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Wilsdruffer Tageblatt : 21.03.1939
- Erscheinungsdatum
- 1939-03-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193903212
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19390321
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19390321
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1939
-
Monat
1939-03
- Tag 1939-03-21
-
Monat
1939-03
-
Jahr
1939
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 21.03.1939
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M Schaken des St.-VW-Nomes Deutsche Kultur in Prag Prag, die alte böhmische Hauptstadt, liegt im Schatten des Hradschin, über dem die mächtige Königsburg wuchtet; daneben hebt sich der Sankt-Veits-Dom in den Himmel, beide, Burg und Dom, sahen viele Jahrhunderte an sich vorüberziehen, ja, die ältesten Teile der Burg wissen noch von den Zeiten, da deutsche Kaufleute ihre Waren herein brachten und sich an dem Hang über der Moldau — es mag nm das Jahr 1050 gewesen sein — niederlicßen; bald stießen Handwerker und führende Magister und Baumeister zu ihnen, blieben dort und brachten deutschen Fleiß, deut sches Recht und deutsche Kultur ins Land. Als etwa hun dert Jahre später Judith, dis Tochter eines thüringischen Grafen, als Gemahlin des Böhmcnkönigs Vladislav nach Prag kam, beherrschten die Deutschen schon die wirtschaft lichen und kulturellen Angelegenheiten der Stadt, die bald aufblühte, so daß eine Erweiterung nötig wurde: mit dieser betraute man einen deutschen Münzmcister, Eber hard, und dieser kluge und weitblickende Mann gab dem Stadtbild das deutsche Gepräge. Die böhmischen Könige stammten aus dem alten Ge schlecht der Przemysliden, deren bedeutendster Ottokar II. gewesen ist. Dieser richtete seinen Hof, seins Negierung und alles übrige nach dem Wartburghof des Landgrafen Hermann von Thüringen ein, nachdem er 1253 seinem Vater, Wenzel I., auf den Thron gefolgt war. Er zog mit den deutschen Ordensrittern gegen heidnische Preußen stämme, vergrößerte sein Land und geriet dann ins Unglück durch Rudolf von Habsburg, den er nicht anerkennen wollte; er kämpfte gegen ihn und fiel in der Schlacht auf dem Marchfelde 1278. Unter Ottokars Nachfolgern begann Prags Ansehen zu sinken. Erst unter Karl IV. nahm Handel nnd Wandel neuen Aufschwung, und die Stadt erlebte ihre erste große Blütezeit. Karl begann schon als König von Böhmen seine Vaterstadt in jeder Weise anszubauen, zu ver schönern; als er 1355 in Aachen zum Deutschen Kaiser ge krönt worden war, gü*i sein Bestreben dahin, Prag zur Residenz des Deutschen Reiches zu machen. 1344 hatte er, nachdem die Errichtung eines Erzbischofsttzes in Prag er reicht worden war, auf dem Hradschin, unweit der Burg, den Grundstein zu dem Sankt-Veits-Dom gelegt. Als Baumeister berief er Matthias von Arras und Peter Parier aus Schwäbisch-Gmünd. Vor allem Parker arbei tete an dem Dom, der ein gotisches Meisterwerk des deut schen Ostens wurde. Durch die unzähligen Hussitenkämpfe wurde der Bau oftmals unterbrochen. Bei dem großen Brande der Burg 1541 erlitt er ebenfalls Schaden. Nach vielen Ergänzungsbauten wurde er in den ersten Jahren nach dem Weltkriege in seiner heutigen Gestalt vollendet. Karl IV. war einer der gebildetsten Herrscher seiner Zeit. Er stand in Verbindung mit den bedeutendsten Humanisten des 