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— 168 - rauschen und zogen uns mit leisem Unbehagen in die Ecke des Dorraumes zurück. Da drang aus unmittelbarer Nähe unterdrücktes Schelten zu uns. Ein älteres Ehepaar stand müssig vor dem An kleidespiegel und sagte sich Lieblosigkeiten. Beide waren große, hagere, schmalschultrige Menschen mit faltigen, wie vergräm ten Gesichtern. Energie und Herrschsucht sprach aus den Zü gen der Frau, während die Mienen des Mannes fast kindlich weiche Linien aufwiesen. „Ich habe sie dir doch gegeben!" verteidigte sich der Herr der Schöpfung. „Das tatest du nicht!" klang es zornig zurück. „Doch," beschwor der Mann in weiblich hohem Diskant. Die Frau ließ sich aber nicht irremachen. Sie trat aus den Gemahl zu und durchsuchte resolut die Außentaschen seines verschlissenen Anzuges nach dem verlorenen Schäflein. Dem Mann wurde der Auftritt peinlich. Er trat von einem Fuß auf den andern und blickte schließlich hilfeheischend in die Rund« der boshaften Gaffer . . . Mir tat er herzlich leid, besonders, da sich aus seiner Wimper eben eine Träne löste. „Du denkst wohl an die Lore?" höhnte ihn seine Frau ob der mangelnden Selbstbeherrschung. „Wärst dann immer noch der simple Bereiter im Gröditzer Gestüt," fügte sie spöttisch hinzu. „Und wäre niemals gestürzt," gestand er l«ise. Diese Antwort lähmte der lieblosen Frau offenbar die eilfertige Zunge. Sie schwieg wie schuldbewußt und stand «in« Weile unschlüssig neben ihrem Gatten. Der sprach in sich hinein, indes seine eingefallenen Wan gen eine leise Röte überflammte: „Eigentlich ist's gelogen. Oder war's mehr als ein Zufall, daß gerade an jenem Maimorgen mir die Lore über den Weg laufen mußte . . . Die ganze Zeit hatte ich an sie gedacht, besonders aber kurz nachdem man sie mir gewaltsam aus dem Herzen gerissen hatte. — Und warum? Weil meine Frau m mir den be rühmten Jockey heiraten wollte!" Er lächle bitter: „Lore hätte auch den «infachen Be reiter genommen, das zierliche blonde Ding mit den großen sehnsüchtigen Augen und der lieben Stimme, die so prächtig zu jubeln «erstand, wenn wir in mondhellen Sommernächten den Stadtforst durchstreiften wie zwei verliebte Leuchtkäfer. Aber dann kam meine Militärzeit in P. bei den grünen Husaren, das Untertauchen der naiven Seele in den K."ls froher Kameraden und dann die Königsgeburtstagsseier mit Lärm und Tanz und dem Techtelmechtel mit der schwarzen Marie der Frau Rittmeister. Ob diese Here schon damals wußte, was in mir steckte? Gewiß, sie trieb mich an zu höchster Kunstfertigkeit auf meinem Hannibal, und ihr allein habe ich es zu verdanken, daß ich jemals die^Farben des berühmten Rennstalles über Len grünen Rasen führen durfte. Und Ausbildung im Hürdenklettern, Engagement und Trainer- ! Prüfung. Alles das gedieh unter ihren anfeuernden Stichel- reden so rasch und gut wie das Erblühen der indischen Wunderblume unter der Hand des.Fakirs. — Dafür hatte sie mich aber auch ganz in den Krallen. Ich ward mit ihr getraut, noch ehe meine nächsten Freunde davon ahnten. — Und die Lore, die gute treue Lore, die mir Briefe über Briefe in Lie Garnison schickte, wußte dieser Satan aus meinem Herzen zu bannen. Durch Schmeichelei, i mit List und Gewalt! ! Eine Weile ging alles gut. Ich war erfolgreicher Jockey. - Ehrungen hausten sich und Preise. Man umkränzte mich und s mein Pferd. Mein Profil und das seine knipsten alle Sport- . Zeitungen, und ehrgeizige Rennstallbesitzer lagen vor meinem : Weib auf den Knien. — Das gefiel ihr und das Glück > stopfte ihr Wangen und Wanten, versetzte uns aus unserer s armseligen Vorstadtkammer in eine stattliche Dreizimmerwoh- s nung im achtbaren Viertel und schenkte uns funkelnagelneue Möbel dazu. Ja, es zauberte zum Huhn im Tops uns auch noch die — übrigens häßliche — Mamsell, die meiner schwar zen Marie die Bürde des täglichen Kochens abnahm. In dieses „Ellick" hinein platzte mein Sturz wie eine Bombe. Eine Unachtsamleit meinerseits, — lange bildete ich mir ein, die blonde Lore sei an jenem Tage plötzlich