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! WiSs-mker Tageblatt I 2. Blatt — Nr. 12 — Mittwoch, den 15. Januar 1939 TagrLspruch. Wenn leise dein Gewissen spricht. Zum Lasten oder Tun dich mahnt, Dann überhör die Stimme nicht, In Demut folge und in Treue; Denn sicher, ehe du's geahnt, Erfaßt zu spät dich bittre Reue. Oie für Lahrhunöerie barZien. Zum 206. Todestag des Erbauers des Dresdener Zwingers. „Die Steine sollen erzählen, was für ein gewaltiger «nd mächtiger Herr es ist, der diesen Prachtbau ge schaffen", so erklärte einst der Baumeister Augusts des Starken, Matthäus Daniel Pöppelmann, der Er bauer des Dresdener Zwingers. Und die Steine erzählen noch heutigentags, er zählen nach mehr als zwei Jahrhunderten in beredter Weise von einem König, dem die Liebe zu Glanz und Üppigkeit im Blute lag, von einem Baumeister, der das deutsche Barock schuf, von einem zierlicheren, leichteren Stil, der zu dem schweren, wuchtigen Barock srühercr Fahrzehnte in bewußtem Gegensatz stand, von einer Zeit, in der kraftvolle Lebensfreude und verschwenderische Prachtentfaltung Merkmale einer Epoche des Aufstiegs und der Wohlhabenheit waren. Anfang des l8. Jahrhunderts. Der von seinen Zeit genossen geradezu schwärmerisch geliebte und vergötterte Sachsenkönig August der Starke, der sich einen Lud wig XIV. zum Vorbild nahm, wollte in seiner Residenz Dresden nahe dem damaligen Festungswalle, auf dem Gelände des heutigen Zwingers, einen monumentalen Schauplatz, einen Festsaal unter freiem Himmel entstehen lassen. 1709 wurden die ersten Mittel für dieses bauliche Kunstwerk angewiesen. Aber das Glück verbündete sich dem prachtliebenden König; günstige außenpolitische Er eignisse füllten die Kassen des Staates ans, und die neuen Ansicht vom Zwinger. lScherl Bilderdienst.) reichen Mittel gestatteten die Aufführung von Luxus bauten, die wie ewiger Festtag anmuten. Gegen Ende des Jahres 1709 nämlich erlitt Augusts Hauptgegner Karl XII. von Schweden, der die sächsischen Truppen wiederholt geschlagen und jenen sogar zum Ver zicht auf den polnischen Thron gezwungen hatte, bei Poltawa eine entscheidende Niederlage. 1711 wurde Kursachsen durch den Tod des deutschen Kaisers Josefs I. in allen deutschen Landen, in denen das sächsische Recht galt, mit der Reichsverweserschaft betraut. Geld floß in Strömen ins Kursachsenland; Macht und Ansehen des Hofes wuchsen. Die Baupläne wurden geändert nach dem Grundsatz: etwas ganz Großes, an deutschen Höfen nie Gesehenes soll erstehen. Das Ergebnis war der Prunkbau des Zwingers, der von August dem Starken in einer herrlich großzügigen Laune lediglich zu festlichen repräsentativen Zwecken ausgesührt wurde. Als Bau material wurde der heimatliche Stoff Elbsandstein ver wandt. Der Prachtbau bildet ein längliches Viereck; eine lange Galerie mit sechs Pavillons und drei Portalen um schließt auf drei Seiten diesen Raum. Prächtige Barock figuren schmücken als zierliches Beiwerk Fassade, Giebel, Säulen des Zwingers, der als eine einzige große, harmo nisch geschlossene Sinfonie architektonisch und plastisch ver ewigter Lebensfreude dnrch die Jahrhunderte ragt. Ge wiß, der Zahn der Zeit hat auch an ihm, in dem heute Museen untergebracht sind, genagt. Aber sorgfältigen Nacharbeiten und Erneuerungen ist es noch stets gelun gen, die Spuren des Verfalls zu vernichten. Und wenn wir am 17. Januar, dem 200. Todestag seines Erbauers