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Wilsdruffer Tageblatt : 28.06.1939
- Erscheinungsdatum
- 1939-06-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193906286
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19390628
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19390628
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1939
-
Monat
1939-06
- Tag 1939-06-28
-
Monat
1939-06
-
Jahr
1939
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 28.06.1939
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KenLem besucht Prag Fine geschichtliche Stunde für das Prager Deutschtum Gauleiter und Reichsstatthalter Henlein wird am Donnerstag feinen ersten offiziellen Besuch in der Hauptstadt des Protektorats abstatten und dabei in einer gro- öffentlichen Kundgebung daS Wort ergreifen. Henlein wird von Reichenberg kommend, an der Stadt- sreyze vom Kreisleitcr des Prager Kreises, Höst, begrübt werde». Gemeinsam mit dem Kreisleiter wird er von dort sich zur Burg begeben, um dem Neichsproleklor von Böhmen und Mähren einen offiziellen Besuch abzustatten. Ueber 1008 Politische Leiter des Kreises Prag und der ««deren in dem Vetreuungsbcreich des Sndctengaues liegenden Protektoralskrciscs werden von dem Gauleiter in einem Appell in ihre Acmter eingesühri werden. Daun iälm der Gau leiter zum Messegelände, wo in der sogenannten Allen Maschinenhalle eine Kundgebung staltfindel, aus der Hen lein nicht nur zu den Prager Deutschen, sondern auch zu vielen Tausend anderen, die aus allen Teilen des Protektorats au diesem Tage nach Prag kommen werden, sprechen wird. Paiagsmenschwrndel aufgesiogen DaS höchste Gericht Argentiniens bestätigt völlige Unschuld des Landesgrupprnleitcrs Müller Das Verfahren in Buenos Aires gegen den Landcs- gruppcnleiter der AQ. Argentinien, Muller, der aus Grund eines gefälschten Dokuments über angebliche deutsche Umtriebe in Patagonien verhaftet und vor Gericht gestellt worden war, ist nunmehr durch Urteil der Bundeskammcr, des höchsten Ge richts Argentiniens, endgültig niedergeschlagen worden. Der Spruch des Appcllationsgerichts stellt einleitend ausdrück lich fest, daß der Name und die Ehre Müllers durch das Ver fahren in keiner Weise beeinträchtigt seien. In der Urteilsbegründung werden dann im einzelnen die Verleumdungen entkräftet, die der Doknmemenfälscher Jucr- ges erhoben und die Linkspresse zu einer wochenlangen Hetz kampagne gegen das neue Deutschland ausgeschlachtet haben. Das gesamte Sandeln dieses politischen Flüchtlings ziele nach eigenem Eingeständnis nur darauf ab, das Regime des neuen Deutschlands zu schädigen. Auch die Photokopie, die eine an gebliche staatsfeindliche Tätigkeit gegen Argentinien beweisen sollte, sei nicht im geringste« stichhaltig, um so mehr, als auch die Presse von Buenos Aires bereits früher das Opfer raffi nierter Fälschungen von Juerges geworden sei. AuS allen diesen Gründen habe sich die BnndcSkammcr veranlaßt gesehen, nicht nur die völlige Rehabilitierung Müllers ansznsprechen, sondern gleichzeitig ein Verfahren gegen Juerges anzuordnen. Der Meuchelmord in Innsbruck Zeugnisse über das unmenschliche Treiben der „Heimatwehc" im Honomichl-Prozctz Der Innsbrucker Prozeß gegen die Mörder deS Hauptmanns a. D. Hono Michl wurde mit den Zeugen vernehmungen