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Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger : 04.02.1921
- Erscheinungsdatum
- 1921-02-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1786999250-192102044
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1786999250-19210204
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1786999250-19210204
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger
-
Jahr
1921
-
Monat
1921-02
- Tag 1921-02-04
-
Monat
1921-02
-
Jahr
1921
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>/ LwpMbemMM MI» Frankfurt a. M., 3 2. Wie der „Franks. Zig" berichtet wirb, ist die Bevölkerung von Eupen-Malmedy und des besetzten Gebietes stark beunruhlgt über fortwährende grobe Truppen bewegungen der Belgier. Grohe Mengen von Geschützen und Kriegsmaterial werden in aller Eile nach dem Rhein trans portiert. Dies« Vorgänge bilden angeblich die Vorbereitungen militärischer Maßnahmen der Entente, die einen Druck auf Deutschland ausüben will, um es zur Annahme der Pariser Entschadigungsforderungen zu zwingen. Auch wird, der Um stand, daß sich aufden belgischen Stationen zurzeit eine große Zahl von Eisenbahnwagen und Lokomotiven befindet, damit in Verbindung gebracht. Es hat den Anschein, al« ob die Mo bilisation beoorstände. vemcder lleic-mg f j ! l ! ' ' Berk«, den 3. Februar 1921. l Das RelchSMhrgefetz. ! Nach den beiden „großen" Sitzungen von gestern und «orgesdern beginnt heute wieder die Kleinarbeit des Tages, was sich besonders dadurch bemerkbar macht, daß schon wieder das Haus fast leer ist. Ms 1. Punkt steht aus der Tages ordnung die Vorlage über einen ReichsMschuh an die Parteien für die diesen entstehenden Kosten für dje Stimmzettel (für joden abgegebenen Stimmzettel 15 Pfg.), die nach kurzer Aussprache angenommen wird. ! DaA wendet man sich der ersten Beratung des Reichs- wehrgesetzes zu. , f l < ! Abg. Schöpflin (S.) fordert eingehende Prüfung des Gesetzes durch den Ausschuß. Gr kritisiert besonders die Be stimmungen über di« politische Tätigkeit der Soldaten. ! Reichswehrminister Gehler begründet das Gesetz, das die Verhältnisse der Reichswehr endlich auf eine gesetzliche Grundlage stellt. Wir sind für dieses Gesetz gebunden an den Friedensvertrag und an die Reichsversassung. Es sind aber den Soldaten alle Rechte und Freiheiten gewährt wor den, die die notwendige Disziplin zuläht. Auch er bitte um eingehende Prüfung und Durcharbeitung des Gesetzes. Nach weiterer Debatte geht die Vorlage an einen Aus- schuh^ Eine Anzahl weiterer kleinerer Vorlagen werden gleich- falls an Ausschüsse überwiesen. K Mietsteuer und Wohnungsbau. Dann wendet sich die Beratung einem von allen Par teien mit Ausnahme der Anabbängigen und Kommunisten eingebrachten Gesetzentwurf Zu, d«r die Länder verpflichten will, zur Förderung des Wohnungsbaues mindestens 30 Mark pro Kopf der Bevölkerung aufzuwenden. Zur Deckung dieser Ausgaben sollen die Länder eine Abgabe von den Nutzungs berechtigten aller vor dem 1. Juli 1918 errichteten Gebäude erheben, die Gemeinden sollen zu dieser Aufgabe Zuschläge erheben. Anstelle der Abgabe können auch Zuschläge zur Grundsteuer U. a. treten. , Abg. Bahr-Landsberg (Dem.) nennt die Vorlage ein Notgefetz in jeder Beziehung. Di« Wohnungsnot ist entsetz lich. Es muh schnell, jetzt, eingegriffen werden, eh« die halbe Bauperiode vorbei ist. Er befürwortet dringend die An nahme des Entwurfs. > Sämtliche Redner des Hauses, mit Ausnahme der Un abhängigen und Kommunisten, sind für das Gesetz, das bei der Abstimmung in erster und zweiter Lesung mit S Mehr heit angenommen wird. ! < Zirmaal aut »er rimattgriiMne Dresden, 3. 