Umstände dazu bestimmt oder richtiger dazu verdammt ist, auf engem Raume nicht nur neben-, son dern auch durcheinander zu wohnen, müssen nach dem Ur- gesetz der Natur und Geschichte die Kleinen den Großen sich soweit unterordnen, als es für ein friedliches Zusammenleben erforderlich ist. ' Als Großmacht ist Deutschland zur Erfüllung seiner macht politischen Aufgaben durch das Gewicht der Tatsachen selbst ge zwungen. Noch fehlt manches, was zur Position der deutschen Großmacht gehört, vor allem der für ein Achtzigmillionenvolk notwendige Ergänzungsraum, wie er vor dem Kriege in un serem Kolonialreich vorhanden war. Aeußerste Härte, Aus dauer und Disziplin wird das deutsche Volk von sich fordern, zu weitgehendem Verzicht auf persönliche Selbstbestimmung wird cs bereit sein, um alles zu erreichen, was ihm lebensnot wendig ist. Die deutsche Politik folgt der Linie der deutschen Lebensnotwcudigkeit. Es gibt nur einen Weg des Erfolgs, nämlich den, der sich an das Notwendige hält, und es gibt nur eine Freiheit, nämlich die, welche man im Dienste der Not wendigkeit erlangt. Mit dem Führer zu Erfolg und Freiheit Schwarz und schweigend wie eine im Fliegeralarm ver dunkelte Nachtlandschaft liegt vor den Völkern das Reich der Zukunft, das unverkennbare, ungewisse, gewagte, das doch ge wagt werden muß. Weiß jemand Weg und Richtung in die ser Finsternis, in der man schweren Herzens das gemeinsame Schicksal sucht. Wohl den Völkern, denen ein Führer erscheint, der ihnen mit sicheren Schritten vorangeht auf ihrer Völker wanderung in die neue Zeit. Unser Volk hatte einen kundigen Gcleitsmann, solange Bismarck die Fackel trug und der Schat ten seiner hohen Gestalt uns auf dem erleuchteten Boden die Richtung wies. Als er starb, da erlosch die Fackel und seine Nachfolger, die nur eines nicht konnten — seinem Vorbild Nach folgen — suchten den Weg mit Zündhölzern, die der Sturm ihnen ausblies. Neue Zündhölzer flammten auf, viele zugleich, und Stimmen wurden laut — „hierher!" — „nein, hierher!" Da plötzlich kam der Uebersall unserer Feinde, ahnungslos waren wir in einen Hinterhalt geraten und sahen uns um zingelt. In unseren Reihen mehrte sich das Stimmengewirr, ein Durcheinanderrufen und -reden lähmte unsere Bewegung, und das Ende war der Zusammenbruch. Als die Feinde vor zwanzig Jahren unserem überrumpel ten Volke den sogenannten Frieden diktierten, kam es ihnen vor allem darauf an, datz das Stimmengewirr bei uns sort- daure, denn dieses allein hatte unsere Niederlage bewirkt. Um unser hilf- und heilloses Durcheinander zu verewigen, zwan gen sie uns die hundertstimmige Demokratie auf, mit der es ihnen im eigenen Lande io wenig ernst war, daß man bei spielsweise in Frankreich bei Kriegsausbruch das Haupt der Sozialdemokraten, den Arbeitersekretär Jean Janrös, kurzer hand niederschotz, damit sich kein störendes Stimmengewirr geltend machte. Unsere Weimarer Demokraten verstanden es aber ganz ausgezeichnet, nach den Anweisungen unserer Feinde so durcheinanderzuschreien, daß diese inzwischen un gestört die Welt regieren und uns nach Herzenslust ausplün- dern konnten. Man hat uns bis aufs Hemd ausgezogen und uns damit jeglichen Ansehens beraubt. Seit der Blockade von Tientsin haben es die Engländer auch am eigenen Leibe er fahren, wie man der allgemeinen Verachtung preisgegeben ist, wenn man sich bis aufs Hemd ausziehen läßt. Diese Schmach bat man uns vierzehn Jahre lang angetan und durfte es un gestraft wagen, weil wir ja Demokraten waren. Es geschah im bedrohlichsten Augenblick unseres Wirrsals und der Ausweglosigkeit, daß uns der Führer erschien, der dem Stimmenschwall Einhalt gebot und die erloschene Fackel des öffentlichen Lebens wieder entfachte. Einig