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Leber 4000 Führer schemenizrelmngen wegen Neigung zum Trunk oder zu Ausschreitungen Der NeichsverkehrsMinister gibt eine Zu sammenstellung über Versagungen und Entziehungen von Führer- und Fahrlehrcrscheinen für Kraftfahrzeuge im Jahre 1938 bekannt. Danach wurde in 4662 Fällen der Führerschein versagt, während die Zahl der Führerschein- cnizichungen 9669 beträgt. Die meisten Führerscheinent- ziehnngen, nämlich in 4367 Fällen, crsolgten wegen Neigung zum Trunk oder zu Ausschreitungen. In 1121 Fällen war fahrlässige Körperverletzung oder fahrlässige Tötung der Grnnd für die Entziehung, in 1193 Fallen Uebcrtretung der polizeilichen Vorschriften oder Nichterfüllung von gesetzlichen Anforderungen. In 839 Fällen lagen schwere Eigcutnmsvergehen und Ur kundenfälschung vor. 281 Entziehungen haben Führer flucht zur Ursache. Die übrigen Fälle entfallen ans körperliche Gebre- erk-'^-u Sittlie^eUsverbrechen. Schwarzfahrten usw. Bei den Versagungen von Führer scheinen stehen zahlenmätzige schwere Eigentumsvergehen und Urkundenfälschungen an der Spitze, nämlich in 1671 Fällen. In 983 Fällen wurde die Prüfung nicht bestan den. Neigung znm Trunk oder zu Ausschreitungen führte in 240 Fällen zur Veriagung des Führerscheins, Ucbcr- tretung der Vorschriften in 412 Fällen. Fahrlehrerscheine wurden in 22 Fällen versagt und in 127 Fällen entzogen, überwiegend wegen Ucbertreiung der Vorschriften oder Nichterfüllung von gesetzlichen Anforderungen. Ferner sind im Gelegenheitsverkehr 87 Versagungen und 382 Entziehungen, im Güterfernverkehr 63 Versagungen und 125 Entziehungen ausgesprochen worden. Focke-Wuls Condor daheim Die Ursache der Notlandung in der Bucht vor Manila festgcstcllt. Das Flugzeug Focke-Wulf Kondor D-ACON ist mit dem Hapagdampfer „Kulmerland" im Hamburger Hafen eingetroffen. Der Condor mußte nach seinen Nekordflügen Berlin—New Bork—Berlin und Berlin— Tokio auf dem Heimflug in der Bucht vor Manila an der Küste notlanden. Die Untersuchungskommission begab sich sofort an Bord des Hapagdampfers. nm die Untersuchung fortzu- setzen. Es wurde von amtlicher Seite festgestellt, daßkein technischer Fehler oder eine technische Störung am Flugzeug oder an den Motoren Anlaß zur Notlandung gewesen sind. Die frühere Meldung, daß der Bruch eines Denzin- oder Oelrohres Ursache zur Landung war, trifft nicht zu. Die Sachverständigenkommission stellte eindeutig fest, daß Benzi nm angel die Notlandung herbeiführtc. Die Ursache ist begründet in einem Bcdienungsfehler an der für die Nckordflügc eingebauten Zusattbenzinaulagc. Die Anlage gehört nicht zur Normalausrüstung der Con- dor-Verkehrsflugzeuge. Keine Aenderung der Außenpolitik Eine Erklärung der jugoslawischen Opposition zum Rücktritt der Negierung. Nach dem am Sonnabend erfolgten Rücktritt des jugoslawischen Kabinetts beauftragte Prinzregent Poul den bisherigen Sozialminister Tragischen Zwetko» witsch mit der Neubildung der Negierung. Zwetto- witsch ist in der Skupschtina Fraktionsvorsitzender der Re gierungspartei und war während des Wahlkampfes deren Propagandaletter. Außerdem ist er der Gründer der Arbeiterorganisation der Regierungspartei (Jugoras). Er gehört zu den fünf Ministern, die wegen der kroati schen Frage ihren Rücktritt erklärt und damit den Gesamtrücktritt der Regierung Stojadinowitsch hcrbeigeführt batten. Prinzregent Paul hatte in den letzten Wochen einen besonderen Vertrauensmann Dr. Matscheks viermal empfangen und sich mit ihm über die Wege zu einer L.