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Wilsdruffer Tageblatt : 17.05.1931
- Erscheinungsdatum
- 1931-05-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193105177
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19310517
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19310517
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1931
-
Monat
1931-05
- Tag 1931-05-17
-
Monat
1931-05
-
Jahr
1931
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 17.05.1931
- Autor
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Der Spargel groß in Korm! Spargelallerlei ohne Kochrezepte. So laßt uns wieder von dem Spargel reden — wie stets im Mai! . . . Dieses nämlich ist die Zeil, in der man sich mit dem Spargel beschäftigen mutz, wenn man sich nicht schwerer Versäumnis schuldig machen will Wie rasch ist nicht du Spargelzeit vorbei! Sie teilt das Los alles Schönen aus der Erde: kaum beginnt man sich an sie zu gewöhnen und sich mit ihr zu befreunden, so geht sie schon zu Ende. Was ein richtiger Spargelkenner ist — ein Feinschmecker, kein Allesesser, der frischen Spargel nicht von Büchsenspargel unterscheiden kann —, für den ist der Spargel schon Mitte Juni erledigt. Am sicher sten verfährt man also, wenn man sämtlichen Spargel, dessen man habhaft werden kann, schon lm Mai vertilgt, denn dann ist der Spargel grotz in Form, was man, wenn man will, auch auf die Länge und Dicke der einzelnen Stangen beziehen kann. Über die beste Art der Zubereitung des Spargels sind sich die Spargelgelehrten auch heute noch nicht einig, obwohl schon seit Jahrhunderten tiefgründige Abhandlungen über diesen Gegen stand geschrieben, gedruckt und vielleicht sogar gelesen worden sind. Ja, selbst die gediegensten Hausfrauen, die w punow Spargel vielleicht mehr wissen als die bebrilltesten Botaniker, können nicht mit Bestimmtheit angeben, ob der Spargel in zer lassener Butter oder in holländischer Tunke ruhen soll, wenn er auf den Tisch kommt. Auch Essig und Ol werden als „Auf- guß" für Spargel empfohlen, aber es soll einmal einen be rühmten Spargelverltlger gegeben haben, der einen Schlag anfall bekam, als ihm ein Gastgeber den Spargel in dieser kopf salaiartigen Ausmachung vorsetzen ließ. Den Gastgeber aber rührte der durch den Essigspargel verursachte Schlaganfall nicht im geringsten: er legte ruhig den Spargel, der seinem Gegen über vorgesetzt morde,n war, aus seinen eigenen Teller zu seinem eigenen Spargel und atz beide Portionen allein auf. Das ist so eine der vielen Spargelanekdoten, die Jahr für Jahr erzählt werden, wenn der erste gebündelte Spargel auf den Markt kommt. Am besten dran sind ja bestimmt diejenigen, welche sich ihren Hausbedarf an Spargel selbst stechen dürfen, denn für die meisten andern pflegt der Spargel bei seinem Debüt im Mai noch ein bißchen teuer zu sein. Glücklicherweise gibt sich das gewöhnlich schon nach kurzer Zeit: es kommen Tage, an denen der Spargel erschwinglich wird, und dann sollte jeder, Der ein bißchen Geld übrig hat, ihn zu erschwingen suchen, ' denn — nehmt alles nur in allem — er ist köstlich Voraus gesetzt, daß er nicht holzig ist! Und das ist das Schöne am Spargel, daß man als Beilage noch andere gute Dinge dazu geben kann, Koteletten zum Beispiel oder Schinken oder auch fchlichtbürgerliche Wurst. Und tm übrigen ist es nicht einmal richtig, daß Spargel in Essig und Ql so ganz und gar ein Unding ist. Oder sollte noch niemand etwas vom Spargelsalat gehört haben? Na also! Und überhaupt kann man mit dem Spargel, der sich geduldig zu allem hergibt, noch eine ganze Anzahl anderer Zubereitungsexperimente machen: da ist der Spargel in der Frühltngssuppe, da ist die Spargelsuppe schlechthin, da ist das Spargelgemüse, da ist der auf französische Art gebackene Spargel und wer weiß was noch alles. Daß von besonderer Güte die Spargelspitzen sind — wem braucht man das erst lang und breit