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Zwei sn dev Mssmine. Skizze von Jokannes von Runorviki. Wenn nachmittags um vier die Glocke durch die Hallen der Fabrik schrillte und sich die großen Tore öffneien, drängien an schwarzem Strom die Menschen aus die Straße. Es war ihre Zeit, die jetzt vor ihnen lag, die sie ansfüllten nach ihrer Neigung, und schade schien es um jede Minute, die ihnen der Weg stahl von der Freude ihres kleinen Gärtchens, von dem Zusammensein mit Frau und Kind... Mitten unter den andern ging Rudolf Blankerts. Trug Wie sie unter dem Arm die jetzt am Nachmittag leere, in der Mitte geknickte, kleine Tasche, wechselte Wort und Gruß mit den Kameraden. Es war aber dennoch etwas Fremdes um den Mann, der seine eigenen Wege ging. Rudolf Blankeris war ein Erfinder, oder bester, er wollte es werden. Mied die kleinen Freuden und Ausgaben feiner Kameraden, steckte jeden Groschen und jede Minute in sein Werk, und kam er in sein Zuhause, schlüpfte er wieder in den blauen Kittel der Arbeit, griff nach dem Werkzeug und bastelte von neuem bis früh in den Tag. Es war nicht das Perpetuum mobile, dem seine Mühe galt, oder eine Spielerei, so ein kleines Ding für die Tasche etwa, ohne das die Welt wahrhaftig auch weiter bestünde. Aus seiner Arbeit heraus war ihm der Ge danke gekommen, und dem Nutzen der Arbeit sollte auch die Er findung dienen. Die Schutzvorrichtung an der Maschine, die er in seiner Fabrik zu bedienen hatte, schien ihm umständlich und unzuverlässig zugleich. Aus ersten versuchsweisen Handgriffen und Ueberlegungen war eines Abends in groben Zügen die neue Vorrichtung zu Papier gebracht. Und jetzt stand sie so gut wie fertig auf dem Tisch seines kleinen Zimmers und wartete des Augenblicks, da sie hielt, was man sich von ihr versprach. Blankerts hatte bei alledem nur wenig Zeit gefunden, sich um das, was um ihn war, zu kümmern. Wenn einen Menschen seines Werdens ein solcher Gedanke beherrscht, zwingt er ihn auch weit mehr noch in seinen Bann als jeden anderen. Auf seinen Zügen spiegelte sich sein Erleben Wider, — wie dem Künstler seine Welt zum Ausdruck wird. Hatten Agnes Luchterhand und er ein Stück desselben Weges, am Abend und am Morgen. Und wenn auch er sie nicht gesucht, fand doch sie an dem Sonderling, der so anders war als alle seine Kameraden, Gefallen. Sie gingen zusammen, und Wenn andere dabei von den Balkonkästen sprachen, die sie nach Feierabend streichen wollten, oder von dem fremden Sender, den sie gestern im Rundfunk gefangen, sprach Blankerts von seiner Erfindung. Und es kam wie von selbst, daß Agnes zu ihm eintrat und verständnislos vor den eisernen Netzen und blanken Hebeln stand, die den Inhalt seines Lebens ausmachten. Won neuem hörte sie geduldig zu, als der Erfinder der ihr das Wirken der Vorrichtung zu erklären suchte. Ihr ging das nicht «in, ihr Auge aber sah den Staub, der über den Dingen lag, und ihre Hand verscheuchte ein wenig die Unordnung des Raumes. Der Mann empfand das Wirken Meier Frauenhand wohl tuend, wenn er auch manchmal den