2. Im sächsischen Landtage kam es heute bei der Beratung des kommunistischen Antrages, dah die Reichs regierung ersucht werden solle, sofort die politischen und wirt schaftlichen Beziehungen mit Ruhland auszunehmen, zuwüstenAustritten. Der Kommunist Zipfel sprach in mehr als einstündiger Rede über alle möglichen An- gelegenheiten vor leerem Hause. Infolgedessen wurde er vom Präsidenten zur Sache gerufen und mit Entziehung des Wortes bedroht. Zipfel versuchte weiterzureden, wurde daran aber durch eine Im Sitzungssaals angebrachte Hupe gehindert. Während dessen tobte die Tribüne, aufgemunteri und unterstützt von den kommunistischen Abgeordneten, die unter Händefuchteln so erregt auf den Präsidenten und die Mehrheitssoztalisten schimpften, dah jeder. Augenblick zu befürchten stand, es würde zu Tätlichkeiten kommen. Schließlich befragte der Präsident das Haus, und mit den gesamten bürgerlichen und mehrheitssozialistischen Stimmen Politische Nachrichten Keine Kapitalverschiebung des Fürsten Schönburg-Walden- burg. Das gegen den Fürsten Günther von Schönburg-Walden burg im Anschluß an eine vom Abg. Müller (Franken) nn Reichs tag erhobene Beschuldigung eingeleitete Ermittelungsverfahren wegen Verstoßes gegen die Kapitalfluchtverordnungen ist laut Bescheid der Staatsanwaltschaft Berlin eingestellt worden, da sich der entstandene Verdacht nach den getroffenen Feststellungen als unbegründet erwiesen hat» Eine Referentin für Sitmchkeitsfragen. 3m Reichshaus- haltsausfchuß wurde bei der Beratung des Reichskommissariats für das besetzte Gebiet ein Antrag der Abg. Frau Dr. Matz auf Einstellung einer Referentin für Sittlichkeit angenommen. Polnische Parade. Nach einer Meldung aus Sorau (Ober schlesien) wurde im Walde bei Rowin eine polnische Parade veranstaltet, an der 300 bis 400 Sokols unter Führung des be rüchtigten Banditen Sobok teilnahmen, der die Uniform eines polnischen Oberleutnants trug. Zusammenbruch der „Los von Preuhen"-Bewegung lm Rheinland. Die Sekretariate der Rheinischen Volksvereinigung und der Christlichen Volkspartei veröffentlichen folgende Er klärung: Die Rheinische Volksvereinigung und die Christliche Volkspartei haben bisher ehrlich versucht, eine Völkerverständi gung und -Versöhnung anzubahnen und besonders hier im Westen die Brücke zu bauen, die das ganze Deutschland und seine ehemaligen Gegner wieder vereinigen sollte. Diese Be mühungen sind durch das Verhalten Preußens und die Be schlusse der Pariser Konferenz endgültig vernichtet worden. Jetzt kann es für alle deutschen Volksstamme nur noch eine Losung geben: Fort mit allem inneren Zwist, Stärkung der Reichs regierung, hinter der das gesamte deutsche Volk geschlossen stehen muß. Aus diesen Erwägungen heraus erklären die Sekretariate, den jetzt im Gange befindlichen Wahlkampf mit der Parole,,Los von Preußen" hiermit einzustellen, ohne damit irgendwie ihren Standpunkt in der rheinischen Frage aufzugeben, der sich auf 8 18 der deutschen Reichsversassung stützt. Die bereits einge reichten Wahllisten werden von den Vertrauensleuten der Sekre tariate zurückgezogen werden. Wir geben unseren Anhängern hiermit auf, bei den bevorstehenden Preußenwahlen sich der Stimmabgabe zu enthalten. , Der Rechtsausschub -es Landtages für eine neue Am- nestle. Der kommunistische Antrag auf Erlaß einer allgemeinen Amnestie wurde in der Sitzung des Rechtsausschusses abgelehnt, dagegen ein Antrag der