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Wilsdruffer Tageblatt : 25.07.1939
- Erscheinungsdatum
- 1939-07-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193907257
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19390725
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19390725
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1939
-
Monat
1939-07
- Tag 1939-07-25
-
Monat
1939-07
-
Jahr
1939
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 25.07.1939
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Land der großen Hoffnungen Zum Abschluß des deutsch-rumänischen Abkommens — Rumänien mit seinen weit ausgedehnten Weizenfeldern, Mit seinen fruchtbaren Obst- und Weinbaugebietcn, mit seinen erst zum kleinsten Teil erschlossenen Bodenschätzen gilt als das Land der großen Hoffnungen im Südosten Europas. Hatten sich bisher die Großstaalen dieses Landes mit Interesse an genommen, so geschah dies immer und immer wieder, wie das Beispiel England und Frankreich beweisen, aus völlig eigen nützigen Gründen. Eine Ausnahme von dieser Politik des Eigennutzes hat nur Deutschland den Südoststaalen gegenüber gemacht. Und das neue deutsch-rumänische Wirtschaftsabkommen vom 23. März dieses Jahres, das die Rumänen nach einem seiner Urheber, dem Staatsrat Ministerialdirektor Wohltat als den „Wohltat-Vertrag" bezeichnen, hat erst recht überzeugend dargetan, daß beide Länder weitgehend auf die gegenseitigen Lebensinteressen Rücksicht nehme». Deutschland will nicht Rumänien in eine politische oder wirtschaftliche Abhängigkeit bringen, Deutschland will ausschließlich in noch regerem Maße als bsher im Warenaustausch mit Rumänien treten. Das aber ist wiederum nur dann möglich, wenn auch Rumänien seiner seits mehr und bessere Waren zum Export bringen kann, als das bisher der Fall war. Die Voraussetzung für eine derartige Steigerung der Erzeugung Rumäniens ist, soweit vor allem die für Rumänien so wichtige Landwirtschaft in Betracht kommt, eine Intensivierung der Erzeugung. Diese Intensivierung soll nach den jetzt abgeschlossenen deutsch-rumänischen Einzelbesprechungen mit deutscher Hilfe durchgeführt werden. Mit Hilfe deutscher Menschen und Maschinen, mit Hilse deutschen Saatzuchtmaterials und schließlich durch Ueberlassung neuer wertvoller Pslanzensorten und hochwertiger Zuchttiere soll das Antlitz der Agrarwirtschaft Rumäniens von Grund aus umgestaltet werden. Man kann ohne Uebertreibung sagen, daß auf der Grundlage des neuen Vertrages die Struktur der rumänischen Landwirtschaft grund legend geändert werden wird. Rumänien wird nicht länger wie bisher ausschließlich Weizen und Mais als Feldfrüchte anbauen — Früchte, für die ihm in der überseeischen Land wirtschaft allzu große und gefährliche Wettbewerber entstanden find — sondern sich großenteils aus den Anbau von Oel sa aten, wie Lein und Sonnenblumen, auf die Ausdehnung der Flachserzeugung und anderer für Deutschland wichtiger Oel- und Jndnstriepflanzen umstellen. Zum Wohle aber, um im rumänischen Bilde zu bleiben, zur „Wohltat" beider Länder Denn Deutschland hat auf diese Weise bestimmte Mengen not wendiger Einsuhrgüter garantiert, und Rumänien erhält für die neuangebaüten Erzeugnisse feste garantierte Preise, die un abhängig von den