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„Spiel bayrisch, der Besuch kommt!" Ja, eS gab auch witzige Launen der Grenze. Und die schlechteste war jene nicht, als sie uns drüben in Thüringen das Melodrama vom König Ludwig vorsangen. Wir waren bei Bekannten zu Besuch, die ein bißchen das Zitherspiel pflegten. Da sangen denn Vater, Bub und Mädel dreistimmig die rührende Geschichte vom Märchenfürsten am Starnberger See. Und wir schneuzten uns, Bewegung heuchelnd, heftig die Nasen: das wäre einmal so recht was für uns Bayern gewesen. In Wahrheit war uns der weiß-blaue Alpenzanber von Herzen gleichgültig, — aber man kann doch die Gastfreundschaft nicht verletzen Jetzt liegt der alte Stock also auf dem Holzstoß des Weg machers. Ein Erlaß des Reichsinnenministers machte die Pfähle auch äußerlich unnötig, die eine innere Berechtigung nicht mehr hatten. Ein Auto kam aus der Stadt und nahm die Wappen tafel mit, — Bronze läßt sich nmer wieder nützlich verwerten. Den morschen Holzstock wollte der Staat nicht haben, und der Wegmacher tat recht, ihn zu entfernen. Oder sollte ihn erst ein Gewitter auf die nächtliche Straße werfen? Brot und Kälber werden drüben wie hier jetzt nach dem gleichen Plan verteilt, Feldgendarmen brauchen nicht mehr zu patroullieren, und das Wort „Kamerad" würde nicht mehr ver gebens gesproßen. Wir sind groß geworden, wie wir's damals dachten, und können an andere Grenzen Herangehen, — denn noch steht manche Grenze, in den Herzen und auf den Fluren anderer Landstriche... Zeuge im Gerichtssaal medergesHoffen. Kommunistische Bluttat in einem Wilnaer Kommunistenprozeß. Der Sitzungssaal dcsWilnacr Bezirks gerichts war der S ch a u p l a tz e i n e s verbreche rischen Anschlags auf einen Zeugen, der im Prozeß gegen 17 der Vorbereitung des Hochverrats beschuldigte Kommunisten vernommen wurde. Während der Vernehmung dieses Zeugen erhob sich plötzlich ein Mann von einer der Zuschauerbänke, ging auf den Zeugen zu und feuerte hintereinander vier Schüsse aus einem Revolver aus ihn ab. Der Zeuge stürzte getroffen zu Boden, erhob sich aber wieder und rief: „Es lebe Polen!" Darauf sank er erneut zu sammen. Der Täter versuchte, die allgemeine Verwirrung zu benutzen und zu fliehen. Er wurde jedoch von Polizeibeamten verfolgt. Auf der Treppe wandte er sich plötzlich um und schoß auf seineVersolger, ohne aber zu treffen. Die Beamten erwiderten das Feuer; sie brachten dem Täter eine schwere Verletzung bei, so daß er ebenso wie der angeschossene Zeuge ins Krankenhaus gebracht werden mußte. Meine Nachrichten. Berlin. Der Reich? ausschnß für Ehe- genehmigungen, der beim Reichsministerium des Innern gebildet worden ist, erhält von jetzt ab den Namen: Reichsausschutz zum Schutze ves deutschen B l u.1 e s. Bonusgesetz in Kraft. Der amerikanische Senat hat das von Präsident Roo sevelt gegen das Gesetz über die Auszahlung des Krieasteilnehmerbonus eingelegte Veto mit der erwarteten Zweidrittelmehrheit von 76 gegen 19 Stimmen über-i stimmt; damit ist diese Gesetzesvorlage endgültig im Kraft getreten. ' * Sechs Personen ertrunken. Bei Moulins in Frankreich stürzten sechs Personen mit ihrem Kraftwagen in einer gefährlichen Biegung in einen Seiten kau al der Loire. Erst nach mehr stündigen Bemühungen der Feuerwehr konnte der Wagen gehoben werden; alle sechs Insassen, darunter zwei Kin der, waren tot. 13"» Riga -12"« Serlin --11-Loudon. Wie entstehen die Unterschiede in der Zeitrechnung? Der englische König, so hieß es in diesen Tagen in der Presse, ist sanft um 23.55 englischer Zeit (0.55 Berliner Zeit) entschlafen. Diese Zeitbestimmung erinnert daran, daß