Unabhängigen mit einer Stimme Mehr- Wurd« Zipfel unter dem Toben der kommunistischen Abgeordneten und der Tribüne da» Wort entzogen. Die weitere Aussprache war sehr kuy. Die Redner der Parteien traten für Aufnahme der Beziehungen zu Rußland ein unter der Voraussetzung, daß dort geordnete Zustände herrschten. Der Präsident nahm dabei Gelegenheit, an die kommunistischen Abgeordneten die Mahnung zm richten, Anstand und Ordnung im Hause zu wahren. Bei der Abstimmung würde der kommunistische Antrag gegen die Stimmen der Bürgerlichen angenommen. Sodann beschäftigte sich das Haus mit einem kommunistischen Antrag, das Erarrd-Union-Hotr! zu Wohnungszwecken auszubauen. Es entwickelte sich im all gemeinen eine ähnliche Debatte wie in der vergangenen Woche bei der Verhandlung über die demokratische Anfrage über den Verkauf de» Grand-Union-Hotels, wobei die Mehrheitssozialisten behaupteten, daß die Demokraten im Verein mit den Kommunisten der Regierung nur Schwierigkeiten machen wollten. Der Abg. Dr. Reinhold (Dem.) betonte dabei, daß seine Partei zum Ministerstürzen keinen Anlaß habe, und daß dafür ein Mißtrauensvotum nötig wäre. 3n ähnlichem Sinne sprachen sich die anderen bürgerlichen Parteien aus. Au» der Erwiderung des Arbeitsministers Heldt ist die Mitteilung bemerkenswert, daß in den neuen Etat 597, Millionen für Wohnungsbanten eingestellt seien und zu Zwecken der Wohnungsfürsorge auf den Kopf 30 Mark erhoben werden sollen. Dadurch würde man in Sachken eine Summe von 130 Millionen Mark zur Förderung des Wohnungsbaues gewinnen. Der Antrag wurde schließlich dem Haushaltausschuß überwiesen. Endlich verhandelte das Haus über einen kommunistischen Antrag, den Beisitzern bei den Gewerbegerichten Entschädigungen in solcher Höhe zu zahlen, daß sie für den Ausfall an Arbens verdienst entschädigt würden. Mit einer Erklärung des Arbeits- Ministers Jäckel, daß eine derartige Anweisung bereits an die zuständigen Stellen ergangen sei, war dieser Antrag erledigt. Ohne weitere Debatte nahm das Haus das Gesetz über die Aufwandsentschädigung für die Abgeordneten an. Nächste Sitzung: Freitag, den 4. Febr., vormittags V,10 Uhr. l l ! ! , ! , , ! l l ! f ! k , s I Wie wir hören, wird der Landtag von morgen ab auf 14 Tage die Vollsitzungen aussetzen. In der Zwischenzeit werden nur die Ausschüße arbeiten. Aus Heimat und Vaterland s s ! < Frankenbrrg, den 4. Februar 1921. s Der Kampf der Jugend. 3n Frankfurt a. M. protestierte der 35 Verbände aller Richtungen und Bekenntnisse mit 10000 Mitgliedern umfaßende Jugendring beim Magistrat und allen Fraktionen der Stadtverordneten gegen das „verantwortungslose . Gesindel, das im Ueberfluß schweigend Abend für Abend das den Notleidenden Fehlende verpraßt". Bars, Dielen, Lurus- gasthäuser sollen geschlossen, Herbergen mit Vortrags- und Ver sammlungsräumen errichtet werden. s Eine amerikanische 2ü-Mttttonen-Spende für die deutsche Bevölkerung. Für 20 Millionen Mark amerikanische Textilien, insbesondere Flanell, Unterzeug, Garne und Kleiderstoffe kommen in den nächsten Tagen, wie der „Konfektionär" mittetlt, mit Genehmigung des deutschen Zentralausschusses für Ausland»- hilfe zur Verteilung über das ganze Ruhrgebiet. s Das Rauchverbot in den Nichtraucherabteilen. Au» den Kreisen des reisenden Publikums fortgesetzt eingehende Klagen über die Nichtbeachtung des Rauchverbot« m den Nichtraucher abteilen der Personenwagen Haden die Eisenbahnverwaltung veranlaßt, ihr Personal zur unbedingten Durchführung de» Heft gegen di« Stimmen der Bürgerlichen