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j Wilsdruffer Tageblatt j 2. Blatt Nr. 282. Donnerstag, den 3. Dezember 1936 Ras «is» «atisaaöea§aöieka»risi Oberbefehlshaber des Heeres, Frhr. v. pritsch: In jedem echten Deutschen wohnt von jeher soldati sches Fühlen und Denken. Untrennbar damit verbanden ist wahre Kameradschaft: der Wille zum Helfen in der Not. Jeder Deutsche beweist seinen soldatischen Geist, wenn er dem Volksgenossen hilft und sich mit ganzer Kraft für das große Winterhilfswerk des Führers cinsetzt. Ser Mm ehrt Reichsleiter Bouhler Der Führer weilte im Hause von Neichsleiter Bouhler, der vor 15 Jahren seinen Dienst in der nationalsozialistischen Bewegung mit seiner Tätigkeit im Verlag des „Völkischen Beobachters" begonnen hat. * Nnte^ anderen Glückwunschschreiben erhielt der Chef der Kanzlei des Führers nachstehendes Telegramm des Reichsministers Dr. Goebbels: „Lieber Parteigenosse Bouhler, am heutigen Tage, an dem Sie 15 Jahre un unterbrochen dem Führer und dem Volke in der national sozialistischen Bewegung dienen, ist es mir ein Bedürf nis, Ihnen dazu meine herzlichsten und aufrichtigsten Glückwünsche zu übermitteln. Ich hoffe, daß Ihre wert volle Arbeitskraft dem Führer und »ns allen noch viele Jahre erhalten bleiben möge. Seien Sie dabei auch meiner freundschaftlichsten Gefühle zu Ihnen, Ihrer Arbeit und Ihrem persönlichen Wohlergehen versichert." Or. Goebbels empfing Obergauführermnen des BOM. Reichsminister Dr. Goebbels empfing in den Räumen seines Ministeriums die Teilnehmerinnen des Schulungslagers der Obergauführerinnen des BDM. Rach den Begrüßungsworten des Ministers brachte die Reichsführerin des Bundes Deutscher Mädel, Trude Bürkner, in herzlichen Worten zum Ausdruck, daß sich der Bund Deutscher Mädel mit Dr. Goebbels als För derer deutscher Kunst und Kultur besonders eng ver bunden fühle. Dr. Goebbels lud seine Gäste zum Abend zu einem gemeinsamen Besuch einer Aufführung im Theater des Volkes ein. Starker Schneefall in München Berkehr im Allgäu durch Schneeverwehungen unterbrochen In M ünchen und den anderen bayerischen Städten hat in der Nacht zum Mittwoch der erste große Schneefall eingesetzt und die Stadt in ein winterliches Kleid gehüllt. In den Vormittagsstunden verdichtete sich der Schneefall Fu einem regelrechten Schneesturm, der jedoch bei wärmer werdender Temperatur in Regen überging, so daß die ganzen Straßen in schmutzig grauen Matsch verwandelt Wurden. In der Oberstdorfer Gegend raste ein regel rechter Schneesturm, der von Donner und Blitz begleitet war. Der Schneefall hält hier mit kurzen Unterbrechungen an. Durch Schneeverwehungen ist der Verkehr im Allgäu an einzelnen Stellen behindert bzw. unter brochen worden. In Garmisch-Partenkirchen hat es gleichfalls geschneit. Es herrscht eine Temperatur von 0 Grad, so daß der Schnee liegenbleibt und eine Winter landschaft geschaffen hat. Verstimmt knetete Prokurist Wüst an seinem spitzen Kinn herum. Er wäre vorhin am liebsten auf die Dreiste losgefahren. Den Ton, wie sie, hatte sich noch kein Unter gebener gegen ihn erlaubt. Gut, daß er den Chef noch rechtzeitig gesehen, die blonde Furie wä'-e imstande ge wesen, ihm noch ganz andere Dinge ins Gesicht zu schreien. Schließlich hätte sie auch davon angefangen, daß er ihr einmal nahegelegt, er wäre einer kleinen Liebschaft mit ihr nicht abgeneigt. Um das nicht herauszufordern, mußte er den Aerger von eben wohl ungestraft einstecken. Wenn's aber io weit käme, daß sie redete, würde er sie Lügnerin nennen, das dumme Mädel, das so zimperlich tat und auf einem öffentlichen Ball mit einem anscheinend fremden Herrn Sekt trank und sich dann mit ihm irgendwohin seitwärts in die Büsche schlug. Er murmelte etwas vor sich hin, was nicht gerade wie ein Segenswunsch für Franziska klang, und setzte sich sehr verstimmt an seine Arbeit. Gar zu gern hätte er gewußt, was der Chef mit dem aufsässigen Mädel reden würde. 