in dem Willen, wieder einem politischen Ziele entgegcngesührt zu werden, ver schwor sich das deutsche Volk seinem Führer mit einem Rütli- schwur, der an dem Tage crsüllt sein wird, wo die letzte der uns in Versailles auferlegten Fesseln zerrissen, alles uns an getane Unrecht wiedergutgemacht und das Maß unserer Lebensnotwendigkeiten gestrichen voll ist. Es ist ein steiler und steiniger Weg, und wir stehen erst an seinem Ansang, das wissen wir. Aber er ist uns erleuchtet und zuverlässig ge wiesen von der Hand des Führers, und ein Blick auf die Weltenuhr zeigt uns, datz das Tempo unseres Fortschritts von Stunde zu Stunde zunimmt. Kein Wunder, denn die neue Marschordnung, geschaffen aus den Formationen der Partei und der Wehrmacht, dazu die neue Marschdisziplin, die im Schweigen der Pflichterfüllung besteht, geben uns einen vor wärtsstürmenden Schwung. Keine Kraft zerrinnt mehr im Gerede, alles ist Tat. Nichts ist unseren Feinden so fatal wie diese unheimliche Stille in Deutschland. Sie können es nicht begreifen, datz das Stimmengewirr bei uns verstummt ist und man nicht mehr Deutsche gegen Deutsche anshctzen kann. Blaß vor Angst und Neid lauschen sie zu uns herüber und hören nichts als den Marschtritt von Kolonnen, die wortlos ihrem Führer folgen und vor keiner Drohung haltmachen werden. Nirgends aber erreichen Haß und Verständnislosigkeit gegenüber dem Deutsch land des Nationalsozialismus ein solches Uebermaß wie in England, das als Großmacht in der Welt bereits nicht mehr ganz ernst genommen wird — siehe Moskau und Tokio —, obschon oder vielleicht gerade weil es sich auf Gedeih und Ver derb mit einer anderen Festlandmacht verbündet hat, die sich selbst nicht mehr ganz ernst nimmt. Mag es für die Fran zosen peinlich sein, daß sie auf ihren verjährten Idealen von 1789 sitzen geblieben sind und im Ausland keine Geschäfte mehr damit machen können, so ist es für die Engländer ein unheilbarer Prestigeverlust, daß sie sich mit ihrem Einsatz für die demokratische Ideologie im Falle Abessiniens wie im Falle Spaniens eine Abfuhr geholt haben. Unbelehrbar wie alle Doktrinäre haben die Engländer im Größenwahn ihrer demokratischen Wcltmission den Einfall ge habt, sie könnten durch persönliche Werbung in Deutschland das politische Stimmengewirr wiederbeleben, mit dessen Hilfe sie vierzehn Jahre lang so bequem über uns zu herrschen im stande waren. Mister Stephen Kinghall ist in die Weltgeschichte eingegangen als Verfasser unsäglich alberner Briefe, die er im Auftrage des Foreign Office an Millionen Deutsche ver schickt hat und worin er den Versuch unternimmt, uns in Ver wirrung zu bringen und im deutschen Volke Mißtrauen gegen die deutsche Regierung zu säen. Wie stellt sich dieser Knabe Großdeutschland vor? Uns ist es, als ob ein Lausejunge einen Knallfrosch in eine marschierende Kolonne schleudert — ein kurzes Lachen, einer schlägt mit der Mütze nach dem Ding, der nächste tritt mit dem Fuße darauf, und der Spaß ist vorüber. So marschiert das deutsche Volk unter dem Befehl seines Führers unbeirrbar durch die Nacht, welche Europa heißt, dem deutschen Morgen zu, der langsam im Osten heraufdämmert. Es marschiert in dem wortlosen Schweigen, das den Englän dern so schrecklich auf die Nerven fällt, weil sie nicht wissen, was sich dahinter verbirgt. Es ist das deutsche Geheimnis, das sie nieiüals begreifen werden, denn es ist unbegreiflich, es ist irrational. Es besteht im Glauben an unsern Führer und seine Sendung. Man hat den Führer in England einen unblutigen Napo leon genannt. Nichts falscher als das! Adolf Hitler ist kein Napoleon, weder ein blutiger noch ein unblutiger. Er will kein Wclteroberer werden, will keine fremden Völker unter jochen