ösung der kroatischen Frage unterhalten. ^errer fori der Prmzregem Pam En -ftöwaTMen Staatsrcchtler und früheren Laibacher Vizebanus Dr. Pirkmajer den Auftrag erteilt haben, ein Memorandum über die Frage auszuarbeiten, wie wett man im Rahmen der jetzigen Verfassung den Wünschen der Kroaten ent- gegenlommen könne. In politischen Kreisen Belgrads ist man durchweg der Auffassung, daß die neue Regierung Uebergangscharakter tragen wird und zwei Ausgaben erledigen soll: 1. Erledi gung des Haushaltsplanes, 2. Vorbereitung einer Rege lung der kroatischen Frage. Die neue Regierung soll ein ausgesprochen neutrales Kabinett sein, dem unter Umstän den auch Dr. Stojadinowitsch als Außen- und Finanz minister angehören wird. Die serbische Opposition betont mit besonderem Nachdruck, daß man keinerlei Gegnerschaft gegen die Außenpolitik der Negierung Stojadinowitsch habe, die völlig den Interessen des Landes entspreche. Es handele sich einzig und allein um einen Weg zur Lösung der kroatischen Frage. Japans Wehrmacht gegen jeden Angriff gerüstet Die politische Aussprache imjapanischenNeichs- tag steht im Mittelpunkt des Interesses der japanischen Oesfentlichkeit, weil sie eine klares Programm für die japanische Politik ergeben hat. In politischen Kreisen Japans wird dieses Programm folgendermaßen dargestellt: Aufrechterhaltung der militärischen Besetzung Chinas, also keine vorzeitige Räumung Mittel- und Südchinas ohne wirksame Garan tien für die Durchführung einer Neugestaltung Ostchinas. Obwohl das militärische Hauptziel die Beendigung des Chinakonfliktes ist, ist die japanische Wehr macht auf eine provozierte Auseinandersetzung mit Sowjetrußland vorbereitet. Sie ist genügend stärk, jeden Angriff zurückzuschlagen. Mit Tschiangkaischek werden keine Verhandlungen ge führt, sondern alle Maßnahmen zur Bildung einer neuen Regierung Chinas auf föderativer Grundlage werden ge fördert. Die internationalen Beziehungen Chinas werden allein durch die kommende chinesische Zentralregieruug unter Ausschluß internationaler Konfe renzen geregelt. Japan ist zur Aussprache mit dritten Machten bereit, sofern diese der neuen Lage im Fernen Osten Rechnung tragen. Gir Henry Oeierding In St. Moritz ist Sir Henry Deterding, der hollän dische Oelkönig und große Gegenspieler Rockefellers, im Alter von 72 Jahren gestorben. Deterding, der 1866 in Amsterdam geboren wurde, war der Begründer des Royal Dutch-Konzerns. Als Dreißigjähriger dort eingetreten, verstand er es bald, durch seine weitsichtige Geschäftspolitik die Aufmerksamkeit seiner Vorgesetzten aus sich zu lenken und sich selbst zur Führung durchzusetzen. Unter seiner Leitung nahm die Gesellschaft einen märchenhaften Aufstieg. Die Royal Dutch mit ihren 200 Tochtergesellschaften entwickelte sich im Zeitalter des Erdöls zu einem der größten Industrie unternehmen der Welt und gleichzeitig zur großen Kon kurrenz des Rockefeller-Konzerns. Detcrdings Verteilungs- Plan basierte aus der Auffassung, sich nicht von einem Hauptabnehmer abhängig zu machen, sondern sich in allen Erdteilen Abnehmer zu sichern. Das über die ganze Erde gehende Netz der Shell-Filialen beweist Richtigkeit und Erfolg seiner Wirtschaftspolitik. Aebnlich wie Rocke feller war auch Deterding lange Zeit ein Gegner der so w jetrussischen Oelpolitik, bis er schließlich, dem Beispiel der Standard Oil folgend, mit den Russen einen umfangreichen Liefervertrag zugunsten des englischen Marktes abschloß. Die beiden Erdölkonzerne haben zeit weise weitgehend in die Weltpolitil eingegriffen. Der Name Deterdings kann nicht genannt werden, ohne gleichzeitig der vorbildlichen sozialen Einstel lung dieses Mannes, der sich aus kleinsten Verhältnissen zu einer der ersten Wirtschaftsführer der Welt empor gearbeitet hat, Erwähnung zu tun. Der von ihm