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124 - s d»«t»ntlich« R*d<ckteur: Ernst R-ßber, in Franrenb«-i.q> — Druck und Verlag v-n E. G. Roßberg in Frankenberg i.«. Mtir Zcduvett km S>r 8tee»«>»n In den „Neuesten Nachrichten" de; Münchener Ver lages Georg Müller wird ein überraschend „zeitgemäßes" Gedicht von Franz Schubert hervorgezogcn, .eines von den nur sieben Gedichten, die aus den Jahren 1312 bis 1828 erhalten sind. > j Glosse „Den Mantel nach dem Winde drehen" Ost müssen es junge und alte Knaben. Am häufigsten kann man's bei denen sehen, Die gar keinen Mantel haben. i Klage an das Volk! O Jugend unsrer Zeit, du bist dahin! Die Kraft zahllosen Volks, sie ist vergeudet, Nicht einer von der Meng' sich unterscheidet, Und nichtsbedeutend all' vorüberzieh'n. Zu großer Schmerz, der mächtig mich verzehrt, Und nur als Letztes jener Kraft mir bleibet; Denn tatlos mich auch diese Zeit zerstäubet, Die jedem Großes zu vollbringen wehrt. Im siechen Alter schleicht das Volk einher, Die Taten seiner Jugend wähnt es Träume, Ja spottet töricht jener golü'nen Reime, Nichtsachtend ihren kräftigen Inhalt mehr. Nur dir, o heilge Kunst, ist's noch gegönnt Im Bild, die Zeit der Kraft und Tat zu schildern, Um weniges den großen Schmerz zu mildern, Der nimmer mit dem Schicksal sich versöhnt. gehalten werden. Eisenstreng. Sein« ewig herumflatternden Gedanken müssen eingefanzen und festgelegt werden. Am besten durch sehr viel Auswendiglernen. Nur so kann etwas «us ihm werden." . , i , Das war also sein Programm! „Wo ist er übrigens?" forschte sie mit leichtem Stirn runzeln. „Er wollte «in wenig in die Sonne hinaus," antwortete »r kleinlaut. , „Wollte?" fragt« sie gedehnt. „Er hat gar nichts zu «ollen. Er hat lediglich zu gehorchen, Ler achtjährige Knirps." . . . Das war noch über das Programm hinaus. Ein Lächeln stahl sich um seinen edel geformten Mund. ! „Weshalb so streng, gnädige Frau?" Zornig flammte sie ihn an. „Das fragen Sie., der Pädagoge? Was er sich jetzt nicht in das Hirn meißelt, geht der Reife verloren! llebri- gens —, nochmals —, ich lege sehr viel Wert auf das Auswendiglernen . . ." In diesem Augenblick kam Rudi, der Blondkopf, ins Zimmer gestürmt. Als er die Mutter erblickte, duckte er ein wenig den stolz getragenen Kopf. „Wo warst du, Junge?" fragte sie kurz und streng. „Draußen," sagt« er lakonisch „Hast du heut« schon deine drei Strophen gelernt?" Stumm schüttelt er die wehenden Locken. Da gab sie dem neuen Mentor die Erklärung: „In zehn Tagen ver anstalte ich hier nämlich ein Fest, dessen Erlös den ärmsten und siechsten Kindern zugute kommen wird. Und Rudi wird den Prolog sprechen. Es sind zweiunddreißig Strophen ..." „Um Gottes willen," entsetzte er sich. „Jawohl," meinte sie eigensinnig. „Gibt er 'sich Mühe, sind sie ihm «ine Kleinigkeit. Die Schule selbst darf nicht darunter leiten. Bitte, Herr Doktor!' Er wird sie in seiner freien Zeit, wie bisher, lernen ..." Zweiunddreißig Strophen nicht gerade häßlichen In halts in ein« erträgliche Form gegossen. Sehr, sehr lehrreich! Rudi schloß sich überraschend schnell und innig an seinen neuen Lehrer an. Das reiche, tiefe Kindergemüt zeigt« sich dem Staunenden mit all seinen heimlichen Schätzen. „Man kann gar nicht zweiunddreißig Strophen lernen," meinte er schalkhaft. Aber Doktor Weigler ließ sich noch nicht erweichen. Er besaß eine alte Mutter, die er unterhalten mußte — keinerlei Anstellungsaussicht — und lebte hier sonst unter den denkbar besten Bedingungen. Darum nahm er die schrecklichen Strophen mit in den Kauf . . . Dann aber . . . . . .„Am Abend vor dem großen Wohltätigkeitsfest stahl sich-Hräu Doktor ein halbes Stündchen ab, um sich von .