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Das SäuglingssterSen im Lübeck, wo etwa 7V Säuglinge ver Impfung mit einem Tuber- kuloseschutzmittel zum Opfer fielen, Hai in der ! ganzen Well ungeheures Ausfehen erregt. Der § Prozeß gegen die verantwortlichen Lübecker Arzte, ! der schon seit Monaten im Gange ist, wird nicht nur von der Wissenschaft und den Ärzten mit größter Aufmerksamkeit verfolgt, sondern auch vom großen Publikum, denn in diesem Prozeß geht es um mehr als nur um eine Anklage, es geht um den Kamps der ärztlichen Wissenschaft gegen die unsichtbaren, ständig aus der Lauer liegenden Feinde der Menschheit, gegen die unsichtbaren Krankheitserreger. Das Schicksal von Millionen Menschen hängt davon ab, ob es der ärztlichen Wissenschaft gelingt, den Kamps gegen diesen unsichtbaren Feind mit Er- folg zu führen. Das große allgemeine Interesse an dieser Tagessrage gab Veranlassung, diesem Thema eine Ncujahrsbeilage zu widmen. Hervor ragende Vertreter der Wissenschaft haben ihre Auf fassung im Gespräch mit einem Journalisten dar- gelegt. Wir geben in folgenden Aufsätzen die Äußerungen wieder. Schmerz isi ein schlechter Wächter der Gesundheit. Lon Nniversttötsprofessor 0r mell. Paul Lazarus, Chefarzt des Antonius-Krankenhauses Berlin. Der berühmte Arzt des 16. Jahrhunderts Para celsus sagte, die Natur schickt uns zwar Krankheiten, sie schenkt uns aber auch die Kräfte zu ihrer Heilung. Was der tiefe Kenner der Natur vor Jahrhunderten geahnt, hat sich jetzt als Wahrheit erwiesen. Selbst im Kampfe gegen eine der gesürchietsten Krankheiten, den Krebs, können wir die strahlenden Kräfte der Natur mit Erfolg anwenden, insbesondere in den ersten Anfängen dieses Leidens. Entscheidend ist, daß diese ersten Anfänge recht zeitig erkannt werden. Ein Beispiel soll es uns er läutern, wie das gemeint ist. Mancher sogenannte Pfsifenkrebs an der Lippe würde nie zur Ent wicklung kommen, wenn nicht ein dauernder Reiz — die Tabakbeize — die Lippenschleimhaut schädigen würde. Es ist leider eine menschliche Eigenschaft, kleine, harmlos scheinende Veränderungen im eigenen Körper zu vernach lässigen, bis sie schließlich sich zu bösen Wucherungen ent wickelt haben. Ein andauernder Reiz, andauernde chemische, mechanische oder Wärmereize an einer Stelle des Körpers können zu krebsartigen Erkrankungen führen. Gewisse enge Stellen der Hohlorgane, besonders in der Speiseröhre, im Magen und Darm u. a. sind sehr empfind lich. Im kalten Tibet gibt es Völker, die sich zum Schutz gegen die Kälte einen kleinen Ofen an den Leib binden. Sie bekommen okt Brandnarben, aus denen dann Krebs entsteht. Der Mensch als Wanderer zwischen strahlenden Welten. Jahrmillionen ultravioletter Sonnen- und radwalttver Erdstrahlung haben aus Luft. Erde. Wasser und daher auch auf alle pflanzlichen und tierischen Körper emgennrkt und ein elektrisches Gleichgewicht geschossen: alles, was lebt, wird mit strahlenden Kräften durchdrungen, in Form von Wellen etwa —. darin liegen gewaltige Heilmittel der Natur. Unser Bild soll einen Begriff der mannigialngen Kräfte geben, die aus den Menschen einwirken, umer seren strahlendem Einfluß er aus Erden wandert >Aus dem Werke des Pros. Dr Lazarus: Neue Wege Wesen und In- dikationen der Strablenhetlkunde fHandbnch der ges. Strahlenheilkunde 19311, Bergmanns-Verlag.» Wenn man auch