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Behandlung und Verschwendung des Prinzen Friedrich von ihm getrennt zu leben. Prinz Friedrich, der vor seiner Vermählung schwer verschuldet war, wurde katholisch, was seine Verwandten beleidigte und seine Einkünfte ab schnitt. Die Prinzessin war alsbald nach der Hochzeit ge zwungen, den endlosen Strom von Wucherern zu bezahlen bis fast ihr ganzes Vermögen aufgezehrt war. Selbst ihre Juwelen mußte sie verkaufen. Sie ertrug aber trotz des Anratens ihrer Verwandten seine Verschwendung und Herzlosigkeit, bis sie im August dieses Jahres abgehetzt und fast ohne einen Heller floh und zwar in Begleitung einer Gesellschaftsdame, um vom Papste Rat zu erbitten. Sie bat um Auflösung der Ehe, aber die Kardinäle rieten zur Geduld, während der Fall von der Kirche untersucht würde. Nunmehr ging sie mit ihrem 18 Monate alten Sohn und der Gesellschaftsdame nach einer kleinen Villa bei Genua, wo sie seither in tiefster Zurückgezogenheit lebt. — Dresden, 28. November. Auf dem Dresdner Hauptbahnhofe traf gestern Abend die Leiche des auf dem Krippener Rangierbahnhofe durch Ueberfahren tätlich ver unglückten Weichenwärters Biebas, der auf dem Trans port hierher unterwegs verstorben war, ein, wurde poli zeilich aufgehoben und hierauf wieder nach Krippen zurück- befördcrt. — Heute traf aus dem bei Genua gelegenen Orte Salvi bei dem in Dresden wohnenden Bruder der Gesellschaftsdame der Prinzessin Alice von Schönburg- Waldenburg die telegraphische Nachricht ein, daß am gestrigen Freitag die Prinzessin mit ihrer Umgebung Salvi ver- lassen habe, um allen zudringlichen Auskundschaftungen zu entgehen. — Durch Erhängen entleibte sich in der ver gangenen Nacht in Striesen ein Arbeiter, ain Freitag in der Neustadt und in der vergangenen Nacht in der Pir- naischen Vorstadt je ein Gewerbtreibender. — Dresden. In Mittelstandskreisen macht ein witziges Bonmot die Runde. Man sagt: Daß jeder Dame, die sich bei „Herzfeld" in Dresden photographieren läßt, das „Herz fehlt" ist klar. Diesen Damen fehlt das Herz für unseren bedrängten Mittelstand. — Dresden. Einervonder„besserenSorte". VomEm- pfang der Landtagsabgeordneten beim König Georg er zählt das „Zwick. Tagebl." folgendes Geschichtchen, das wir nicht ohne ein großes Fragezeichen wiedergeben wollen: Als bei der Galatafel der Präsident Dr. Mehnert dem König die 13 ucugewählten Abgeordneten vorstellte, kam als letzter auch der neu gewählte konservativ-antisemitische Abg. Ulrich an die Reihe. Als Dr. Mehnert sagte: „Herr Direktor Ulrich, Vertreter des 30. ländlichen Wahlkcises, Maschkes Nachfolger!" erwiderte der König: „Direktor? was sind Sie da für ein Direktor?" Ulrich: „Ich bin einer von den wenigen, die noch nicht sitzen!" Der König drehte sich lachend um, wandte sich aber nochmals Ulrich zu und fragte weiter: „Sie haben mich neugierig gemacht, Sie müssen mir nun noch näher bezeichnen, zu welcher Art Direktoren Sie gehören!" Ulrich: „Ich gehöre der Dr. Mehnertschen Schule an!" König: „Da gehören Sie ja zu der besseren Sorte!" Herr Ulrich wurde an diesem Abend noch in ein längeres Gespräch mit dem Kron prinzen gezogen, welcher sich erkundigte, wie er als Bank direktor dazu gekommen sei, in einem ländlichen Kreise ge wählt zu werben. — Auch am Hofe der gemütliche Sachse. — 1000 Chinakämpfer kehrten letzte Woche nach Deutsch land zurück und wurden in Leipzig, Zwickau und Plauen entlassen. — Wegen Zweikampfes hatte stch vor dem Kriegsge richt der 3. Division Nr. 32 der Oberleutnant der Reserve vom Gardereiterregiment, Günther Hans Alexander von Carlowitz, Majoratshelr auf Oberschöna bei Freiberg, zu verantworten. Soviel die Verhandlung ergab, herrschten seit längerer Zeit zwischen dem Angeklagten und dem da mals bei der Staatsanwaltschaft in Leipzig beschäftigten Assessor Freiherrn von Friesen, insbesondere aber zwischen dem Assessor und seiner Frau, einer Schwester des Ange klagten, schwere Zerwürfnisse, die schließlich zu Tätlichkeiten führten. Am 3. August befand stch von Carlowitz im Vorzimmer der Wohnung seines Schwagers, als er seine Schwester im anstoßenden Zimmer laut schreien hörte. Er riß die Tür auf und stürmte in das Zimmer, doch schon im nächsten Augenblick feuerte der Assessor auf ihn einen