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Wilsdruff-Dresden Sonnabend, den 8. Februar 1936 Postscheck: Dresden 2640 Jie HM md MmOlM igung seines Aw freien Fuß gesetzt. <, M zösische Parlament habe diese neue sehens wirklich nicht nötig. Nr. 33 — 95. Jahrgang Drahtanschrist: „Tageblatt" lich aber auch gegen diese Tatsache zu sprechen. Am meisten überrascht die unbarmherzige Tatsache der in schnellem Tempo ansteigenden englischen Arbeits losigkeit. Im Juni 1929 waren 9,6 Prozent, im Dezember 1929 11,1 Prozent der von der englischen Arbeitslosenversicherungsstatistik Erfaßten erwerbslos. 1932 stieg der Anteil für Juni auf 22,3 und für Dezem ber auf 21,7 Prozent. 1935 ist die Wiedereingliederung in den Wirtschaftsprozeß erst so weit gelungen, daß im Dezember noch 14,2 Prozent der Eingetragenen erwerbslos waren. 14,2 Prozent, das bedeutet zur Zeit in England etwas über zwei Millionen arbeitslose Menschen. Die umfangreichen Lohnkämpfe sowohl im Bergbau wie in einigen anderen Industrien dürften in den nächsten Monaten die Zahl der Arbeitslosen weiter herauftreiben. Das liegt zum weitaus größten Teil dar an, daß gerade d i e Industrien, die in früheren Jahren zum größten Teil für die Auslandsmärkte arbeiteten, wie der Bergbau und die Textilindustrie, heute ihre Absatz gebiete im Ausland großenteils einschrumpfen sehen. Ähnlich wie in den Vereinigten Staaten hat England sich Prüfung der Kolonialfrage durch die englische Regierung. Die englische Öffentlichkeit beschäftigt in starkem Maße die Unterhaus-Aussprache, in der der ehe malige Führer der englischen Arbeiterpartei, Lans bury, eine internationale Konferenz zur Rohstosfrage gefordert und in der der Liberale Lloyd George die Kolonialfrage angeschnitten hat. Rach einer Mitteilung der englischen Zeitung „Daily H e r a l d" hofft man i n amtlichen Londoner Kreisen, die Frage oer kolonialen Rohstoffe und der Neuverteilung der Mandate durch einen Ausschuß des Völkerbundes klären lassen zu können. Eine „vorläufige Prüfung" der Kolo nialfrage durch die britische Regierung sei bereits in vollem Gauge. In der „Daily Mail" schreibt der britische Poli tiker Sir Evelyn Wrench, daß von dem englischen Vorgehen zum großen Teil die Zukunft der Zivilisation abhänge. Er sei überzeugt, daß es keine Stetigkeit und Festigkeit in einer Lage geben könne, die es fünf Staaten erlaube, alle erwünschten Kolonialgebiete in der Welt zu besitzen, solange diese Staaten den anderen Ländern Hindernisse in den Weg legen und ihre Kolonien als wirt schaftliche Ausbeutungsobjekte betrachten. Der englische Politiker Lord Allen osHurtwood erklärte im Ver lauf einer Rede, die Neuerwägung der Kolonialfrage müsse rasch in Angriff genommen werden, bevor sie eine kri tische Gestalt annehme. Englische Gelder für Flotienaufbau der Gowjets? Nach einer Meldung der englischen Zeitung „Daily Dispatch" beabsichtigt S o w j e t r u ß l a n d, in groß zügigem Maßstabe seine Flotte auszubauen. Ein großer Teil des riesigen Militärhaushalts für dieses Jahr, das mit 14,8 Milliarden mehr als ein Fünftel des gesamten nationalen Einkommens ausmache, sei für den Bau einer müchtigenZer störerflotte sowie einer Anzahl Großkampfschiffe bestimmt. Das Blatt glaubt zu wissen, daß beträchtliche Aufträge — vermutlich für einige Schlachtschiffe — nach England vergeben wür den, Womit auch das Geheimnis der Tätigkeit des Mar schalls T u ch a t s ch e w s k i, der seit den Trauerfeierlich keiten in London weilt, gelöst sein dürfte. Eine tolle Fälschung. Wie ein französischer Abgeordneter Rüstungspropaganda betreibt. Die französische politische Wochenschrift „Vendred i" und die französische Sportzeitung „L'A u t o" decken eine