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suchte sie brauchbare Stückchen heraus, glättete jedes und legte mit übertriebener Sorgfalt ein Fitzelchen auf das andere. Tief und beharrlich hielt sie die Hände ins eisige Spülwasser; sie krampfte die Fäuste wringend um jedes einzelne Wäschestück. Am Abend konnte sie den Rücken kaum noch gerade biegen, wurde ungerecht und gab dem Manne die Schuld und biß ihn nachts in die Hände, wenn sie sich Wider alle Vernunft mit seinem Schatten schlafen legte, füllte den Schatten mit ihrem Haß, ihre Herztöne stieß sie hinein, ließ ihren Atem gehen, hart und gepreßt, aber der Schatten füllte sich nicht, sie rann sich nur selber davon in formlose Leere, bestahl ihre Kräfte und welkte stumpf in einen kümmerlichen Schlaf hinüber. Dicht vor dem Einschlafen hörte sie draußen den Tau, in schweren, knöchernen Tropfen schlug er das Fenstersims, die Pause zwischen dem Fallen war tödlich lang. Als dann der Tag, der lange noch kein Licht war, sich über Mitternacht erhob, verlor die Frau ihre Träume an tieferen Atemzug. Draußen hatte das Tropfen aufgehört. Es hing in einem langen, starren Zapfen am Dache; an den Scheiben zog die Feuchtigkeit sich zäh zusammen, und als die Frühe kam, war sie ein Blumengarten von Kristall. Im Osten stieg frostige Glut auf. Die Scheiben glitzerten rot. Noch halb im Schlafe schob die Frau sich über den Bettrand, spürte das Holz an warmer Haut und sah den Dampf ihres Atems in ausgekältetem Raum. Mit einem Ruck stand sie im Zimmer, ausgeschlafen, neu und kindlich. Die gefiederten Frostkristalle am Fenster machten ihr Spaß; sie sang ein bißchen; und während des Waschens und Kämmens war sie geschwätzig mit sich. Sie fühlte plötzlich keinen Rücken mehr und keinen Kopf und keinen Leib, sie schwang aus ihrer atmenden Mitte federnd um sich, sie rührte die Glieder, von innen bewegt und lebendig, sie lief hinunter und wurde, wie im Traum, durch die Straße getragen. Ein blauer Himmel war hinter die Dächer gespannt und wölbte sich über sie her in höchste Ferne! Niedriger wurden die Dächer, das Licht stieg auf; und dort, wo in der Straßen zeile die Lücke war, brach in einem langen, goldenen Strahlen bündel der Morgen durch. Da blieb sie stehen. Sie hielt die Augen geschlossen und sah ihr gelichtetes Blut. Wärme war um sie, wabernde Fülle. So, wie in neuen Mutterschoß genommen, fühlte sie sich. Sie wünschte aus diesem strahlenden Kegel nie wieder herauszu kommen. Sie wollte auf der Stelle tot und aufgetrunken sein von so viel Licht. Aber die Sonne verschlang sie nicht; das Glück ist, wie der Schmerz, ganz ohne Erbarnien... « vermischtes . Zwischen zwei Sterbenden. Kürzlich wurde die englische Ortschaft Bentley von einem schweren Grubenunglück betroffen, das dreißig Bergleuten den Tod brachte. Unter den Schwerverletzten befand sich auch Arthur Kirkland, der noch am Tage vor dem Unglück seine elfjährige schwerkranke Tochter besucht hatte. Nun lag er im gleichen Krankenhause wie das Kind, nur durch einen Flur vou ihm getrennt, und beide rangen mit dem Tode. Das Schicksal stellte an die Mutter übermenschliche Anforde rungen. Sie wußte, daß ihr Mann wie ihr Kind sterben mußte, und doch gelang es ihr, beide über den Zustand des anderen zu täuschen. Der Vater hatte dem Kinde beim letzten Besuch ein Geschenk versprochen. Nun wollte die Kleine wissen, warum er nicht kam. Es sagte aber der Mutter nicht, was das Geschenk sein sollte, und der sterbende Mann War nicht in der Lage, zu