angenommen, durch den die Regierung ersucht wird, unverzüglich ein Amnemeaefetz vorzulegen, daß Straffreiheit gewiihrt den Personen, die Hoch verrat geaen den Freistaat Sachsen begangen haben. Wetter sollen straffrei sein: Handlungen, die im Zusammenhang mit den Kapp-Unruhen oder mit dem Belagerungszustand oder mit den am 9. November 1920 zur Erzwingung der Arbeitsruhe veranstalteten Demonstrationen begangen worden sind. Die schon verhängten Strafen sollen im Strafregister gelöscht wer den. Werter soll die Regierung ersucht werden, auf dem Wege der Etnzelbegnadigung die Strafen zu erlaßen für solche Ver gehen, die unter dem Drucke wirtschaftlicher Verhältnisse und wirtschaftlicher Kämpfe zur Linderung der Not begangen wor den sind. Die sächsische Beamtenschaft und die Klnderzulagen. Der Bund sächsifcher Staatsbeamten, der Sächsische Gemeindebeamten bund der Sächsische Lehrerbund und der Verband sächsischer Polireibeamten haben an den Land ag eine gemeinsame Em- gabe gerichtet, der wir das Folgende entnehmen: „Nach den Beschlüßen des Staatshaushgilsausschußes vom 26. Jan. d. I. müssen die unterzeichn ten Beamtengewerkschaften befürchten, daß die Kinderzulagen den sächsischen Beamten und Lehrern wiederum nicht nach den im Reiche aufgestellten Grundsätzen gewährt werden, sondern daß von den in Sachsen beschäftigten Beamten 70 Prozent zwar die Zulage in Höhe und Umfang der Reichs- sätze erhalten, weil sie Reichsbeamte sind, 30 Proz. aber wesentlich schlechter gestellt werden, weil ihre Arbeitgeber der sächsische Staat bezw. die sächsischen Gemeinden sind. Eine derartig unverständ liche Maßnahme muß auf die Betreffenden im höchstem Maße erbitternd wirken. Die unterzeichneten Beamtengewerk,chasten haben bereits in ihrer Eingabe am 16. Dezember v. I. die Forderung erhoben, daß die Kinderzulagen für die sächsischen Beamten und Lehrer in demselben Umfange und in derselben Höhe gewährt werden wie für die Reichsbeamten, und zwar mit rückwirkender Kraft vom 1. April 1920. Sie wiederholen hiermit ihre Forderung auf das nachdrücklichste." Die Aufhebung der Verordnung über Freimachung von Arbeitsstellen beantragt. Wie wir hören, ist das sächsische Arbeitsministerium in Berlin dahin vorstellig geworden, daß die Verordnung über die Freimachung von Arbeitsstellen sobald wie möglich wieder aufgehoben werde. Diese Verordnung ist bekanntlich von der Industrie und auch von Angestellten und Arbeitern wegen der nachteiligen Folgen, die ihre Vorteile über wiegen, scharf bekämpft worden. Kein Lustbarkeitsverbot für Sachsen. 3n Bayern ist be kanntlich ein Verbot aller Lustbarkeiten erlaßen worden. Wie wir erfahren, ist in Sachsen kein Verbot der Lustbarkeiten ge plant, da hier die Verhältnisse anders liegen als in Bayern, wo mrzeit regster Faschingstrubel herrscht. Bolschewistische Zeitung in Berlin. Dem Vorwärts zufolge erscheint unter dem Name» Nowyi Mir seit dem 30. Januar in Berlin eine bolschewistische Zeitung in russischer Sprache. In dem Leitartikel der ersten Nummer bezeichnet es das Blatt als seine Aufgabe, im Ausland seine Stimme für Sowjetrußland zu erheben. Aufdeckung kommunistischer PutschplSne. Das Magde burger Polizeipräsidium teilt mit: „Die Behörden in Stendal und Magdeburg sind kommunistischen Putschplänen auf die Spur gekommen. Es handelt sich dabei um einen Putsch, der in den nächsten Tagen in Stendal vor sich gehen sollte. Durch die Ermittlung ist eine Reihe von Personen in Stendal belastet worden, so daß ihre Verhaftung angeordnet wurde. Die Spuren führten auch nach