„- Nudi den Festproloz vorsprechen zu lassen. Doktor Weig ler war natürlich auch zugegen. Er saß mit etwas einge zogenem Kopf auf seinem Stuhl, als Rudi begann. Zwischen dem achten und neunten Vers schien er ganz in sich zusammenzusinken. Denn hier stockte Rudi und seufzte nur noch sanft, aber sehr deutlich: „Weiter kann ich nu nich, Mutti . . ." Eine Miaut« schwieg die Aerztin. Dann hob sie dir Hand und ließ sie schwer auf Rudis weiche Wange herabsausen. Zu Herrn Doktor Weigler aber sagte sie kurz und kalt, daß er sich zum nächsten Quartal eine andere Stelle zu suchen habe ... ! In diesem Augenblick wandelte sich der allzeit Stille und Geduldige, schob Rudi zur Tür hinaus und sagte sehr laut und hell: . „Sehr wohl. Vorher will ich aber erst mal meine An sicht äußern. Wissen Sie, was der Junge in der Zeit, in den er die ... dummen Strophen lernen sollte, tat? Er lief täglich zweimal vier Kilometer, um seine beiden «bgesparten Aepfel und die Hälfte seines Frühstücksbrotes dem kleinen, elenden Korbflechterjungen zu bringen. Den Prolog freilich hat er nicht gelernt. Aber alles, was das Ding lehren und bezwecken sollte — das sitzt ihm un gelernt im Herzen. Und ich erlaube mir hiermit zu be haupten: Was man auswendig lernt, tut gar nichts zur Sache. Inwendig muß es sitzen. Und da sitzt es bei dem Audi" . . . Eine Sekunde schwieg die Aerztin. Dann sagte s'« fast »aghast: „Verzeihen Sie meinen Uebergriff und . . . blei ben Sie auch fernerhin bei ihrer Methode ... Ich lege hinfort auf das Auswendiglernen keinen Wert mehr." i. Wackerreele l j Von Paula Gura-Ewald (München). i Wir sprechen so gemeinhin vom „Charakter" des Men schen, ohne doch eigentlich darüber nachzudenken, was «in Charakter ist und wie er sich allmählich gebildet hat. Haupt sächlich finden wir unter Len Eltern wenige, die sich bei dem Erziehungswerk klar machen, daß sie die eigentlichen Bildner des Charakters ihrer Kinder sind, daß sie di« zarte, schlum mernd« Kinderseele aus dem Dämmerzustand des Traum landes in die Helle Wirklichkeit des Lebens führen, ererbt«, angeborene Keime — Charakteransätze — entweder unter drücken oder ausbauen müssen. Von den ersten ganz unbewußten Gefühlsäußerungen an sollte besonders die Mutter ihr aufmerksamstes Stu dium darin finden, ihres Kindes Seele zu belauschen, durch ihr Beispiel es das Gute lieben, das Böse hassen zu lehren. Und zwar muß die fortwährende Wiederholung der guten Tat es dem Kinde zum Bewußtsein bringen, daß der Mensch nur ^o und nicht anders handeln kann. Konsequenz in der Einprägung und Anerkennung des Guten ist die erste Eigen schaft, die den Erzieher erfolgreich macht. Er darf nicht das eine Mal, wenn ein Bettler kommt, das Kind zum Geben veranlassen, indem er dessen Mitleid für den Armen erweckt und das zweite Mal den. Bettler als lästig empfinden und etwa vor dem Kinde sagen: „Diese Leute überlaufen ein«n aber und nutzen einen aus. Heute geben wir ihm nichts!" Damit wäre bei dem Kinde sofort der Glaube, daß die gute Tat unter allen Umständen getan werden muß, erschüttert, die Gewöhnung an dieselbe erlitte einen heftigen Stoß, die Bequemlichkeit würde unterstützend gegen die edle Handlung reden und die Erkenntnis, daß das Gute von. den Menschen in jedem Falle ausgeübt werden müsse, wÄrde Schiffbruch leiden. . , Jeder Erzieher aber-Laue sein Werk an der Km verfiele auf diesen Dreien auf: Beispiel, Gewöhnung und Erkenntnis. Der Charakter des Menschen beruht auf der sittlichen Hand lung, auf der Beherrschung seiner Triebe. Der Charakter wiro gebildet durch gutes Beispiel, Gewöhnen an das Gute und die Erkenntnis, daß das Gute den Menschen adelt und über sich selbst erhebt. >