sprechen. Die Mutter mutzte eine Notlüge ersinnen, um den Schmerz des Kindes über das Fernbleiben des Vaters zu lindern. So schlummerte die Kleine nach anfänglichen Tränen friedlich hinüber. Und dann hatte die Mutter noch die übermenschliche Kraft, mit zuversichtlicher Miene an das Bett des todwunden Mannes zu treten und ihm zu erzählen, das Kind habe die Krise über standen und befinde sich auf dem Wege der Besserung. Bald darauf starb Kirkland, ohne vom Tode seines Kindes und vom Heldentum seiner Frau auch nur das geringste zu erfahren. Komp. Vogumil Zepler ^UeAretto. komivtrombun-tsv kiw-^el-tanr, Okrist-kind Ii-N an der aus «st-ts Nsi-8sn 8ekvreb-ts still der Leid mir künftig» vokt-deürekt, dass ikr' im-mer ans gs-üsokt, Kat ans- o— so viel bv-bravkt- Veibos.vdt8t»ß» aas demseknes-vsr-vek-tso Hag». »r-tix «ei<t> vvnnsiek kann er-füllt die Zeit, V I. Annrx:ken,6re1-oksn, Ilans und Lran^ S.Vis ein vei-8ser Lekmettsr- lieg», S.Hüt-tsr-edsn knt es g»s - sag»t> T^UrnrML I Heinrich Goeres Weihnachtstanz Für Zweistimmigen Chor mit Klavierbegleitung. ra-lo-ra-ts ncteMVo N Le/tfuss. 6rv-ts-Isin! 6i»s-ts-Iein! Li,, so lasst ans krök - Lok sein, L!og»ru uns in's Haas der-ein, »vird es vts-dsrOkrist-tsg» sein, Nanstinä Lranrnnä Nans and k^anrand Naas and Lren? und «/Vomiere Is-ts-rs-tL nmgelrsigemanr. <2 naeLn/MsnLI I^n-Is-Isc - In Tra-Ie-Ia - la Ll» I>i«be,r<,m»n »ll, krlderirialüseker 2oit von e, a I n «i o. LoovriLkt 1931 bv Noiasadievst OiLv, Vertin IV 30. 18. Fortsetzung. Sie öffnete den Brief. Beim flackernden, unsteten Licht schein der Kerze las sie: „Einzig Geliebte! Ich erwische einige unbeaufsichtige Minuten, um Dir vor meinem Abtransport in die Festung noch einige Zeilen zu schreiben. Welch großes Glück! Was auch kommen mag, Ilsabe, denke immer daran, daß meine Gedanken bei Dir sind und Dich schützend umschweben. Was mit mir geschehen wird, weiß ich noch nicht. Ich denke, daß es zu ertragen sein wird. Seine Majestät wird es sich überlegen, ob er einem Köckeritz gegenüber die Dinge auf die Spitze treiben soll. Jedenfalls bin ich guten Mutes, und solange man den hat, ist nichts verloren, Geliebte. Also Kopf hoch! Disziplin und Courage, wie Seine Majestät zu sagen pflegt! Aber das ist ja das Kuriose, daß der König keine Ahnung davon hat, daß man nicht nur in der Schlacht, sondern auch in der Liebe — Courage und Disziplin haben muß! Ja, davon ver steht unser Fridericus nichts. Aber das soll uns nicht küm mern. Ist eben seine Schwäche, wie sie jeder große Mann hat. Ein preußischer Grenadier, ob Offizier oder Gemeiner, muß nicht nur tapfer in der Schlacht, sondern auch tapfer in der Liebe sein. Und wenn die Trompeten blasen zur Attacke, dann muß sein Herz nicht nur „Vivat, der König!" schreien, sondern auch „Vivat, Geliebte!" Ist es recht so? Und darum schreie ich trotzdem mir ein dunkles Schicksal droht: „Vivat, Geliebte! Vivat die Liebe! Vivat Ilsabe!" Mein letzter, mein einziger Gedanke für Dich!" So lautete der Brief. Der Himmel mochte wissen, wie er es fertiggebracht hatte, ihn noch in Schlegels Hände zu schmug geln. — . Ilsabe strich mit zitternder, unendlich zärtlicher Hand über das Blatt. Wie liebte sie ihn! Ja, sie wollte Courage haben! Wollte zu allen Heiligen beten, daß ihm kein Haar gekrümmt werde. Solche Liebe konnte doch keine Sünde sein. Sorgsam faltete sie den Brief zusammen und verbarg ihn im Mieder. Vivat Geliebter! flüsterte ihr Herz. — Nun waren die Tage nicht mehr so dunkel und schmerzvoll wie bisher. Eine