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Wilsdruffer Tageblatt 2. Blatt Nr. 19 — Donnerstag, den 23. Januar 1936 Lagesfpruch Praktische Weisheit kann nur durch die Schule der Erfah rung erlernt werden. Regeln und Vorschriften sind, soweit sie reichen, wchl nützlich, allein ohne Zucht des realen Lebens haben sie nur einen theoretischen Wert. Samuel Smiles. Erfreuliche Fortschritte der Parteiarbeit. Reichs- und Gauleitertagung unter Vorsitz von Hetz. In München fand, wie die NSK. meldet, am Mittwoch unter dem Vorsitz des Stellvertreters des Füh rers und in Anwesenheit sämtlicher Rcichslciter, Gau leiter und Amtsleiter der Reichsleitung die erste Gau- leitertagung des vierten Jahres der national sozialistischen Revolution statt. Der Vormittag stand im Zeichen einer umfangreichen und ins einzelne gehenden Aussprache über eine Reihe aktueller innenpolitischer Tagesfragen. Vor dem Eintritt in die Beratungen gedachte der Stellvertreter desFührersin bewegten Worten des im letzten Jahr verstorbenen Gauleiters Hauptmann Loeper Von den einzelnen Punkkcn der Tagesordnung, kn deren Mittelpunkt vor allem wirtschaftliche Fragen stan den, sanden die mit der deutschen Ernährungs grundlage zusammenhängenden Fragen besonderes Interesse. Es kam zum Ausdruck, daß die entstandenen vorübergehenden Verknappun gen ihren wesentlichen Grund in der durch den nationalsozialistischen Aufbau hcrvvrgcrufenen Ver besserung der Lebenshaltung von Millionen von Familien gehabt haben und daß das Verhältnis und die innere Haltung des deutschen Volkes in diesen Frauen vorbildlich gewesen seien. Des weiteren wurden in eingehenden und frucht baren Erörterungen Anregungen für die weitere Fort führung der Arbeitsschlacht sowie Einzel fragen der Betreuung des deutschen Handwerks und Handels besprochen. In der Tagung der Reichs leiter, die am Nachmittag im Braunen Haus stattfand, erstatteten die einzelnen Reichsleiter ausführlichen Bericht über die Lage und die Entwicklung ihres Tätigkeitsgebietes, wo bei die erfreulichen Fortschritte der Parteiarbeit im ab gelaufenen Jahr festgestellt, aber auch einzelne Schwierig keiten, die hier und dort vorübergehend zu überwinden waren, einer offenen und aufmerksamen Prüfung unter zogen wurden. Es kam dabei insbesondere der Wille zum Ausdruck, die bewährte Energie und weltanschauliche Kraft der Partei in die Aufwärtsentwicklung aus wirt schaftlichem und sozialem Gebiet weiterhin aufs schärfste zum Einsatz zu bringen. Herolde Men AmbestchW Mords VIII. Drei Hurras auf den neuen König — Feierliche Proklamatioasverlesnng in London über der englischen Hauptstadt schien strah lende Sonne, als die Thronbesteigung des neuen Herrschers des britischen Weltreiches, Eduard VIII., öffentlich in den Straßen Londons ver kündet wurde. Das Volk begrüßte freudig die Prokla mation des neuen Königs, die gleichzeitig in ganz Großbritannien und in allen Städten der Dominien nnd der Kronkolonien er folgte. In London bildeten 10000 Mann Garde Spalier längs des Straßenzuges vom St. James-Palast über Trafalgar Square durch den Strand in die City hin ein, den der Zug der Herolde nahm. Zehntausende säum ten die Straßen, Hunderttausende die Plätze, wo die Er nennung des Prinzen von Wales zum König EduardVlü. verkündet wurde. Im Hofe des St. James Palastes hatten die Abteilungen der Gold Stream Guarde und der Leibgarde ein Viereck gebildet — in dessen Mitte ein Offi zier mit einer Abteilung Gardeunteroffiziere die um florte königliche Standarte hält. Auf dem Dach des Palastes waren Tribünen errichtet, von denen die Mit glieder des Geheimen Kronrats in ihren blaugoidenen Uniformen der Feierlichkeit beiwohnten. In den Palast fenstern sah man Mitglieder der königlichen Familie, die