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Wilsdruffer Tageblatt : 16.05.1939
- Erscheinungsdatum
- 1939-05-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193905165
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19390516
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19390516
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1939
-
Monat
1939-05
- Tag 1939-05-16
-
Monat
1939-05
-
Jahr
1939
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 16.05.1939
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Die Ver-an-ümgen mii SowjeiruKland Das Unterhaus drängt — Chamberlain weicht aus Zu den Besprechungen mit Sowjetrustland erklärte Ministerpräsident Chamberlain im Unterhaus in Beantwortung einer Reihe von Anfragen, die britische Regierung warte jetzt auf eine weitere Mitteilung der Sowjetregierung. Er könne zur Zeit seiner Erklärung vom 10. Mai nichts hinzufügen. Lord Halifax hoffe, auf der Genfer Ratssitzung am 22. Mai eine Gelegenheit zur Fortsetzung der Besprechungen mit Vertretern der So- wjetregicrung zu haben. Als mehrere Labourabgeordnete weiter auf den Ministerpräsidenten eindrangen, versteifte sich Chamber lain erneut auf die Erklärung, daß er im augenblicklichen Stadium der Besprechungen nichts weiter sagen könne. Auf die Fraas de^ ryn^rva^'v^" B o o » b - b y, ob die polnische oder rumänische Regierung irgend welche formellen Einwendungen gegen den Abschluß eines gegenseitigen Beistandspaktes zwischen England und der Sowjetunion erhoben hätte, erwiderte Chamberlain, die polnische und die rumänische Regierung hätten ihre An sichten nicht in „formeller Weise" geäußert, aber ihre all gemeine Haltung gegenüber den Verhandlungen, die zwischen der britischen und der Sowjetregierung zur Zeit stattfinden, sei auf Grund der Besuche des polnischen und des rumänischen Außenministers in England und auf dem Wege über die „diplomatischen Kanäle" bekannt. Es würde unangebracht sein, die so zum Ausdruck gebrachten An- sichtsn mehr im einzelnen „zu enthüllen", da der kürzliche Besuch des stellvertretenden russischen Außenlommissars in Bukarest und Warschau eine Gelegenheit für einen Meinungsaustausch zwischen Vertretern der Sowjet regierung und der rumänischen sowie der polnischen Re gierung über die Frage geboten haben dürfte. Eine weitere Frage Boothbys, ob es nicht der Fall sei, daß grund sätzlich gegen den Abschluß einer Art von Abkommen zwischen England und Sowjetrußland keine Einwendun gen gemacht würden, blieb unbeantwortet. Britischer Botschafter bei Madrider Siegesparade Unterstaatssekretär Butler teilte dann mit, daß der britische Botschafter in Burgos eine Einladung der spanischen Regierung, dem Siegesmarsch in Madrid beizuwohnen, angenommen habe. Butlers Mitteilung rief auf den Bänken der Opposition einen Entrüstungssturm hervor. Der Labour-Abgeordnete Griffith bemerkte, durch die Annahme dieser Einladung werde klar, auf welcher Seite die britische Regierung immer gestanden habe. Thurtle, ebenfalls Labour-Abgeordneter, meinte, es wäre anständiger gewesen, wenn man die Einladung abgelehnt hätte. 