4. Berthold Radix war neunundzwänzig Jahre alt und war, wie man Leute seiner Art zu nennen pflegt, ein fidele» Huhn. Auf dm Vege zm deWen llmWugWt. Der Reichsfinanzminister über die Notwendigkeit zur wirtschaftlichen Wehr- haftmachung. Der Reichsminister der Finanzen, Graf Schwerin von Krosigk führte bei einem auf Einladung des Bayerischen Ministerpräsidenten Siebert in München ge haltenen Vortrag u. a. folgendes aus: Die Wirtschafts- und Finanzpolitik vollziehe sich seit 1933 in drei Abschnitten. Der erste Abschnitt sei der der eigentlichen Arbeitsbeschaffung gewesen. Sie habe be- zweckt, durch sofortige Maßnahmen überhaupt erst einmal Arbeit zu schaffen und hierdurch die große Masse der Arbeitsuchenden in Lohn und Brot zu bringen. Im zwei ten Abschnitt sei die Arbeitsbeschaffung zugunsten anderer staatspolitischer Aufgaben in den Hintergrund getreten, deren Zweck nicht arbeitsmarkt- oder konjunkturpolitischer Art, deren Wirkung aber die gleiche gewesen sei. Dies sei neben dem Ausbau der Reichsaulobahnen die Wehr- haftmachung des deutschen Polkes gewesen. Der neue Vierjahresplän bedeute die dritte Etappe auf dem Wege der Wiedererrichtung der deutschen Unabhängigkeit. Es gelte nicht, einen Autarkiestaat um der Autarkie willen zu errichten, sondern unserem Volk die unentbehrlichen Lebensgrundlagen aus eigener Kraft für die Dauer zu verschaffen. Die gesteigert» Nachfrage nach Rohstoffen sei zur Zeit nicht in vollem Umfange durch Ein fuhr zu befriedigen, da wir sie nicht in Devisen bezahlen könnten. Hieraus ergäbe sich die R o ! w e n d i g k e i t zur wirtschaftlichen Wehrhaftmachung, die uns vom Unver stand des Auslandes aufgezwungen sei. Andererseits sei die Versorgung Deutschlands mit den nicht im Inland zu beschaffenden nötigsten Rohstoffen unbedingt sicherzustellen. Daher müsse der deutsche Außenhandel weiter gepflegt und gesteigert werden. Was die Finanzierung dieser neuen gewaltigen Auf gaben betreffe, so gälten für sie alle die gleichen natür lichen Grundsätze und Methoden. Das „neue Wunder", das man in Deutschland auf finanzpolitischem Gebiet erlebe, erkläre sich aus der einheitlichen und straffen Zusammenfassung der ge samten Finanz, und Wirtschaftspolitik. Einmal auf dem Gebiet der E t a t s p o l i t i k, die eine Rangordnung in der Wichtigkeit der Ausgaben und Auf gaben errichten und unter Zurückstellung aller unwichtigen Ausgaben die Deckung der notwendigen Ausgaben durch die laufenden normalen Einnahmen sicherstellen werde. Ferner in der K a p i 1 a l m a r k 1 p o l i t i k, die auch für die Aufnahme von Anleihen den Grundsatz der Wichtigkeit und Vordringiichkeit des zu finanzierenden Objekts be folgen müsse, und schließlich in einer Finanzaus gleich s p o l i t i k, die zu einer Begrenzung der Län der- und Gemeindeanteile an den großen Ueberweisungs- steuern führe. Der mit der neuen Finanzpolitik verbunde nen Steigerung der öffentlichen Verschuldung — die übrigens absolut wie auf den Kopf der Bevölkerung ge rechnet, weit niedriger als in anderen großen Staaten sei — stehe eine erhebliche Entschuldung der privaten Wirt, schäft und die den Schuldendienst sicherstellende Besserung der Lage der