14. Jahrhunderts und nannte Petrarca, Rienzi und die führenden Lehrer an den Universitäten von Bologna und Paris Freunde. So kam er bald auf den Gedanken, Prag eine Universität zu schenken, die er 1348 begründete; es war die erste auf deutschem Reichsgebiet, und sie ist zum Vorbild aller späteren geworden. Sie war in die üblichen vier Fakultäten ldie theologische, die juri stische, die medizinische und die artistische) gegliedert; Kanzler war der jeweilige Rektor der Stadt. Sie hatte eine eigene Gerichtsbarkeit, welcher der Rektor Vorstand. Karl IV. führte selbst, nach dem Vorbild Bolognas, die sogenannten „Nationen" ein; das waren landsmännischs Vereinigungen der Städte und Lehrkräfte, und damals gab es in Prag eine bayerische, eine sächsische, eine böh mische und eine polnische „Nation" (Landsmannschaft). In der Königlichen Kanzlei wurde auf Anordnung Karls IV. eine Schriftsprache gebraucht, die aus dem huma nistischen Deutsch und aus der Mundart der Prager Deut schen zusammengesetzt war; aus ihr bildete sich nach und nach das Hochdeutsche heraus, auf dem Martin Luther weitcrbauen konnte. Zehn Brücken überqueren heute in Prag die Moldau, doch die schönste blieb die Karls-Brücke von Meister Parier, die mehr als 500 Jahre wechselvoller Geschichte steigen und fallen sah. Ucber sie zogen die deutschen Studenten 1409 aus Prag, gegen den Brückenturm liefen die Schweden Sturm in den harten Zeiten des Dreißigjährigen Krieges, und Köpfe der in der Schlacht am Weißen Berge (1620) Besiegten baumelten an seinen kantigen Zinnen. Roch mancher kirchliche und profane Bau in Prag kündet von Parlers Meisterhand, den Karl IV. auch mit der Pla nung der Neustadt betraute. Doch nicht nur aus den Meisterbauten spricht das Deutsche als Grundelement, son dern auch aus den Burger- und Patrizivrhäuserns ^en kleinen Kirchen und Kapellen; sie alle sind bleibende Zeichen deutschen Fleißes, deutscher Gläubigkeit und deutschen Kunstsinnes. Nach dem Tode Karls IV. hat Prag noch mancherlei Schicksale durchlebt, viele aus religiösen und nationalen Gründen geführte Kriege unterbrachen oft die weitere Entwicklung der Stadt; ruhigere Zeiten ließ sie immer wieder schnell aufblühen. So kam mit Ferdinand I. die Renaissance nach Böhmen. Der deutsche Baumeister Wol- mut war ein Meister des Barockstiles, ebenso der berühmte Fischer von Erlach, und nicht zuletzt Kilian Ignaz Gient- zenhofer. Unter Rudolf II. kamen große Knnstscbätze nach Prag; die spätere klassische Zeit beruhigte die Stile und glättete alles ins Große; die neuere Zeit baute Industrie viertel, VerwaUungsbauten und Arbeitervorstädte, ohne dem alten Prag ein geschlossenes Bild nehmen zu können. Das Bleibende der Moldaustadt ist eben deutsch: die Karls- Brücke und der Dom, die astronomische Uhr, an der jede volle Stunde der Hahn Petri kräht, die großen schwarzen Paläste der Waldstein (Wallenstein) und Piccolomini, die Kirchen der verschiedenen Zeiten und schließlich auch der Geist, der heute noch in den verwickelsten Winkeln haust und von unsereü deutschen Brüdern erzählt, die vor vielen hundert Jahren hier lebten uns arbeiteten — für ein ewiges Deutschtum. Wie lange kann man leben? Kern sibyllinisches Orakel und kein wissenschaftliches Rezept kann vorherbestimmen, wie lange ein Mensch leben wird; alles, was die Wissenschaft tun kann, ist, Tabellen