diesseits und jenseits unserer Landesgrcnzen ganz verschiedene Uhrzeiten gelten. Verschiedenen Zeitbegrisfen liegt die scheinbare Bewegung der Gestirne zugrunde. Da die Erde sich im Lause eines Tages von Westen nach Osten um ihre Achse dreht, wird eine entgegengesetzte scheinbare Bewegung des Himmelsgewölbes hervorgerufen. Der Zeitraum zwischen zwei aufeinanderfolgenden Durchgängen eines Fixsterns durch den Meridian heißt Sterntag. Die Erde dreht sich in 24 Sternstunden um 360 Grad, und es entspricht daher eine Sternstunde einer scheinbaren Drehung des Himmelsgewölbes um 15 Bogengrad. Im bürgerlichen Leben richten wir unsere Tageseinteilung jedoch nach der Sonne. Die Zeitspanne zwischen zwei Kulminationen der Sonne nennt man einen w a h r e n S o n n e n t a g. Diese sind aber wegen ihrer Ungleichförmigkeiten für eine Zeit einteilung nich: geeignet, und dafür hat man eine mitt lere Sonnenzeit oder mittlere Ortszeit ein- geführt. Solche Tage verlaufen ganz gleichmäßig. Ist es z. B. in Berlin nach wahrer Ortszeit 12 Uhr mittags, dann zeigt die Uhr in Königsberg schon 12.22, in Köln aber erst 11.28. So müßte man bei einer Reise durch Deutschland von Osten nach Westen dauernd seine Uhr zurückstellen; das wäre aus vielen Gründen recht unzweck mäßig. Uni in ganz Deutschland dieselbe Zeit zu haben, ist seit 1893 die Zeit des 15. Längenkreises östlich von Greenwich, der durch Stargard i. P. und Görlitz geht, eingeführt. Diese Zeit nennt man die mitteleuro päische, und sie ist eine Zonenzeit, nach der sich noch viele Länder richten. Eine Zonenzeit ergab sich aus den Längenkreisen der Erde. Man teilte die Erde in Zonen von je 15 Grad Längenuntcrschied ein und bestimmte, daß innerhalb einer solchen Zone eine Normalzeit gelte, die sich von derjenigen der benachbarten Zonen um genau eine Stunde unter scheiden'sollte. Als Ausgang wählte man den Meridian von Greenwich, einem Orte in der Nähe Londons. Die Greenwicher Ortszeit sollte demnach maß gebend sein in dem Bereich von 7V- Grad west licher Länge bis 7^ Grad östlicher Länge. Aber die Der Große Preis der Nationalsozialistischen Erhebung. Zum internationalen Reit- u. Fahrturnier der Grünen Woche Berlin 1836 hat der Reichs- und preußische Minister für Er nährung und Landwirtschaft für den Großen Preis der Na tionalsozialistischen Erhebung diese Bernstein-Silber-Kassette gestiftet. Der aufklappbare Deckel zeigt in Intarsienarbeit aus klarem Bernstein den Reichsadler. (Scherl Bilderdienst M.) Grenzen der Zonen wurden nicht genau nach den Längenkreisen bestimmt, sondern auch nach den Lan tz e s g r e n z e n. Ist es in Stargard 12 Uhr mittags, so kann es in London, da die Sonne dort erst später hin- kommt und die Zeittziffcrenz, weil doch 15 Längengrade durchlaufen werden müssen, eine Stunde beträgt, erst 11 Uhr sein. Zeigt die Uhr in Berlin auf 6 Uhr nach mittags, so zeigt die Londoner Uhr zur selben Zeil, wegen der Zonenzeit, erst 5 Uhr. Die osteuropäische Zeit ist dagegen der mitteleuropäischen um eine Stunde voraus. Lesen wir auf unserer Uhr 12 Uhr mittags ab, so steht z. B. in Riga der Uhrzeiger schon aus 13 Uhr. Wir merken uns, daß die Londoner Uhr der unserigen stets um eine Stunde nachhinkt. Dr. W. Winterkampf gegen Oöstschädlinge. Non Dr. Scheibe, Dresden. Wenn die Obstbäume ihre Winterruhe halten, ist die Anwendung chemischer Mittel gegc-u Obstschädlinge und -krankhciten zwecklos und sollte deshalb grundsätzlich unter bleiben; das bedeutet aber nicht, daß der Obstbauer im Winter die Hände in den Schoß legen darf. Einige Richt linien für den Winterkampf gegen Obstschädlinge sind in der Verordnung des Sächsischen