ge schaffene Fürsorgesonds umfaßt mehrere hundert Mil lionen Gulden. Neuss aus Er Welt. Opfer einer Kohlenoxyovergiftung Eine folgenschwere Kohlenoxudvcrgiftuna ereignete sich I» dem Städtchen Lingen an der Ems. dem bisher zwei Men schenleben zum Opser fielen. Eine Familie, bestehend aus der verwitweten Muner und zwei Töchtern, war seil vier Tagen nicht mehr gesehen worden. Die Nachbarn schöpften daher Verdacht und verständigten die Polizei. Als diese die Türen ausbrach, sand sie die beiden Töchter im Alter von 18 und 20 Fahren in ihren Venen liegend toi auf, während die Muner noch schwache Lebenszeichen von sich gab. Das furchtbare Un glück ist auf ausströmende Gase eines eisernen Ofens zurück- zusühren. Knüppelfchkacht zwischen zwei polnischen Dörfern In der Woiwodschast Tarnopol in Ostgalizicn ist es zu einer regelrechten Daueruichlacht gekommen. Einige Bauern der feindlichen Dörfer Kozlow und Dmuchawiec waren übereinander Hergesallen Der zunächst kleinen Gruppe der Streitenden kam nun nach und nach die ganze übrige männ liche Bevölkerung der beiden Dörscr zn Hilfe. Mit Knüppeln und Acrien bewassnei stürzten sich die Bauern in das Kamps- getümmel an dem schließlich über 600 Männer teilnahmen. Als das Gefecht in vollem Gange war, kam die Polizei mit einem starken Aufgebot und griff sofort schärfsteus durch. Allen Teilnehmern wurden die Wassen abgcnommen, und zwölf Bauern, die in der Hitze des Gefechts auch aus die Polizisten eingcschlagen hauen, wurden in das nächste Gerichisgefängnis eingeliefert. Die Zahl der Verletzten ist beträchtlich. Nächtlicher Besuch mit peinlichen Folgen. Als der 28W>« rige Hermann E. aus Uetersen am 14. August recht tief ins Glas geguckt batte, kam er aus deu ausgefallenen Gedan ken, seiner heimlich geliebten Braut einen Besuch abzustatten. Sie war in einem Hotel beschäftigt, und der feurige Liebhaber kannte genau die Lage ihres Zimmers. Auf einer waghalsi gen Kletterpartie über die Kegelbahn und einem Balkon ge langle er in das Zimmer des Mädchens, das bei einer zärt lichen Berührung aufwachle und m furchtbarem Erschrecken eine Freundin zu Hilfe ries. Der sonderbare Liebhaper ergrisj nun ein Kleidungsstück des Mädchens und trat die Flucht an. Trotz der Dunkelheit war er jedoch erkannt worden und hatte sich nun in Elmshorn vor dem Richter zu verantworten. Er wnrde wegen tätlicher Beleidigung, Hausfriedensbruchs und Diebstahls zu insgesamt 100 RM. verurteilt. Ein Zusammenstoß zweier Straßenbahnwagen ereignete sich in den Prager Weinbergen. Eine Zeiiungsverkäuserin wurde bei dem Zusammenstoß getötet, fünf Personen schwer und acht leicht verletzt. Das Unglück ist infolge Versagens der Bremsen an einem der Wagen entstanden Bombenwurf vor einer Budapester Synagoge. Vor der größten Budapester Synagoge wurde in die aus dem Tempel strömende Judenmenge eine Bombe geworfen. Drei Juden wurden schwer verletzt. Die Täter sind unbekannt. Explosion im polnischen Munitionswerk. In den staat lichen Munitionswerken in Rembertow bei Warschau ereignete sich aus bis jetzt ungeklärten Gründen eine Explosion, bei der drei Menschen gctölei und mehrere verletzt wurden. Acht Feuerwehrmänner unter cinstürzrndcn Mauern be- grabe». Bei einem Großfeuer im Geschästsbezirk der Stadt Suracuse im Staaie New Bork wurden acht Feuerwehr männer unter den einstürzcnden Mauern eines sechsstöckige» Geschäftshauses begrabe». Hubschrauber 357N Meter hoch. Der mit 160 P8 Bram» Sh. 14a-Motor ausgcstattcie Focke-Hubschrauber FW. 61 er reichte unter Führung von Flugzeugführer Bode eine Höhe von 3570 Meier und hat somit öen im Herbst 1937 von Flug zeugführer Rohlfs auf dem gleichen Hubschrauber