'Butler entgegnete, so viel er wisse, seien auch andere in Spanien beglaubigte Vertreter frem der Mächte eingeladen, und es stehe im Einklang mit der internationalen Praxis, daß ausländische Vertreter Ein ladungen dieser Art von Regierungen, bei denen sie akkre ditiert seien, annehmen. Sowjetrussische Antwort in London eingetroffe« Die Antwort der sowjetrussischen Re- gierung auf die britischen Gegenvorschläge ist in Lon don eingetroffen. Die Antwort wird im Laufe des Diens tag von Außenminister Lord Halifax und Sachverständigen des Foreign Office geprüft und voraussichtlich Gegenstand der Kabinettssitzuna vom Mittwoch kein. Dallonflug durch Schnee und Gis Internationales Ballonwcttfliegen mit Hindernissen. In Zürich begann am Sonntagnachmittag das Interna tionale Ballonwettfliegen. Vertreten sind Belgien. Deutsch land. Frankreich, Holland. Italien, Polen und die Schweiz. Die Fahrt war äußerst schwierig, da es in einer Höhe von 1500 Metern fast ständig durch Schnee und Eis ging. Der deutsche Ballon „Schlesien" versuchte über dem Santis die dicken Eisschichten, die sich um das Netz gebildet hatten, loszu- schlagen, was aber nicht möglich war. Der Ballon ging dann in Wengen (Vorarlberg) nieder. Der Ballon „Isar" landete zwei Kilometer von Neßlau am Fuße des Säntis. Der deutsche Ballon „Stadt Velbert-Niederberg" ist Sonn tag abend am Oberblegi-See oberhalb Schwanden (Kanton Glarus) gelandet. Die Hülle des Ballons wurde von einer Geröll-Lawine zum Teil verschüttet. Die beiden Insassen, Loh mann und Peter, mutzten während der Nacht durch lies ver schneites Gelände den Weg ins Tal suchen. Sie trafen er schöpft, jedoch im übrigen wohlbehalten in Schwanden ein. Hände weg vom Gieuer! Nach dem Genuß von Alkohol — Warnendes Beispiel der Berliner Unfallchronik Kürzlich ereignete sich in Berlin ein schwerer Ver kehrsunfall mit tödlichem Ausgang. Eine Kraftfahrerin hatte in einem Lokal in vergnügter Gesellschaft reichlich dem Alkohol zugesprochen. Gegen 4 Uhr morgens wollte sie mit ihrem Personenkraftwagen nach Hause fahren. Die in ihrer Gesellschaft befindlichen Personen ver hinderten dies, indem sie ihr den Starterschlüssel ab nahmen. Sie holte sich daraus aus ihrer Wohnung einen zweiten Starterschlüssel und bestieg ihren Wagen. Das Unausbleibliche geschah nun. Die Kraftfahrerin raste mit 80 Kilometer Stundengeschwindigkeit durch die Straßen; beim Nehmen einer leichten Kurve verlor sie die Gewalt über den Wagen. Er streifte mit hoher Geschwindigkeit zwei vorschriftsmäßig auf der Straße parkende Kraft wagen, wurde zur Seite geschleudert und überschlug sich, die Fahrerin unter sich begrabend, die bald darauf ver starb. Die vorgenommene Blutprobe ergab einen hohen Prozentsatz Alkohol im Blut der Getöteten. Aus dem Sachverhalt geht klar hervor, daß die Kraft fahrerin äußerst leichtsinnig gehandelt und ihren Tod selbst verschuldet hat. So bedauerlich der Unfall ist, so ist es nur einem Glücksumstand zu verdanken, daß das Fahrzeug nicht aus besetzte Kraftfahrzeuge aufgefahren ist oder gar Straßenpassanten überfahren hat. Die Folgen eines solchen Unfalles wären unabsehbar gewesen. Es geht jeden Volksgenossen an, über ein solches Verhalten zu urteilen und zu Hanseln, wenn solche Volksfchädlingc sich nicht den Gesetzen der Volksgemein schaft einzuordnen bereit sind! Neues aus der Welt Berlin—München im Kraftomnibus Die Deutsche Reichsbahn eröffnet am 20. Mai