oder gar massakrieren, wie es mit den unglücklichen Arabern geschieht. Sein Ziel ist die deutsche Lebensnotwen digkeit, und weil er ihr zuliebe stets das Notwendige tat — nicht mehr und nicht weniger —, so ging sein Weg von Er folg zu Erfolg. Erfolg — der Name sagt es — ist ja kein Kind des Zu falls, sondern ergibt sich zwangsweise aus einem Handeln, das im Zuge der Notwendigkeit liegt. Der Führer hat nie etwas anderes getan, als aus gegebenen UmsiändLu die Kon» sequcnzen gezogen. Er sah das deutsche Volk unterdrückt und entrechtet, weil es schwach gewesen war. So ging er hin und machte es wieder stark im Glauben an seine Sendung. Unter legen sind wir einst im Vertrauen auf die Männer vom Schlage Kinghall, die unseren Staatsmännern, die keine waren, mit Friedensgaukeleien die Köpfe verdreht hatten. Wiedcr- aufgerichtet haben wir uns im Glauben an den Mann Gottes, der Adolf Hitler heißt. , Großdeutschland — wir danken es dem Führer — ist heute wieder Großmacht, und Größe verpflichtet. Unsere Bedürf nisse sind durch unseren raschen Zuwachs an Land und Leu ten nicht geringer, sondern größer geworden, größer auch unser Anspruch auf politische Geltung. Ein schwerer Weg liegt hinter kms, vor uns kein leichter. Es gibt kein Halten, kein Zurück, wir müssen durch, müssen als Macht uns im Ringen der Mächte behaupten. Der Führer hat uns gelehrt, datz ein Volk nur durch Macht zu seinem Recht kommt. Nun sind wir aus Unterdrückung und Elend glücklich heraus, aber erst wenn Deutschlands Lebcnsnotwendigkeit erfüllt ist, wird unsere Freiheit für immer gesichert sein. Man neidet uns unseren Aufstieg, mißgönnt uns den Platz, den wir brauchen. Man will von neuem das Verfahren der Vorkriegszeit gegen uns anstrengen: uns von außen umstellen, im Innern zerfällen. Aber diesmal stehen wir anders da. Wir sind stärker gerüstet an Wehr und Waffen Wir haben Bundesgenossen. Vor allem jedoch, wir haben den Glauben an unsern Führer. Denen aber, die wie Mister Kinghall mit ihren Liebesbriefen uns an Adolf Hitler irre machen möchten, diene zur Antwort di» deutsche Parole: Unser Führer — Sieg Heil! Dr. Claus Schrempf. Japan-Delegation der deutschen Bresse dei Dr. Goebbels Reichsminister Dr. Goebbels empfing am Montag in Salzburg die deutsche Pressedclcgation, die auf Einladung der lapanischen Regierung vor kurzem im Fernen Osten weilte. Mit besonderer Genügtuung nahm der Minister die Darle gungen über den herzlichen Empfang entgegen, den die Regie rung und das Volk Japans den deutschen Schriftleitern be reiteten Gegen 22 Uhr verließ Dr. Goebbels Salzburg, um seine Reise zur Biennale nach Venedig anzutretcn. Schweres Unwetter im Niesengebirge Im flidctcndeutschen Teil. — Riescnschäden. — Mehrer« Verletzte. Im sudctendeutschen Riesengebirge richtete ein schweres Unwetter unermeßlichen Schaden an. In Hohenelbe wur den zahlreiche Dächer beschädigt und teilweise abgedeckt. Ltcht- und Telepbonleitungen wurden zerstört, der Verkehr für lange Zeit unterbrochen. In den O st böhmischen Kalkwerke» wurde das Hohe Fabrikdach mit dem Gebälk weggerissen und auf das Maschinenhaus geworfen, das durchschlagen wurde. Ueberall in den Gärten und in den Parkanlagen wurden Bäume entwurzel« und umgebrochen. Eine Anzahl Wochen endhänschen wurde umgelegt und Umzäunungen stark beschä digt. Die Obstgärten und Getreidefelder bieten ein trauriges Bild der Verwüstung. Im Schwimmbad wurde ein SA-Mann durch Teile einer vom Sturm fortgcrissenen Badekabine schwer verletzt. Die Straße von Hoheuelbe nach Spindelmühle war fünf Stunden für den Verkehr gesperrt, well der Sturm ganze Hochwaldbcslände umgelegt und auf die Straße geschleudert hatte. Zwei Personenkraftwagen in diesem Straßenteil wur- den Von