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Aufrüstung statt Oelsperre. Da» Ergebnis der britische« Kabinettsberatungen. Lre Frage der Dlsperre gegen Italien, die in London »re Diplomaten und Militärs seit Tagen sehr stark be schäftigt hat, scheint jetzt dahin entschieden zu sein, daß die Slsunktionen vorerst nicht in Frage kommen. Jedenfalls will England dem Völkerbund die Entscheidung überlassen. Statt dessen wird die englische Negierung Wohl ein umfassendes Rüstungsprogramm durch führen. Dementsprechend hat das britische Kabinett den Außen minister Eden beauftragt, durch einen Sachvcrftändigenausschuß des Völker bundes nachprüsen zu lassen, ob die Llsperre im heutigen Stadium der Entwicklung noch kriegver- kürzend wirken könne. Man nimmt in London an, daß Italien bereits einen Llvorratfürsieben Monate angesammelt habe und daß dadurch die Olsperre nur sehr fraglichen Wert habe. Weiter hat sich das Kabinett mit den englisch- franzö fischen Beziehungen, besonders im Hin blick auf die bevorstehenden Wahlen in Frankreich, be schäftigt, die keine festen Pläne auf lange Sicht zulassen. Schließlich standen die englisch-ägyptischen Be ziehungen und die Frage der englischen Rüstungsver mehrung zur Verhandlung. Die Londoner Blätter weisen darauf hin, daß der Kabinettssitzung sehr lange Beratungen des Verteidi gungsausschusses vorausgegangen waren und daß eine bedeutende Erhöhung des britischen Rüstungsetats er folgen werde, besonders für dieLuf 1 wafse und für die Flotte. Es heißt, das Kabinett habe sich entschlossen, von einer zahlenmäßigen Vermehrung der britischen Armee zugunsten ihrer weiteren Mechanisierung und Aufrüstung mit technischen Waffen abzusehen. Der Verteidigungsausschutz soll der Auffassung sein, vatz sllr England zur Zeit eine Kriegsgefahr besteht, ganz gleich, ob die Olsanktionen zur Anwendung kommen oder nicht, und daß dementsprechend die britischen Vor bereitungen getroffen und erweitert werden müßten. Die Linkspresse, wie „Daily Herald" und „News Chronicle", wendet sich scharf gegen die Politik des Ab wartens, und die konservative „Morning Post", die öfter die Ansichten der englischen Schwerindustrie sowie mili tärischer Kreise vertritt, eröffnet einen großen Propa gandafeldzug für Aufrüstung. Unter der Überschrift „Die volle Wahrheit über Englands Verteidigung" beginnt das Blatt mit einer Reihe großaufgemachter Berichte über den gegenwärtigen Stand der britischen Streitkräfte, die als vollkommen unzulänglich hingestellt werden. Dolle SandlimMeihett slir Mim. Der diplomatische Mitarbeiter des italienischen Nach richtenbüros „Stesani" wendet sich gegen die aus amerikanischer Quelle stammende Nachricht, wonach der Pariser Botschafter Italiens, Cerruti, dem französi schen Ministerpräsidenten erklärt habe, daß Italien bei Verschärfung der Sanktionen weder Repressalien ergreifen noch Genf verlassen werde. Es sei u n w a h r s ch e i n l i ch , daß Italiens Pariser Botschafter derartige Versprechun gen gemacht hat. Die italienische Regierung behalte sich für das Inkrafttreten verschärfter Sanktionen die v o l l e Handlungsfreiheit vor. Sie habe auch noch nicht beschlossen, zur nächsten Genfer Völlcrbundstagnng einen Vertreter zu entsenden. Radikalsoziale Groteske um Laval. Kammerfraktion beschloß Mißtrancnsantrag, lehnte aber Fraktionszwang ab. Die innenpolitische Krise in Frankreich, die eigentlich immer besteht, scheint wieder einmal in ein ernstes Stadium getreten zu sein. Die Radikalsozialisten, die seit Lavals Friedensbemühungen zusammen mit dem dama ligen englischen Außenminister Hoare dem Ministerpräsi denten Fehde angesagt haben, haben jetzt einen neuen Vorstoß gegen Laval unternommen. Tie Kammerfraktion hat Mit 62 gegen 20 Stimmen bei sieben Stimmenthal tungen beschlossen, einen Mißtrauensantrag gegen die Regierung einzubringen. Die radikalsozialen Minister Herriot, Paganon, Bertrand, Bonnet, Regnier, Maupoil Roustan sollten aufgefordert werden, sofort zurückzutreten. Im weiteren Verlauf der