auf der Reichsautobahn eine neue Kraftomnibuslinie, die die Reichs- Hauptstadt mit der Stadt der Reichsparteitags und der Haupt stadt der Bewegung verbindet. Der Omnibus, der die 600 Kilometer lange Strecke in elf Stunden einschließlich Aufent halt durchfährt, hält unterwegs nur zweimal, an der Raststätte Rodaborn — später Raststätte Hermsdorf — und am Nürn berger Hauptbahnhof. Vorerst verkehrt der Omnibus nur zum Wochenende am Sonnabend ab Berlin-Anhalter Bahnhof, am Sonntag ab Miinchen-Hauptbahnhof in beiden Richtungen um 7.30 Uhr morgens. Der Omnibus besteht aus einem Triebwagen und einem Anhänger, die durch einen Ziehharmonikagang verbunden sind. Die großen Fenster nnd die Oberlichtscheibsn gewähren den 78 Reisenden, die der Omnibus mitnehmen kann, einen freien Ausblick. Autotunnel erspart 200 Kilometer Umweg. Noch in diesem Sommer beginnt der Bau einer Zufahrtsstraße durch den 2536 Meter hohen Witterstein zur Flexenstraße. Das Bemer kenswerteste wird dabei die Durchtunnelung des Alpenriesen in einer Länge von zwei Kilometer sein, die den Autofahrern künftig einen Umweg von rund 200 Kilometer erspart. Der Ausbau der Flexenstraße selbst soll bereits im Sommer 1940 beendet sein. Der Schöpfer des Teddybären gestorben. In Sonne berg, der Stadt der schönen Spielzeuge, ist aus den Vereinig ten Staaten die Nachricht eingetroffen, daß dort Richard Steifs, der Schöpfer des Teddnbären, gestorben ist. Der Name Steiff ist eng verbunden mit der Entwicklung und Welt geltung des deutschen Spielzeugs. Steifs schuf im Jahre 1903 das erste Modell eines drolligen, beweglichen Bären, das aus dem Weltmarkt, und besonders in USA., einen ungeheuren Absatz fand, der bisher noch von keinem Spielzeug dieser Art erreicht worden war. Dieses aus Plüsch gefertigte Tier erhielt in den Staaten die Bezeichnung „Teddpbär", womit man au? den damaligen Präsidenten Theodor (TeddH) (vielte, der als passionierter Bärenjäger bekannt war. W« Spielwarcnstadt Sonneberg und die südthüringische Spiel» Warenindustrie griffen die Idee Steiffs auf und versandte« Millionen dieser Bären in alle Welt. Richard Steiss selbst ging l923 nach USA. Viel schönes Spielzeug verdankt die Wett der Tatkraft dieses Mannes, der auch den ersten Tretroller yerausbrachte. Professor Piccard arbeitet an seiner Tiefseegondel. Pro fessor Piccard, der hauptsächlich durch seinen Stratosphären flug bekannt geworden ist, arbeitet zur Zeit in einem Brüsseler Laboratorium an einer Tiesseegondsl, mit der er den von dem Amerikaner Beebe ausgestellten Tiesenrekord von 900 Meter überbieten will. Die Gondel wird aus Stahl hergestellt, die Beobachtungsfenster aus einem neuen, glasartigen Werkstosi, der dem Wasserdruck besser standhält als Glas. Ferner wird die Gondel mit 3000-kerzigcn Quarzlampen ausgerüstet sein, um das Studium des Tiefseelebens zu ermöglichen. VAckerMau. Dem Gesicht der Wienerin widmet die „Münchner Illustrierte Presse" in ihrer soeben erschienenen Nummer 19 vom 11. Mai neben dem Titelblatt einen Bild bericht, der viel vom Charme der jungen Mädchen an der schönen blauen Donau zu erzählen weiß. Der übrige wieder sehr reichhaltige Bilderteil des Heftes befaßt sich in besonde rem Maße mit aktuellen Themen; darunter sind Schilderun gen vom Nationalen