auseinanderzusetzen? Einem Table-d'hote-Effer mußte das allerdings einmal ganz besonders dargelegi werden. Er regte sich darüber auf, daß sein Tisch nachbar sich fast alle Spargelspitzen von der herumgereichten Spargelschüssel nahm, worauf ihm dieser ruhig erwiderte: „Ja, wissen Sie denn nicht, mein Herr, daß die Spitzen das beste am Spargel sind?" Und weil wir schon beim Spargelgeschichten erzählen sind, wollen wir gleich noch eine andere Spargel- geschichte zum besten geben. Es war an einer andern Table d'hote, wo ein Tischgast sich alle dicken Spargelstangen von der Schüssel nahm. „Ra, wissen Sie," sagte sein Nachbar, „ich finde das ein bißchen stark: mir lassen Sie nur die dünnen Stan gen!" — „Ja, was hätten Sie denn getan, wenn die Schüssel zuerst Ihnen gereicht- worden wäre?" — „Ich hätte mir an standshalber die dünnen Stangen genommen!" — „Na, was wollen Sie denn? Die haben Sie ja auch so bekommen!" Zum Schluß wollen wir noch kurz daraus Hinweisen, daß der Spargel in der Spargelfliege und tm Spargelkäfer zwei gefährliche Feinde hat, und daß die Spargelfliege, die die jungen Stengel beim Herausschießen aus der Erde anktichy das Krummwachsen des Spargels verursacht. * Erprobte Spargelgerichte. Wenn die jungen Spargel schießen. Frische Spargel müssen recht zart und weiß aussehen und müssen sich leicht brechen lassen. Die Köpfe dürfen ganz wenig rot oder bläulich schimmern. Man schält die Spargel, vom Kopfe beginnend, nach unten, indem man oben vunn ansüngt und die Schalen langsam dicker werden läßt. Die unteren Enden schneidet man kurz ab. Spargelgemüfe. Gut geschälter, in gleich mäßige Stücke gebrochener Spargel wird in schwachem Salzwasser weichgekocht. Von Butter und Mehl wird eine Helle Schwitze gemacht und die Spargelbrühe dazu getan. In die gut verkochte Soße, die man mit Muskat nuß abschmeckt und mit saurer Sahne und einem Gelbei verfeinern kann, tut man die abgetropften Spargelstücke. Spargelauflauf. Die gebrochenen Spargel stückchen werden in eine Auflaufform gefüllt, die fertig bereitete Soße darüber gegossen. Das Ganze wird mit Butterflöckchen belegt und geriebener Schweizerkäse daraufgestreut und im heißen Bratofen eine Viertelstunde gebacken. Spargelsalat. Der im Salzwasser weich gekochte Spargel wird auf ein Sieb zum Abtropfen gebracht. Ein Teil des noch lauwarmen Spargelwassers vermischt man mit Essig, Ol und Pfeffer, einer Prise Zucker und fein gehackter Petersilie. Man kann beliebig noch andere Küchen kräuter dazu geben. Auch die Spargelstückchen mit einer fertigen verdünnten Mayonnaise angerichtet, sind sehr wohlschmeckend. Verfeinert wird der Salat, wenn man Krebsschwänze oder Hummerfleisch hinzufügt. Stangenfpa'rgel in zerlassener Butter. Die geschälten Spargel bindet man zu zehn bis zwöls Stangen gleichmäßig zusammen und läßt sie in Salzwasser weichkochen. Der Spargel ist gar, wenn sich die Köpfe leicht eindrücken lassen. Man tut die Spargel auf eine Porzellanplatte, entfernt den Bindfaden und gibt reichlich zerlassene Butter darüber. Sie Sonne ein mWerli-er Stern? Von Or. Peter Graf. Einiges Aufsehen in Fachkreisen hat soeben der englische Meteorologe Dr. Simpson durch eine Theorie hervorgerufen, nach der die Eiszeiten der Erde dadurch erklärt werden kön nen, daß die Sonne ein veränderlicher Stern sei. Diese Theo rie hat tatsächlich manches für sich. Veränderlich nennt die Astronomie Sterne, die ihre Helligkeit und ihre Farbe stän dig wechseln. Es gibt Veränderliche, bei denen diese Erschei nung ganz gleichmäßig auftritt, wie durch ein Uhrwerk ge regelt, es gibt aber auch unregelmäßige Veränderliche. Bei manchen tritt der Wechsel in verhältnismäßig kurzen Zeit räumen auf, bei anderen in längeren und sehr wahrscheinlich bei einzelnen auch in sehr weiten Abständen, so daß wir bei ihrem Aufleuchten von einem neuen Stern sprechen. Da nun seit Menschengedenken, also seit Jahrtausenden, keine