Schwankungen des Weltmarktes sind. Wie zukunftsreich die Landwirtschaft Rumäniens ist, beweist allein die Tatsache, daß Rumäniens Hektarerträge für Weizen und Roggen, siir Hafer und Mais, für Kartoffeln und Zuckerrüben nur die Hälfte der Erträge des Aitreiches ausmachen. Auch in den ViebNällen Rumäniens ist vieles nacknnholen. entfallen doch dori z. D. ans 100 Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche nur 22 Rinder und 2 Ziegen gegen 69 Rinder und 9 Ziegen bei uns im Reich. Wenn also jetzt mit deutscher Hilfe die Land wirtschaft Rumäniens ertragreicher und rentabler gestaltet wird, wenn Deutschland seinerseits dank der ge- steigerten Erträge seine Einfuhren aus Rumänien entsprechend erweitern will, so wird damit ein Beispiel der Solidarität der Interessen gegeben, wie es eindrucksvoller und überzeugender iw Wirtschaftsleben kaum gedacht werden kann. Medre Nachrichten. Berlin. Der Führer hat dem früheren Präsidenten der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt, Professor Dr. Johannes Stark, anläßlich seines Uebertritts in den Ruhestand die Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft verliehen. Swinemünde. Der Leiter der AuslandsorganiWon der NSDAP., Gauleiter E. W. Bohle, traf zu einem Besuch der im Krankenhaus liegenden verletzten Besatzungsmitglieder des Dampfers „Berlin" in Swinemünde ein und verweilte mit feiner Frau längere Zeit am Krankenbett jedes einzelnen Kameraden. London. Lordsiegelbewahrer Sir John Anderson gab be- kannt, daß seit Januar 1939 in England 900 000 Stahl« fchutzkammern gegen Luftangriffe verteilt worden seien Ueber 100 Firmen arbeiteten jetzt an der Herstellung von Stahlschutzkammern. Rr. -LS" Wie wird die Meterlänge bestimmt? — Ein Besuch in der Reichsanstalt Wenn wir von einem Zehntelmillimeter oder einem Hundertstelmillimeter sprechen hören, können wir uns raum etwas darunter vorstellen. Und doch sind Längen von dieser Größe für Industrie, Handel und Wissenschaft von Bedeutung, ja, es gibt in Deutschland eine Stelle, die damit beschäftigt ist, noch weit winzigere Maßstäbe nachzumessen, die ein Hunderttausendstelmillimeter genau und sogar ein Millionstelmillimeter mit ziemlicher Sicherheit bestimmen kann: die Reichsanstalt, Abteilung für Maß und Gewicht. Man mutz die Entwicklung unseres Maßwesens bis zur Einführung des metrischen Svstems kennen, um zu wissen, was das bedeutet. Es ist schwer, sich die Zustände vorznstellen, die in Handel und Wirtschaft herrschten, als in Deutschland etwa der Abstand der Fingerspitzen bei ausgebreiteten Armen oder die Daumenbreite beim er wachsenen Menschen, oder in England die Armlängs des regierenden Monarchen als Normalmaß in Geltung waren. Die Zustände können auch kaum besser gewesen sein, als man noch nach „Schuh", „Fuß" und „Nute" maß; der Fuß des oldenburgischen Bauern war größer als der des schwäbischen, und eine Nute war in den einzelnen Landesteilen durchaus nicht von gleicher Länge. Das wurde erst anders, als l868 das metrische System im Norddeutschen Bund und 1872 im geeinten Deutschland gesetzlich durchgeführt wurde. Während der Französischen Revolution wurde von der sogenannten Meterkommission der vierzigmillionste Teil des Erdumfanges als „Naturmaß", das Meter, ein geführt. Aber da man nicht