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Die deutsch französische Wirtschaftskommission tagt. In Berlin ist unter dem Vorsitz des Staatssekretärs a. D. v. Simson der Unter ausschuß !der deutsch - französischen Wirtschaftskommission zusammengetreten, der über deutsch-franzöfstche Handelsvertragsfragen und über das Kartellwesen ver handeln soll. Bon links: die französischen Vertreter Baudier, Hostiller, Laurent, Elbel, Fougere, der Vorsitzende Staatssekretär von Simson, Staatssekretär Tren delenburg, Ministerialdirektor Pofle, Dr. Lammers, Ministerialdirektor Ritter, Gandhi bei den Jungfaschisten. Mahatma Gandhi, der sich nach der ergebnislos verlaufenen Konferenz am Runden Tisch in London aus einer Italien-Reste befindet, stattete während sei nes Aufenthaltes in Rom einem Zeltlager der Ballila — der faschistischen Ju gend - einen Besuch ab. Das Flaggschiff der englischen Chinastation im Sinken. Mitte November lief der Minensucher „Petersfield", das Flaggschiff des eng lischen Admirals Kelly, im Sturm auf einen Felsen in der Pangtse-Mün düng. Der deutsche Dampfer „De r f fI i n g e r" rettete die mehr als hundert Köpfe starke Besatzung mit ihrem Admiral. Im Vordergrund die felsige Küste Auch Frankreich wird nicht verschont. Unser Bild aus Paris, das Arbeitslose vor einer Volksküche zeigt, ist ein Beweis dafür, baß auch in Frankreich trotz der Geldhamsterei das Ge spenst der Arbeitslosigkeit nicht unbekannt ist. Nachdruck verboten 11. Sie klagte ihn an, und dabei stiegen in nur vu? Erinnerungen an jene furchtbaren zwei Jahre auf, die ich durch seine Schuld im Gefängnis zubrachte. Als ich dann noch hörte, wie er seine Frau mit brutalem Lachen fort schickte, da war der Zorn in mir so sehr gestiegen, daß sich meine Hände ballten. Als ich dann noch das Handwerkszeug des Holzfällers fand, da konnte ich mich nicht mehr beherr schen und die Tat geschah. Erst als ich ihn niederstürzen sah, kam ich zum Bewußtsein dessen, was ich getan hatte. Ich floh entsetzt. Das ist alles, was ich zu bekennen habe, und Sie mögen jetzt bestimmen, was geschehen soll." 20. Das Auto fuhr nach dem Vororte hinaus, in welchem sich die neuerrichtete Strafanstalt befand. Im Wagen saßen hinter dem Chauffeur Medizinalrat Doktor Brunner und Staatsanwalt Herbert Ritter. Das Gesicht des letzteren war noch hager und bleich von den kaum überstandenen Folgen jener Schußverletzung, die er sich selbst beigebracht hatte. Doktor Brunner wandte sich an ihn mit den Worten: „Nach dem freiwilligen Geständnis der Tat wird Dietrich Frankenberg unter Zubilligung mildernder Umstünde sicher lich keine allzu harte Strafe erhalten, denn seine Tat ist menschlich begreiflich. Die Person des Ermordeten aber dürfte sicherlich bei keinem der Geschworenen besondere Sym pathien erwecken." Der Staatsanwalt nickte: „Ich hoffe es, denn seine Schuld ist gewiß nicht allzu groß. Ich denke anders als früher, seit ich selbst diese letzten Wochen durchlebte." Die Hand des Mcdizinalrates wies in die Ferne. „Dort taucht bereits die neue Strafanstalt auf, in der sich Heinzmartin Frigg zur Verbüßung seiner Strafe befindet. Hast du immer noch die Absicht, seinen Fall erneut aufzu- nehmcn?" Der Staatsanwalt nickte abermals. „Ganz gewiß, denn ich habe innerlich die Ueberzeugung gewonnen, daß er schuldlos ist." „Solltest du hier nicht in der entgegengesetzten