Lötkolben erst nach langem Suchen auf einem anderen Matze wiederkand. Es gab Augen blicke, zumal jetzt, da seine Arbeit fast vollendet war, wo er Agnes insgeheim beobachtete und seine Blicke von ihren sorgen den Händen aufwärts glitten zu ihrem Gesicht unb an ihrem Munde hängen blieben? Doch wenn er dann weiter dachte, dann ergriff ihn wieder der Kreislauf des Denkens um seine Maschine. Seine Frau sollte nicht nur Frau und Mutter und Alltags- kameraoin sein, sie mußte mit ihm denken können, teilhaben an dem Auf und Nieder seiner Gedanken und Empfindungen. Da nach aber waren die Augen der Anlegerin Agnes Luchterhand nicht beschaffen, und das Wort blieb ungesprochen, das sie von ihm nicht ungern gehört hätte... So kam der große Tag, der Tag, der es zeigen sollte! Es hatte Kämpfe gekostet, bis der Betriebsleiter eingewilligt, daß Blankerts die alte Schutzvorrichtung von seiner Maschine ab montierte und an deren Stelle die seine setzte. Es War nach Feierabend. Im dichten Kreis umstanden die Werkmeister den Erfinder und seine Maschine. Auch von den Kameraden waren mehrere geblieben, die an dem Sonderling doch Anteil nahmen oder sich etwas Außergewöhnliches ver sprachen. Und jetzt stand auch der Direktor des Werkes im Kreise. „Also los, Blankerts, auf Ihre Verantwortung!" Schwerfällig setzte sich die Maschine in Bewegung, kam auf Tour, arbeitete wie immer. Das aber war ja nichts Besonderes, denn Sie Blaukertssche Erfindung bezog pch ja nicht auf die Arbeit selbst, sondern vielmehr auf deren Schutz und auf den Fall, daß einmal nicht alles so klappte, wie es vorgesehen. „Stopps—", ein Werkmeister zog den Hebel herunter, die Maschine lief aus, stand. So war das nichts! Die, die immer alles besser wissen und jedem mißtrauen, was über ihren Alltag geht, stießen sich an. Wo war denn nun die so viel besprochene Erfindung von dem Blankerts'? „Die Mafchine muß arbeiten, es muß aber auch richtig an gelegt werden wie sonst, und dann schalten wir um, als wenn etwas vorgcfallen wäre. Tann werden wir sehen, wie die Vor richtung arbeitet", setzte ein Werkmeister auseinander. Der Direktor nickte. Aber dann hob er die Hand — „Können Sie denn anlegen, Blankerts?" fragte er den Mann, der zu der Maschine getreten war, um die Hantierung vorzunehmen. „Eigentlich nein, Herr Direktor. Gelernt und gemacht habe ich es nicht, aber ja oft genug gesehen, es wird schon gehen." Bedenklich schüttelte der Direktor den Kopf. „Wenn Sie sich aber versehen und Ihre Erfindung sich nicht bewährt, — diese Verantwortung kann ich nicht übernehmen..." Da geschah etwas Unerwartetes. Aus oem Kreise der Umstehenden drängte Agnes Luchter hand. Mit einem Griff hatte sie den Hebel heruniergerissen, der die Mafchine in Gang setzte. Dann schob sie den verdutzten Blankerts von seinem Platze, stand vor der Maschine und legte an, wie sie das tagaus, tagein zu tun pflegte. „Achtung —", es war Blankerts selbst, der jetzt die Maschine bediente. Whe ein Taumel war es über ihn gekommen, für eine Sekunde gingen seine und des Mädchens Blicke ineinander, dann: „Die Maschine setzt aus!" . Jähes Stoppen, ein bösartiges Knacken, das nach der Ein tönigkeit des sonstigen Laufes sich doppelt schreckhaft in die Ohren der Zuschauer sraß, — die Schutzvorrichtung fiel — und stand! Wieder Maschinenlauf, wieder Umschaltung, — die beiden Menschen spielten vor der Menge ihr hohes Spiel, und das Werk ans des Mannes Händen zeigte sich des Einsatzes würdig! „Danke, danke, lieber Blankerts, schalten Sie aus. Das genügt, ich gratuliere Ihnen." — "Rudolf Blankerts ftand an der Seite des Mädchens. „Wie konntest Du das wagen?" Agnes Luchterhand lächelte nur, wie Frauen sich immer geben, wenn sie ohne viel Worte sich dem Manne in ihrer ganzen, fremden Größe zeigen... „Ich hatte Vertrauen zu Dir!" Fest griff Blankerts ihre Hand. In dem Druck lag die Bitte um Verzeihung und ein Gelöbnis. Und die andern, die an diesem Feierabend schon so viel des Außergewöhnlichen erlebt, fühlten, daß ihr „Hoch!" auf den glücklichen Erfinder noch etwas anderem galt, das in der Luft lag und doch keinen Namen hatte. Vie Rshkur. Der Volkswitz reibt sich gern an der Schwiegermutter. Oft sehr zu Unrecht, wird man zugeben. Denn jeder weiß, daß es auch böse Schwiegerväter gibt. Da war der 65jährige Maurer Martin Parovsky in Engerau, der sich mit seinem Tochtermann ganz und gar nicht vertragen konnte. Das häusliche Zusammen leben wurde allmählich höchst unerquicklich und endete schließlich damit, daß Ludwig Slawik sein Weib bei der Hand nahm und daß beide ein neues, friedliches Heim gründeten. Leider zeigte es sich, daß sie pch zu früh gefreut hatten. Denn nun wurde der Schwiegervater zum Prozeßhanfl. Er verklagte den Jungen wegen angeblich rückständiger Miete. Aber der Haß mußte den Alten Wohl blind gemacht haben. Denn alle Gerichte, die der Streitsüchtige anrief, gaben ihm unrecht. Der unheilige Namens vetter des heiligen Martin hatte zu dem Schaden noch den Spott. Statt nun Vernunft anzunehmen, wurde er immer hitziger in seinem Zorn. Und jetzt scheute er nicht einmal vor einem Ver brechen zurück... Zu mitternächtlicher Stunde schlich er vor das Haus des Verhaßten. Dort machte er zunächst das Schlüssel loch der Haustür gebrauchsunfähig, indem er es mit einer Weichen Masse verstopfte. Dann stieg er an einem der Fenster hinauf, bestrich das Glas mit einem klebrigen Stoff, preßte Papier darauf, damit bei der Zerstörung der Scheibe kein Lärm entstehe, und drückte sie dann vorsichtig ein. Als' alles still bllebs schleuderte der Alte eine Blechbüchse mit brennendem Benzin in das Innere des Raumes. Zu guter Letzt setzte er noch einige Schwefelpapierstücke in Flammen und warf auch diese in das Zimmer. Der zornmütige Greis hatte so ziemlich alles getan, was in seinen Kräften stand. Wenn das Werk trotzdem nicht ge lang, dann lag das Wohl daran, daß er eben doch kein richtiger Verbrecher war. Benzin und Schwefel konnten keinen rechten Schaden anrichten. Aber der Brandstifter selbst stand urplötz lich in Hellen Flammen. Und als der Schwiegersohn, durch die verdächtigen Geräusche geweckt, herbeistürzte, sah