aufzustelleu, die zeigen, wie lange Menschen wirklich leben. Danach kann man daun seine eigenen Chancen berechnen. Wenn einer z. B. danach trachtet, die biblischen siebenzig Jahre auf Erden zu volleuden, so zeigen die Tabellen ihm, daß ihm eine Chance von etwas mehr als 1 :3 dafür gegeben ist. Die Statistiken der Lebensversicherungsgesell schaften zeigen, daß von hundert in den Vereinigten Staa ten geborenen Menschen über ein Drittel noch im Alter von 72 Jahren am Leben sind. Ein Jahrzehnt später leben von den ursprünglichen hundert noch etwa zwölf, und nur einer oder zwei von den hundert kommen über das zwci- uudneunzigste Lebensjahr hinaus. Außerordentlich selten wird der Mensch hundert Jahre alt, und noch nie hat je mand unwiderleglich bewiesen, daß er länger als etwa hundertundzehn Jahre gelebt hat. Eine Reihe von Jahren hindurch sind von Prof. R. Pearl, Baltimore, erschöpfende Aufzeichnungen über Personen gemacht worden, die 95 Jahre oder länger ge lebt haben, und aus diesen Aufzeichnungen geht hervor, daß das wichtigste Erfordernis für Langlebigkeit Vor fahren sind, die ein hohes Alter erreichten. Mit anderen Worten: Genau so, wie man blaue Augen und rotes Haar ererbt, ererbt man die biologischen Charakteristika sür Langlebigkeit. Wenn die Vorfahren eines Menschen jung starben, hat er verhältnismäßig wenig Aussicht, irgend welche Langstreckenrckorde im Marathonlauf des Lebens zu brechen; haben dagegen feine Eltern und Großeltern ein hohes Atter erreicht, so hat er wahrscheinlich in ge wissem Grade diese gleiche biologische Eigenschaft geerbt. An zweiter Stelle unter den Bedingungen, die ein langes Leben sichern, scheint die Frage des Temperaments zu stehen. Der ruhige und zufriedene Menschenschlag scheint bei dem Altersrennen einen sehr bedeutenden Vor sprung vor dem Menschen zu haben, der launisch und reiz bar ist und sich leicht ärgert und sorgt. Ferner läßt das gesammelte Material erkennen, daß der Mensch, der nach seinem vierzigsten Lebensjahre übermäßig anstrengende körperliche Arbeit vermeidet, ein längeres Leben erwarten kann als der irregeleitete Mensch, der glaubt, seine Körperkräfte noch mit denen eines Jünglings messen zn können. Eines der verbreitetsten Märchen ist die Ansicht, daß eine genaue Einhaltung von Ernährungsvorschriftcn und die Vermeidung von Alkohol und Tabak ein langes Leben sichern. Das vorhandene Material unterstützt diese Ansicht nicht. Eine nicht geringe Zahl der gesammelten Fälle be zieht sich auf Personen, die sich während des größeren Teiles ihres langen Lebens einer — wie man zu sagen pflegt — „schwachen Gesundheit erfreuten". Nach den Be richten waren sie „stets kränklich" oder „gebrechlich" oder ^Halbinvalide". Das ist eigentlich nicht überraschend, denn Morbidität und Mortalität bedeuten biologisch nicht das gleiche. Es kann einer sehr viel Krankheit, die sich in Zwischenräumen über viele Jahre hinzieht, durchmachen und doch ein hohes Alter erreichen, wenn die Krankheiten immer sachgemäß behandelt werden. Turnen, Sport und Spiet. Der Breis des Relchsftatthaiters Hans Lahr siegt im Skispringen in Obenviescnchal Auf ver tavcllos hcigenchteien Manin Musschmann- Schanze in Oberwiesenthal sand bei besten Tchnceoerhättms- sen in Gegenwart einer großen Zuschaucrzahl der reichsoüenr Sprunglauk stau Sieger nnd Gewinner des Preises von