unerhörte Fälschung auf, die voraussichtlich noch ein Nachspiel haben wird. Der Berichterstatter des Luftfahrthaushalts, Abge ordneter Bernier, hatte seinerzeit während der Be ratung des Haushaltsplanes in der französischen Kammer in seinem 228 Druckseiten langen Bericht ganze fünf Seiten der Wiedergabe einer Denkschrift gewidmet, die angeblich vom Großen deutschen Generalstab ver- öffentlichl sein sollte und in der „der deutsche General- stabsches General Reuß" sich mit der Notwendigkeit einer starken Luftflotte auseinandersetzt und den Willen Deutsch lands zum Ausdruck bringt, diese Luftwaffe so auszu bauen, daß sie in der Lage ist, jede Operaiion des Gegners auf dem Lande zu neutralisieren. Gewisse französische Kreise, die über die Zusammensetzung des deutschen Ge neralstabes einigermaßen unterrichtet sind, gingen nach Veröffentlichung des Berichtes des Abg. Bernier, der mit der Berichterstattung über den Lufthaushalt betraut war, den Dingen nach und haben folgendes festgestellt: Der Freispruch beruft sich auf Akten des -ichechoslo- wakischeu Innen-, des Außen- und des Justizministeriums, in denen die Landdienstübungcn des Bundes der sudeten- dentschen Landjugend als einwandfrei bezeichnet werden. Hinsichtlich des rcichsdeutschen Landdienstes laaen Auskünfte des tschechoslowakischen Außenministe riums vor, wonach in den Unternehmungen dieses Landdienftcs eine gegen andere Staaten gerichtete Politik nicht betrieben werde. Das Gericht habe zwar als erwiesen angenommen, daß der Landoieust in Dentschland, an dem ein Teil der Beschuldigten teilgenommen habe, unter Aufsicht der NS DAP stehe' es sei jedoch nicht erwiesen, daß er eine gegen die Tschechoslowakei gerichtete Politik betreibe. Das Ge richt habe ferner erkannt, daß die in der Anklageschrift erhobene Beschuldigung, die Angeklagten hätten mit staats feindlichen ausländischen Faktoren in Verbindung ge- tandest, in keiner Weise erwiesen worden sei. Anerkennung des Reichsarbeits» dienstes im Ausland. Freispruch eines tschechischen Gerichts gegen zwölf'' Sudetcndentsche, die im Rcichsarbcitsdicnst tätig waren. Der Schutzgesetzprozeß gegen zwölf Sudetendeutsche, die wegen Teilnahme an den Landdienstbestrebungen des Bundes der sudctendeutschen Landjugend und wegen Teil nahme am Lauddieust in Deutschland des Verbrechens der Vorbereitung von Anschlägen auf die Tschechoslowakische Republik angcklagt waren, endete nach viertägiger größ tenteils geheim gesührter Verhandlung vo-r. dem Kreis- gericht in Leitmeritz mit dem Freispruch allcH Angeklagten. Nach der Nrlcilsvcrkünduug wurden die Beschuldigten, die sich seit längerer Zeit in Haft befandet, t sofort auf Der inzwischen verstorbene italienische General Douhet hat in seinem in militärischen Kreisen wohl bekannten Buch „Der Luftkrieg" die Entwicklung eines Zuknnftskricges zwischen zwei Großmächten behandelt und in diesem Zusammenhang der militärischen Organi sation Frankreichs und Deutschlands ein besonderes Kapitel gewidmet. Die darin enthaltenen Ausführungen waren dem Zweck und dem Sinn des Buches entsprechend theoretische Annahmen des Verfassers, der ab sichtlich Zukunslsmöglichkeitcn behandelte. General Douhet hat zu diesem Zweck einen deutschen Generalstab erfunden und an seine Spitze die ebenso fiktive Persön lichkeit des „Generals Reuß" gestellt, der dem Deutschen Reichskanzler angeblich einen Plan unterbreitet habe. Dieser Plan ist natürlich ebenso eine freieAn- nahme wie die Figur des GeneralsReuß. Den Berichterstatter des französischen Lufthsushalts hat dies aber nicht daran gehindert, die Seiten 124 bis 127 der Abhandlung des Generals Douhet über den Zukunftskricg in seinen Bericht zu übernehme« und