Magdeburg zu dem Kommunisten führer Vater, deßen Verhaftung erfolgte, weil sich bei der Durch suchung des Bureaus der Kommunistischen Partei Deutschlands belastendes Material vorfand. Das Vorgehen beruht auf der Verordnung des Reichspräsidenten vom 30. Mai 1920, die die Organisierung Militärs,cher Verbände unter schwere Strafe stellt." Augelas Heirat - Roman von L. G. Moberly S (Nachdruck verboten) „Wie Sie aus diesem merkwürdigen Brief ersehen, Fräulein Karberg, war unser Klient ganz entschieden exzentrisch, aber auf jeden Fall läßt sein Schreiben keinen Zweifel über die Gründe, die ihn dazu bewogen, einer ihm gänzlich unbekannten Dame eine so große Summe zu hinterlassen. Die Tatsache, die Ihnen so rätselhaft vor kam, hat nun wohl ihre Erklärung gefunden. Ich muß gestehen, auch ich habe mich früher oft darüber gewundert, daß er die Hälfte seines großen Vermögens Ihnen zuge- dacht hatte." „Wie merkwürdig das alles ist," sagte Angela leise, „und was für ein treues Herz Herr Kästner gehabt haben muß." Die Tränen traten ihr in die Augen, und sie ver sank in träumerisches Nachdenken über die leidvollo Ge schichte, die zwischen den Zeilen des Briefes zu lesen mar. „Ihre Mutter muß eine wunderbare Frau gewesen sein," sagte der Justizrat, „um solche Treue in dem Herzen eines Mannes zu erwecken." „Oh, meine Mutter," rief Angela, „es gibt überhaupt keine zweite wie sie!" Und der alte Herr, dem sie ihr erregtes Gesichtchen zuwandte, dachte bei sich, wenn dieser Mädchenknospe Ge legenheit gegeben würde, sich in der richtigen Umgebung zur Blüte zu entfalten, dann würden auch bei ihr Schon-" heilen zutage treten, die jetzt erst angedeutet waren. Die grauen Augen, die so offen zu ihm ausschauten, waren tief und klar, und die Linien der Sorgt, die um sie ein gegraben waren, konnte ein glücklicheres Leben vielleicht wieder wegwischen. Ihre schlanke Figur war graziös und biegsam, Stirn und Mund verrieten Energie und Charakter. Sie war sehr blaß und viel magerer als ein Mädchen in ihrem Alter sein sollte, und des Iustizrats kluges, aber etwas strenges Gesicht wurde immer weicher, während er sie anschaute. „Ich fürchte," sagte er dann, „Sie werden die Be dingung, unter der Herr Kästner Ihnen das Geld hinter- läßt, noch merkwürdiger finden, als die Gründe, warum er es Ihnen zugedacht hat. Wie Sie wissen, soll das Ver- wögen zwischen Ihnen und seinem Verwandten, Herm Erich Martens, geteilt werden? „Ja," versetzte Angela rasch, „oas er>ay ich aus Ihrem Brief, aber es war mir ganz unverständlich." „Nun," fuhr der Iustizrat fort, „das hängt mit der Bedingung zusammen, und diese einzige Bedingung, die Sie beide zu erfüllen haben, ist die — daß Sie sich — und zwar vor dem ersten Oktober dieses Jahres — mit einander verheiraten!" Angela sprang mit einem leisen Schrei von ihrem Stuhl auf, aber Doktor Grüning sprach unbeirrt weiter: „Wenn einer von Ihnen sich weigert, oder wenn Sie beide sich weigern, Ler Bedingung nachzukommen, so fällt das ganze Vermögen an die Anstalten, die Herr Kästner in seinem Testament namhaft macht, und weder Sie noch Herr Martens erhalten auch nur einen roten Heller." Mindestens eine halbe Minute nach dieser Rede des Juristen war das Schweigen, das in dem düsteren Privat« bureau herrschte, ein so tiefes, daß das Fallen einer Stecknadel als aufdringlicher Lärm empfunden worden wäre. Angela wurde abwechselnd rot und blaß, und ihre weitgeöffneten Augen starrten Doktor Grüning mit geradezu entsetztem Erstaunen an. „Herrn — Marlens — heiraten l" stammelte sie