fortgesetzt. Honomichl ist am Tage der helden haften Erhebung der ostmärkischen Nationalsozialisten von der Tiroler Hcimatwehr als Geisel verhaftet und aus Veranlassung des Stadthauptmanns Martin und des Heimatwchrführcrs Penz von dem Heimwehrmann Johann Toma- schek erschossen worden. Aus den Aussagen der Zeugen er gibt sich ein Bild von dem vandalischcn Treiben und den un menschlichen Mitteln der „Heimatwehr". Der Zenge Ingenieur Schüller war in der kritischen Nacht in der Wohnung des jetzigen Oberbürgermeisters Dr. Denz von einer Heimattvehrpatrouille verhaftet worden, wobei die Patrouille die Telephondrähte abschnitt und zahl reiche Einrichtungsgegenstände in der Wohnung kurz und klein schlug. Schüller gibt dann weiter an, daß er unter Puffen und Stotzen in die Kaserne der Heimatwehr geführt wurde, wobei er hörte, wie Penz herumschrie: „Jetzt holen wir uns den Honomichl, diesen Hund, mit dem habe ich sowieso noch etwas rein zu machen." Später sah dann Schüller mit eige- ne» Augen, wie Penz mit beiden Fäusten auf den eingcliescr- ten Honomichl einschlug. Der Zeuge Johann Gajda, Schneidermeister in Inns bruck, gibt an, daß er in der Heimatwehrkaserne durch ein Spalier von Heimwehrmännern Spießruten laufen mußte, wobei er mit Gewehrkolben so lange geschlagen worden sei, bls er zu Boden sank. Man habe ihn dann Ins Geisel- zimmer geschleift, wo Penz den Geiseln gesagt habe, daß sie alle zum Tode verurteilt seien und beim ersten Morgengrauen aufgehängt würden. Später, als Honomichl bereits tot war, kam Penz nochmals und rief frohlockend: „Einen haben wir schon weggepufft, jetzt kommt dann ihr dran!" Ein anderer Zeuge sagte aus, daß Penz, als er einmal wieder das Geisel zimmer betrat, das Fenster geöffnet habe, wobei er ries: .Hetzt könnt ihr durch das offene Fenster flüchten. Wir sind aus Kopf schüsse alle fabelhaft eingeschossen." Bezeichnend für die damaligen Zustände ist die Aussage des Zeugen Schroll, der angibt, daß die Polizei gekommen sei und die Geiseln abholen wollte. Penz habe aber der Poli zei erklärt: „Das gibt es nicht, anschaffen tue ich lanschaffen soviel wie befehlens und nicht die Polizei!" Das gerichtsmedizinische Gutachten besagt, daß der erste Schutz aus Honomichl aus unmittelbarer Nähe in denMund des Getöteten abgegeben worden und daß Honomichl aus diesen Schuß hin sofort zu Boden gestürzt sei. Während des l Sturzes habe Sononuchl den zweiten Schutz in die Stirn er balten. MH wettere llmrsMe MkrWMg Ausführungen Daladiers in der Kammer Ministerpräsident Daladier nahm in der Kammer kurz vor der Verkündung des Dekrets des Staatspräsidenten über die Schließung der ordentlichen Session W39 das Wort und erklärte, die Lage in Europa und in der Welt lei noch nie so delikat und ernst gewesen wie gegenwärtig. Daladier stellte darauf fest, es sei seine Pflicht zu sagen, daß die Regierung die Lan desverteidigung noch weiter verstärken müsse. Die Regierung habe zu den vielen Milliarden, die bereits ausgegeben seien, noch 15 Milliarden hinzugeben müssen. Er wisse, daß dies eine schwere Last sei. Den Gesetzen entsprechend habe Frankreich zwar nicht mobil gemacht, aber eine Reihe von Disponibel» unter die Fahnen gerufen. Durch ihre Anwesenheit an den Grenzen sei der Friede garantiert. Frankreich sei zu jeder