den stürzenden Bäumen getroffen und schwer be schädigt. In den benachbarten Gebirgstälern sind fast alle Häu ser schwer beschädigt worden. In Langenau wurde ei» Mann von einem stürzenden Baum getroffen und in schwer- verletztem Zustande in das Hohenelber Krankenhaus gebracht. In Niederhos wurde eine Frau ebenfalls schwer verletzt. Ueberall wurden die Feuerwehren und die SA alarmiert, die in angestrengtester Arbeit die Straßen für den Verkehr Wieder frei machen. Es ist noch nicht bekannt, wie weit di« Auswirkungen des Unwetters reichten. HrA MÄet furÄÄweft VQf» v)ol.k-6^I»S UrbeberreKtlSutz Krib-Mardicke-Berlaa. Hamburg SS Die Kinder wußten ihre Plätze, und ehe Irene einzu- greifen brauchte, hatten sie auf den Stühlen Platz genom men. Nur der kleine Marti blieb an seinem Stuhl stehen und sah Irene mit einem reizenden, verschmitzten Lächeln an. »Natürlich, du Schlingel, dick soll ich wohl heraufheben, was?" sagte Irene lachend und setzte ihn auf den Stuhl. Dann nahm sie den Kindern gegenüber Platz, Frau An selma stellte sich ein und die beiden Hereromädchen brachten Lie Morgensuppe. Johann Schill faltete die Hände und sprach das Tisch- gebet. Dann begannen die Löffel zu klappern und das Morgen mahl wurde eingenommen. »Wir lieben es, früh eine Suppe zu efsen, Fraulein Irene. Ich hoffe, daß es Ihnen auch schmeckt. Aber Sie können natürlich noch alles andere essen. Es ist immer Brot, Fleisch und Wurst da, auch Käse haben wir immer ge nügend. Also essen Sie, was Ihnen schmeckt." „Ach, ich danke, Herr Schill. Ich paffe mich schon der Hausordnung an." „Die Kinder werden Ihnen ja allerhand Arbeit machen, aber sie sind so gut, und ich bin überzeugt, Sie werden sehr gut mit ihnen zurechtkommen." „Vor der Arbeit ist mir nicht bange, Herr Schill", gab Irene ruhig zurück. Sie bemühte sich, ihn nicht anzusehen, denn sie ärgerte sich über sich selber. Sie war nach der Farm gekommen, nm mit Johann Schill abzurechnen, was er ihrem Stiefvater angetan hatte. Jetzt aber war sie noch nicht vierundzwanzig Stunden auf der Farm und sie fühlte sich mit dem Hause wie verbunden und hatte das Gefühl, als wenn der Haß gegen Johann Schill schon im Vergehen wäre. Frau Anselmas gute Worte über Johann Schill hatten sie etwas unruhig gemacht, und sie fragte sich in dieser Stunde, ob alles Wahrheit war, was der Stiefvater gesagt hatte. Sie wurde hier gebraucht aus der Farm. Das war sicher, »md die Farm bestand nicht nur aus Johann Schill, son dern vor allen Dingen die Kinder brauchten sie, und jetzt war es ein Gebot der Stunde, datz sie alles zurückstellte und nur ihre Pflicht tat. Das Weitere war Sache der Zukunft. Der erste Tag war in Ruhe vergangen. Johann Schill wie auch Frau Anselma hatten beinahe ängstlich darüber gewacht, datz Irene sich ja nicht über anstrengte, und Frau Anselma sagte immer wieder: „Kind- chen, denken Sie daran, daß Sie sich erst akklimatisieren müssen. Das dauert immer seine Zeit. Sonst liegen Sie plötzlich auf der Nase, und das wollen wir doch ver meiden." So begnügte sie sich an diesem Tage damit, mit den Kindern zu spielen, ihnen ein vaar Geschichten zu erzählen und sie ließ sich von den Kinoern überall hinführen. Sie gingen durch die Ställe und Scheunen und besuchten auch die drei Hütten der Eingeborenen. Dort lernte Irene den kleinen Fritz der Hererofrau Olga kennen, und sie gab Frau Anselma recht. Das war wirklich ein origineller Bengel, etwa vier Jahre alt und ein Schelm wie der kleine Martl. Je mehr Irene von der Farm kennenlernte, um so mehr stellte sie fest, daß sie prächtig in Ordnung gehalten wurde, daß Sauberkeit hier wirklich das erste Gebot war. * Am nächsten Morgen überraschte Johann Schill Irene mit den drei Kindern bei der