Mini steriums für Wirtschaft und Arbeit niedergelegt, die folgendes vorschrcibt: Vis zum 15. März eines jeden Jahres sind 1. ab-! gestorbene oder im Abstcrben begriffene Obstbäume und- solche, die von Blutläusen, Krebs oder anderen Schäd lingen und Krankheiten so stark befallen find, daß eine anderweite erfolgreiche Bekämpfung nicht mehr möglich ist, zu entfernen; 2. kranke und von Borkenkäfer befallene Aestc zu beseitigen; 3. alle Obstbäume von Moosen, Flech ten und abgestorbenen Rindenschuppen zu säubernp 4. Raupeuuester (zusammengcsponneue Blätter) und Frnchtmumien abznschneidcn und zu verbrennen; 5. zm hohe, überalterte Bäume zu verjüngen oder zu entfernen.! Hat man auf diese Weise die wichtigsten Krankheits-s und Schädlingsherde ausgetilgt, so ist schon viel gewon-i nen; man darf sich aber damit nicht begnügen. Zum Win terkampf gegen die Obstschädlinge gehört auch das sach gemäße Auslichten der Kronen, damit Luft und Sonne Zutritt haben (Abb. 2). Wo nicht oder nur ungenügend ausgelichtet «nd zurllckgeschnitten wird, verwildern dis Bäume bald vollständig (Abb. 1) und fallen dann leicht den Angriffen von Schädlingen zum Opfer. Aus demselben Grund muß in zu dicht stehenden Anlagen ein Teil der Bäume im Winter ausgemerzt werden; die übrigen Bäume werden dafür um so größere und gesündere Früchte tragen. Alle überständigen und alten Bäume haben selbstverständ lich zu verschwinden, weil sie gegen Krankheiten und Schädlinge besonders anfällig sind und damit eine Ge fahr für die gesunden Bäume bilden. Sorten, die sich für die betreffende Gegend nicht eignen, sollten ausge wechselt oder im Frühjahr umveredelt werden. Wird end lich noch für sachgemäße Bodenbearbeitung und Dün-j gung Sorge getragen, so Hat man alles getan, was man, im Winter zur Gesunderhaltung seiner Bäume leicht ge winnen und so zu seinem Teil dazu beigetragen, daß das Ziel der E r z eug un g s sch l a cht auch auf dem Ge-, biet des Obstbaues erreicht wird. Durch Nacht zum Tag Roman von Kurt Martin. Alle Rechte Vorbehalten. Nachdruck verboten. Copyright by Verlag Neues Leben, Bayr. Gmain. v8 Er schloß die Augen. — Wahnsinn war das! — Nein, nicht Wahnsinn! — Wahrheit! — Jrmingards Hochzeitstag! — Und er? — Er! — So rasch ließ sie sich an den anderen ketten! So rasch entfloh sie ihm für immer! — Er eilte zum Schrank. Riß die Reisetasche heraus. Warf einige Wäschestücke in die Tasche. Trat zum Schreibtisch. Oeffnete die Fächer. Griff nach Papieren, nach Briefen und legte sie zu der Wüsche. — Die Hand tastete nach dem Re volver. Da fuhr er zurück! — „Nein! — Ich muß siegen! Ich muß!" Er lief zum Bahnhof. Der Sturm faßte ihn und riß an seinem Mantel. Es war ihm recht so. Tobe, Sturm! Ich bin der Stärkere! — Tobe, Schick sal! Ich bin der Stärkere! — Er saß im Zug und fuhr in die Nacht hinein. Wie langsam das doch ging! — Ob diese Nacht je ein Ende nahm! — Die Reisenden, die das Abteil mit ihm teilten, sahen mißtrauisch auf den Fremden, der starren Blickes vor sich hinbrütete. Aber alsbald erlosch dieses Interesse. Man lehnte sich bequem zurück und sank in Schlaf. Nur Reinhold wachte. Die Räder hämmerten es in sein Hirn: Morgen ist Jrmingards Hochzeitstag! — Morgen ist Jrmingards Hochzeitstag! Nein! — Jetzt hieß es ja anders! Es war ja zwei Uhr früh! — Heute ist Jrmingards Hochzeit! — Heute! Wirklich? — Irmingard wollte heute eines andern Weib werden? — Konnte sie denn das? Konnte sie es über sich bringen, einem anderen anzugehören? — Ja, sie tat es, um das andere in ihrem Herzen zu töten, um die Liebe zu ihm zu begraben! — Ein Opfer war es, das sie ihm brachte! — Und wenn er zu spät kam? Wenn