Veränderung unserer Sonne beobachtet oder überliefert worden ist, könnte die Sonne nur ein Veränderlicher mit sehr langer Periode von Zehntausenden von Jahren oder noch länger sein. Die Astronomie kennt eine große Anzahl veränderlicher Sterne. Man teilt sie in zwei Hauptgruppen ein, von denen die eine für unsere Sonne ausscheidet, das sind die Be- deckungs- und Berfinsterungsveränderlichen. Es handelt sich bei ihnen um Doppelsterne, die sich umeinander bewegen. Ob es sich dabei um zwei leuchtende Sonnen handelt oder um eine Sonne und einen dunklen Begleiter, kommt in der Wirkung auf dasselbe hinaus, stets wird die Lichtstärke sich erhöhen, wenn diese beiden Sterne von uns aus gesehen neben einander stehen; sie wird sich vermindern, wenn sie hinter einander stehen, so daß eine Sonne durch die andere oder durch ihren dunklen Begleiter für unser Auge bedeckt wird. Die zu dieser Gruppe zählenden Veränderlichen haben einen regelmäßigen Wechsel der Helligkeit. Dieser Vorgang ist für uns verhältnismäßig einfach vor stellbar, Wir brauchen nur an den Umlauf der Planeten um oie Sonne oder des Mondes um die Erde zu denken, um ihn zu begreifen. Dagegen birgt die andere Gruppe der Ver änderlichen für uns noch viele Geheimnisse, deren Lösung Schwierigkeiten bietet. Bei den Erklärungsversuchen steht häufig Theorie und Erfahrung im Widerstreit. Es handelt sich um eines der interessantesten Gebiete der Astronomie. Nach einer Theorie sind diese Veränderlichen „pulsierende Gaskugeln", von einer Größe, welche die der Sonne beträcht lich übertrifft, es sind Riesensonnen, die atmen. Wenn wir so einen Vergleich mit dem organischen Leben ziehen, dann sei erwähnt, "daß man auch von einem Leben der Sterne spricht und bei ihnen einen Werdegang festgestellt hat, der von einer Geburt über den Zustand der Jugend und der Reife schließlich zum Alter führt. Die „pulsierenden Gas- kugeln" sind noch junge Sterne, in denen sich durch ständige Energiewandlung die Materie im Aufbau befindet. Man nimmt nun an, daß in diesem Stadium die Eneraieerzeu- UW« » W »kl UM Roman von Gert Rothberg. 31. Fortsetzung Nachdruck verboten „Joachim, Herr von Sassewitz ist eben vorhin gekommen, er möchte dich dringend sprechen. Er hat, wie immer, nicht zu viel Zeit, komme also gleich wie du bist." Er folgte ihr ohne ein Wort. Ihm kam eine Ahnung, als würde ihm schon jetzt eine Erklärung für Steudtens Ver halten. Sassewitz kam ihm mit ausgestreckten Händen entgegen. „Ich komme als Freund, als treuer, aufrichtiger Freund Ihres Hauses, lieber Hohenegg, und ich will mir Mühe geben, es Ihnen schonend beizubringen." Joachim bat ihn, doch wieder Plaß zu nehmen. Er setzte sich Sassewitz gegenüber und schattete das Gesicht mit der Hand. Der dicke Herr räusperte sich und suchte nach Worten. Na türlich konnte von „Schonend beibringen" gar keine Rede sein bei dem alten, biederen Manne. „Also, Hohenegg, um es kurz zu machen, es ist ein ganz infames Gerücht entstanden. Nachzuforschen, wo es entstanden ist, hat keinen Zweck. Da ist der Leckerbissen viel M groß und zieht im Nu die weitesten Kreise." Joachim ließ die Hand sinken und blickte ihn befremdet an. . „Ein Gerücht? Ueber wen? Ueber mich? Wollen Sie sich nicht deutlicher erklären?" Sassewitz drehte die kurzen, unförmigen Finger ratlos umeinander. Eine ganz verflixte Mission, die er da llber- nomiueri hatte. Es war verdammt schwer, dem schönen Men schen da ihm gegenüber, der ihn mit blauen, offenen Augen w erstaunt ansah, die abscheuliche Sache herzubringen. Nach einem wahrhaft gräulichen Räuspern platzte er heraus: „Lieber Hoheuegg, man sagt, Sie hätten bei Lebzeiten Ihrer verstorbenen Frau ein Verhältnis mit Fräulein Hal men Unterbalten." Joachim sprang auf. „Wem habe ich diese Gemeinheit zu verdanken?" fragte er finster. „Ich sagte es ja schon, selbstverständlich nichts rauszu kriegen," sagte Sassewitz. Joachim sah lange vor sich