immer wieder den Erdumfang nachmessen konnte, mußte man ein Normalmaß finden, das man immer zur Hand hatte, und das für alle Zu kunft auch den höchsten Anforderungen an Genauigkeit und Beständigkeit genügte. Diese Arbeit unternahm die 1875 zwischen zwanzig Staaten abgeschlossene Meter konvention. Aber erst 1887 war man so weit, daß vierzig Normalmeterstäbe ans Platin-Jridium hsrgestelli und unter die im Metervertrag zusammengeschlossenen Staaten verlost wurden. Gleichfalls durch das Los bestimmte man einen dieser Meterstäbe als „Internationales Urmeter" und legte ihn im „Internationalen Maß- und Gewichts büro" in Paris in einem Gewölbe, zehn Meter unter der Erde, nieder. Bei der Temperatur des schmelzenden Eises ist dieser Meterstab das Normalmeter. Deutschland fiel durch das Los das „Urmeter Nr. 18" zu. Es ist in einem unterirdischen Gewölbe der Reichsanstaft untergebracht, das mit allen Mitteln moderner Geldschranktechnik ge sichert ist. Zwei Schlüssel, die sich in verschiedenen Händen befinden, sind erforderlich, um die Tür zu öffnen. Jedes mal muß ein Protokoll ausgenommen werden, das über Beschaffenheit des Urmeters, Temperatur und Feuchtig keitsgehalt des Raumes Auskunft gibt. Der Normalmeterstab hat'einen x-förmigen Quer schnitt. In der Verbindungslinie der Schwerpunktsquer schnitte, die beim Verbiegen des Maßstabes ihre Länge unverändert beibehält — der sogenannten neutralen Faser —, befinden sich die Teilstriche, die das Meter be grenzen. Durch häufige Messungen wird das Normal- metcr mit anderen Maßstäben der Industrie, der Wissen schaft und des Handels verglichen. Alle zehn bis zwanzig Jahre aber muß es nach Paris gebracht werden, um gleichzeitig oder im Wechsel mit den Urmetern der anderen Staaten mit dem „Internationalen Urmeter" verglichen zu werden. Eine solche Vergleichung dauert immerhin zwei bis sechs Jahre. Neber den Zustand des Urmeters befragt, erklärt der Direktor der Reichsanstalt, Professor Dr. Kösters: „Es ist in seinem gegenwärtigen Zustande um 0,00152 Millimeter kürzer als das internationale. Das ist eine Differenz von der" gleichen Größenordnung, Me sie die Nofmalmektb^ stäbe der anderen Staaten ausweisen." Aus ungefähr zwei Zehntausendstelmillimeier läßt sich die Meterlänge durch Vergleichung bestimmen, doch lassen sich heute mit Hilse der Lichtwellenbestimmung noch weit winzigere Differenzen bestimmen. Bei der Lichtwellen- bestimmnng wird Kadmiummetall aus etwa 320 Grad er hitzt und sein Dampf durch elektrische Entladungen zum Leuchten gebracht. Mit komplizierten Meßgeräten läßt sich dann feststellen, wieviel Lichtwellenlängen der roten Kadmiumlinie ans ein Meter geben. Es sind rund ein einhalb Millionen. Aus diese Art kann man auch noch de« millionsten Teil eines Millimeters mit ziemlicher Sicher heit bestimmen. Auf ein Millionstelmillimeter kommt es zwar in der Praris nicht an, wohl aber spielen Längen von ein Hunderttausendstellmillimeier bei den Normalen der Industrie schon eine Nolle. Unaufhörlich ist man in der Reichsanstaft damit beschäftigt, Normalmaße genau nachzuprüfen. Und erst durch die hier geleistete Arbeit sind deutsche Werke in dkr Lage, sogenannte Endmaße mit einer verbürgten, außerordentlich hohen Genauigkeit z« liefern. Im übrigen arbeiten die modernen