Aussprache wurde jedoch der groteske Beschluß gefaßt, daß der eben gefaßte Be schluß nur in Kraft treten solle, wenn die Fraktion sich für die kommenden Abstimmungen in der Kammer auf Frak tionszwang einige. Diese Frage wurde mit 41 gegen 40 Stimmen abgelehnt, so daß also der Mißtrauensantrgg in seinen Auswirkungen wiederaufgehoben wurde. Auch die Absicht, eine Abordnung an Staatsminister Herriot zu entsenden, wurde infolge der Ablehnung des Ab- stimmunaszwanges wieder fallengelassen. Die Stellung her Regierung Laval war also für die Kammersitzung gebessert, wenn auch Überraschungen noch nicht aus geschlossen waren. Kammerfieg Lavals. Die französische Kammersitzung begann mit einer Ansprache des Kammerpräsidenten Bouisson, der für seine Wiederwahl dankte. Die nächste Kammer werde neue Aufgaben zu lösen haben. Der Horizont sei noch dunkel, Europa geteilt. Frankreich möge daher getreu feiner Überlieferung an der Aufrechterhaltung des inneren Friedens und der Sicherung des Friedens zwischen den Völkern weiterarbeiten. Darauf verlas der Kammerpräsident die vorliegen den Anfragen. Ministerpräsident Laval beantragte von seinem Platz aus die sofortige Behandlung der landwirt schaftlichen Anfragen und die Vertagung der übrigen An fragen. Die nun folgende Aussprache stand im Zeichen einer allgemeinen Unruhe, so daß der Kammer präsident sich gezwlingen sah, nach kurzer Zeit die Sitzung vorübergehend zu unterbrechen. Nach Wiedereröffnung der Sitzung wurde die Forde rung Lavals auf sofortige Behandlung der landwirtschaft lichen Anfragen, zu der der Ministerpräsident die Ver trauensfrage gestellt hatte, zur Abstimmung gestellt. Dabei wurden 315 Stimmen für und 25l Stimmen gegen die Regierung abgegeben. Laval erhielt also eine Mehrheit von 64 Stimmen. * Zum sechsten Male hat also das Kabinett Laval ent gegen allen düsteren Prophezeiungen einen Abstimmungs- ersolg in der Kammer davongetragen, und damit eine weitere Lebensfrist erkämpft. Die Voraussagen für die Regierung sind nunmehr naturgemäß wieder günstiger. Man glaubt in Paris nicht, daß ihr !m Augenblick weitere Fußangeln gelegt werden, über die sie noch stolpern kann. Natürlich braucht eiye rein geschäftsmäßige Abstimmung, wie die erfolgte, noch nicht ein unbedingt sicherer Grad messer für den Ausfall einer hochpolitischen Abstimmung, wie üe noch bevorstehen könnte, zu sein. Die Aussprache über die von der Regierung bean tragte sofortige Behandlung der landwirtschaftlichen An fragen und Vertagung der übrigen Anfragen stand im Zeichen wiederholter Angriffe der Linken gegen das Kabinett Laval und der Versuche der Sozia listen, Kommunisten und einiger Radikalsozialistcn, die jenigen Radikalsozialisten zu beeinflussen, die eine Re gierungskrise nicht wünschen. Der Führer der Marristcn, Leon Blum, erklärte: Wenn die Radikalsozialisten nicht geschlossen gegen die Regierung stimmen würden, so wür den sie damit das Schicksal der aus den Wahlen hervor gehenden Mehrheit im voraus belasten. Ministerpräsident Laval entgegnete, daß Leon Blum entschieden besonders geeignet sei, sich an die Radikalsozia- listcn zu wenden, da er und seine Freunde bisher jede radikalsozialistische Regierung gestürzt hätten. Nach der Abstimmung verlangte der Abgeordnete Fernand Laurent (Unabh. Linke), daß die Frage des A b - koinmensLiit Sowjetrußland in möglichst bc- scyieumgter Weise zur Behandlung komme. Laval ant wortete, daß er sofort nach seiner Rückkehr von Genf ver langen werde, daß die Ratifizierung der Verträge auf die Tagesordnung gesetzt werde. Schuschniggs Prager Besuch. Umfangreiche polizeiliche Schutzmaßnahmen für den österreichischen Bundeskanzler. Die Reise des österreichischen Bundeskanzlers Schuschnigg nach Prag und die Art des Empfanges in der tschechoslowakischen Hauptstadt sollten, wie aus Prag berichtet wird, offensichtlich den „privaten" Charakter dieses Besuches unterstreichen. Entgegen den Empfängen, wie sie der Prager Wilson-Bahnhof schon so oft erlebte, nahm die Begrüßung einen bescheidenen