er zu seinem L-chrecken die lebende Fackel, in ihrer Mitte das gräßlich ver zerrte Antlitz des alten Mannes. Der Uebcrraschte faßte sich ledoch schnell. Einige Kübel eiskalten Wassers genügten, die Glut zu löschen. Der Alte kam mit schmerzhaften, aber ungefähr lichen Brandwunden davon. Sie erwiesen sich sogar als sehr wohltätig. Was die Vernunft nicht vermocht hatte, war der heißen Flamme gelungen: Der gerettete Greis reichte dem Tochtermann bittend die Hände. Und der schlug ein. DerrFriede war geschlossen. Das Feuer, das den Jungen verderben sollte, hatte das allzu hitzige Gemüt des Alten ausgeglüht. Reichender Leipzig. Donnerstag, 30. Januar. Reichssender Leipzig: Welle 382,2. — Neben sender Dresden: Welle 233,5. 6.00: Cboral und Morgenspruch, Funkgymnastik. * 6.30: Vom Deutschlandsender: Fröhliche Morgenmusik. * 8.00: Funk- gvmnastik. * 8.20: Mutter und Kind. * 8.30: Aus Breslau: Musik für die Arbeitskameraden in den Betrieben. * 9.30: Sendepause. * 9.40: Kindergymnastik. 4- 10.00: Wetter, Wasser stand, Tagesprogramm. * 10.15: Vom Deutschlaudsender: Eine Feierstunde zum Tag der deutschen Revolution. 4c 10.454 Sendepause. * 11.30: Zeit und Wetter. 4- 11.45: Für den Bauer. * 12.00: Aus München: Mittagskonzert. — Dazwischen: 13.00: Zeit, Nachrichten und Wetter. 4- 14.00: Zeit, Nachrichten nnd Börse. 4c 14.15: Vom Deutschlaudsender: Allerlei, von zwei bis drei! 4- 15.00: Heute vor . . . Jahren. 4c 15.05: Kunstbericht. 4c 15.20: Wirtschaftsnachrichten. 4c 16.00: Vom Deutschlandscnder: Zur grünen Woche. Bunter Nachmittag aus deu Ausstellungshallen. 4c 16.30: Hausmusik. 4- 17.00: Zeit, Wetter nnd Wirtschaftsnachrichtcn. 4- 17.10: Winterliche Kunstsormcn der Natur. 4c 17.30: Wir tragen nnd bauen das Reich. Folge in Lied, Wort nnd Musik zum 30. Januar. 4- 18.00: Aus Königsberg: Konzert: 1. Aus deutschen Opern, 2. „Nach Ostlanv" (Zyklus für Männerchor), 3. Richard Wagner. 4c 19.45: Umschau am Abend. 4c 20.00: Nachrichten. 4- 20.10: Mus Breslau: Mozart-Zyklus: „Jdomcnco." Oper von W. A. Mozart. 4c 21.30: Ein Winterabend im Hochharz. 4- 22.00: Nachrichten nnd Sport. 4- 22.20: Des sächsischen Dichters Paul Fleming persische Reise. (Hörfolge.) 4c 23.20—24.00: Aus Berlin: Spätabendmusik. SeuMlEenSer. Donnerstag, 30. Januar. Deutschlandsender: Welle 1571, 6.00: Glockenspiel, Tagesspruch, Choral, Wetter. 4c 6.10: Funkgymnastik. 4- 6.30: Fröhliche Morgenmusik. — Dazwischen 7.00: Nachrichten. 4c 8.30: Morgenständchcn für die Hausfrau. 4- 9.00: Sperrzeit. 4- 9.40: Kindergymnastik. 4- 10.00: Sende pause. 4- 10.15: Nichts geschieht, wenn nicht ein Wille befiehlt. Eine Feierstunde zum Tag der deutschen Revolution. 4- 10.45: Sendepause. 4- >1.05: Gemüserohsäfte im Haushalt. 4c 11.15: Seewetter. 4- 11.30: Der Bauer spricht — der Bauer hört. —. Anschl.: Wetter. 4- 12.00: Aus Breslau: Musik zum Mittag. — Dazwischen 12.55: Zeitzeichen. 4- 13.00: Glückwünsche. 4- 13.45: Nachrichten. 4° 14.00: Allerlei — von zwei bis drei! 4- 15.00: Wetter, Börse, Programmhinweise. 4- 15.15: Dcmsche Mütter an ihre Söhne. 