Einrichtungen der Reichsanstaft mit den Lichtwellenlängen des Kryptons, Ede^as-s. dos in winziaer Menge in der Atmo sphäre vorkommt. Das Krypton liefert viel schärfere Licht arten als das Kadmium, so daß man noch schneller und genauer messen kann. Noch einmal kommen wir aus die Lichtwellenbefiim- mung und ihre Bedeutung für die Zukunft zu sprechen. Im „Internationalen Komitee für Maß und Gewicht", das alle zwei Jahre in Paris zusammentritt und dem Prof. Dr. Kösters als deutscher Vertreter angehört, berät man schon seit langem darüber, das zukünftige Normal meter durch Lichtwellenlängen darzustellcn, da die relative Genauigkeit bei dieser Art der Bestimmung wesentlich höher ist. „Da die Lichtwellenlänge sich nicht verändert", meint dazu der Direktor der Reichsanstalt abschließend, „kann man erwarten, daß sie dauernd das Urmaß bleiben wird, wenn sie es einmal geworden ist. Dann werden di« in den einzelnen Staaten ruhenden Normalmelerstäbe nur noch geschichtliche Bedeutung haben!" Adolf Netz, Zäume mit lausend lebenden Leuchten Zu den anziehendsten Naturerscheinungen gehört das ab wechselnde Leuchten mancher Insekten. Abgesehen von unseren kleinen Johanniswürmchen, handelt es sich dabei hauptsächlich um Leuchtkäfsrarren. die in Indien und Cochinchina vor kommen und deren LeuKtapparate im Gegensatz zu denen unserer heimischen Leuchtkäfer oder Glühwürmchen, deren Licht — wie man weiß — ganz gleichmäßig leuchtet, so eingerichtet sind, daß sie immer nur wenige Sekunden lange leuchten, woraus sich der Leuchlapparat wieder verschließt und damit das Licht wieder erlischt. Aus Ceylon lebt beispielsweise eine LeuchtkSferart sl.«cic>1» sinensis», die jeweils eine Sekunde lang leuchtet, dann wieder für eine Sekunde verlöscht und dann von neuem aufleuchtet. Bei einer anderen indischen Leuchtkäserart (llamprapdorn, wnebrosusj leuchten die Weibchen etwas weniger Helle und auch nur am Boden, da sie zeitlebens in larven- und wurm förmigem Zustand bleiben und stets am Boden umherkriechen. Diese Larven sind aber immerhin so groß, daß ihr Licht dem einer kleinen Laterne gleichkommt. In Cochinchina trifft man Leuchtkäfer an, deren Licht drei Sekunden lang ausleuchtet, woraus es für fünf Sekunden er lischt. um dann plötzlich wieder auf drei Sekunden aufzu flammen. Der Anblick von Bäumen, die mit vielen Tausenden dieser Leuchtkäfer bedeckt sind, deren Licht regelmäßig auf leuchtet und erlischt, soll ganz zauberhaft sein, um so mehr als die großen Massen der Käfer oft gleichzeitig aufleuchten und ihr Licht wieder erlöschen lassen. Der Zweck dieses seltsamen in regelmäßiger Folge ab wechselnden Leuchtens ist wohl die Anlockung der Geschlechter; das Verdunkeln dagegen könnte man als eine Art Schutzvor richtung aufsassen. da diese unsichtbar werden und damit natür lich den ihnen nachstellenden Feinden aus den Augen kommen. Da sie gleichzeitig ständig ihre Plätze wechseln, ist es für eine« Vogel sehr schwer, einen solchen Leuchtkäfer zu erhaschen. «rheberrechtschub Sritz-Marbicke-Berlag, Hamburg 1. Akmmd Rodewaldt, Hauptmann a. D., der Besitzer des Rittergutes Walkow in der Mark, hatte ganz überraschen den Besuch bekommen. Erhard von Prettin, ein junger, schlanker Mann, Vnde der Zwanzig, saß ihm gegenüber rmd der Ritter- Aktsbefitzer