endlich. „Einen ganz fremden Menschen! Aber das ist ja un möglich! Wie könnte ich so etwas tun? Nein, nein, das ist ganz, ganz unmöglich!" „Ich hoffe nicht, ich hoffe, Sie überlegen sich's noch mal und übereilen nichts, liebes Fräulein," meinte der Iustizrat freundlich. „Ich glaube ja schon, daß Ihnen die Sache augenblicklich als eine schreckliche Zumutung er scheint, aber Sie werden sich an den Gedanken gewöhnen, und dann haben Sie vielleicht eine ganz andere Meinung darüber. Also übereilen Sie nichts!" „Ich wüßte wirklich nicht, wie ich jemals anders dar über denken sollte," erklärte das Mädchen langsam, während die Farbe in ihrem Gesicht immer noch kam und ging, „es ist ganz unmöglich, daß es mir jemals einfallen könnte, Herrn Martens zu heiraten. Ich habe ihn noch nie gesehen, er kennt mich nicht, und ich ihn nicht. Wie könnten wir uns heiraten? Es ist ganz undenkbar!" Und als sie die letzten Worte sprach, sprang sie auf und schob ihren Stuhl zurück, als wolle sie damit oem Iustizrat zu verstehen geben, die Unterredung lei zu Ende. „Noch einen Augenblick," bat derealte Herr in gütigem Ton, denn er begriff da» Erstaunen und di« Erregung de» Mädchen» wobl. „Noch einen Augenblick! Nickt» über ¬ stürzen, mein liebes Fräulein. Wir wollen die Sache ma> ganz in aller Ruhe besprechen, ehe Sie sich endgültig ent schließen, die Bedingung des Testaments anzunehmen oder zu verwerfen." „Es hat wirklich keinen Zweck, Herr Justizrat, ich werde es nie über mich gewinnen können, auf die Be dingung des Herrn Kästner einzugehen," versetzte Angela stolz. „Wie könnte ein Mädchen, das nur ein bißchen Selbst achtung besitzt, sich zu einem solchen Schritt entschließen! Einen Mann heiraten, den man noch nie gesehen! Noch nicht einmal seinen Namen kannte ich, bis ich gestern Ihren Brief erhielt, es ist unerhört, von mir zu verlangen, daß ich ihn heiraten soll. Nein, ich bin arm, Herr Iustiz rat, sehr arm sogar, aber ich gebe mich nicht dazu her, mich zu verkaufen." Wieder stieß sie ihren Stuhl zurück und erhob sich, aber Doktor Grüning beugte sich vo^ und indem er seine Hand -aus ihren Arm legte, drückte er sie mit sanfter Ge walt wieder auf ihren Sitz. „Warten Sie noch einen Augenblick, liebes Kind," bat er in warmem väterlichen Ton. „Hören Sie mich ge duldig an. Ich begreife sehr wohl, daß die Zumutung Sie im ersten Augenblick verletzt, und daß Sie gar nicht über die Sache Nachdenken mögen. Aber es ist meine Pflicht als Rechtsanwalt und auch als Ihr wohlmeinen der Freund, liebes Kind, Sie vor einer Uebereilung zu bewahren. Jedes Ding hat zwei Seiten —" „Dieses nicht, Herr Justizrat. Hier gibt es nichts zu überlegen," fiel Angela ein, und die Röte der Entrüstung färbte ihre blassen Wangen. „Doch, mein Kind, auch dieses," fuhr Grüning ruhig fort. „Sie werden mich in Ihren jugendlich romantischen Anschauungen für einen geldgierigen, materiellen alten Kerl halten, aber ich wiederhole es Ihnen, jedes Ding hat zwei Seiten, auch dieses, ja, dieses ganz besonders, denn e» handelt sich hier um einen Entschluß, der über Ihr ganze» Leben entscheidend ist. Sie sind jetzt noch jung und meinen vielleicht, des Reichtums nicht zu bedürfen, aber glauben Sie mir, im Alter drückt die Armut viel, viel schwerer als in der Jugend." „Ich kann arbeiten," rief Angela trotzig. „Ich brauche mich nicht für ein Vermögen zu verkaufen. Ich verdiene, was ich brauche!" „Und genügt Ihr Verdienst auch, um etwa» für -le Zukunft zurückzulegen?" fraate der Iustizrat.
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