Richtung zu weit gehen? Ich erinnere dich daran, daß Heinzmartin Frigg die Strafe angenommen hat, ohne gegen das Urteil Revision einzulcgen, wie ihm von seinem Verteidiger gera ten wurde." Der Staatsanwalt zog mit verstehendem Lächeln die Schulter hoch und erwiderte: „Würde ich selbst in der gleichen Lage nicht ebenso ge handelt haben? Wäre schließlich Martin Runge nicht ge wesen und hätte sich in mir nicht das Dunkel der Nacht noch gelichtet, so wäre wohl auch meine Verurteilung erfolgt, und ich würde ebensowenig wie Heinzmartin Frigg eine Beru fung eingelegt haben, denn ich trug wirklich das Bewußtsein meiner Schuld in mir. Und ähnlich mag es wohl Heinzmar- tin Frigg ergangen sein." Unterdessen hatte das Auto die Strafanstalt erreicht. Während der Mcdizinalrat im Wagen blieb, betrat Staats anwalt Ritter die Anstalt und ließ sich nach der Zelle führen. m der Heinzmartin Frigg seine Strafe verbüßte. Ein In spektor begleitete den Staatsanwalt. Frigg trug die Kleidung aller Strafgefangenen. Seine Erscheinung wirkte auf den Staatsanwalt wie die eines Fremden. Ein müder Zug prägte sich im Gesicht Friggs aus. Teilnahmslos hörte er die Erklärung des Inspektors, der ihm meldete, daß der Staatsanwalt ihn in seiner eigenen Sache zu sprechen wünsche. Nachdem sich der Inspektor darauf entfernt hatte, er klärte Herbert Ritter: „Ich weiß nicht, ob Sie sich meiner noch erinnern. Ich habe damals die Anklage gegen Sie geführt, der Ihre Ver urteilung folgte." Mit müdem Lächeln erwiderte der Gefangene, der in diesen Räumen nur noch eine Nummer darstellte: „Ich weiß es. Aber ich habe mich mit dem ausgesöhnt, was geschehen mußte." Etwas eifriger als zuvor fuhr darauf der Staatsanwalt fort: „So sehr ich damals auch meine Ueberzeugung vertreten habe, so sehr hege ich jetzt eine andere Anschauung. Ich selbst bin seit dieser Zeit ein anderer geworden, und wenn Sie mich jetzt hier sehen, so ist es, weil ich die Neuaufnahme Ihres Falles beantragen und jetzt Ihr Verteidiger werden will, nachdem ich vorher Ihr Ankläger war." Verständnislos und schweigend schaute Heinzmartin Frigg auf ihn. Da richtete der Staatsanwalt an ihn die Frage: „Sie werden mir doch die Ermächtigung geben, die Neu aufnahme Ihres Falles zu beantragen." Da erwiderte Heinzmartin Frigg: „Wozu? Ich bin es müde geworden, den Kampf gegen Gespenster aufzunehmen. Ich hatte Zeit genug, über das nachzudcnken, was geschehen ist, und bin zufrieden, wie es jetzt ist." „Aber Sie selbst fühlen sich doch schuldlos an der Tat. Sie haben diese vielleicht überhaupt nicht begangen, denn ich selbst habe ähnliches erlebt." Und dann berichtete er, was sich in der Zwischenzeit er eignet hatte, wie er in den Mittelpunkt eines Verbrechens geraten und dabei des Glaubens gewesen war, einen Mord begangen zu haben. „Dieses Erlebnis aber hat mich empfinden lassen, daß Sie selbst unter einem ähnlichen Verhängnis gelitten haben können. Es war für mich wie eine Erlösung, als ich mir sagte, daß ich nunmehr Ihre Sache durchkämpfen müsse, nach dem ich vorher Ihre Verurteilung herbeigeführt habe. Las sen Sie mich diese meine Aufgabe durchführen, damit ich wenigstens vor mir selbst gerechtfertigt bin." Auf dies Ansinnen des Staatsanwaltes antwortete Heinz martin Frigg: „Ich will Ihnen zu dieser Beruhigung helfen. Aber wenn Sie auch einen neuen Kamps um meine Schuld oder