nicht genau weiß, was die Krebs- rrkrankung verursach), so weiß man doch oft, warum der Krebs gerade an dieser oder jener Stelle zum Ausbruch kommt, wie Dauerreize schädlich sind und wie man durch Früherfassung und Frühbehandlung der Vorstufen des Krebses diesem vorbeugen kann. Darum ist es wünschens wert, daß alle Menschen jährlich einmal ihren Körper einer allgemeinen Gesundheitsrevision unterziehen lassen. Schon eine kurze ärztliche Untersuchung, ein Blick auf die Haut, in die Mundhöhle, eine Untersuchung der Brust, fachkundige Fragen nach Beschwerden im Magen und Darm oder an anderen Organen decken manche Un regelmäßigkeit aus und geben einem ärztlichen Berater die notwendigen Hinweise für die Hygienisierung bzw. Assa nierung seiner Schutzbefohlenen. Diese Gesundheits revision dient keineswegs nur einer Suche nach Krebs oder irgendeiner unbekannten Krankheit. Sie soll v^m ganz allgemeinen Gesichtspunkte aus leden Keim »on Krankheiten rechtzeitig aufdecken, die schleichend beginnen, wie z. B Herzkrankheiten, Stosfwechsclleiden, Nieren- und Zuckerkrankheiten, welche erst in einem vor geschrittenen Stadium tu Erscheinung treten. Die inneren Organe sind größtenteils ohne Schmerznerven — daher verraten sich ihre Krankheiten in der ersten Zelt ihrer I Entstehung nicht durch Schmerz. " ' Der Schmerz ist ein falscher Wächter der Gesundheit, der wahre Wächter ist der gewissen- hafte und gut ausgebildete Arzt. Dieser kann die ersten 1 Anzeichen einer Krankheit erkennen, wenn es noch eher möglich ist, zu heilen und dadurch dem Kranken Leben und ? Gesundheit zu retten. Denn die meisten Krankheiten — > es ist tragisch — sind in ihren ersten Anfängen oft leichter ! heilbar. Das zu wissen und danach zu handeln, ist um i so wichtiger, als heute bei den meisten Menschen die Ge- , sundheit ihr einziges Kapital dar stellt. Wir in unserem verarmten Deutschland werden wohl bis ins Greisenalter hinein arbeiten müssen. Es ist eine Pflicht, auch gegen die Gesamtheit, uns bis ins Alter hin ein arbeitsfähig zu erhalten. Gerade das Krebsleiden er fordert parallel der fortschreitenden Aufalterung der Be völkerung immer mehr Opfer. Es ist daher um so not wendiger, die Krebsbekämpfung planmäßig zu organi sieren. Wir sind heute besser daran als früher, seit es durch eine rechtzeitige Strahlenbehandlung mit Radium und mit Röntgen in einer Reihe von Krebs fällen gelingt, selbst eine Operation zu ersetzen bzw. die Erfolge einer Operation durch Vor- und Nachbestrahlung mit Radium oder Röntgen zu sichern. Solche Erfolge können nur mit einer entsprechend großen Menge (Dosis) Radium erzielt werden. Leider wird aber der Glaube an die Heilerfolge ost nur mit dem Namen „Radium"' erweckt. Im Handel gibt es Präparate, die nur unwirksame Spuren von Radium enthalten, — Hunderttausendstel, selbst Mil lionstel eines einzigen Grammes! — Mengen, die man sich nicht leicht vorstellen kann, wenn man nicht gerade Fachmann ist. die aber nach den Werbeschriften so gut wie alle Krankheiten heilen sollen. Hier kann das Wort Radium nur bei funktionellen Störungen — als Sug gestion — wirken. Ernste, organische Krankheiten können durch eine derartige Scheinbehandlung in einen unheilbaren Zustand verschleppt werden. Wo man es mit einer ernsten Krankheit zu tun har, mutz man auch mit den ernsten Kampfmitteln der modernen