ihm einen amtlichen Anstrich zu geben. Auf Seite " bis Il> seines Berichts heißt es n. a.: „Um die deutsche Auffassung besser zu verdeutlichen, halten wir es für zweckmäßig, auszugsweise ein Schriftstück wieder zugeben, das von dem großen deutschen Generalstab ver öffentlicht worden ist." (!!f „L 'Ä u t o" verlangt, daß man die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehe. Eine U n ter- suchung sei auf alle Fälle notwendig, dettn das fran- Wetttauf um Ausfuhr. Deutsche Uhren und deutsches Spiegelglas im Ausland stärker gefragt — Brasilien Deutschlands bester Baum- wollieferant — Warum steigen die Arbcitslosenziffcrn auf der „glücklichen Insel"? Aus den deutschen Ausfuhrwünschen ist unter dem Druck der VeAMtnisse längst ein Anssuhrzwang ge worden. Wir müssen heute darauf bedacht sein, jeden erdenklichen Warenposten auszusühren, nm damit unsere außerordentlich knappe Devisendecke zu verlängern. Dabei muß auch der kleinsten Ausfuhrmöglichkeit nachgegangen werden, selbst auf die Gefahr hin, daß sie, wie es heute in den meisten Fällen ist, mit finanziellen Opfern erkauft werden muß. Diese Erfahrung der Ausfuhr unter Opfern hat im abgelaufenen Jahre auch die deutsche Uhreuindustrie machen müssen. Ihr gelang es, ihre Ausfuhr von 62 700 Doppelzentner auf 71200 Doppel zentner zu steigern. Allerdings bleibt sie mit diesem Er gebnis noch uin ein beträchtliches hinter dem Ausfuhr ergebnis von 1928 zurück. Aber die letztjährige Steige rung von 8500 Doppelzentner fällt bei den wachsenden Schwierigkeiten, die sich der deutschen Ausfuhr cntgegen- stellen, doch stark ins Gewicht. Von dieser Steigerung wurden vor allem Wanduhren und Standuhren be troffen. Leider aber steht, wie in den meisten Fällen, gleichgültig, ob es sich um die Erzeugnisse der Groß industrie oder der Kleiniudustrie handelt, die geld liche Aufbesserung in keinem Verhältnis zur Umsatz steigerung. Denn die gesamten 8500 Doppelzentner, die mehr an Uhren ausgeführt wurden, ergaben nur einen zusätzlichen Ansfuhrertraq von zwei Millionen Mark. Ter Seste Kunde für die deutschen Uhrenerzeugnisse, gleich Welcher Art, ist nach wie vor Großbritannien. In der Reihe der Waren, die im Vorjahr nicht nur ihre Jnlandsabfätze ganz beträchtlich erhöhen konnten, sondern auch verlorengegangene ausländische Absatz märkte zurückgewannen, gehört auch die Spiegel glasindustrie. A>tf dem Jnlandsmarkt kam ihr vor allem die verstärkte Bautätigkeit der öffentlichen Hand zu gute, die vielfach auf das Spiegelglas trotz der guten Erfolge mit dem Ziehglas zurückgriff. Der Auslandsver sand, der durch die dem Spiegelglassyudikat in Köln nahestehende deutsche Spiegelglas-Ausfuhrgesellschaft in Aachen erfolgt, hat für 1935 eine zwanzigprozentige mengenmäßige Steigerung gegenüber dem Vorjahr auf gewiesen. Allerdings sollen auch hier die Preisopfer recht beträchtlich gewesen sein. An keinem Rohstoff, den Deutschland aus dem Aus land einführt, zeigen sich die Auswirkungen des Neuen Planes so deutlich wie bei der B a u m w o 1 l e. Der Neue Plan besagt ausdrücklich, daß nur die Waren bezogen werden dürfen, für deren Bezahlung die notwendigen Devifen vorhanden sind, und daß nur aus den Ländern Waren Angeführt werden dürfen, die ihrerseits deutsche Waren dagegenkansen. In früheren Jahren war es stets so Brauch, daß wir mindestens 80 v. H. unseres deutschen Baumwollbedarfs aus den Vereinigten Staaten ein führten. Dieser Brauch konnte seit 1934 nicht mehr bei behalten werden, weil die Vereinigten Staaten sich weiger ten, die bis dahin in großen Mengen bezogenen deutschen Fertigwaren aus Deutschland zu kaufen. Sie erklärten dieses Vorgehen mit der Notwendigkeit, den Absatz ihrer eigenen Industrien