Feiertag des Deutschen Volkes, von der Besetzung der Insel Hainan durch die Japaner und von der italienischen Pioniertätigkeit in Libyen, von kulturellen Ent artungen in den Vereinigten Staaten u. a. m. Eine besondere Seite ist der Eröffnung der Münchner - Kunstausstellung ge widmet. Olaf Iversen zeichnete lustige Svmmcrprophezeiungen. Der Textteil bringt neben Roman und Tatsachenbericht einige besonders spannende Kurzgeschichten. LMM Mittwoch, 17. Mai 6.30: Aus Köln: Frühkonzert. Das Hermann-Hagestedt« Orchester. — 8.30: Aus Gleiwitz: Für die Arbeitskameraden in den Betrieben: Umerhaltungsmusik. Das Orchester des Oberschlesischen Landestheaters. — 10.00: Ein Meier, genannt Helmbrecht! Hörspiel nach dem Bauernroman von Werner, dem Gärtner. — 11.20: Erzeugung und Verbrauch. — 11.40: Arbeitsdienst und Wehrmacht als Helfer ves deutschen Bauern. — 12.00: Aus Falkenau «Kreis Flöha): Musik für die Arbeits pause Das Musikkorps eines Infanterie-Regiments. — 13.15; Aus Stuttgart: Mittagskonzert. Das Große Rundfunkorchester. — 14.00: Zeit, Nachrichten Börse. Anschließend: Musik nach Tisch. (Jndustrieschallplatisn und Aufnahmen des deutschen Rundfunks.» — 15.40: Dis Himmelfahrtspartie. — 16.00: Kurz weil am Nachmittag. Kapelle Otto Fricke. — 18.00: Artillerie einst und heute. — 18.20: Aus Dresden: Konzertstunde. — 18.50: Umschau am Abend — 19.00: „Kleine Abendmusik." Die Dresdner Solistenvereinigung. — 19.45: Kameraden« Appell. — 2015: Der Erbschmuck. Heiteres Hörspiel von Wil helm von Scholz. — 21.00: Das Ballett tanzt. Der Pavillon der Armida. Fantastisches Ballett von Nikolaus Tscherepnin. — 22.20: Aus Kopenhagen: Dänische Volksmusik. Das Kopen hagener Rundfunkorchester. — 23.00 bis 24.00: Musik aus Wien. Das Unterhaltungsorchester und der Chor des Reichs- senders Wien. VeuMMMesch'»»' Mittwoch, 17. Mai. 6.30: Aus Köln: Frühkonzeri. Das Orchester Hermann Hagestedt. — 10.00: Aus Leipzig: Ein Meier, genanni Helm brecht. Hörspiel nach dem Bauernroman von Werner, dem Gärtner. — 10.30: Fröhlicher Kindergarten. — 12.00: Musik zum Mittag. Orchester Otto Dobrindt «Aufnahmen). — 15.15: Haus musik von Hugo Wolf. — Anfchl.: Programmhinweiss. — 16.00: Musik am Nachmittag. Das Orchester Otto Dobrindt. — In der Pause 17.00: Aus dem Zeitgeschehen. — 18.00: Reise ins Baltikum. Plauderei mit Schallplatten. — 18.30: Balladen. Joseph Maria Hauschild (Gesang), Gustav Beck «Klavier). — 19.00: Deutschlandecho. — 19.15: Maienzeit - bannet Leid. Der Kammerchor und das Streichorchester des Deutschlandsenders. — 20.15: Schön ist die Welt. Grotzes Unterhaltungskonzert. Das Große Orchester des Reichssenders Franksurt und Solisten (Aufnahme). — 23.00—24.00: Heitere Klänge. Hilde Mottau (Sopran), Hans Heinrich Hagen (Tenor). Kapelle Otto Fricke und das Orchester des Reichssendsrs Leipzig «Aufnahme). MMderVmaMlliletk 9« (Nachdruck verboten.) Der Fremde bezahlt, und die Nummer des Korbes nebst dem Namen des Mieters wird in ein Buch eingetragen. „Ach, sagen Sie doch mal", bittet Gehlsen den sonnen verbrannten Insulaner. „Können Sie mir vielleicht sagen, welche Nummer Frau Barka hat?" Dabei deutet er zum Strand hinunter, wo auf die Rückseiten der Körbe weithin sichtbare Zahlen gemalt sind. Gehlsen erfährt, daß Frau Barka den