nieder, in seiner Brust stürmte es. Endlich fragte er: „Nun, lieber Freund, sollte das alles sein, was Sie mir mitteilen wollten?" Sassewitz atmete erleichtert auf. Gott sei Dank, daß Hohenegg ihm noch entgegenkam. „Ja, sehen Sie, und nun bringt man diesen infamen Klatsch mit dem Tode Ihrer Frau in Zusammenhang," sagte er vorsichtig. Joachim sah ihn verstört an. „Glaubt man etwa, meine Frau hätte etwas von diesem angeblichen Verhältnis gewußt und sei deswegen in den Tod gegangen?" fragte er und er war blaß bis in die Lippen. Sassewitz faßte seine beiden Hände. „Jetzt Ruhe. Man glaubt, man denkt, daß —," ratlos schwieg er. Joachim schüttelte seine Hände wie ein Rasender. „Was glaubt man? Reden Sie, was tagt man?" Sassewitz quollen die Augen förmlich aus dem Kopf vor Angst beim Anblick des furchtbar erregten Mannes. „Man sagt, Frau von Hohenegg sei ermordet worden, weil sie im Wege war," kam es bebend von seinen Lippen. Er sah sich nach einer Deckung um, denn nun, nach diesen Worten mußte doch etwas Furchtbares geschehen. Doch nichts geschah! Joachim strich sich das dichte, blonde Haar zurück. Ueber ihn kam plötzlich steinerne Ruhe. Steudtens Verhalten hatte seine Aufklärung gefunden. „Man hält mich für den Mörder meiner Frau?" Ganz ruhig hatte Hohenegg es gefragt. Sassewitz legte ihm die Hände auf die Schultern. Er mußte sich emporrecken dabei. gung stoßweise vor sich geht,' und feder neue Energrestoß' ist von einem Aufleuchten des Sternes begleitet. Diese pulsie renden Sonnen können verschieden lange Perioden Habens und man will Beziehungen zwischen der Periodenlänge, der Helligkeit und der Spektralklasse der Veränderlichen festge stellt haben. Doch da all diese Untersuchungen noch längst nicht abgeschlossen sind, soll hier nicht weiter auf sie eingegan- gen werden. Unsere Sonne ist kein junger Stern mehr, sondern im Gegenteil schon eine stark alternde Dame. Sollten sich in ihrem Innern tatsächlich noch explosionsartige Energiestöße abspielen, dann werden sie nur noch selten auftreten, die Möglichkeit besteht also, daß unsere Sonne ein Veränderlicher mit sehr langer Periode ist. Sehr nahe verwandt mit den veränderlichen Sternen sind, wie schon kurz erwähnt, die „Neuen Sterne", und die Annahme ist nicht von der Hand zu weisen, daß sehr viele der Neuen Sterne in Wirklichkeit Veränderliche mit sehr lan ger Periode sind, die gerade wieder einmal einen neuen Ener giestoß erfahren haben, eine innere Explosion, durch die ein neues Aufstrahlen erfolgt. Vielleicht sind auch bei unserer Sonne von Zeit zu Zeit derartige Erscheinungen aufgetreten. Eine Zunahme der Strahlungsenergie kann schließlich auch ausgelost werden bei dem Zusammenstoß zweier Him melskörper. Bei der riesenhaften kosmischen Geschwindigkeit genügt ein solcher Zusammenstoß, bei. dem die Sonne einen Himmelskörper von etwa der Größe der Erde verschluckt, um so ungeheure Energiemengen auszulösen, daß die Strahlung der Sonne für Jahrtausende eine gewaltige Steigerung er fährt. Doch welche Ursachen es auch sein mögen, wenn unsere Sonne tatsächlich zu den veränderlichen Sternen gehört, dann ist es auch möglich, daß zu gewissen Zeiten, wenn ihre Strah lung zugenommen hat, sich auf unserer Erde bis in die Pol gegend hinein ein tropisches Klima entwickeln konnte. So würde sich das Vorkommen exotischer Pflanzen in früheren geologischen Perioden auf Spitzbergen erklären. Und dann ist auch ein so erheblicher Rückgang der Sonnenstrahlung denk bar, daß schon mehrmals eine Bereisung Mitteleuropas ein treten mußte. Gehört die Sonne zu den veränderlichen Ster nen der geschilderten Art, dann wird ihre Wärmestrahlung in der Zukunft auch wieder nachlassen, und wir gehen einer neuen Eiszeit entgegen. Der Uebergang würde jedoch so lang sam erfolgen, daß die europäische Menschheit Wohl noch für Jabrtansende keine Sorae m baben brauckt. Das Müder der ZeimgsWr. Die Setzmaschine. Von