schützen zu müssen. Durch diese Hal tung haben die Vereinigten Staaten uns selbst dazu ge- zwungem uns nach anderen Baumwollieferanten umzu sehen. Rach solchen nämlich, die bereit waren, ihre Baum wolle gegen deutsche Jndustrieerzeugnisse einzutauscheu. Unter den jetzigen Baumwollieferanten Deutschlands steht Brasilien an erster Stelle. Es hat längst die Vereinigten Staaten überflügelt. Außerdem liefern Ägypten, Britisch- Jndien, Peru, die Türkei, Argentinien, der Iran und einige andere Länder uns den so notwendigen Rohstoff. Unsere im letzten Jahr stark gebesserten wirtschaftlichen Beziehungen zu den südamerikanischcn ABC-Staaten be ruhen nicht zuletzt auf der Tatsache des deutschen Waren tausches gegen Baumwolle. Der außerordentliche Rückgang der Baumwolleinfuhr aus den Vereinigten Staaten, die heute nur noch ein Fünftel ihres Umfanges vomJahre 1933 beträgt, hat sich bereits weitgehend auf die amerikanischen Baumwollfarmer ausgewirkt. Während Dentschland in der Nachkriegszeit durchschnittlich 10 bis 15 v. H. der ameri kanischen Baumwollernte abnahm, waren es im ver gangenen Jahr nur noch 3 bis 4 v. H. Auf diese Weise ist die amerikanische Landwirtschaft letzten Endes das Opfer der Zugeständnisse geworden, die der Industrie und ihrer Schutzzollpolitik gemacht werden mußten. In der Reihe der Länder, die das Jahr 1935 mit einem ungewöhnlichen Wirtschaftsaufstieg durchlaufen haben, ist immer wieder England genannt worden. Der Aufschwung hatte dazu geführt, daß England allgemein wieder der Titel der „glücklichen Insel" zuerkannt wurde. So viel Anzeichen für die Berechtigung dieses Beinamens sprechen mögen, wenn man die Entwicklung beispiels weise in der Banind u st r i e oder in derFlugze u g- industric verfolgt, so viel Anzeichen beginnen allmäh- oceze Enrnncnung zetvst zuzuscyretven, da es nämlich durch seinen übexgang vom Freihandel zur rücksichtslosen Schutzzollpolitik viele seiner Abnehmer verstimmt und ver loren hat. Nicht nur in Deutschland, sondern in den meisten Industriestaaten besteht heute notgedrungen der Grundsatz der Gegenseitigkeit im Warenaus tausch. So kam es, daß der Wert der englischen Aus fuhren im letzten Jahr bereits um 45 v. H. unter dem des guten Ausfuhrjahres 1929 lag. Am stärksten von diesem Rückgang war der K o h l c n b e r g b a n betroffen, um so mehr, da Sl und Elektrizität vielerorts der englischen Kohle den Rang streitig gemacht haben. Ähnlich erging es der Textilindustrie, bei der allerdings die Hauptursache der j a p a u i s ch e We t 1 b ew e r b war. Die scharfen Preisunterbietungen Japans am Baumwoll markt haben England nicht nur um einen Teil seiner früheren Absatzgebiete gebracht, sondern machen cs ibm auch unmöglich, den an sich berechtigten Lolmforderungcn der Textilarbeiter nachzukommen, da die durch sie bervor- gerufeue Preissteigerung für Baumwolle England weiter vom Markt verdrängen würde. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meisten, des Stadt rats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nationale Tageszeitung für (andwirtschaff und Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend tung oder Kürzung des Bezugspreises Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Rückporto beilwgt. alle anderen Stände des Wilsdruffer Bezirks Anzeigenpreise laut auflicgender Preisliste Ar. 6. — Zisfer-Gebühr: 2g Rplg. — Porgeschrie- bcne Erscheinungstage und Plahwünschc werden nach Möglichkeit berücksichtigt — Anzeigen-Annahm« bis vormittags w Uhr .. Für di- Richtigkeit der durch Fernrus übcrmit. Fernsprecher: Amt Wilsdruff 206 leiten Anzeigen überneh. men wir keine Gewähr — Bei Konkurs und Zwangsverglcich erlischt jeder Anspruch aus Nachlaß