Revolverschuß ab, der aber sein Ziel verfehlte, von Carlowitz erhob darauf seinen Spazierstock und führte damit zwei Schläge nach der Waffe, während ein dritter seinen Schwager selbst traf, der dann mit Hilfe hinzu kommender Personen überwältigt wurde. Am nächsten Tage wurde ihm nach Oberschöna eine Forderung zum Zweikampfe überbracht. Am 19. September hat das Duell stattgefunden, doch ist es unblutig verlaufen. Das Ge richt erkannte auf fünf Monate Festungshaft. — Dresden, 28. November. Die Generaldirektion der Sächsischen Staatseisenbahnen hat, wie wir vernehmen, gegen die Redakteure zweier Dresdner Tageszeitungen und einer hiesigen Wochenzeitschrift Strafantrag wegen Be leidigung gestellt. Die letztere erblickt die Generaldtrektion in einer scharfen Kritik über das Buchholzer Eisenbahn unglück. — Dresden, 28. November. Das Eisenbahn unglück bei Buchholz wird in nächster Zeit die Zweite Kammer beschäftigen, indem unter Führung des Abg. Dr. Kühlwegen-Dresden 32 konservative Abgeordnete folgende Interpellation eingebracht haben: „Die durch die Presse gegangenen Mitteilungen über das Eisenbahnunglück am 24. Juli d. I. auf dem Haltepunkte Buchholz und über den Eisenbahnunfall bei Rothenkirchen ungenügend seien und infolgedessen eine gewisse Mitschuld an den Unglücksfällen die Staatsbahnverwaltung treffe. Ist die Königl. Staatsregierung in der Lage, hierüber einwand freie Auskunft zu erteilen?" — Auf einem Auge plötzlich erblindet ist in Kamenz ost in den 30er Jahren stehende Tuchmacher Neumann. Als derselbe früh in gewohnter Weise seiner Arbeit nach ging, unterbrach er diese mit dem Ausruf, daß er auf dem einen Auge nicht mehr sehen könne. Es wurde so fort ärztliche Hilfe in Anspruch genommen, doch mußte sich N. noch am selben Tage zu spezialärztlicher Behänd- lung nach Dresden begeben. — Hainsberg. Die Mordtat gegen den Kutscher Gans findet am 2. Dezember, vormittags 9 Uhr, vor dem Kgl. Schwurgerichte zu Freiberg ihre Sühne. Angeklagt ist der Steinarbeiter Antonio Biordo aus Poggia-Vicenza in Italien wegen Totschlags. — Oybin. Schneefälle und Sturm haben hier im Walde am sogenannten Kammloche auf dem Wege nach Forsthaus Nr. 6 weit über 1000 der stärksten Bäume ge brochen und wild übereinander geworfen. Kaum je ist in den Zittauer Waldungen ein solch riesiger Baumbruch zu sehen gewesen. Die Fahrstraße nach Nr. 6 ist eine weite Strecke lang mit durcheinander gestürzten Stämmen und Wipfeln versperrt. Letzte Nachrichten. Berlin, 30. Nov Eine furchtbare Bluttat verübte gestern nacht im nahen Tempelhof der 38 Jahre alte Gast wirt Dreybrodt. Er tötete seine 34 Jahre alte Ehefrau Rosa geborene Potocbowsky. Dreybrodt lebte mit ihr seit langem in Unfrieden und hatte sie schon einmal ver lassen, kehrte aber auf ihre Bitten zurück und eröffnete eine Gastwirtschaft. Das gute Einvernehmen dauerte jedoch nicht lange, es entstand ein Streit, über welchen sich eine Nachbarin beschwerte, die von den Eheleuten mißhandelt wurde. Gegen 2 Uhr nachts hörte man in der Wohnung Dreybrodts einen großen Skandal und am Morgen fand man dessen Frau tot. Dreybrodt hatte ihr mit einem Beil das Gesicht förmlich zerhackt. Der Täter stürzte sich darauf vom 4. Stock des Hauses auf den Hof herab, wo er mit zerschmetterten Gliedern tot liegen blieb. Magdeburg, 30. Nov. Ein . schwerer Unglücksfall ereignete sich gestern auf dem an der Güterabfertigungs- stelle liegenden Zuckerspeicher. Mehrere hundert aufge speicherte Zuckersäcke kamen ins Wanken, stürzten ein und begruben 2 Steuerbeamte unter sich. Der Steueraufseher Liebisch blieb auf der Stelle tot. Der andere Beamte, ein Hilfsaufseher, erlitt einen Bruch der Wirbelsäule und wurde in boffnungslosemZustandeinsKrankenhausgebracht. Görlitz, 30. November. Vom Bautzener Schwur gericht wurde der Zimmermann Dienes wegen Tötung seiner Kinder und des Kindes seiner Geliebten zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Wien, 30. Nov. Die Polizei verhaftete den 27jäh rigen Hörer der Technischen Hochschule, Paul Jagodich, weil derselbe in Agram durch einen Einbruch Geld und Wert papiere in Höhe von 66 000 Kronen stahl. Interessant ist es, daß man in Argram von den Diebstahl noch gar nichts gemerkt hat. Der Verhaftete machte sich beim Verkauf -der Wertpapiere verdächtig.