Ver lauf. Die Sicherheitsmaßnahmen, die von feiten der Prager Polizei getroffen worden waren, übertrafen alle bisherigen. Der Weg vom Wilson-Bahnhof zum Hotel Esplanade, wo Schuschnigg Wohnung genommen hat, war von Polizisten besetzt. Auffallend war auch die große Zahl von Zivil- Polizisten und Beamten der Politischen Abteilung. Die geübt« Vorsicht erscheint aber verständlich, da in Prag aus Brünn versendete offensichtlich austromarxistische und kommunistische Flugblätter verteilt worden waren, die sich mit scharfem hetzerischen Inhalt gegen den österreichischen Bundeskanzler und das derzeitige Regime in Österreich richteten. Donnerstag abend hielt Schuschnigg im Rahmen des tschechoslowakischen Jndustriellenklubs einen wirtschaft lichen Vortrag über die Wirtschaftsprobleme des Donau- raumes. Wilsons Schuld am KriegsemLritL Amerikas. Im Untersuchungsausschuß über die Ur sachen des Eintritts der Vereinigten Staaten von Nord amerika in den Weltkrieg, der im Auftrage des Senats in Washington tagt, machte an Hand von Schrift stücken das Ausschußmitglied Clark die sensationelle Feststellung, daß die Vereinigten Staaten die Neutra lität wiederholt zugunsten der Alliierten verletzt hätten. Weiter wiesen der Ausschußvorsitzende Nyl und Clark nach, daß der damalige Präsident Wilson einige Umstände des Kriegseintritts Amerikas falsch be richtet habe. Wilson habe entgegen seinen Be hauptungen von Geheimverträgen der Alliierten be züglich einer Neuverteilung Europas bei Kriegseintritt Amerikas gewußt. Das gleiche gelte von seinem Staats sekretär Lansing. Auch sei Wilsons Geheimberatcr, Oberst House, bereit gewesen, die Vereinigten Staaten ohne Kenntnis des Kongresses in den Weltkrieg hinein zuziehen. Warnung vor Mißbrauch der Mn-sunkgevöhrenbestemm. Die Reichsrundfunkkammer sieht sich veranlaßt, die Antrag steiler auf Rundfunkgebühren- erlaß auf folgendes aufmerksam zu machen: Durch die Zuweisung von Freistellen soll erreicht werden, mög lichst alle auf Grund der Bestimmung hierfür in Frage kommenden Volksgenossen in den Genuß der Gebühren befreiung zu setzen. Erhebungen über die Verteilung von Freistellen haben zu dem Ergebnis geführt, daß viel Volks genossen sich vorsorglich eine Bescheinigung für eine Rundfunkgebührenbefreiung aushändigen lassen, ohne zu diesem Zeitpunkt selbst eine Rundfunkanlage zu besitzen. Ein derartiges Verhalten einzelner Volksgenossen schädigt das Allgemeinwohl, weil es den Fürsorgebehörden da durch unmöglich gemacht wird, die wirklich bedürf tigen Rundfunkhörer von der Entrichtung der Gebühren zu befreien. Drei Jahre Volksgemeinschaft! Gebt zur „E r i n n e r u n g s s a m in l u n g des WHW" am 19. Januar. Mes für das Ziel der VerMdWng. Eine Unterredung mit dem Präsidenten des Komitees „France-Allemagne". Der Präsident des Komitees „France-Allemagne*, Commandant L'Hopital, gewährte einem deutschem Schriftleiter eine Unterredung, in der er n. a. sagte: > Wir, Deutsche und Franzosen, müssen uns die Wahrheit sagen. Offenheit tut zwischen uns not. Die Träumer werden unseren beiden Völkern nichts nützen. Wir werden gerade an die Dinge gehen, die hindernd zwischen uns liegen, weil wir die feste Hoff nung und den zuversichtlichen Glauben an die Notwendig keit unseres Wirkens haben. Commandant L'Hopital erzählte, daß er gleichzeitig Mitglied des Vollzugsausschusses der Französisch-Engli schen Gesellschaft ist, und in dieser Eigenschaft müsse er besonders betonen, daß die drei Völker Deutsch land, England, Frankreich zusammen gehören. Das Komitee „France-Allemagne" tue nichts, was die französisch-englische Zusammenarbeit ge fährdet. Im Gegenteil! Die Arbeit der Deutsch-Engli schen Gesellschaft wie der Anglo-German Fetlowship sei fchr zu begrüßen, wie überhaupt alles unter dem Ge- sichtspunkt zu werten sei, daß nichts gegen jemand ge schieht, sondern alles für das Ziel der Ver ständigung. Deutscher Krontkämpferbesuch in England. Am Sonntag, 19. Januar, wird eine Abordnung der deutschen Fromkämpferverbände in