öffentlichen Etats gegenüber. Härten und Opfer seien allerdings für die kommenden vier Jahre unausbleiblich. Nur eine bewußte Politik schärfster Konzentrierung aller finanziellen Kräfte und des Haushaltens mit allen unseren Schätzen und Mitteln sichere die Erreichung des vom Führer gestellten Zieles. Der Minister schloß mit einem warmen Appell an das Vertrauen und die Opferwilligkeit des deutschen Volkes. Die Politik des Führers habe bisher zu einem vollen Er folge geführt, weil sie von dem einmütigen Vertrauen der geschlossen hinter ihm stehenden Bevölkerung getragen ge wesen sei. Restlose Einsatzbereitschaft sei in verstärktem Maße für die jetzt begonnene Phase des Kampfes um die Erstarkung und Unabhängigkeit der deutschen Wirtschaft nötia. Ws; MM die PreiMMiMW»? Der 18. Oktober ist gewissermaßen zum Stich- t a g für ein System von Höchstpreisen genommen worden. Im Vordergrund des Interesses dieser Maßnahme stand die Notwendiakeit, Ruhe in der Preisbewegung zu schaffen. Nichts liegt dem Preiskommissar jedoch ferner, als ein starres Schema schaffen zu wollen. Nicht der Standpunkt vom grünen Tisch aus soll entscheiden. Ein späterer Abschnitt der Arbeit des Preiskommissars wird es vielleicht sogar ermöglichen, wirklich nur Richtlinien für die Preisbildung im Wirtschaftsablauf zu geben. Heute sind wir noch nicht so weit. Heute muß ein Verbot der Preiserhöhungen bewußt noch so allgemein und doch so umfassend gehalten werden, daß auch jegliche Möglich keit der Umgehung unterbunden wird. Denn was für eine spätere Zeit notwendige Voraussetzung einer gedeihlichen Arbeit ist, das kann nach den Erfahrungen der vergange nen Monate leider noch nicht überall vorausgesetzt werden, die allgemeine Mitarbeit. Heute mutz der Preis bildungskommissar (der nicht gegen, sondern mit der Wirt schaft arbeiten will) noch viele zur Mitarbeit zwingen. Gültig für Güter und Leistungen jeder Art Im Neichsgesetzblatt vom 1. Dezember sind zwei Ver ordnungen des Ministerpräsidenten Göring zum Gesetz zur Durchführung des Vierjahresplanes vom 29. Oktober ver öffentlicht. Die erste Verordnung bestimmt, daß die bisher aus dem Gebiet der Preisfestsetzung und Preis überwachung erlassenen Verordnungen, Anordnungen und allgemeinen Verwaltungsvorschriften in Traft bleiben, so weit sie nicht durch das Gesetz vom 29. Oktober 1936 über die Einsetzung des Reichskommissars für die Preis bildung aufgehoben worden sind. Bei Zuwiderhandlung gegen diese Bestimmungen finden die im Gesetzblatt vom 29. Oktober 1936 festgesetzten Strafvorschriften sinngemäß ergänzend Anwendung. Die zweite Verordnung bringt ein Verbot von Preiserhöhungen. Danach sind Preiserhöhungen für Güter und Leistungen jeder Art, insbesondere für alle Bedürfnisse des täglichen Lebens, für die gesamte landwirtschaftliche, gewerbliche und industrielle Erzeugung und für den Verkehr mit Gütern und Waren jeder Art sowie für sonstige Entgelte verboten. Stichtag IS. Oktober Dieses Verbot gilt rückwirkend vom 18. Ok tober 1936 ab. Verträge, die von beiden Vertragspart, nern erfüllt sind, bleiben von der Rückwirkung unberührt. Als eine Preiserhöhung ist es auch anzusehen, wenn die Zahlnngs- und Lieferungsbedingungen zum Nachteil der Abnehmer verändert werden. Weiter wird verboten, Hand lungen vorzunehmen, durch die mittelbar oder unmittel- bar diese Vorschriften umgangen werden oder umgangen werden sollen. Soweit aus volkswirtschaftlichen Gründen oder zur Vermeidung besonderer Härten eine Ausnahme dringend erforderlich erscheint, können der Reichskommissar für die