Gymnastik. Lächelnd trat er näher und fragte: „Was machen Sie denn da?" „Gymnastik, Herr Schill! Oder haben Sie etwas dagegen, wünschen Sie es nicht? Es macht den Kindern viel Spaß und es tut ihnen auch gut." „Nein, nein, ich habe nichts dagegen. Wenn es den Kin dern Freude macht, dann ist es von vornherein gut. Nur meine ich, ist Gymnastik mehr eine Sache, die in der Groß stadt, in der Stadt überhaupt, ihren besonderen Wert hat. Ob Sie sich hier damit abplagen müssen, das ist eine an dere Sache. Hier tollen die Kinder den ganzen Tag draußen herum, sind immer in der frischen Luft und tn Bewegung. Da brauchen sie es eigentlich nicht. Ich fage das aber nur, weil ich Ihnen damit Mühe und Arbeit sparen möchte." Irene schüttelte den Kopf. „Sie sind im Irrtum, Herr Schill. Gymnastik ist die Erziehung des Körpers. Jeder sollte sie betreiben. Bewegung an sich kann die Gvmnastik nie ersetzen, denn sie gibt nie das Straffe und das Wohl gefühl, das eine Gymnastik schafft. Ja, jetzt lächeln Sie, Herr Schill. Sie haben in Ihrem Leben scheinbar noch nie Gymnastik getrieben. Machen Sie doch mal ein paar Minu ten mit." Johann Schill wehrte lachend ab, aber die Kinder be stürmten ihn und so beteiligte er sich daran. Nach fünf Minuten sagte er: „Donnerwetter, Fräulein Irene, das habe ich mir leichter voraestellt. Da knacken ia die Gelenke!" „Und werden geschmeidig, Herr Schill. Man lernt de« Körper vollkommen beherrschen. Und das ist sehr wertvoll. Wie ist es denn übrigens hier mit der Schule?" „Ja, eine Schule haben wir freilich hier nicht. Ich gebe mir Mühe, den Kindern Schreiben und Lesen und ein biß chen Rechnen beizubringen, und dann später muß ich sie eben nach Windhuk auf die Schule schicken." „Wenn es Ihnen recht ist, Herr Schill, werde ich mich dessen ein bißchen annehmen. Wir können dann jeden Tag ein paar Unterrichtsstunden durchführen. Es kommt ja vor läufig nur für Christine in Frage." Aber da meuterte Hanni. Nein, sie wclllte auch Schule haben, und selbstverständlich bettelte daraufhin der Bub auch, daß er von der segenbringenden Tätigkeit nicht aus geschlossen werde. „Schön', sagte Irene, „wenn thr schön ruhig fitzt und nicht schwatzt, dann dürft ihr der Schule beiwohnen." * Nach dem Frühstück suchte Schill Fra« Anselma in der Küche auf. Er nahm neben thr Platz und fragte: „Wie gefällt dir Irene, Tante Anselma?" Die alte Frau sah ihn lächelnd an: „Sie ist ei» guter und tüchtiger Mensch. Vielleicht ist sie die Richtige, die dn deinen Kindern einmal als zweite Mutter geben kannst." Schill sagte nichts darauf und sah schweigend vor sich hin- Bis er endlich wieder begann: „Ich gebe zu, Tante An selma, ich habe mich damit abgefunden, daß es gut und richtig ist, wenn ich den Kindern wieder eine Mutter gebe. Irene gefällt mir auch gut, aber sie kommt aus einem Lande, aus unserem alten Deutschland, das so ganz anders ist wie die neue Heimat, die ich mir geschaffen habe. Wird sie sich hier etngewöhnen?" »Aber Schill", sagte Frau Anselma lachend, »was machst du dir denn für Gedanken? Irene Weitz, was sie will. Hat dich vorher jemand gefragt, ob du dich etngewöhnen wür dest? Du wolltest :md hast dich eingewöhnt. Und genau f« wird es Irene gehen." »Weißt du, daß sie aus meinem Heimatdorf stammt? Sie ist die Tochter des Pistorius-Bauern, mit dem mein Vater sehr befreundet war. Als er starb, heiratete di« Witwe einen gewissen Jacobi. Mit dem war ich befreundet. Leider Gottes war ich mit ihm befreundet!" »Ich kenne die alte Geschichte, Johann. Du hast sie mtr schon erzählt. Das ist seltsam, ausgerechnet die Stieftochter dieses Mannes ist sie, der dir soviel Unglück brachte?" lFottsetzumr folgt)
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