4- 15.45: „Und ihr habt doch gesiegt!" 4- 16.00: Zur Grünen Woche. Bnnter Nachmittag aus den Äusstellungs- hallen. 4c 18.00: August Klughardt: Quintett für Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott. 4- 18.30: Gedanken von Houston Stewart Chamberlain zum neuen Reich. 4- 18.50: Sport. 4c 19.00: Graziöse Kammermusik. 4- 19.45: Deutschlandecho. 4- 20.00: Kernspruch, Wetter, Nachrichten. 4- 20.10: Heroische Suite aus Werken von Herbert Windt. 4c 20.30: Der Weg zum Reich. Eine Vision deutscher Geschichte von Eberhard Wolfgang Möller. 4- 22.l)0: Wetter-, Tages- und Sportnachrichten. 4c 22.00: Aus München: Weltpolitischer Monatsbericht. 4- 22.45: Seewetter. 4- 23.00—24.00: Aus Königsberg: Unterhaltungs- und Tanzmusik. Durch Nacht zum Tag Roman von Kurt Martin. Alle Rechte Vorbehalten. Nachdruck verboten. Copyright by Derlaa Neues Leben. Bavr. Gmain. KO „Sie hielt sich tapfer bis gestern Abend. Und wäre wohl tapfer geblieben bis zur Hochzeit. Sie wäre den Weg gegangen, den sie sich vorgezeichnet hatte. Wie sie dabei litt, — das weiß nur ich! — Trotzdem sie sich mir nicht anvertraut hast — Aber da kam gestern Abend die Nachricht non dem Dampferunglück, und das brach ihre Kraft. — Verstehen Sie mich recht! — Nicht die Sorge um Larsen, den sie nicht liebte, den sie innerlich wohl verabscheute, — nein, aber die Tat sache, daß sie nun noch unbestimmt länger diese Komödie hier spielen sollte, daß die Hochzeit verschoben werden mußte, daß es noch weiterhin für sie hieß, dies falsche Spiel zu spielen, — die brach ihre Kraft. — Sie konnte es nicht mehr tragen. — Günther war do. und ich, und uns beiden gestand sie in der Nacht alles. — Mein armes Kind! — Was Irmingard in den letzten drei Wochen gelitten hat, das ist mehr, als ein Mensch zu ertragen vermag! — Ich habe sie von Anfang an angefleht: Vertraue dich mir an! Sage mir, was dich bewegt! Was ist gestehen? — Sie lächelte nur und ver sicherte immer wieder, ich täusche mich. — Ich weiß jetzt alles. — Und Irmingard hat mir und Günther, der heute morgen wieder abgereist ist, versprochen, daß sie — nicht Larsens Frau werden will." »Und warum wollte sie Larsens Frau werden?" „Um Ihretwillen!" Er sprang auf. „Also doch!" „Ja, Reinhold, um Ihretwillen! — Und ich ahnte es von Anfang an. Ich ahnte es seit damals vor drei Wochen, als Ihre Mutter zu uns ins Haus kam, als sie anderen Tags mit Irmingard einen Tagesausflug nach Heringsdorf machte und Irmingard noch am gleichen Abend Larsen ganz anders als bisher behandelte. Sie zeigte dem Mann, den sie nie leiden konnte, dessen Aufdringlichkeiten sie ängstlich floh, eine Art Zuneigung. — Tags darauf ist sie bereits Larsens Braut geworden." Er rang nach Fassung. „Also doch alles so, wie ich befürchtete!" „Ich muß Sie um Verzeihung bitten, Reinhold!" „Sie? — Mich?" „Ja. — Ich dachte schlecht von Ihnen. Ich dachte, Sie hätten Irmingard wehe getan, Sie hätten ihr vielleicht ge schrieben, daß Sie ein anderes Mädchen liebten, oder Sie hätten es sich überlegt, daß Sie lieber doch nicht die Tochter eines Mannes heiraten