Wissenschaft an das Problem Herangehen, was nur ein kundiger Arzt, durchdrungen von seiner hohen Verant- ! Wortung, mit erprobten Waffen der Heilkunst vermag, die er zum Wohle des Kranken führen soll. Schutzimpfung uud KMmpfung. Von Professor l)r. weck. A. H. Gins, Abteilungsleiter im Preußischen Institut für Infektions krankheiten „Robert Koch" in Berlin. Es ist eine uralte Erfahrung, datz derjenige, der eine schwere, ansteckende Krankheit durchgemachl Hal, gegen diese Gefahr für eine lange Weile geschützt bleibt, und schon vor Jahrhunderten, wo man noch nicht die heutige Vorbeugung gegen Ansteckung kannte, wußte man, datz Pest- und Cholerakranke nur der ohne Gefahr pflegen konnte, der diese Krankheiten selbst schon überstanden hatte. Landläufig pflegt man zu sagen: die Natur hat geholfen. Was man unter Natur zu verstehen hat, das braucht man hier nicht mehr erklären, jederman weiß es heute schon, daß der menschliche Körper, wenn er von inneren Feinden angegriffen wird, selbst alles aufbietet, um sich des Fein des zu erwehren und sich zu verteidigen. Das große Verdienst, erkannt zu haben, datz der menschliche Körper durch eine harmlose Krankheit, wie die natürlichen Kuhpocken, auch gegen eine verheerende Krank heit geschützt werden kann, wie es vor Jahrhunderten noch die e ch t e n Pocken waren, gebührt eigentlich einem deutschen Landwirt Jobst Böse in Holstein, im Jahre 1769. Die echten Pocken waren damals in England eine ziemlich häufige Plage, — sie machen dort auch heute noch zu schaffen — und die Landwirte wußten auch daß einmal durchgemachte Kuhpockenerkrankung den Knecht vor echten Pocken schützt Jenner, ein englischer Arzt, hat nach längeren Studien versucht, künstlich leichte Erkran kungen Hervorzurusen, um einen Schutz gegen echte Pocken zu schaffen. Er hat Kuhpockengift geimpft und hat damit die Grundlage zur modernen Jmpfpraris gegeben. Dreißig Jahre hat es allerdings gedauert, ehe aus dem Wissen des Erfinders der Pockenimpfung etwas Praktisches aus den Erfahrungen der Landbevölkerung entstand und die Impfung zuni Gemcipgm ärztlicher Wissenschaft werden konnte Spätere Versuche des Fran zosen Pasteur haben den Gedanken der Schutzimpfung aus den Schutz gegen Tollwut erweitert. - Es entstand die Lehre der Schutzimpfung, der Immunität, wie die Wissenschaft sagt, es waren deutsche Forscher: Robert Koch. Emil von Behring und Paul Ehrlich, die auf diesem Gebiet für die allgemeine Wohlfahrt, für die Menschheit Grotztaren vollbrachten. Die Einzelheiten dieser Wissenschaft im Rahmen dieser knappen Ausführungen wiederzugeben, ist unmöglich. Das tägliche Leben aber Hai weite Kreise mit manchem Begriff vekanntgemachi, so datz es jedermann leicht erfassen wird, wenn hier kurz auf die Grundlagen hingewiescn wird. Es gibt Schutzimpfungen, wo man einen leben digen Stoss oem Körper zuführt, um diesen zur Ab wehr zu bringen, oder Schutzimpfungen, wo man ab getötete Krankheitserreger, also nur die Gifte, verwendet, um die Abwehrfähigkeit, die Immu nität, zu erreichen. Immer aber haben die Impfungen den Zweck, den Körper anzuregen, damit er eine le.chte Erkrankung durchmachl, die in den meisten Fällen gar nicht bemerkt wird, die aber vordsugt, wenn der Körper wirklich angegriffen wird. Es gibt auch Fälle, wie die Diphtherie- Behandlung, wo die Abwehrstoffe zur Impfung in