Reichssiauhaller Gauleiter Mmschmann wurde Hans Lahr, Harrachsdors, der sür Sprünge von 71 und btt Meier die Best- noie von 219,8 erhielt und damit den Aschberger Paul Schnei denbach. der sich durch großartige Hattnng auszeichneie, knapp aus den zweiten Platz verwies. Der Schwaderbacher Stein müller lag noch vor Aschenmald. Innsbruck Weltmeister Be- rauer sprang im ersten Durchgang «3 Meier, kam aber van« bei 66 Meter zu Fall und verdarb sich alle Aussichten. Feldwebel Poppa siegte in Aue Bei den Stikämpfen des Skivereins Aue war Feldwebel Poppa, IN. Dresden, der ersolgrcichsle Teilnehmer. Poppa belegte im 15-Kilometer Langlans in 1:13:24 hinter Schars, Johanngeorgenstadt il:11:19> den zweiten Platz, siegte im Ab fahrtslaus in 1:55 überlegen vor Mettner. Bärringen und er wies sich auch im Sprunglauf als Bester mit Nole 32-1,3 und Weiten von 36, 40 und 38 Bieter. Feldwebel Poppa gewann den Ehrenpreis der Stadt Aue. Rodel-Gaumeisterschaftcn in Kurort Oybin Auf der Hochwaldbahn in Kurort Oybin wurden die säch sischen Gaumeisterschaflen im Rodeln aus Naturbahn ausge tragen. Aus allen Teilen Sachsens, aus Schlesien und dem Sudctenland waren die besten Rodler am Start. Wie schon so oft, machten Vie Reichenberger das Nennen unter sich aus. Lediglich der oftmalige Europameister Waller Feist aus Bad FUnSberg cndeie mit im Vordcrtressen und belegte den vierten Platz Im Rennen um die Eaumeisterschasi siegte mit 0,9 Sek. Vorsprung NSKK.-Mann Gustav Jeschek, Reichenberg, vor Gerhard Grundmann, ss-Sporlgemcinschast Dresden, der den schnellsten Lauf des Tages fuhr. Bei den Doppelsitzern wur den die Europameister Feist-Gläser lBad Flinsbergl von Maschke, Neichenberg, und Grundmann, Dresden, um 10 Sek. geschlagen. Das Nenne» der HI. wurde von Angehörigen des Bannes 102 Zittau bestritten. Ueberlegener Sieger wurde Erich Lange, Kurort Ovbin, vor Fritz Walter, Kurort Oybin, sowie Arnold Rudolf, Kurori Oybin. Bei den Senioren siegte Altmeister Rudols Kopal, Reichenberg, vor Willy Vollprccht, Kurort Oybin. Tüchtiger Schlvimmernachwnchs Die Neichsprüsungen der deutschen Schwimmcrjugend im Leipziger Westbad waren ein voller Erfolg. Unsere Jungen schwammen Zeiten, die denen unserer Spitzenklasse nicht viel nachstanden. Von den beteiligten Sachsen traten nur der Dres dener Ebschkc und der Dresdener Springer Föckel in denEin- zelkämpsen vorteilhaft in Erscheinung. Für die übrigen war die Konkurrenz zu stark, doch schnitt das Gebiet Sachsen in der Gebietswertung dank seiner guten Durchschnittsleistung mit einem dritten Platz hinter den Gebieten Berlin und West falen achtbar ab. * Vorbild sür unsere Juaend Reichssportführer von Tschammer und Osten hat' den Deutschen Amateur-Boxmeisterschaften, die jetzt in Essen begonnen haben, folgende Geleitworte gegeben: „Ich schätze die Bedeutung des Amatcurboxens sehr hoch ein und freue mich darüber, daß sich nun aus ganz Großdcutschland die Amateur boxer in Essen treffen, um iu ritterlichen Kämpfen die Meister schaften cmszutraacn, um die Besten, die Meister, zu ermitteln. Mögen alle, die hierbei den Ring betreten, sich dessen bewußt sein, daß sie Vorbild sind, vor allem für unsere Jugend! Nicht die Härte oder die Gewandtheit des Kämpfers oder die bessere Technik machen allein den Meister, sondern die unbedingte Ritterlichkeit, Unerschrockenheit, Selbstbeherrschung