Rudolf Predeek. Aus feinen, regelmäßigen, genau auf Silben und Buch stabenbreite abgemessenen Zeilen reiht sich die Zeitung all täglich zu dem gewohnten Bild. Und niemand macht sich eine Vorstellung davon, wie dieses klar geordnete Zeilenbild, wie diese Gesetzmäßigkeit des Drucks und die Regelmäßigkeit in der Buchstabenreihe entstehen konnten. Diese Arbeitsleistung — täglich an die 8000 Zeilen, gesetzt, geordnet, mit Schlag zeilen und Ueberfchriften versehen, gedruckt, täglich an die- 250 000 Buchstaben, gleichmäßig nebeneinander, wohlgeordnet und festgefügt — diese kann nicht, wie es einst mal war, durch noch so kunstfertige Menschenhand zusammengesetzt und ge ordnet sein, Tag für Tag, regelmäßig aus die Stunde, regel mäßig mit derselben Leistung, regelmäßig wie die Selbst verständlichkeit, mit welcher der Leser dieses technische Wun der der Zeitung empfängt, überliest und beiseite legt. Das Werk der Zeitung wird durch die Setzmaschine zum Wunder. Durch jene unsinnig-sinnvolle Maschine, die in der unfaß baren Regellosigkeit ihrer exzentrischen und konzentrischen Räder, im Greifen ihrer Arme, im Schieben und Gleiten und Schütteln ihrer beweglichen Teile und Teilchen das Feinste, Regelvollste, Genialste darstellt, was Menschengeist an Präzision sich nur auszudenken vermag. Dieses Unding von Maschine, dieser Wirrwarr von Stangen, Hebeln, Zähnen, ver beulten und zertrümmerten Rädern, von verbogenen und un sinnig gekrümmten Eisenteilen, dieser bildgewordene Irrsinn von Mechanik vollbringt das Wunder des technischen Satzes, einer Arbeit, zu der früher tagelang ein kleines Heer von Ar beitern nötig war, um die Buchstaben zum Wort aneinander zu fügen, die Worte zur Zeile, die Zeile zum mühsamen Satz. Diese Maschine — weiß der Himmel, wie sie es fertig bringt! — spuckt ununterbrochen Bleizeile auf Bleizeile aus ihrem eisernen Gekröse, Bleizeilen zum Brennen heiß, die soeben noch flüssiges Blei waren, Zeilen, in welche die Ma schine Buchstaben hinein zaubert, richtige, wohlgeordnete, Wundervoll nebeneinander gerichtete Buchstaben und Worte, durch regelmäßige Zwischenräume friedvoll getrennt. Zeile „Ja, Hohenegg, man sagt das. Gott sei Dank, daß es heraus ist, und verzeihen Sie mir, daß ich Ihnen so etwas sagen mußte, doch ich hielt es für meine Pflicht. Es wäre immerhin möglich, daß, ich meine — Sie verstehen mich und es sollte Sie gewappnet finden, lieber Freund!" Joachim drückte seine Hände. „Ich danke Ihnen. Mein nächster Weg ist zum Gericht." „Sie wollen selbst —?" fragte Sassewitz erschüttert. Der junge Schloßherr blickte ihn groß an. „Was sonst? Ich fahre sofort mit dem nächsten Zug, um die Untersuchung gegen mich zu beantragen. Weiß meine Tante?" Sassewitz nickte. „Ja, ihr hatte ich es bereits gesagt. Kann ich Ihnen sonst irgendwie behilflich sein? Denn ich stehe mit meiner Fa milie zu Ihnen mit Leib und Seele. Ich bin von Ihrer Un schuld vollkommen überzeugt." Fest drückte Joachim ihm die Hände. „Ich danke Ihnen, Ihrer Frau Gemahlin meinen erge benen Gruß. Und jetzt will ich mich fertig machen, in einer Stunde fährt mein Zug." In den Zeitungen stand es: „Der Schloßherr von Hohenegg hat selbst die Unter suchung gegen sich beantragt. Er steht im Verdacht, 'eine Frau ermordet zu haben. Hohenegg kam damit nur einer Maßnahme der Behörde zuvor, denn seine Verhaftung war bereits verfügt. Das weitere werden wir unseren Lesern be richten." In den Salons, im Klub, überall bildete diese Tragödie das Tagesgespräch. Die Untersuchungskommission war aber mals in Hohenegg draußen. Ruhig stand Stine Frage und Antwort. „Da es sich um einen sehr nahestchenren Verwandten handelt, brauchen Sie nicht zu antworten," sagte der Be amte zu ihr. Sie lächelte schmerzlich. „Ich habe nichts zu fürchten und auch nichts zu ver schweigen. Fragen Sie ruhig," sagte sie. lFortsetzung folgt.)
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