Strandkorb 270 gemietet hat, der dort, ziemlich nahe am Wasser, etwas abgesondert von den nächsten Burgen steht. Gehlsen er kennt nun auch die Frau, die dort innerhalb ihres Burg- Walles ausgestreckt in der Sonne liegt, die Arme unter dem Kopf verschränkt. Sie hat irgend etwas Buntes an, und ihre Glieder leuchten im Goldton Heller Bronze. Ob sie schläft oder nur träumt, kann er aus dieser Ent- fernung nicht feststellen, jedenfalls ist sie allein, sie scheint also noch keine nähere Strandbekanntschaft gemacht zu haben. Der Mann neben ihm fragt: „Wünschen Sie auch einen Strandkorb?" ,„Ja", sagt Gehlsen. „Natürlich. Bitte, stellen Sie ihn im Lauf des Tages dort unten aus, nicht allzu weit von Nummer zwohunderlstebzig, wir sind alte Bekannte." „Wird gemacht", nickt der andere, „da ist ja noch Platz genug." Gehlsen bekommt die Nummer 277. Zweimal sieben, das mutz doch eigentlich Glück bringen, überlegt er und lächelt gleichzeitig über seinen Aberglauben. Glück welcherart eigentlich? Darüber wollen wir nicht weiter reden, Jasper, sagt er sich und schlendert weiter. Jedenfalls hat er zunächst erreicht, was er wollte, und kann Frau Barta noch unbemerkt ein wenig be obachten. Er setzt seinen Weg über den Dünenkamm fort, der ihm Ausblick nach beiden Seiten gewährt. Er bekommt Sand in die Schuhe, aber das stört ihn vorläufig nicht. Er lauscht dem Orgeln der Brandung, das ihn begleitet und immer deutlicher, in seiner machtvollen Eintönigkeit immer eindringlicher wird, je weiter er sich von den Men schen und dem bunten Treiben am Badestrand entfernt. Er Höri den Gesang des Meeres, der durch die Jahr hunderte hallt, der die Seele der zufällig jetzt Lebenden von ihrer Verbindung mit dem Ewigen überzeugt und einspinm in den unbeirrbaren Kreislauf allen Seins. Nach einer Weile muß sich Gehlsen aber doch nieder- lafsen, um seine versandeten Schuhe auszuziehen und zu entleeren. Er sitzt auf einem mächtigen Betonklotz, der im Kriege zum Unterstand einer Küstenbatterie gehört hat. Er zündet sich eine Zigarette an und träumt vor sich hin. Nun ist er also auf Osterkoog, die nächsten Wochen wird er hier leben, wohin das Spiel des Zufalls oder des Schicksals ihn verschlagen hat. Jasper Gehlsen bedauert es nicht, die Insel gefällt ihm, und diese ganze Umgebung hat etwas seltsam Heimatliches für ihn, der selbst von einem alten Geschlecht friesländischer Fischer abstammt. Allmählich aber wird sein Blick aufmerksam, er hat eine Gruppe windgekrümmter Föhren wahrgenommen, die ersten Bäume, die er seit seiner Ankunft auf der Insel steht. Sie scheinen ein Haus zu schützen, das sich dahinter versteckt. Es liegt für sich allein zwischen dem Dorf und dem Feldweg zum Watt, ungefähr an der schmälsten Stelle der Insel. Er kann von seinem Platz aus in der klaren Luft sehr gut bis dorihin sehen, wo die Masten einiger Fischerboote über den Wattendeich ragen, während hinter ihm die freie See sich bis zum Horizont ausbreitet. Er kann auch berechnen, wo etwa der Friesenhof liegt, unter dessen Dach er selbst jetzt wohnt. Die Entfernung von dort nach dem Haus unter den Föhren mag kaum eine halbe Wegstunde betragen. Sollte dieses alte Gemäuer unter den Föhren viel leicht Barkas Haus sein?, überlegt Gehlsen. Der Beschreib bung nach könnte