London eintreffen, um den Besuch zu erwidern, den Vertreter des großen engli schen Fromkämpferverbandes der Brilish-Legion im Juli v. I. den deutschen Frontkämpfern gemacht batten. Die Führung der deutschen Abordnung liegt in den Händen des Beauftragten der Deutschen Fromkämpferverbände, Stahmer. Die Abordnung setzt sich zusammen aus: Reichs- kriegsopfcrführer Oberlindober, Reichsarbeitsmini ster Seldte, dem Bundesführer des Neichskriegerbun- des „Kyffhäuser", Oberst Reinhard, dem Bundes führer der Reichsvereinigung ehemaliger Kriegsgefan gener. Frbr. von Lersne - r > - "'-vo-n^fnyr-er Reichsverbandes Deutscher Offiziere, Generalmajor a. D. Graf von der Goltz, SS-Oberführer von Hu mann-Hainhofen und Fliegerkommandant Siebel. Tie deutsche Frontkämpferabordnung wird sich eine Woche lang in England aufhalten und dabei Gelegenheit finden, nicht nur in eine nähere Aussprache mit den Ver tretern der British-Legion über alle gemeinsamen Fragen einzutretcn, sondern auch die zahlreichen und vorbildlichen Wohlfahrtseinrichtnngen des großen englischen Front- kämpferbundes kennenzulernen. Jür Verbesserung -er deutsch-japanisches Handelsbeziehungen. Besprechungen einer deutschen Wirtschaftsabordnung in Japan abgeschlossen. Die deutsche Wirtschaftsabordnung, dis Ende Oktober in Japan eintraf und seitdem die Wirt schaftszentren Japans und Mandschukuos besuchte, hat ihre Studien und Besprechungen mit den japanischen Regiernngs--' und Wirtschaftskreiscil abgeschlossen.' AlZ Ergebnis der von der deutschen Abordnung mit dem Aus wärtigen Amt in Tokio und den am Handel mit Deutsch land interessierten Wirtschaftskreisen gepflogenen Erörte rungen hat die Abordnung eine Anzahl von Empfehlun gen zur Verbesserung der deutsch-japa- nischenHandelsbezieh ungen unterbreitet. Die Abordnung hat ferner mit Vertretern der mandschurischen Regierung und Wirtschaft die Möglichkeit einer Vermehrung des deutsch-mandschu rischen Warenaustausches erörtert. Sie hat auch hier zur Herbeiführung einer entsprechenden Rege lung Empfehlungen unterbreitet. —————————— >»u Aus misevrr Hesmat. Wilsdruff, am 17. Januar 193L, Der Spruch des Tages. Die Seele will aus der Erde geschöpft sein wie GokS und aller Wert. Johst. Jubiläen und Gedenktage. 18. Januar. 1871 Kaiserproklamation in Versailles. 1886 Die Schriftstellerin Klara von Vegesack geboren. Sonne und Mond. 18. Jann«: S.-A. 8.02, S.-U. 16.19; M.-A. 2.A., M.-V. 10.39 Teilnahme so und so. Es gibt Menschen, die eine so große „Teilnahme" fstr alles bekunden, was ihre Mitmenschen angeht, daß sie dadurch lästig fallen. Diese Menschen müssen alles haar klein vom Leben und Treiben des Nachbarn wissen. I« erster Linie wollen sie dabei erfahren, was wohl der an dere für Einnahmen haben könne. Nicht daß sie ihn äu- pumpen wollten, nein, es ist bloß Neugierde bei ihnen. Die Frage, was mag wohl X oder N verdienen, ist für sie ein Stachel, der sie veranlaßt, allerhand Listen zu ge brauchen, um das Geheimnis zu entschleiern. Warum ver rät eigentlich niemand gern, wieviel er verdient? Auch der redlichste Steuerzahler, der in dieser Beziehung nichts zu verheimlichen hat, kann es auf den Tod nicht leiden, daß man ihm mit der Frage nach seinem Einkommen zu Leibe rückt. Derartige Fragen werden gewöhnlich als taktlos empfunden, und mit vollem Recht. Hinter diesen Fragen steckt, wie gesagt, gewöhnlich nichts als Neugier, wenn nicht gar Neid, und niemand hat es gern, daß man sich mit seiner Person nur aus Neugierde beschäftigt. Ab gesehen hiervon können durch Schwatzhaftigkeit und Klatsch so manche Nachteile und Unannehmlichkeiten für denjenigen erwachsen, der dem Neugierigen auf seine Fragen Rede und Antwort steht. Und wenn wir auch noch so wenig verdienen mögen, — der im Gewände der Teil nahme austretenden Neugier erscheinen wir als Groß verdiener und Glückskinder. Wir brauchen wirklich nicht den Inhalt unserer Geldtasche von anderen zählen zu lassen, aber dieses Zählen scheint eine unausrottbare Vor liebe vieler Unverbesserlicher zu sein..