Richtschuld eröffnen, so muß ich Ihnen doch bekennen, daß !ch viel zu müde bin, um selbst noch darüber nachzudenksn oder irgendwelche Hoffnung zu hegen. Ich bin Ihnen indes schon dafür dankbar, daß Sie den Weg zu mir gefunden ha ben und mir alles sagten." „Aber es handelt sich um etwas mehr, denn Ihr Einver ständnis zu meinem Vorgehen allein genügt mir nicht, Sie werden mir auch noch eine Anzahl Fragen beantworten müs sen, die vielleicht erneut Bedeutung gewinnen können." Mit einem Kopfschütteln erwiderte der Gefangene: „Ich glaube nicht, daß es Fragen geben kann, die ich noch nicht beantwortet habe. Aber ich will tun, was Sie von mir wünschen." Und der Staatsanwalt richtete als erste Frage die an den Gefangenen: „Sind Sie darüber vollkommen sicher, daß Sie einen Schuß abgegeben haben?" „Ja, gewiß, das weiß ich bestimmt, denn die Waffe, die ich in der Hand hatte, hatte nur noch fünf Kugeln im Laufe und die sechste war abgeschossen. Der Lauf war noch warm, als man mir die Waffe aus der Hand riß." „Hatten Sie auch nur ein einziges Mal den Willen. Ihre Frau zu töten?" Ganz langsam schüttelte Heinzmartin Frigg den Kopf und erwiderte: „Ich weiß nur, daß ich die Waffe gekauft habe, um mich selbst zu töten, wenn mir Eliza verloren gehen sollte. Und ich glaubte die Waffe gegen mich gerichtet zu haben. Ich weiß das nicht mehr so, denn meine Erregung war viel zu groß, und meinen Nerven wurde in jener Zeit zu viel zugemutet." „Aber was war dann? Was war in dem Augenblick der Tat selbst?" Heinzmartin Frigg antwortete nicht sogleich, sondern starrte mit weitoffenen Augen vor sich hin, als müßte er alles nochmals durchleben. Erst nach längerer Pause sagte er: „Ich habe alles schon so oft überdacht. Ich hatte nur die Empfindung, daß ein Schuß fiel. Der Schall drang an mein Ohr, und dann sah ich sie nach porn zusammenbrechen. Das war so furchtbar, daß ich selbst rückwärts taumelte und in einen Stuhl sank. Ich weiß heute nur noch, daß ich dabet nichts anderes zu denken vermochte, als daß ich mich doch selbst hatte töten wollen. Da aber stürmten bereits die Leute aus dem Hotel in das Zimmer, umringten mich und zerrten mich fort —" „Sie befanden sich allein im Zimmer mit Ihrer Frau?" „Sie hatte mich erwartet. Wer sonst hätte dabsisein sollen?" „Ueber den Inhalt der Unterredung wollen Sie mir noch immer nichts angeben?" „Weshalb soll ich erneut den Zwist aufwühlen, der uns beide getrennt hatte? Alles dies hat doch nichts mit der Tat zu tun!" Dann fügte er noch ganz leise hinzu, als sollte niemand die Worte hören: „Warum soll ich eine Tote anklagen, die sich doch nicht mehr verteidigen kann? Alles mag ihr vergessen sein." Aber der Staatsanwalt hatte die so leise gesprochenen Worte verstanden und entgegnete: „Ihre Frau hat die Schuld an dem Mißverständnis ge tragen?" „Wer kann in einer solchen Frage vollkommen ehrlich sein. Sie selbst glaubte bestimmt das Gegenteil. Auch ich hielt mich für schuldlos. Deshalb ist es töricht, jetzt noch da rüber nachdenken zu wollen." Als der Staatsanwalt den Gefangenen verließ, mußte er erkennen, daß er nichts festgestellt hatte, was nicht vorher bereits bekannt gewesen war. Die Situation war immer noch die gleiche. Aber Herbert Ritter war unterdessen ein anderer ge worden und so trug er trotzdem noch den Glauben in sich, daß dieser Mann im Sträflinasanzug zu Unrecht verurteil