Pöppelmann, des kühnen Gestalters des Dresdener Barocks dankbar gedenken, so können wir sein Werk nicht würdiger seiern als durch die Wiederholung der an erkennenden Worte des Dresdener Kunstsachverständigen Sponsels über ihn: „Die Menschen jener Zeit sind längst in Gefilde hinübergegangen, von denen sie nie wiederkehren, aber die Lebensfreude und Schöpfer kraft, die den Zwinger erstehen ließ, ist in diesem Werk erhalten geblieben und übt ihren Zauber aus; sie ver kündet weiter den Schönheitssinn seines fürstlichen Bau herrn und die Genialität seines Erfinders Pöppel mann." Nachkommenden Geschlechtern und ihren Kunst- gelehrten blieb es Vorbehalten, einen künstlerisch-wissen schaftlichen Streit darüber zu führen, ob Pöppelmann der Großmeister des Barocks oder des Rokokos gewesen ist. In manchen Linien und Gestalten verbinden sich sraglos beide Stile. Aber nicht die Zugehörigkeit zu Barock oder Rokoko ist das Entscheidende, sondern die Gewalt und Großartig keit des Werkes, das Pöppelmann schuf und das jeden in seinen Bann zieht, der sich in seine Schönheit vertieft. Zn kameradschaftlicher Zusammenarbeit: Werchaus, Schule, AgendMrmg. Reichsjugendführer Baldur von Schirach über die ziehungsarbeit an der deutschen Jugend. Der Reichsjugendführer Baldur von Schirach sprach in Königsberg im Nahmen der zur Zeit in allen Gebieten stattfindenden Führertagungen der HI. vor 1800 HJ.-Führern und Vertretern der Partei, Wehrmacht und des Arbeitsdienstes über Organisation der deutschen Jugend und ihren Zweck. Die Organisation habe, so erklärte der Reichsjugend führer, die Aufgabe, den kommenden Generationen Deutschlands den künftigen Weg einer deutschen Na tiv n al e r z i e h u n g zu zeigen. Die Durchsetzung der Idee der S e l b st f ü h r u n g der Jugend bedeute einen gewaltigen Umbruch in der Erziehungswelt. Die Idee, suhr Baldur von Schirach fort, ist das, was wir als Erziehungsmission überantwortet bekom men haben. Sie ist nur denkbar im Rahmen der national sozialistischen Weltanschauung. Es ist das Wunderbare, daß diese Weltanschauung uns diese neue erzieherische Idee geschenkt hat, daß sie aus dieser Weltanschauung heraus geboren wurde, weil diese Weltanschauung eben eine Offenbarung des Ewig-Ju gendlichen im deutschen Volke ist. Eine Preisgabe dieses Grundsatzes müßte, so meinte der Reichsjugend führer, als die Vernichtung der nationalsozialistischen Jugendbewegung überhaupt verracMt werden. Die Er ziehung und die Bildung der deutschen Jugend kan« nicht Angelegenheit einer einzigen Stelle sein. Drei Fak toren müssen in vertrauensvoller kameradschaftlicher Zu sammenarbeit an der Lösung dieses Problems schaffen: das deutsche Elternhaus, die deutsche Schule und die Jugendführung des Reiches mit ihren durch führenden Organen. Nur wenn diese drei als Gemei n- schaft wirken und sich in ihren Grundzügen über die Tendenz ihrer Erziehung klar sind, kann ein wirklich wertvolles Erziehungswcrk geleistet werden. Niemals aber kann einer dieser Teile die Forderung erheben, über alles bestimmen zu dürfen. Am 24. Januar, so teilte Baldur von Schirach mit, werde in Braunschweig bereits der Grundstein zur Aka demie für Jugendführung gelegt. Aussprache zwischen Minister Kerst und Bischof Zänker. Kein Disziplinarverfahren gegen den Bischof von Breslau. In Gegenwart des Vorsitzenden des Landeskirchen- mrsschusses Eger und der Mitglieder des Schlesischen