stille Festigkeit, ein trotziges Frohgefühl war in ihr. Mag da kommen, was wollte! Sie trug des Gelieb ten starke Liebesworte über dem Herzen, die konnte ihr nie mand nehmen. — Eine Woche später sagte Graf Seydlitz: „In zwei Tagen geht der Postwagen!" Sie nickte nur. „Ich habe dafür Sorge getragen, daß niemand »rfährt, wohin du reisest." Ilsabe erschrak. „Auch die Babette weiß es nicht." Sie preßte die Hände in die Falten des Kleides. Aber gleich darauf lächelte sie trotzig. „Es tut nichts, mein Vater. Und wenn Sie mich auf den Mond schicken würden, das Auge der Liebe würde mich auch dort wiederfinden." Seydlitz schob die Augenbraunen zusammen. „Festungsmauern sind fest", stieß er hervor. „Man über klettert sie nicht so leicht wie die Parkmauern von Sanssouci, mein Kind." Ilsabe schwieg. Das Herz lag ihr schwer in der Brust. Noch zwei Tage! — Spät am Abend rasselte der Postwagen über das Holper pflaster der Straßen. Aus Potsdam hinaus. Es war ein warmer Iuliabend. Niemand hatte der Abfahrt Ilsabes bei gewohnt. Niemand im Wagen erkannte das Mädchen, das, tief in den Mantelkragen eingeduckt, in der Ecke saß. Zehntes Kapitel. Es war nicht gerade eine angenehme Fahrt in der Post kutsche, Tag und Nacht hindurch, Nacht und Tag. Das Reisen war in dieser Zeit eine beschwerliche Sache. Nein, es war eine umständliche und wenig angenehme An gelegenheit. Man mußte schon so eingepackt sein, daß man mancherlei Püffe vertragen konnte. Gerädert kam man sich nachher sowieso vor. Daß man aber von dem ewigen Stuckern und Räderge- knarr auch einen zerknitterten Magen bekam, war schlimmer. Während der ersten Hälfte der Reise war sie nicht allein. Ein Geheimrat aus Berlin fuhr mit, der dick war wie ein Faß und Ilsabe immer halb mit dem überschüssigen Ballast seines Körpers auf dem Schoß saß. Es war eine Tortur. Dann stiegen noch kurz hinter Potsdam zwei spindeldürre Damen ein, die fortwährend vor Hitze stöhnten und sich ge genseitig mit Parfüm bespritzten, während sie halb ohnmäch tig seufzten: „Oh, diese Luft!" Sie stiegen irgendwo in einem Nest aus. Der Schwager lachte grinsend hinter ihnen her. Der Dicke erwachte aus seinem röchelnden Schlaf, in len er fast andauernd versank, und fragte ernsthaft: „Wer waren die scharmanten Damen?" „Bedaure — keine Ahnung!" „Vielen Dank", sagte der dicke Herr Geheimrat und schlief weiter. — Als Ilsabe am nächsten Morgen die Postkutsche bestieg, fand sie sich allein. Der Dicke hatte offenbar sein Reiseziel erreicht. Sie konnte es sich also etwas bequemer machen. Aber märkische Landstraßen haben es in sich! Es war eine Zeitlang alles gut gegangen. Ilsabe hatte, besser ausgeruht als sonst, in die Landschaft hinausgesehen. Felder, wogend im warmen Wind, hier und da schon ab gemäht. Fette, grüne Wiesen mit einsamen Erlen und Pap peln. Rinderherden, hingelagert im fetten Gras, mit Behagen wiederkäuend. Lerchen im Himmelsdom, in den Tag hinein- jubilierend wie ferne Fanfaren! Das alles sah gut und schön aus. Da gab es mit einem Male ein Spektakulum, daß Ilsabe laut aufschrie. Der Wagen neigte sich zur Seite. Ilsabe tau melte kreuz und quer und fiel zwischen die beiden Sitzbänke. Der Postkutscher war im Bogen in den Feldrain gesaust und rieb sich den schmerzenden Rücken, während er einen ellenlangen Fluch ausstieß. Was war geschehen? Eine Kleinigkeit, an die einen die märkischen Chausseen schon gewöhnt hatten: Ein Rad war in eines der vom Regen ausgewühlten Löcher geraten und glatt abgebrochen. (Fortsetzung folgt)