ausgestellten Höhenrekord um über 1000 Meter überboten Die neue Rekord leistung verdient um so mehr Beachtung, als die größte mit Hubschraubern bisber im Ausland erzielte Höhe nur 158 Meier beträgt. HokuSpokuS mit dem „Geisterfreund". Die Kriminalpolizei verhaftete in der Gemeinde Senne I bei Bielefeld den Ein- wobner P., der in geradezu grotesker Weise versucht hatte, den Mimderß-Mer" ?u spielen Da die Dummen nicht alle werden, blieben auch bei ihm die „Patienten" nicht aus, obwohl bei seiner Behandlung ein geheimnisvoller „Geistersreund" uns eine Siahlruie die Hauplrolle spielten, Er nannte einfach einige Krankheiten und ließ bei einer ihm erwünschten Krank heit die Slahlrule ausschlagen, was Vann ver Wink seines Geisterfreundes war. Mit diesem Hokuspokus soll der Mann tägliche Einnahmen bis zu 500 Mark gehabt haben. Jetzt end lich erstattete ein Ehemann Anzeige, »essen schwangere Fran von dem Schwindler beim Auftreten von Schmerzen so „be handelt" worden war, daß sie nur noch knapp dem Leben er halten werden konnte. s26. Fortsetzung.) Dieses Bewußtsein tröstet sie und gibt ihnen den Mut, sich mir mit ihren mehr oder weniger kleinen und großen Tagcssorgen anzuvertrauen. Weißt dn, Käthe, man müßte nur mehr Zeit und — ein wenig mehr Geld haben, daß man gleich, wo einem das gegeben erschiene, einsprinaen könnte. Es gibt Fälle dabei, die sich dem Bereich der allgemeinen öffentlichen Unterstützung ent ziehen und deshalb auch gar nicht zu ihrer Kenntnis gelangen. Da vermag man im Grunde nicht mehr, als mit wohlmeinendem Herzen gut zuzureden. Du glaubst nicht, wie dankbar innerlich vereinsamte Menschen schon dafür sein können. Das schlimmste Entbehren im Leben so eines vom Leben mitgenommenen Altchens ist, daß man nicht die notwendige Güte und Geduld für sie auf bringt. Natürlich, ich will nur gestehen, habe ich auch manch Schweres und Häßliches erlebt. Die schweren Zeiten nach dem Kriege hatte die Menschen verbittert und da durch gehässig gemacht. Sie waren mit sich und der Welt zerfallen, der furchtbare Geldschwund ritz ihnen den Boden unter den Füßen weg. Und ich war damals noch so dünnhäutig. Jedes grobe Wort verletzte mich zu Tränen. Ich habe viele vergossen aitf meinen Heimwegen nnd manchmal — sie lachte leise — sind mir die Tränen auf den Wangen gefroren. Als sie den Arm der Schwägerin fester um die Schul tern fühlte: „Nicht doch. Käthe, das ist längst über standen. Es war eine gute Schule für mich. Was wußte ich, behütet von den Eltern nnd von deinem Bruder, von dem wirklichen Leben? Nun kenne ich es und bin meinem Schicksal dankbar. Viel kann ich natürlich nicht tun, aber ein ganz kleines bißchen darf ich doch mit- weben am Teppich der Zeit, ein wenig Wärme in ein- jame Lernen tragen- trösten und raten, hie und da einen Weg ebnen, für Unbeholfene die Feder führen oder auch Warnungen anssprechen oder Gefahren aufzeigen." Käthe stolz hatte die trostwilligen Arme sinken lassen. War diese nicht reicher als sie selbst trotz ihrer gesicher ten, wohlgeordneten Lebensumstände? Sie sprach es aus. „Du bist sehr reich, Maria." „Ja, Käthe, sehr reich." „Kind, darf ich etwas fragen? Als du heute nach Hause kamst — ich sah dich von weitem — ich dachte: die Last, die sie trägt, ist zu schwer. Du schlepptest dich so müde, so elend — ich sah es wenigstens so — irrte ich?" Langsam stieg das Blut unter der Hellen Hant der Lichtfrau. „Sichst du, Käthe, körperlich bin ich schon immer sehr müde auf dem letzten Wegstück. Du mußt bedenken, daß ich acht bis zehn Stunden fast pausenlos tätig bin. Aber diese Müdigkeit verfliegt, sowie ich da heim bin. Heute freilich war es ganz schlimm. Ich habe