wartet« gespannt, was da kommen soll«. Denn er kannte Erhard von Prettin nicht. Gewiß, er wußte, daß di« Prettins in der Provinz Wachsen saßen und dort ihre Güter bewirtschafteten. ES war eine sehr ausgedehnte Adelsfamilie, der viele Glie- -er angehörten. „Sie sind überrascht, Herr Hauptmann", begann der Runge Prettin etwas verlegen, „daß ich Sie als Unbe- Gannter so plötzlich überfalle. Der Grund meines Kom mens ist ganz besonderer Natur. Ich habe das Vergnügen ««habt, Ihr Fräulein Tochter Ossi vor einem halben Jlchr« in Hamburg kennenzulernen und hatte seitdem Gelegenheit, sie mehrmals wieder zu sprechen. Ich habe mich entschlossen, mir in Tanganjika eine Farm zu kau- ^n. Ihr Fräulein Tochter hat die Absicht, im Anschluß an den Besuch der Kolo-Schule auch nach Afrika zu Lehen." i.. „Das stimmt, Herr von Prettin! Und...?" ft Der junge Mann richtete sich steif auf, verbeugte sich und sagte mit einer gewissen Feierlichkeit in der Stimme: «Ich habe die Ehre, um die Hand Ihrer Tochter Ossi an- Suhalten." Darüber war Hauptmann a. D. Amand Rodewaldt Mehr als überrascht. Das kam für ihn gewissermaßen wie aus heiterem Himmel, denn Ossi hatte ihm nie etwas davon geschrieben. ! Aber er blieb äußerlich ganz ruhig und sagte höflich: ^Jhr Antrag ehrt mich, Herr von Prettin. Lieben Sie denn meine Tochter?" „Doch, Herr Hauptmann, ich bin überzeugt, daß ich Hehr glücklich mit ihr werden kann." i „Oh, warum nicht! Ossi ist ein Prächtiges Mädel. ES W meine Einzige. Aber... ich muß ganz offen zu Ihnen Hein, Herr von Prettin. Ossi ist... ein armes Mädchen! 'Ich bin nicht in der Lage, meiner Tochter irgendeine Mitgift zu geben!" Er beobachtete den jungen Mann ganz genau, um die Wirkung seiner Worte festzustellen, und er sah deutlich, wie der junge Freier plötzlich erschrak und sich verfärbte. „Ich... ich verstehe nicht, Herr Hauptmann", entgeg nete Prettin unsicher, „Sie als Besitzer dieses prächtigen, großen Gutes...!" „Ich habe dieses Gut von meinem Vater übernommen, so verschuldet, daß mir eigentlich kein Dachziegel gehörte, als ich damals aus Deütsch-Ostafrika zurückkehrte. Ich habe die ganzen Jahre bis heute einen schweren Kamps geführt, ich habe sparsam gelebt und mir alles verknif fen. Ich bin vorwcirtsgekommen, das ist nicht zu leug nen. Mein Gut ist in Ordnung, in Schuß, es ist gewisser maßen ein Mustergut. Aber die Schulden habe ich nur in verschwindend geringem Maße senken können. Wal kow ist überlastet, und es dürfte Sie interessieren, daß ich das Gut per ersten Juli verkauft habe." „Verkauft?" stotterte der junge Mann überrascht. „Allerdings, denn ich sah keine Möglichkeit mehr, hier aufzuholen. Da ich nun nicht den Wunsch habe, durch meine Tochter Geld heranzuheiraten, da ich wünsche, daß meine Ossi ganz nach ihrem Herzen wählt, kam ich zu dem Entschluß, zu verkaufen. Ich sah Gefahr, daß ich mich nur noch stärker in Sorgen brachte." „Ich darf aber doch wohl annehmen, Herr Hauptmann, daß Ihnen nach dem erfolgten Verkauf ein größerer Be trag zur Verfügung steht." „Nein! Nach dem Verkauf des Gutes bleiben mir etwa zwei- bis dreitausend Mark, Herr von Prettin, mit denen ich versuchen muh, mir eine, wenn auch bescheidene Existenz aufzubauen. Leicht wird es nicht sein, aber ich mache mir keine Sorgen. Ein