und stet« Einsatzbereitschaft und das Streben nach Vollkommenheit des ganzen Menschcnl" Die Spieler sollen selbst entscheiden. Beim Kongreß des Tennis. Weltverbandes in Paris wurde zu den poli tischen Aenderungen in Europa beschlossen, daß künftig jeder Spieler eines teilweise oder ganz eingegliederten Staates selbst entscheiden kann, sür welches Land er starten will. Diese Neu- ordnnng betrifft rückwirkend die Tennisspieler Oesterreichs und des Sudetenlandes, die sich bereits selbstverständlich dem deut schen Sport zur Verfügung gestellt haben, und künftig die bis herigen sportlichen Vertreter der ehemaligen Tschecho-Slowakei. Dortmunder Reitturnier abgeschlossen. Mit einer Reihe wertvoller Prüfungen wurde das Reitturnier in der ausver kauften Dortmunder Wcstsalenhalle abgeschlossen. Die Olvm- piavorbereitungsdressur wurde von Absinth unter Rittmeister Menke gewonnen, während August Staeck mit Hammer den Dressurwettkamps gewann. Das abschließende Jagdspringen der Klasse 8 gab Rittmeister Brinckmann aus Oberst Gelegen heit zu seinem einzigen Siege in Dortmund. Temme auf Nordland wurde nur knavv aeschlaacn Ein SM ging in Scherben Roman von Fr. Lehne. 61. Fortsetzung Nachdruck verboten Aber niemals war ein Wort über seine Lippen gekom men, nur Liebe und Freundlichkeit hatte sie erfahren. Mußte sie seine Selbstbeherrschung nicht bewundern? Mußte sie ihm nicht sogar dankbar sein? Sie hatte ein Glück genossen, größer, als es vielen anderen beschieden war, mochte es auch ein gestohlenes fein — und ist Glück nicht meistens nur Illusion? Und sie hatte die Erinnerung! Wenn Erich ihr nun durch den Tod entrissen wäre? Dann hätte sie ihn auch ver loren! Durch tausend Schmerzen und Tränen hatte sie sich zur Ergebung hindurchgerungen; sie hatte kein Recht, ihm Vor würfe zu machen. Aber leer und öde war ihr Leben ge worden, und Stunden kamen, in denen sie sich verzweif lungsvoll auflehnte gegen ihr Geschick. Isabellas Plan war, nach München zurückzugehen, das sie seit jener Zeit gemieden. Denn es würde über ihre Kraft gehen, der Nichte möglicherweise zu begegnen. Sie trat an Las Fenster; Licht, Helle, Schönheit waren um sie her, und ihre Augen tranken das Wunder dieser gesegneten Land schaft. Sie kleidete sich zum Ausgehen an. Ein schlichtes, tadel los sitzendes Jackenkleid zeigte die Vorzüge ihrer Gestalt, Lie, sehr schlank geworden, ganz mädchenhaft wirkte. Und Las weiche, dunkle Fell des Silberfuchses, den sie leicht über ihre Schultern legte, paßte gut zu dem warmen Goldton ihres Haares und zu dem klaren, gepflegten Gesicht. Ihre Erscheinung wirkte wie die einer ganz großen, vornehmen Dame, der alles Unreine, Niedrige fernbleiben muß. Sie siel auf der Promenade auf; mancher bewundernde Blick folgte ihr, die so gelassen und stolz ihres Weges aino. ohne irgendeinem der ihr Begegnenden die geringste Aufmerk samkeit zu schenken. Ob in ihrem Unterbewußtsein der Wunsch lobte, Erich doch noch einmal zu sehen? Aber dann kam Furcht über sie — nein, nein! Sie rief einen Wagen an, der sie zur Bank und zur Post fahren mußte.. So schnell wie möglich fort aus Monte Carlo — nicht sehen, nichts wissen! Da sah sie vom Wagen aus eine Dame auf der Straße — und diese Dame war Isa, ihre Nichte. Sofort hatte sie sie erkannt; aber der Herr, in dessen Begleitung sie ging und der lebhaft und sehr vertraut