Preisbildung oder die von ihm beauftragten Stellen Ausnahmen zulassen oder an ordnen. Wer den Bestimmungen dieser Verordnung oder den zu ihrer Durchführung erlassenen Anordnungen vor- Er war groß, ein wenig breit, und hatte ein regel mäßiges, aber etwas grob geschnittenes Gesicht, blaue Helle Augen und dunkelblondes Haar. Auf seine Klei dung gab er sehr viel, er sah immer aus, als käme er eben erst frisch eingeklsidet aus einem erstklassigen Schneideratelier. Er ließ alles in Frankfurt am Main arbeiten und fühlte sich in Toilettenfragen tonangebend in der kleinen Stadt. Vor einem Jahr war sein Vater gestorben, dessen Fleiß und Tüchtigkeit die Glühlampen, fabrik Nadir auf Radio umgestcllt hatte. Die vorzüg- liehen Apparate, die ständig verbessert wurden, erlang ten bald internationalen Ruf. Den Sohn schickte Werner Radix nach London und Paris, auch drüben in Neuyork war er gewesen, hatte sich überall umgeschaut und die Filialen in Paris, London und Madrid eingerichtet. Als sein Vater starb, war er gerade in Paris. Ein eleganter Herr war der mmmehrige Chef der Radio-Radix draußen geworden, aber Frdnziska fand, wenn er etwas weniger neu aussähe, wäre das nur zu seinem Vorteil. Berthold Radix öffnete vor Franziska die Tür seines Privatbüros, das dem des Prokuristen schräg gegenüber lag. Nachdem Franziska eingetreten, legte er Hut und Mantel ab, und setzte sich an seinen sehr wirkungsvoll geschnitzten Schreibtisch, den er sich vor kurzem nach einem Entwurf hatte anfertigen lassen. Er begann sehr ernst: „Ich darf Ihnen, wenn ich Ihre Erregung auch begreife, Fräulein Karsten, doch den Vorwurf nicht ersparen, daß Sie sich Herrn Wüst gegenüber stark im Ton vergriffen haben. Herr Wüst ist Ihr Vorgesetzter, und ich fordere von Ihnen, genau wie von einem anderen Angestellten, Höflichkeit im Um gang mit den Vorgesetzten. Ich rate Ihnen, Herrn Wüst um Verzeihung zu bitten, erst nachdem werde ich dafür sorgen, daß Ihnen das von Ihnen gewünschte Geld so fort ausgezahlt wird." Er hatte eigentlich das Gefühl, er verlangte zu viel von Franziska Karsten, sein Gerechtigkeitssinn neigte nach der Seite des Mädchens, aber es ging doch nicht, daß er seinem Prokuristen unrecht gab. Auf diese Weiss wäre es bald mit dem Respekt vorbei, den ein Vorgesetz ter unbedingt braucht. Franziska überkam ein seltsames Gefühl, für das sie nicht die richtigen Worte hätte finden können. Mut war es nicht, aber vielleicht Verzweiflung, weil man sie hier unnütz zurückhielt, nur um sie zu kränken und zu demütigen. Sie antwortete mit mühsam behaupteter Ruhe: „Dann muß ich auf das Geld verzichten, so furchtbar das auch für mich ist, denn ich kann doch diesen abscheulichen Menschen nicht um Verzeihung bitten. Er dürste mich! also beleidigen, wie es ihm gefällt, und weil ich mich natürlicherweise gewehrt, sollte ich ihn um Verzeihung bitten? Nein, Herr Direktor, das tue ich nicht! Meinen Stolz habe ich auch. Zwar verdiene ich durch die Radio werke mein Brot, doch möchte ich deshalb nicht zur kleinen Angstkreatur werden vor dem großmächtigen Herrn Prokuristen." „Still!" fuhr Berthold Radix auf. Sie sah ihn groß an, und ihm war es, als läge etwas Zwingendes in dem Blick der wunderschönen grauen Augen, deren Lider noch vom Weinen gerötet waren. „Ich kann auch still sein, Herr Direktor, und ich bin darauf vorbereitet, daß Ihr nächster Satz meine Ent lassung bedeutet. Es ist für mich sogar besser so, als dah ich unter Menschen weiter arbeiten müßte, für die ich den verlangten Respekt nicht mehr aufbringen könnte. (Fortsetzung soigt.)