einzelner Mensch schlägt sich schon durch. Ossi ist aus kräftigem Holze geschnitzt und ich bin überzeugt, daß sie drüben ihren Mann stellen wird. So. das ist alles, was ich Ihnen sagen mußte. Ich hielt es für meine Pflicht, schonungslos offen zu sein, und nun liegt es an Ihnen, ob Sie Ihre Werbung wie derholen wollen, oder... ob Sie den Wunsch haben, daß ich Ihre Werbung alF unausgesprochen betrachte." Klar und offen lagen die graublauen Augen Haupt mann Rodewaldts auf dem jungen Menschen. Er sah deutlich, wie er abwechselnd blaß und rot wurde und um sein« Fassung kämpfte. Dann erhob er sich plötzlich wie ein Stock und sagte stotternd: „Ich... es tut mir sehr leid... ich mutz bit ten... meine Werbung als unausgesprochen zu bettach ten, Herr Hauptmann. Meine Familie ist nicht so ver mögend, daß ich...!" „Sie ha' i es nicht nötig, mir ein« Begründung M geben, Herr von Prettin", fiel Amand Rodewaldt ruhig ei-n. „Ich danke Ihnen jedenfalls und bitte Sie, meine Tochter in gutem Andenken zu behalten." Und wenige Augenblicke später war der Gutsbesitzer; wieder allein. l Auf dem Hof verklang das Geräusch des ab fahrenden Autos, das Prettin nach Walkow gebracht hatte.. l Die Züge des Gutsbesitzers waren ernst, ein schwerer Seufzer entlud sich seiner Brust. „Ist besser so, OM", sagte er halb für sich. „Ist besser so, daß er gekniffen ist, an dem Mann hättest du im Leben doch keine recht«? Freud« gehabt'" O Heintze, der Verwalter, kam einige Minuten später mik den Büchern zu dem Gutsherrn und meldete militärisch; „Die Bücher, Herr Hauptmann!" l Aber Rodewaldt winkte müde ab. „Nein, lassen Sl^ Heintze. Ich habe heute keine Lust. Wenn meine Tochter wieder fort ist, dann werden wir uns gemeülsam einwak darüber machen." , „Ist es wirklich Tatsache, Herr Hauptmann, dvtz MS zum ersten Juli verkauft haben?" Rodewaldt nickte schweratmend. „Ja, Heintze, Sie wissen ja am besten, datz es nichts anders geht!" „Gewitz, Herr Hauptmann, aber..."' i „Stift, Heintze, mit dem Aber kommen wir nicht weite« Ich kann mich nur ärgern, datz ich nicht schon zehn Jahr« früher verkauft habe. Aber da war man eben noch zehr» Jahre jünger und hat geglaubt, es gäbe noch Wunder au! der Welt. Ist nichts mit den Wundern, Heintze!" Der Inspektor, ein Mann Ende der Vierzig, sehr stmm pathisch in seinem ganzen Wesen, in seiner Ruhe, nickt» stumm. Der bittere Ton des Gutsherrn tat ihm weh. „Ist der Wagen schon zur Bahn?" „Jawohl. Herr Hauptmann!" „Gut! Dann werden die Mädels ja bald da sein! übrk« gens, um Ihrs Zukunft machen Sie sich keine SorgvL Der neue Besitzer übernimmt Sie mit!" „Gehorsamsten Dank, Herr Hauptmann!" Otto sanfter, der alte Kutscher, schmunzelte über da» ganze Gesicht, denn drei hübsche Mädel kletterten «bei» aus dem Abteil, und Ossis blonder Schopf leuchtete HM zu ihm herüber. Jetzt hatte sie ihn entdeckt und kam, gefolgt vo-n de« beiden Freundinnen, mit schnellen Schritten durch di« Sperre gelaufen. „Hallo, oller Gangster", lacht« Ossi vergnügt, „da bist du ja!" Sich an die Freundinnen wendend, fuhr si« lachend fort: „Das ist Otto Ganster, unser Kutscher. Aber ich nenne ihn immer Gangster, obwohl er mit so einen» amerikanischen Verbrecher eigentlich gar nichts gemet»
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