Anstrengung einer friedfertigen Zusammenarbeit bereit. Es müsse einig und wachsam sein und alles müsse der Verteidigung des Landes untergeordnet werden. Statt eine MMrds M MMsnen! Das Ergebnis Ser Ende Mai abgeschlossenen polnischen Luftabwehranleihe ist Dienstag abend nun doch endlich vom Eeneralkommissar der Anleihe, General Verbecki, über den polnischen Rundfunk bekanntgegeben worden. Danach sind 404 Millionen Zloty, von denen 14 Millionen Schenkungen sind, auf gekommen. Das Anleiheergebnis blieb also hinter dem von der polnischen Regierungspresse ursprünglich genannten Zeichnungs ziel von einer Milliarde Zloty, das später von den Zeitungen auf MV Millionen Zloty herabgesetzt wurde, beträchtlich zurück General Verbecki entschuldigte das damit, dyß die „ungünstige Jahreszeit" für einen größeren Erfolg der Anleihe erschwerend gewesen sei. Ueber die „Begünstigung" der Anleihezeichnung durch ver schiedenste Zwangsmaßnahmen der polnischen Behörden, beson ders den nationalen Minderheiten gegenüber, schwieg sich Gene ral Verbecki wohlweislich aus. Ksves Ms Mee Well. Sprottebruch Naturschutzgebiet. Zur Erhaltung seiner herben landschaftlichen Unberührtheit ist das ganze Sprotte bruch in 30 Quadrattilomeier Ausdehnung Naturschutzgebiet geworden und für Kraftfahrer verboten, für Wanderer nur vom 1. April bis 15. Juni zugänglich. Das Läutcsignal des Zuges nicht beachtet. Aus dem Bahn übergang zwischen Barßel und Ocholt wurde ein Motorrad vom Zuge ersaßt und in den Graben geschleudert. Der Fahrer sowie der Mitfahrer, die das Herannahen des Zuges trotz Läutesignale nicht beachteten, wurden bei dem Sturz getötet. Teures Führungshonorar. Ein Hamburger Maurermeister sah sich Wien an und fand bald Gesellschaft in einem Manne, der sich erbot, ihm die Sehenswürdigkeiten zu zeigen. Der Hamburger Gast vermißte nachher seine Brieftasche mit 800 bis 1000 NM. Inhalt. Zwei Stratzenbahnzüge zusammengestoßen. In Brünn entgleiste ein Straßenbahnzug und fuhr in einen aus entgegen- gesetzter Richtung kommenden Wagen hinein. Beide Straßen bahnzüge wurden erheblich beschädigt und 36 Fahrgäste verlebt. Dier Todesopfer elneS AutnunfnNS. Am Dienstag früh ereignete sich bei G o t t w al d e (Freistaat Danzig) ein schweres Autounglück. Ein Lastauto, das mit einer großen Anzahl von Personen besetzt war, suhr auf der schlüpfrigen Chaussee in einen Graben und wurde zertrümmert. Hierbei wurden ein 15jähriges Mädchen, ein etwa ebenso alter Junge, ein Mann und eine Frau getötet; sechs Personen wurden schwer, siebe« leicht verletzt. Autobus stürzt einen Abhang hinunter. In der Nähe don St. Etienne stürzte ein vollbesetzter Autobus einen Abhang hinunter, überschlug sich mehrmals und blieb schließlich auf den Geleisen einer Eisenbahn liegen. Bei dem Unfall wurde ein Reisender sofort getötet, während zwölf weitere verletzt wurden. USA-Gesellschaft wegen Steuerhinterziehung bestraft. Wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer wurde die „United States Steel Products Company" von der Verwaltung der brasilianischen Hauptstadt R i o d e I a n e i r o mit einer Strafe von 1.5 Millionen Milreis beleat. Aiaskavulkan Beniaminow in voller Tätigkeit. Wie aus Perryville (Alaska) gemeldet wird, sind nunmehr die weißen Siedler und Indianer aus der Umgebung des