etwas Furchtbares erlebt und mich dabei innerlich sehr verausgabt. Stell' dir vor, ein Mädchen bringt aus der Stadt ein Kind heim. Die Mntter, alt, bettlägerig — sie besitzt ein Häuschen, aber keine Barmittel — verweigert die Auf nahme. Es entspinnt sich ein rasender Kampf zwischen den beiden. Die Tochter, anscheinend noch geschwächt von der Niederkunft, verliert die Nerven. Man holt mich zur Hilfe. Ich kann nichts mehr ausrichten, obgleich die Alte sonst viel ans mich gibt. Mutter und Tochter batten sich schon bis fast znm Irrsinn auseinandergetobt. Ich hab das Würmchen — ein süßes Geschöpften — bei einer freundlichen Nachbarin nntergebracht, seine Mut ter war davongerannt. Ich muß morgen sehen, was ge schehen kann." Käthe erhob sich. „Schrecklich, du arme NllerweltS- lichtfrau! Nun schlaf dir frische Kräfte an. Unverant wortlich von mir, dich zn wecken." „Oh, im Gegenteil! Es war so schön, einmal über all das zn reden. Ich habe noch nie Gelegenheit dazu gehabt. Die Mädels dürfen das gar nicht wissen. Sie sehen nur die Schattenseiten meines Berufes. Den menschlich reifen Gewinn, den er mir bringt, zn er kennen, sind sie noch viel zu jung." * * * Knud PeterS wollte in den rechten Durchlaß des Johannistores einbiegen, als er, wie von einer Er scheinung gebannt, so jäh den Schritt verhielt, daß die dicke Frau hinter ihm gegen seinen Arm prallte. Es war eine Frau aus dem Volke, uud sie nahm sich kein Blatt vor den Mund. Aber der sonst.so höfliche Mann entschuldigte sich nicht einmal. Er hörte wahr scheinlich gar nicht, daß er ein Tolpatsch und nun gar ein ungebildeter Flegel sei. Er rannte über den Fahrdamm, gänzlich unbeküm mert um etwaige Fuhrwerke uud tauchte in den dichten Menschenzug, der durch die Hauptverkehrsstraße trieb. Er hatte unter einer weichgeschwungenen Hutkrempe leuchtendes Goldhaar entdeckt, einen tiefen Nacken- knoten, nnd die zierliche Fran, die diesen Kopfschmuck immerhin mit etlichen Mitschwestern teilte, hatte den besonderen federnden Gang, der den rechten Fuß fest aufsetzte, den linken ein klein wenig schwang. Mochte es solch selten schöne Geschöpfe mehrfach geben — diesen Gang hatte nur eine, die Frau von der Landstraße, die Lichtfrau' Jetzt wandte sich die ältere Dame in ihrer Begleitung und deutete auf den Johannisturm. Dadurch bekam er einen vollen Blick in das Antlitz, das ihm das lieblichste dünkte, das er je gesehen. Die enzianblauen Angen kletterten an dem alten Ge mäuer empor — ihn sahen sie nicht, obgleich er auf den Fersen folgte. Fast war er froh darum. So blieb er unbemerkt. Diesmal würde er sie nicht wieder aus seinem Ge sichtskreis entschwinden lassen — koste es, was es wolle. Aber wie? Und gleichsam als Antwort hörte er — nun sich der Menschenschwarm etwas gelichtet hatte — dis grauhaarige Dame sagen: „Wir müssen jetzt zur Göre, Maria. Die Ursch und ihr Frennd werden schon warten. Ich schlage vor, daß wir beide so etwa um vier Uhr zum Fuchsturm aufbrechen. Wir kommen durch Wald, so viel ich mich erinnere. Wir nehmen nns da schön Zeit. TaS Jungvolk rennt mir zu sehr. Außerdem war die Rede von einem Nachmittagskolleg. Unterdessen können wir den schönen Fernblick recht genießen." Die lebhaften Augen der Sprecherin waren wiederholt n verstohlener Prüfung nach rückwärts gegangen. Sie -alte heimlich belustigt festgestellt, daß ein sehr gnt aus« ehcnder Herr mit fast andächtigen Blicken an ihrer ungen Schwägerin hing und so entrückt schien, daß er hr Interesse an seiner Person gar nicht bemerkte. Viel« eicht hatte sie desbalb den NachmittagSplan so laut ent« hüllt — wenn sie sich das auch bestimmt nicht eingestau« den hätte, Mortsetzung folgt.)