es stimmen. Soweit das Auge reicht, und es reicht von einem Ende der Insel zum andern, weiß er kein anderes Anwesen, das er dafür halten könnte. Er beschließt, im Laufe des Nachmittags einmal hin überzugehen. Da es schon Mittag ist, macht er sich auf den Heimweg. Ehe Gehlsen dazu kommt, den Weg nach dem Haus unter den Föhren anzutreten, wird es doch später Nach mittag. Denn als er nach Hause zurückkehrt, spürt er ge waltigen Hunger und nach dem einfachen, kräftigen Mahl große Müdigkeit. Also begibt er sich auf sein Zimmer und streckt sich aus dem Feldbett aus, um eine Stunde zu schlafen. Das kleine Giebelfenster, das über dem rück wärtigen Hauseingang liegt, steht offen, und er hört im Halbschlaf auf Sie Stimmen und Geräusche, die wohl aus der Küche kommen. Sie haben dort unten, wie es scheint, eine ziemlich erreate Aussprache, leit ein Mau« das Laus betreten hat, dessen Stimme — die Stimme eines alten Mannes — Jaspar deutlich unterscheidet. Gehlsen weiß nicht, ob jener Mann zum Friesenhof gehört oder nicht, aber als er aufstsht, um das Fenster zu schließen, steht er ihn aus dem Hause treten, eine seltsame Erscheinung. Der Alte trägt einen grünlich verblichenen Bratenrock, der mindestens zwanzig Jahre alt ist, und dazu Holzschuhe an den Füßen. Ein buntes Tuch hat er um den Hals geschlungen und stülpt soeben einen reichlich verfärbten Strohhut auf das wehende graue Haar, das üppig und ungepflegt auf seinem Schädel wuchert. Das Gesicht dieses seltsamen Besuchers kann Gehlsen nicht erkennen, aber er bemerkt jetzt die alte Frau de Bries, die, auf ihrem Hand stock gestützt, ebenfalls aus der Küche kommt und zu dem Lehnstuhl humpelt, der immer an der windgeschtttzten und sonnigen Mauer des Hinterhauses für sie bereitsteht. Jetzt dreht sich der alte Mann noch einmal um, und Gehlsen blickt in ein von Trunk und Kummer gezeichnetes Gesicht, von tiefen Furchen durchzogen und mit dicken Tränensäcken unter den schwimmenden Augen. „Ihr habt kein Ehrgefühl", schilt der Greis und fuchieli mit der Hand herum, in der er ein rotes Taschen tuch halt, um sich dann das Gesicht damit abzuwischen. „Eine wie die andere — eine wie die andere! — Was is Geld? Ein Dreck is sein Geld. Wiedergutmachen? Hahaha, is alles Lüge, wie immer alles Lüge gewesen ist. Nichts als Lug und Trug!" Die alte Frau starrt vor sich hin und antwortet nicht. Da kommt die kleine Inge aus dem Hause gestolpert und schleppt eine Fußbank hinter sich her. „Opa —I" kräht sie beglückt, als sie des zornigen Alten ansichtig wird, läßt die Fußbank stehen und will zu ihm laufen. Aber der Alte tritt einen Schritt zurück und stiert fassungslos aus seinen glasigen Augen das Kind an. „Komm her, Ingeborg", ruft die Frau. Aber das kleine Mädchen steht erschrocken und wie angewurzelt. , „Laß es wenigstens das unschuldige Kind nicht füh" len, Larsen", wendet sich Frau de Vries jetzt an den alten Mann, der ohne ein weiteres Wort kehrtmacht und m» unsicheren, taumeligen Schritten davongeht. Gehlsen, der bestürzt die Szene beobachtet hat, frag« sich, was das Ganze zu bedeuten haben mag. Er sieht noch, wie die Frau das Kind auf den Schoß nimmt und sanft den lichtblonden Kopf streichelt. (Fortsetzuna folgt.)
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