Alaska vulkans Veniaminow geflohen. Die Ausbrüche des Berges erfolgen jetzt in regelmäßigen Abständen von fünf bis zehn Minuten. Der Aschenregen und die Lavaergüsse sind bei den Eruptionen so heftig, daß sie 150 Meilen von der Küste Alaskas entfernt beobachtet wurden. Kurze Nachrichten Berlin. Der Oberbefehlshaber des Heeres, Generaloberst von Brauch Lisch, hat sich nach dem Truppenübungsplatz Munster begeben, um den Uebungen der dort liegenden Truppenteile beizuwohncn. Berlin. Der Reichsminister der Finanzen, Graf Schwerin von Krosigk, begibt sich zu einer Besichtigung der slowakischen Zollgrenze in das Protektorat. TMNSK, Svsrt Md Svkel. Abschied von Seaman In Spa fand eine Trauerfeier für den verunglückten Rennfahrer Richard Seaman statt, bei der der deutsche Bot schafter Bülow-Schwanie einen Kranz mit Hakenkreuzschleife niederlegen ließ. An der Feier beteiligte sich auch der deutsche Konsul in Lüttich und der Neichskommissar für die Lütticher Wasserausstellung. Ferner waren belgische Sporisleute erschie nen. Ingenieur Neu bauer von der Firma Meredes-Ben^ für die Seaman gefahren war, hielt eine ergreifende Ansprache. Die gesamte Mercedes-Benz-Mannschaft, die der Feier bei wohnte, gab dem Wien Sportskameraden mit dem Deutschen Gruß den letzten Abschied. Anschließend wurden die sterblichen Uebcrreste Seamans über Ostende nach London übergeführt. Ehrenpreis des Führers zur Förderung des Segelflugs. Der Führer hat für besondere Leistungen im Segclflug einen Ehrenpreis gestiftet Ter Preis wird für die beste Leistung auf Lem Gebier des Segelflugs während ver Dauer der Aus schreibung zuerkannt. Der Bewerber muß Deutscher und aktiver Angehöriger des NS.-Fliegerkorps oder der Luftwaffe sein. Deutsche Siege und Niederlagen. Das Tennisturnier in Wimbledon um die Meisterschaft von England wurde mit den ersten Tressen der Männer eröffnet. Roderich Menzel schlug den Engländer Piercv sicher in drei Sätzen, und auch Henkel Hane keine Mühe, den Engländer Peters abzuser- tigen. Von Metaxa dagegen wurde von dem Kolonialsran- zosen Abdessalam geschlagen. Der deutsche Nachwuchsspieler Gulcz unterlag dem neuseeländischen Nationalspieler Brown. Göpferi schließlich siegte leicht in drei Sätzen über den Aegypter Najar. Segelflieger endlich am Ziel. Die Entscheidung im Ziel- strecken-Segelflug des NSFK. ist gefallen. Die ersten drei Teil nehmer erreichten am Montag das Ziel in Altdamm bei Stettin. Es waren dies der voraussichtliche Sieger NSFK.-Ostuf. Schmidt lSüdwest). NSFK.-Hauplstus. Bräutigam (Elbe-Saale) und Fl in sch iDLV. Darmstadt). Dänische Ringer auch in Berlin geschlagen. Auf der Rück reise von Hof. wo sic der deutschen Nationalmannschaft im Länderkampf unterlegen waren, starlelen die dänischen Ringer noch einmal in Berlin gegen eine Stadtmannschaft. Sie mußten allerdings auf ihren verletzten Schwergewichtler verzichten und verloren das Treffen mit 2:5 Punkten. , UrbeberreLttkbud »riv-Marvickc-Verlaa. Sambura 23 „Nein, das sind alles arme Teufel, die mir nicht helfen könnem Ich muß mein Leben selbst in die Hände nehmen. Aber Herr Raabe hat mir versprochen, daß er mich unter stützen wird. Er will mir in Kronenberg einen kleinen Laden kaufen, ein Plättgeschäft oder etwas ähnliches. Er braucht mir nicht viel zu bringen, ich will ganz