sollten, der —" „Bitte, nicht so!" „Nein! — Ich weiß es jetzt. — Ihr lieber Vater hat an mich geschrieben. Ihre Mutter hatte ihm wohl Irmin- gords Verlobung mit Larsen mitgeteilt. Diese Nachricht hat ihn scheinbar sehr überrascht und erregt. Er schreibt mir viel von Ihnen. — Ich weiß es jetzt von ihm, wie Sie denken. Ich weiß auch, wie er denkst" „Und Irmingard?" „Wir sprachen die ganze Nacht miteinander. Sie fand keine Ruhe. Sie denkt und denkt und zermartert ihren armen Kopf. Wir sprachen ihr immer und immer wieder gut zu. — Pis sie uns wenigstens gelobte, die Verlobung zu lösen. — Günther schied heute früh voller Sorge um sie von hier. — Jetzt schläft sie." Er atmete schwer. „Sie schläft! — Ich will mit ihr sprechen. Ich darf doch?" „Ja. — Ich glaube, es ist gut, wenn Sie mit Ihr sprechen. — Eie will Sie von dem Unglück befreien, das Ihnen an ihrer Seite drohen würde. — Sie weiß ja längst, daß Sie sie lieben. Und es war ihr Glück, dieses Wissen. — Vis vor drei Wochen. —" Eine tiefe Furche grub sich zwischen seine Brauen. „Mein Vater vermutete recht. — Das hat meine Mutter getan." „Sie tat es wohl Ihnen zuliebe." „Mir zuliebe! — Wo sie immer und immer wieder aus meinen Briefen las, daß ich mein ganzes zukünftiges Glück bei Irmingard suchte und bei ihr zu finden hoffte. — Nein!" Seine Stimme klang hart. „Es war meiner Mutter Selbstsucht! — Ich weiß, wie sie vor zwei Jahren sprach. — Jetzt handelte sie eigenmächtig, ohne mein Wissen, ohne meines Vaters Wissen!" M „Reinhold!" Er hob abwehrend die Hand. „Da hilft kein Entschuldigen. — Meins Mutter stieß Irmingard in diese Not, und nicht nur Irmingard, auch mich!" „Irmingard will mit mir weit fortziehen." „Um mir fern zu sein?" „Ja." „Und warum?" „Sie sollen sie vergessen." Er reckte sich. „Nie! — Und wenn meine Mutter das erreichte, daß Irmingard zu der Ueberzeugung kam, meinem Glück zu dienen, wenn sie eine unüberbrückbare Kluft zwischen uns beiden aufriß, — ich, — hören Sie —, ich will es erreichen, daß sie daran glaubt, mein Glück zu sein, daß sie mein Weib werden will, daß sie es weiß, mir damit des Lebens reichstes Glück zu bringen!" Frau Jutta sah ihm in die Augen. Sie reichte ihm die Hände. „Ich vertraue Ihnen, Reinhold. Dringen Sie meinem Kinde das Glück! — Wenn Irmingard doch Ihren Worten glauben würde!" „Sie wird es! — Darf ich sie sehen?" „Kommen Sie!" Leis stiegen sie nach oben. Frau Jutta klinkte die Tür auf. Er trat behutsam ein. Langsam schloß sich die Tür wieder hinter ihm. Er sah sich um. Frau Jutta war ihm noch nicht ins Zimmer gefolgt. Seine Bliae glitten hin zu dem Bett. Da lag Irmin gard und schlief. Auf den Fußspitzen schlich er hinzu und letzte sich aus den Stuhl neben ihrem Lager. — Wie abgehärmt das liebe, liebe Gesicht aussah! — Wie leidzermartcrt! — Seinetwegen! — Nur seinetwegen! Seine Augen ließen nicht von ihr. Tausend Empfindun gen rangen in ihm und drängten ihn, sie zu rufen, zu bitten, ihr zu danken, ach, und vor allem laut aufzujubeln: Irmin gard ist frei! Mein wird sie werden! Mein! — (Fortsetzung folgt.)