Provinzialausschusses, Pfarrer Loheyde und Pfarrer Bessert, hatte der Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten, Kerrl, eine Aussprache mit dem Bischof von Breslau, Zänker. Bischof Zänker sprach dem Minister über den Ver lauf der jüugsten Ereignisse bei den theologischen Prü fungen in Schlesien sein Bedauern aus und erklärte sich vorbehaltlos bereit, mit dem Provinzialkirchenausschutz unter Leitung des Landeskirchenausschusses auf der Grundlage der jetzt geltenden Verordnungen zusammen zuarbeiten. Reichsminister Kerrl teilte darauf dem Laudes kirchenausschuß mit, er sehe im Hinblick auf die von seilen des Bischofs ihm abgegebenen Erklärungen und mit Rück sicht auf das Befriedungswerk in der Kirche fein Ersuchen um Einleitung des Disziplinarverfahrens gegen den Bischof Zänker als erledigt an. Durch Nacht zum Taa Roman von Kurt Martin. Alle Rechte Vorbehalten. Nachdruck verboten. Copyright by Verlag Neues Leben, Bayr. Gmain. 29 - Du darfst dir nichts von dem anmerken lassen, was ich" dir jetzt anvertraue." „Nein. — Was ist denn nur geschehen?* . „Wenig, — und viel! — Ich wollte erst alles für mich Lehalten; aber ich sagte mir hernach wieder: Es ist besser, du weiht, wie alles steht! — Wir können noch nicht wissen, Wie alles kommt. — Vielleicht hätte ich deine Jugend nicht mit solchen Sorgen belasten sollen; aber du bist jetzt immer um Mutter. — Es geht nicht anders." „Ich will es auch nicht anders! Ich will alles wissen!* Lr reichte ihr den Brief. -Da!" Sie ergriff mit bebenden Fingern das Schreiben. Da pknd: Lieber Günther! Auf meine Anspielungen hin in meinem letzten Briefe Littest Du mich um einen offenen, klaren Bescheid. Ich will Mr den Wunsch erfüllen. Du Haft auf Grund unserer Freundschaft ein Recht zu der Bitte, und es ist sogar meine Pflicht, offen zu reden. — Adalbert ist ein heißes, lebens- hungriges Blut; was während der Internatszeit in ihm zurückgedrüngt wurde, das schafft sich jetzt mit elementarer ^Gewalt Luft. Er hätte in Greifswald leichter in ruhigere Bahnen geleitet werden können; aber wer weiß, vielleicht Hätte er auch dort ein Abenteuer gefunden. ! Du hast recht vermutet: Er liebt Mary Wilken, und Awar mit dem ganzen Sturm und Glühen seiner aufbrau senden Jugend. Er ist ihr willenlos in die Hand gegeben. Er ist jetzt so weit, daß er lieber alles und aber auch alles «assen wurde über dieser Frau. Man steht sie bei Tage zu sammen auf der Straße. Abends geht er mit ihr soupieren. Lch war gestern bei Frau Krüll. Sie ist fassungslos und will ihm kündigen. Es ist auch besser so. Er muß aus dem Kaufe hinaus! Ob das freilich etwas an der Sachlage ändert. bezweifle ich. Die Stadt spricht bereits von tum neuen Liebesabenteuer Mary Wilkens." Du mußt wissen, daß man sich schon viel von dieser Frau erzählt hat. Dabei ist bekannt, daß sie sehr eifersüchtig werden kann und eine Rivalin oder auch einen treulosen Geliebten erbarmungslos zu vernichten sucht. — Was jetzt kommt, weiß ich noch nicht. Mich hat Adalbert derartig beleidigt, daß ich nur um Euretwillen nochmals versuchen will, ihn umzisstimmen. Es wird am besten seiv, ihn von hier fortzunel/men. Ich befürchte frei lich, er wird sich nicht fügen. Die Wilken ist reich. Würdet Ihr ihn also durch Verweigerung des Monatsgeldes fort zwingen wollen, dann würde sie ihm sicherlich finanziell zur Hilfe kommen. Es muß ein Weg gefunden werden, der ohne Kampf ein Ende