beiden kleinen Prinzessinnen, zahlreiche Würdenträger des Hofes, des geistigen und politischen Lebens Englands, und vor allem die obersten Befehlshaber der drei Waffen. Punkt drei Uhr erschienen auf dem scharlachrot aus- Heschlagenen Balkon des Palastes einer der drei „Wappen- könige" mit dem Adelsmarschall von England und zwölf Mitgliedern des Kollegiums der Herolde in ihren scharlachroten und schwarzen Gewändern, Gleichzeitig ertönte ein Fanfarenstoß. Der erste Wappcnkvnig verlas die Proklamation, a« die sich die Nationalhymne anschloß, gespielt von den vereinigten Kapellen der Garde. Gleich zeitig dröhnten im Hydepark die 41 Salutschüsse, in die sich der ferne Schall der 62 Kanonenschläge vom Toiver in London mischte. Jetzt forderte der Adelsmarschall die Menge auf, ein dreifaches Hurra auf den neuenKönig auszubringen, der sich in diesem Augen blick am Fenster zeigte. Das Hurra fand einen brausen den Widerhall in den umliegenden Straßen und Plätzen. Um 10.15 Uhr setzte sich der Zug der Herolde in Be wegung. Er bestand aus fünf Landauern, in denen die Herolde, die Wappenkönige und die anderen Inhaber der mittelalterlichen Wappenämter Platz genommen hatten, und wurde von einer Schwadron Gardekavallerie begleitet. Der Zug hielt in Charing Croß, wo der zweite Wappen könig die Proklamation verlas. Fünf Minuten darauf auch dort ein Hurra auf den neuen König, die National hymne, Fanfarenstöße. Dann bewegte sich der Zug weiter nach Temple Bar, dem Eintrittstor in die City, und dort erfolgte eine mittelalterliche Zeremonie, die die Vorrechte der City von Loudon dokumentiert. über die Straße mar eine seidene Schnur gewisser maßen als Barriere gespannt. Hinter ihr standen der Lord-Mayor mit seinen Sheriffs und Schulzen und den Vertretern der Londoner City. Die vier Stadttrompeter bliesen ein Signal, der Zug hielt, und der Pnsuivant, der Träger eines mittelalter lichen Hosamtes, schritt dem Citymarschall entgegen: „Wer kommt da?" fragte der Marschall, und der Pnsuivant ant wortete: „Die Wappenoffiziere Seiner Majestät, die Ein tritt in die City begehren, um die Thronbesteigung Seiner Majestät zu verkünden." Daraufhin wurde die Prokla mation dem Lord-Mayor übergeben, der sie überprüfte und darauf seine Genehmigung zum Betreten der City erteilte und die Seidenschnur durchschneiden ließ. Jetzt verlas der zweite Wappenkönig die Proklamation. Dann bewegte sich der Zug, während die Truppen die Waffen präsentierten, weiter. Ans dem Platz zwischen der Börse und der Bank von England empfing den Zug abermals ein viermaliges Trompetensignal, und der dritte Wappen- träger verliest dort die Proklamation. Die Schloßkapelle von Windsor, wo am Dienstag nächster Woche König Georg V. neben den Gräbern seines Vaters und seiner Mutter zur letzten Ruhe gebettet wird. (Weltbild.) VoWaftLN Guards W. M Seer, Me und Luftwaffe. Im englischen Staatsanzeiger wurde die Erklä rung veröffentlicht, die der neue englische König Eduard VIII. in der Sitzung des Kronrates im Si.- James-Palast abgegeben hat. Der König sagte u. a.: „Der unersetzbare Verlust, den der britische Staatenver band durch den Tod meines geliebten Vaters erlitten hat, hat die Herrscherpflichten auf meine Schultern ge legt. Ich setze mein Vertranen aus die Ergeben heit und Zuneigung, meiner Völker im ganzen Reich und auf die Weisheit ihrer Parla mente, daß sie mich in dieser schweren Aufgabe unter stützen, und ich bete, daß Gott mich bei ihrer Erfüllung lenken wird." König Eduard hat ferner Botschaften an das englische Heer, die Flotte und die Lnftstrei 1 kräfte gerichtet. In der Botschaft an das Heer erklärt der König u. a.: „Ich blicke auf meinen Dienst als junger Offizier im Weltkriege als eine der wertvollsten Erfahrungen