einfach und bescheiden leben, wenn ich meine Kinder nur gesund auf ziehen kann. Meine Wünsche an das Leben sind bescheiden geworden. Jetzt habe ich die Ruhe meines Herzens wieder und das ist alles, was man haben kann, Frau Olbers." Frau Olbers nickt. „Ja, die Ruhe des Herzens. Glauben Sie, daß ich Sie beneide um Ihre Kinder, Frau Seeliger. Ich bin so allein. Ich habe mein gutes Auskommen, ich habe auch ein hübsches Vermögen, so daß die äußere Not wahrscheinlich nie ein Wort in meinem Leben sprechen wird. Aber ich bin einsam, immer einsam gewesen, seit dem Tode meines Gatten, der sehr früh gestorben ist. Kinder warm uns nicht beschieden." „Sie hätten wieder heiraten sollen, einen lieben, tüch tigen Mann an Ihrer Seite haben!" Frau Olbers seufzt bitter. „Das ist ja mein Unglück, daß ich diesen Wunsch hatte! Ihnen kann ich es ja sagen, Frau Seeliger, wir zwei brauchen uns nicht voreinander zu verstecken. Ich hatte die Absicht, wieder zu heiraten und ich lief... einem Heiratsschwindler ins Garn. Er war lein schöner Mann. Er war überhaupt nicht ansehnlich, aber er hatte so etwas Vertrauenerweckendes an sich und er ver stand eine Frau zart zu behandeln, daß ich hoffte, an seiner Seite ein stilles Glück finden zu können. Ich habe ihm das Geld gern gegeben, ich hab's ihm beinahe aufgedrängt, wenn er von seinen vorübergehenden Schwierigkeiten sprach. Ich war so töricht, wie nur ein Mensch kein kann, und dann zerrann dieser Traum und eine so häßliche Wirk lichkeit blieb zurück. Und dann tat ich dasselbe, was Sie getan haben! Und jetzt stehe ich, wenn ich Petersberg ver lassen habe, genau so einsam im Leben wie früher." „Haben Sie denn gar leine Freunde?" „Nein, mein Mann war ein stiller Mensch, der ganz weltabgeschieden lebte. Wir hatten niemand, um den wir uns kümmerten und der sich um uns kümmerte. Verwandte von meines Mannes Seite sind nicht da; ich habe zwar Verwandte, aber die leben in Südamerika. Ich schließe mich auch so schwer an." „Ich glaube, Ihnen fehlt eine Pflicht! Sie sollten ein Kind zu sich nehmen, Frau Olbers." „Ein Kind! Ja, das habe ich mir auch schon gesagt. Tausendmal habe ich das gewollt, dann überkam mich plötzlich wieder eine maßlose Angst vor der Verantwor tung, die ich auf mich nehmen würde. Ich bin vielleicht feig, ach, ich bin zu schwach und möchte gern ein anderer Mensch werden." Da entgegnete Frau Seeliger heiter: „Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen, Frau Olbers. Ziehen Sie aus Berlin weg, ziehen Sie nach Kronenberg, und wenn Sie Langeweile haben, dann schicke ich Ihnen meine Kinder auf den Hals. Die sorgen schon dafür, daß Leben in Ihrem Hause ist." Frau Olbers sieht sie erfreut an. „Oh, das ist ein guter Gedanke, den werde ich mir überlegen." G Mit Hangenden Schultern und bekümmerter Miene steht Friede vor Ulrich Raabe. „Sie haben mit ihr gesprochen?" forschte Ulrich erregt. „Ja!" „Und?" „Es war furchtbar!" entgegnete Friede traurig. „Ich hatte das Gefühl, daß sie zusammenbrechen würde, als ich sie bei ihrem wahren Namen nannte. Sie war wie eine Statue, fo bleich und so starr. Jetzt sitzt sie bei den Kindern und spielt mit ihnen. Sie müssen sie einmal beobachten. Sie ist gut zu den Kindern, sie lacht mit ihnen, aber es ist etwas Automatenhaftes, etwas Gekünsteltes an ihr. Sie