auf sie einsprach, war nicht der blonde Erich, ihr Gatte. Ihr Herz schlug schwer — diese Frau, der seine Liebe galt, glühend beneidete sie sie. Isa blickte auf, sah die Dame im Wagen, blieb erstaunt stehen — das war doch Tante Isabella gewesen! Ganz be stimmt, sie irrte sich nicht. Seltsamer Zufall! Der flüchtige Blick hatte genügt, ihr zu zeigen, daß Tante Isabella sehr gut aussah. Sie schien sich also über den Verlust Erichs ge tröstet zu haben. Was würde Erich sagen, wenn er wüßte, daß auch sie hier war! Ihre flinken Augen wanderten überall umher, und mit Genugtuung bemerkte sie, daß mancher sich nach ihr und ihrem Begleiter umsah. Sie hatte sich auf das raffinierteste hergerichtet; sie wollte unwiderstehlich sein; es galt, den Marchese einzufangen; denn mit Erich war es vorbei. Er hatte ganz ausdrücklich erklärt, daß er auf jede fernere Ge meinschaft mit ihr verzichte; sie möge sich fortan ihren Le bensweg gestalten, wie sie wolle. Er würde nach Java zu rückgehen. Sie hatte die Unwiderruslichkeit seiner Worte gefühlt. Was galt ihr das alles? Ein neues, inreressantes Leden winkte ihr, das ihr einen Adelstitsl bringen würde — was konnte ihr eitles Herz mehr verlangen! Jedes Ge fühl für den Gatten war geschwunden; nicht das geringste Bedauern empfand sie darüber, daß ihre Ehe mit Erich Trautmann zu Ende sein sollte. Sie sagte dem Marchese, daß ihr Gatte sie freigegeben habe. „Wirklich? Dann hat er dich nie geliebt!" g „Nein, denn er mutete mir zu, daß ich fortan in einer kleinen Stadt in Deutschland leben und seinen Haushall führen sollte. Weil ich so viel Geld verspielt hätte und wir uns nun einrichten müßten. Da ich dies nicht will, so Iren- nen wir uns, und ich bin frei geworden für einen andern." Kokett sah sie zu ihm auf, den Blick tief in den sein?» flimmernden Augen versenkend und sich im Gehen eng an ihn schmiegend. „Es handelte sich doch um keinen großen Verlust — Herr Trautmann ist doch reich!" Isa sah die lauernden Blicke ihres Begleiters nicht. „Gewiß ist er reich, sehr reich! Er will mich nur ärgern und strafen, und das lasse ich mir nicht gefallen. Er sagte, daß er dir das Geld zuruckzahlen wolle, und zwar persön lich — um die Mittagsstunde in deinem Hotel! Und auf mich verzichtet er auch." „Der Barbar! Eine Frau wie du...! Ich werde dir den Himmel auf Erden bereiten, meine schöne Blonde!" Feurig drückte der Marchese Isas Arm an sich. „Ich gehe noch heute von ihm fort," sagte Isa. „Ich habe gepackt und wollte dich fragen, wohin ich meine Kof fer schaffen soll." Rinaldo überlegte. „Ich werde es dir heute abend sagen, meine Göttin, Er warte mich am Eingang des Kasinos; wir wollen nochmals unser Glück versuchen — und werden viel gewinnen, ich weiß es; denn heute ist ein Glückstag für mich. Und dann werden wir reisen — nach meinen Besitzungen in der Lcm- bardei." „Ich überlasse alles dir, Rinaldo — ich bin in deiner Hand. Du weißt, welches Opfer ich dir gebracht habe. Wenn Erich Trautmann wüßte, daß du mir nur mit hundert Fran ken ausgeholsen und du diese große Summe daraus ge macht Haft..." Erschrocken sah er sich um. „Welche Unvorsichtigkeit, meine schöne Blonde! Ist di« mein Titel, meine alte Familie diese kleine Elückskorrek- tur nicht wert? Du weißt, wie glühend ich dich liebe..." Fortsetzung folgt.
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