schafft. Ich hoffe auf die nächste Zeit. Die Wilken muß da nach Wien, um dort Gastspiel-Verpflichtungen zu erfüllen. Es werden immerhin zwei Wochen vergehen, bis sie wiederkommt. Diese Fräst will ich auszünützen ver suchen. Ich will Adalbert in andere Kreise ziehen. Ich will ihn mit jungen Mädchen aus angesehenen Familien bekannt machen. Es wird aber ein Kampf mit der Wilken trotzdem nicht ausbleiben. Es sei denn, sie fände in Wien einen anderen Liebhaber. Du siehst, daß die Lage nicht erfreulich ist. Schreibe aber an Adalbert nicht schroff oder drohend. Sprich zu ihm höchstens von der Mutter, mahne ihn, ihr nicht Herze leid zu bringen! Sporne seinen Fleiß an! Ich fürchte sonst, er würde noch eigensinniger an dieser Liebelei festhalten. Ich werde dir nächste Woche wieder Bericht geben. An "Deine Mutter habe ich auch geschrieben, habe aber meine Sorgen nur angedeutet. Deine Schwester ist ja nun sicher lich daheim und wird danach streben, ihrer Mutter die Tage heiter zu gestalten. Ich schrieb so gern öfters an Irmgard; aber ich befürchte, sie hat mich ganz vergessen und steht mir innerlich völlig fremd gegenüber. Dein getreuer Reinhold. 10. „Verzeih mir, Reinhold, daß ich mich dir gegenüber pöbelhaft benahm. — Doch, es war wirklich pöbelhaft. Ich weiß es jetzt selbst, und deshalb bitte ich dich nochmals: Verzeih!" Adalbert Iordan reichte dem Freunde die Hand hin. Reinhold Schmidt preßte erfreut die dargebotene Rechte. Er atmete auf. „Es ist alles vergessen, da du jetzt anders denkst.* Sie saßen sich in dem neuen Zimmer Adalberts gegen über. Er wohnte jetzt in der Friedrichstraße bei einer Kaus mannswitwe. i „Ich habe nicht recht gehandelt. Es war ein Rausch,' der mich ergriffen hatte. Ich konnte einfach nicht anders^ Aber sch sehe es jetzt ein: Ich war trunken, verblendet. Ich bin froh, daß Mary in Wien ist." „Und wenn sie wiederkommt?" „Ich werde ihr sagen, daß ich mich jetzt meinem Studium widmen muß." „Du wirst nicht mehr ihr Sklave werden?" „Nein, seitdem ich Ilse Burckardt gesehen habe, weiß ich erst, was Schönheit und Liebreiz und Iugendfrische ist. —> Ich danke dir, daß du mich in den Kreis deiner Bekannten eingeführt hast, und ich bin schon wieder voller Erwartung auf den nächsten Sonntag, da ich Ilse Burckardt Wiedersehens soll. — Dir kann ich es ja gestehen, daß das Mädchen mich begeistert. Du bist ja nicht eifersüchtig, nicht wahr?" „Nein. Ich würde mich freuen, wenn ihr Gefallen aneinander fändet. Ilse Burckardt hat einen guten Cha rakter." „Warum hast du dich nicht längst in sic verliebt?" „Ich? — Ich denn: gar nicht ans Heiraten." „Du bist ein Frosch! oder lebt irgendwo eine stille Liebe, zu der dich dein Herz zieht? — Beichte!" „Ich habe nichts zu beichten, Adalbert. — Man soll nicht von einer Sache sprechen, solange es sich nicht um eine Tat sache handelt." „Aha, also doch! — Ich will nicht in dich dringen.* „Und tue mir einen Gefallen, Adalbert: Schreibe an deine Mutter, ^ie ist in Sorge um dich. Schreibe ihr recht viel und recht sserzlich." „Ja doch! — Morgen! — Bestimmt! Ich verspreche es dir. — Hat ja gar keinen Grund zur Sorge.— Wie so denn?" „Doch. — Mary Wilken war genug Grund zur Sorge." Adalbert lachte verlegen. „Geh! Ein Abenteuer, weiter nichts. — Vielleicht nicht das unangenehmste Abenteuer! — Wenn ich denke —. Aber Schluß! Ich will lieber an die reizende Ilse denken!" „Ja, denke an Ilse!"— lFortlebuna folot.l