müssen gut auf sie achten, Herr Raabe, ich habe Angst, daß sie sich noch einmal etwas antun könnte." Erschrecken zeigte sich auf Raabes Zügen. „Machen Sie sich keine Sorgen, Friede, wir wachen über sie, und haben Sie herzlichen Dank für den Dienst, den Sie mir erwiesen haben. Verlassen Sie sich drauf, jetzt kommen wir weiter!" Sie reichte ihm die Hand zum Abschied. „Wollen Sie schon gehen, Friede?" „Ja. Ich muß mit meinen Gedanken ein bißchen allein sein. Leben Sie wohl, Herr Raabe!" „Auf Wiedersehen, Friede!" A- Als Friede heimkam, stand Hermann Vollmer mitten auf dem Gutshof und gab den Söhnen mit lauter, lär mender Stimme Anweisungen für den nächsten Tag. Als er Friede erblickte, unterbrach er seine Worte und wandte sich der Tochter zu. „Das ist ja schön, daß du dich wieder mal zeigst. Das ist so richtig von der Tochter! Wir schwitzen uns zu Tode und du machst Spaziergänge nach Petersberg!" Aber im nächsten Augenblick ärgerte er sich seines rauhen Tone!, denn er sah, daß Friede eine bedrückten Eindruck machte. Er trat zu ihr und legte seinen mächtigen Arm um ihre Schultern. „Na, Mädel, nichts für ungut. So schlimm war es nicht gemeint. Aber wer hat dich denn geärgert? Du machst ja ein mieses Gesicht, wie vierzehn Tage Regen wetter." „Ach, Vater, glaub mir, Ulrich Raabe hat es jetzt nicht leicht mit Daniela. Ich habe doch eben mir ihr gesprochen. Weißt du, wie sie heißt? Daniela von Werth!" „Donnerwetter, so nobel! Hast du ihr den Namen ab geluchst?" „Nein, Vater, aber ich habe ihr gesagt, daß wir ihren Namen kennen. Und das war nicht so einfach, wie du dir es vorstellst. Sie ist bald zusammengebrochen dabei. Das verstehst du vielleicht gar nicht, Vater, aber das Mädel mutz Schlimmes durchgekostet haben, und was sie hinter sich hat, das wissen wir noch nicht und das macht das Helfen so schwer. Und all das, Vater, hat mich ein bißchen traurig gemacht." „Kopf hoch, Mädel! Es kommt schon in Ordnung. So leicht ist das Leben nicht immer und mit Zwanzig trägt man manche Sachen schwerer als mit Fünfzig. Aber in einem ist das Leben immer gut: es gleicht irgendwie aus, und es wird auch bei Daniela ausgeglichen. Das ist doch kein armer Pieps, das ist doch trotz aller Zartheit ein rich tiger Kerl! Das wäre doch gelacht!" „Du bist so guter Hoffnung, Vater!" „Das war ich immer, Mädel! Das hat mir die Lust am Leben erhalten! Mach's genau so! Übrigens, was ich noch sagen wolle, wie stehst du mit dem Röder Franz?" Friede sah ihn erstaunt an. „Wie soll ich mit ihm stehen?" „Na, ich meine, der alte Röder hat mit mir gesprochen, der würd es gerne sehen, wenn du den Franz heiratest." „Ach", entgegnete Friede mit halbem Lachen, „und der Franz kann den Schnabel nicht auftun?" „Ach, du kennst ihn doch, Mädel. Reden war nie seine Stärke. Da hat er ein bißchen was mit dem Klammer beutel abgekriegt. Aber arbeiten kann er und 'n anständiger Kerl ist er sonst auch. Er ist auch nicht dumm, den kann sich eine Frau ziehen, wie sie ihn braucht." „Das ist schon alles richtig, Vater, aber... ich liebe ihn nicht!" „Kreuzdonnerwetter, Mädel, aber mal mußt du doch auch heiraten! Bist jetzt sechsnndzwanzig Jahre, und die Leute im Dorf sagen schon, daß du auf 'nen Prinzen wartest." (Fortsetzung folgt.)
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