es aeickab. bevor er in Koserow war? Wenn sie dann schon gebunden war? — Nein? — Das nicht! — Das nicht! — Er riß den Fahrplan heraus und die Uhr. Verglich. — Ja, sie fuhren pünktlich. Sie würden zur angegebenen Zeit in Berlin ankommen! Er erreichte noch den Morgenschnell zug nach den Ostseebädern! — Plötzlich gab es einen Ruck. Dann noch einen. Die Näder knirschten. Mit scharfem Stoß hielten die Wagen. Reinhold riß das Fenster herab. Rings war tiefe Nacht. Der Sturm brauste, und der Regen sprühte ins Abteil. Stimmen wurden laut. Auch im Abteil hinter ihm. Man rief unruhig nach dem Zugpersonal. Angst erwachte in den Menschen. Sie dachten an das große Eisenbahnunglück vor wenigen Wochen bei Hannover. Drohte Gefahr? Der Tod? Man drängte in den Gängen. Draußen in der Nacht blitz ten einige Lichter auf. Die Zugschaffner riefen: „Keine Gefahr! — Ein Achsenbruch! — Aber wir lie gen längere Zeit fest!" Reinhold fuhr zusammen. Jetzt kam es! — Jetzt wollte das Schicksal ihn nieder zwingen! — Und er mußte still halten! Er drängte die Menschen hart zur Seite. Aergerliche Rufe klangen ihm nach. Drohungen trafen sein Ohr. Er sprang aus dem Wagen. Tastete sich in Nacht und Sturm und Regen vor zur Maschine. Dort stand das Zugpersonal ratlos. Reisende riefen erregt durcheinander. „Ich muß früh in Berlin sein!" „Ich auch! Der Ausgang eines großen Prozesses steht für mich auf dem Spiele!" „Ich muß zu meiner kranken Tochter!" „Aber Sie sehen doch, daß wir nichts ändern können!" Reinhold trat zu einem Beamten. „Wie lange wird es dauern?" „Wir müssen einen Hilfszug bestellen. Die Maschine kann nicht mehr weiter." „Wann wird der Zug da sein?" „Ich weiß es nicht." „Ungefähr!" „Vielleicht in zwei Stunden." „Ist keine größere Ortschaft in der Nähe? „Da müssen Sie eine gute Stunde laufen, und dann kommen Sie nur nach dem kleinen Frasdorf," „Ob man dort ein Auto bekommen kann?" „Ich glaube es nicht. Wenn Sie hierbleiben, tun Sie klüger!" Reinhold stand verzweifelt. Gab es denn keine Hilfe? Mußte er sich wchrlos fügen? Mußte er warten und warten? Wehrlos dem Schicksal preisgegeben! — Irmingard! — Er starrte in die Nacht und suchte die Lichter des Zu ges, der Hilfe bringen sollte. Er lief zwischen den Gleisen in die Nacht hinein, dem Zuge entgegen. Nein! Das nützte ja nichts! — Er ging wieder zurück. Stand wieder im Scheinwerfer licht der Maschine. Riß die Uhr heraus. — Drei Uhr! — Im Osten lichtete sich leis die Nacht. Jrmingards Hoch zeitsmorgen stieg herauf! Eine Stimme rief. „Dort kommt der Zug!" Reinhold sah ihn jetzt ebenfalls. Die Lichter kamen langsam näher. Lr eilte zu seinem Wagen, holte die Rei setasche. Keuchend schob sich der Zug langsam heran. Reinhold war der erste, der in einen Wagen sprang. Ein Drängen und Hasten begann. Die wenigen Waggons des Hilfszuges faßten kaum die Menge der Reisenden. Erst nach einer halben Stunde setzte sich der Zug in Bewegung. Es ging langsam vorwärts. In der nächsten Station gab es nochmals einen längeren Aufenthalt. Die Maschinen wur den wieder gewechselt. Dann ging es in beschleunigter Fahrt weiter. Endlich! — Reinhold starrte in den erwachenden Tag hinaus. Der Regen hatte aufgehört. Das graue Gewölk zerriß. Aber der Sturm peitschte in ungeschwächter Stärke die Bäume drau ßen, an denen sie vorbeifuhren, daß sich ihre Kronen tief neigten. Mit dreistündiger Verspätung kamen sie in Berlin an. Reinhold bestürmte'einen Beamten mit hastigen Fragen nach der Weiterfahrt. Der zuckte mit den Achseln. „Der Bäderschncllzug ist längst fort. Und der Perso nenzug nach Swinemünde auch. Sie können erst um zwölf Uhr weiterfahren." (Fortsetzung folgt.)