aufgetaucht aus dem wogenden Meer der Tribünenbesucher, — und Alles war dahin: Gesundheit, Wohlstand, Ehrgeiz > und die falsche Freundschaft meiner Frau." „Dann müssen wir eben warten, bis alle andern die Garderobe bekamen," zeterte die Besprochene unvermittelt in die Träume des alten Jockeys, der wie von kaltem Eisen berührt zusammenschrak. Wir Beobachter hatten uns längst an die Kleiderzofe ge wendet, und hörten diese Worte, als wir, mit den Mänteln beschäftigt, uns dem Spiegel näherten. .Nun ging auch das alte Ehepaar in die Garderobe, kleidete sich burtig an, und wie di« zänkische Dame vor dem fassetierten Kristall an ihrem billigen Pelze zupfte, da fiel ihr aus der halbgeöffneten Handtasche mit verräterischem Klirren die so wütend vermißte Earderobemarke. Die Frau faßte si« schnell. Auf dem welken Gesicht des alternden Mannes aber glänzte wortlos ein weh mütiger letzter Triumpf . . Vie Vekee Ser vsm- «nä vrtree . Von M. Trott (Misdroy). Recht häufig findet sich die Meinung vor, daß Nord- und Ostsee eine Tiefe von tausend Metern und mehr haben. Man ist dann stets sehr enttäuscht, wenn man hört, daß diese Meterzahl auch nicht im entferntesten erreicht wird. Ganz besonders die Ostsee ist verhältnismäßig flach, und wenn man auch merkwürdigerweise bis auf den heutigen Tag die genaue Tiefe dieses Gewässers nicht tennt, trägt daran in der Haupt sache der Krieg die.Schuld, der diese Forschungen unterbrach. Ws man wenige Jahre vor dem Kriege daran ging, Nord- und Ostsee genau auszumessen, und auch an den verschiedensten Stellen die Tiefen austundschaftet«, gelangte man im Südosten von Stockholm an eine wenig ausgedehntes" aber recht bedeutende kesselartige Vertiefung auf dem Boden des Meeres, bei der man, nachdem man 469 Meter gelotet hatte, noch keinen Grund fand. Man war auf eine tiefere Lotung nicht vorbereitet und die Versuche mußten daher zu nächst "eingestellt werden. In der Nähe der deutschen Küste wächst die Tiefe der Ostsee nirgends auf IM Meter, mit Ausnahme einer kleinen Stelle in der Danziger Bucht. Hier fand man erst bei 113 Meter Grund. Nur an vier Stellen erreicht die Ostsee eine Tiefe von 200 Meter und etwas darüber. Zunächst bei den Aalands-Jnseln, dann zwischen Stockholm und Gotlands ferner bei Bornholm und schließlich zwischen Gotland und Windau. Die letztere Stelle bleibt unter 200 Meter. Die Nordsee ist überall kaum einige Dutzend Meter tief, nur an ganz wenigen eng begrenzten Punkten, die meist im Norden liegen, geht ihre Tiefe über 100 Meter hinaus. In unmittelbarer Nähe der süd-norwegischen Küste nimmt die Tiefe ganz plötzlich erheblich zu. Hier befindet sich die sogenannte „Norwegische Rinne", die im Skagerrak die tiefste Stelle mit 809 Meter aufweist. Außer im Skager rak bleibt als Durchschnitt für die Nordsee eine Tiefe von mkr 40 Metern. Wenn man dagegen bedenkt, daß die größte Meerestiefe 9833 Meter beträgt, und zwar findet sich diese Tiefe, das Nero-Tief, ganz in der Nähe der Marianen-Insel Guam im Stillen Ozean, so wird man mit einem fast verächtlichen Lächeln auf Nord- und Ostsee herabsehen. Trotzdem wollen wir darüber recht froh sein, das an der Küste der Nord- und Ostsee keine größeren Niveau-Unterschiede zu finden sind, denn die neuere Geologie hat bereits darauf aufmerksam ge macht, daß in Gegenden, in denen diese Unterschiede be trächtlich vorhanden sind, das Gleichgewicht der Erdoberfläche sehr leicht bedeutenden Störungen ausgesetzt und Erdbeben recht häufig sind. Diese Vermutung trifft auch vollkommen zu, wenn wir unsere Blicke auf Japan, das westliche Amerika und Alaska lenken. Hier hat man überraschend große Meeres tiefen festgestellt, und man weiß ja -aus Zeitungsberichten, wie stark gerade diese Gegenden durch Erdbeben heimgesucht wur den. Aphorismen Von Otto Weddigen. Selbstüberwindung ist unsere Stühe, Selbüberhebung unser Fall. Wenn die Schelme sich zanken, kommt die Wahrheit ans Licht. Verantwortlicher Redakteur: Ernst Roßberg in Frankenberg i-K. — Druck und Verlag o-n C. G. Roßberg in Frankenberg i.S