meines Lebens zurück. Ich lernte jene wichtigen Charaktereigenschaften, dnrch die die Soldaten in der schwersten Krise unserer Geschichte ge einigt wurden, verstehen nnd schätzen: Die gleiche glühende Ergebenheit gegenüber der Krone, den gleichen guten Mut und die gleiche Ausdauer im Unglück sowie die gleiche Entschlossenheit, die Überlieferungen der Ritterlichkeit und des Mutes ausrechtzuerhalten." In der Botschaft an die Flotte heißt es, daß der König die Leistungsfähigkeit und das Wohlergehen der britischen Flotte als eine Angelegenheit von höchster Bedeutung betrachte. Feierliche Überführung König Georgs V. nach London. König Eduard VIII. ist am Mittwoch von London wieder nach Sandringham zurückgckchrt, um mit der Königinmutter Mary zusammen am Donnerstag den Sarg König Georgs V. auf dem vier Kilometer langen Weg zwischen St.-Mary-Magdalcncn-Kirche in Sand- ringham zum Bahnhof des Dorfes zu begleiten. Der verstorbene König war in der Dorfkirche von Sandringham aufgebahrt worden, wo ein Gottesdienst stattsand, an dem außer der Königin und dem Herzog und der Herzogin von Kent, die Prinzessin Royal und ihr Ge mahl Earl of Harewood teilnahmen. Förster und A n - gestellte des Haushaltes von Sandringham über nahmen dann die Ehrenwache am Sarge. Gegen Mitternacht erschien die Königin noch einmal in der Kirche, winkte die Totenwache hinaus und ver weilte zehn Minuten an der Bahre. Bei der feierlichen Überführung des toten Königs nach London in die West- minsterhaü in London bildeten von der Dorfkirche zur Babnstation Polizisten Spalier. Die königliche Familie nnd Mitglieder des Hofe» schritten hinter dem Sarg, ferner die Angestellten und Diener des Königs und die Dorfbewohner des Ortes. Auch das weiße Lieblingspony des Königs, von dem er noch kurz vor seinem Tode sprach und das er noch vor einer Woche geritten hatte, begleitete seinen toten Herrn. Der Sarg, der aus den Eichen des Gutes Sand ringham gefertigt worden ist, wurde in einen mit roter Seide ausgeschlagenen Eisenbahnbahnwagen gestellt. Eine Kompanie des Royal-Norfolk-Territorial-Regiments be gleitete den Sarg, während Gardegrenadiere die Sarg träger waren. Die Lokomotive des Trauerzuges war durch ein rotes „G" gekennzeichnet. Nach der Ankunft in London wurde der tote König in feierlicher Zeremonie zur Westminsterabtei gebracht, wo er vom Erzbischof »onCanterbury erwartet wurde. Nie deutsche Trauerabordnung für London In persönlicher Vertretung des Führers und Reichskanzlers und als Vertreter der Reichs- regierung wird sich als Führer der deutschen Trauerdelegation zu den Beisetzungsfeierlichkeiten für den verewigten König Georg V. von England der Reichsminister des Auswärtigen FreiherrVonNeu- rath nach London begeben. Der Delegation ist ferner angeschlossen Seine König liche Hoheit der Herzog von Coburg. Als Ver treter der deutschen Wehrmacht gehören ihr an General der Infanterie vonRnndstedt, Admiral Albrecht, General der Flieger Kaupisch. Der deutsche Bot- schaster in London, von Hoesch, wird ebenfalls Mit glied der deutschen Abordnung sein. * Wie aus London gemeldet wird, werden folgende Persönlichkeiten als Vertreter der auswärtigen Dynastien und fremden Mächte an den Beisetzungsfeierlichkeiten teilnehmen: Die Könige von Belgien, Däne mark und Rumänien, das norwegische Die Garde trauert. Mne Abteilung der Leibgarde marschiert vom Buckhingham- Palast (im Hintergrund) zum Kronrat nach dem St.-Iames- Palast. Zum Zeichen der Trauer um den Tod des Königs ist die Fahne umflort. (Scherl Bilderdienst — M.) Dranerfalut für Englands toten König. An der Towerbiücke, dem Wahrzeichen Londons, würden 70 j Schub Trauersalut, entsprechend dem Alter des Verstorbenen, abgefeuert. (Weltbild.--M) KI L- - KMU I