einem fremden Körper, z. B. in dem eines Pferdes, er zeugt werden und dann in der entsprechenden Menge — zu Heilzwecken fertig an das Blutserum gebunden — für den Menschen verwendet werden. Das nennt man passive Abwehr. Aus dem Gebiete des Pocke nabwebrkampses dürfen wir in Deutschland mit einigem Stolz darauf ver weisen, was erreicht wurde. Seit der Einführung des ge setzlichen Impfzwanges Hai diese tückische Seuche an Kraft eingebützt, sie gilt als bezwungen. Die Erfahrun gen seit 1874 beweisen, datz mehr als vier Fünftel aller zur zweiten Impfung kommenden Kinder keine Pocken fähigkeil mehr haben, datz die einmal geimpften Per sonen zu 82 Prozent gegen diese Ansteckung geschützt (im mun) waren und datz nur 18 Prozent noch eine gewisse, aber auch verringerte Empfänglichkeit gezeigt haben. Blutentnahme. Im fremden Körper werden die zur Schutzimpfung not wendigen Abwehrstoffe angereichert. Man verwendet zu diesem Zwecke Pferde, Hammel, u. a. geeignete Tiere. Länger als zehn Jahre, meistens über zwanzig Jahre, schützt die Pockenimpfung: Der Weltkrieg hat uns auch darüber belehrt, denn ungefähr vier Fünftel der Erkrankten waren Leute im Alter von 50 und mehr Jahren; sie waren also seit mehr als 30 Jahren nicht ge impft worden. Im Kriege — sagen die Jmpfgegner — gab es in Deutschland mehr Pockenerkrankungen und Todesfälle, als in England, wo kein Impfzwang besteht. Damit ist nichts bewiesen. Wenn man die Erkrankung im ausgehungerten und geschwächten Deutschland von 1916 bis 1922 mit denen in England vergleicht, würden 12 166 Erkrankungen und 1796 Todesfällen in Deutschland bloß 2129 Erkrankungen und 113 Todesfälle in England gegenüberstehen. In den folgenden drei Jahren aber, als Deutschland noch unter den Jnflationsfolgen litt, hatten sich die Zahlen bereits zugunsten Deutschlands verschoben. In England aber, wo es keine Zwangsimpfung gab, beträgt die Krankenzahl in den Jahren 1925—1930 66 616, die Zahl der Todes opfer der Pocken 152 und Deutschland hat in derselben Zeit 18 Kranke und einen einzigen Todesfall! Das sind beweisende Zahlen, nein, es sind schreiende Beweise für die Richtigkeit des Impfzwanges. Die Zahl der Erkrankungen in Deutschland während der Kriegs jahre war zwar groß, sieben Jahre des Hungers in Deutschland aber haben insgesamt kaum mehr Erkran kungen ergeben, als ein beliebiges Jahr des Friedens in England seit 1926, wo es 10 000 Fälle, l927 sogar 15 205 Fälle, 1928 12 979 Fälle, 1929 16 567 Fälle und 1930 auch noch 11 865 Fälle von Pockenerkrankungen gegeben hat mit einer allerdings sehr geringen Sterblichkeit von rund zwei vom Tausend. In Deutschland selbst, im Inlands, ist auch in den angeführten 18 Fällen der letzten fünf Jahre kein einziger Pockenanfall durch An steckung im Inland verursacht worden, es waren alles eingcschleppte Fälle, denen man leicht beizukommen vermochte. Die kleinen, oft unbekannten tückischen Lebe wesen, die alle die Volks- und Notkrankheiten unserer Tage verursachen, können bekämpft werden, wenn man vor sorglich impft. Mag man auch manches gegen die Massenimpferei des großen Krieges einwenden: die Tat sache ist unleugbar und wird von jedem Arzt bestätigt, der „draußen" war und gesehen hat: die Kriegs seuchen wurden besiegt. Wäre dem nicht so, würden wir noch Millionen und aber Millionen Kriegs opfer mehr beklagen. Damit soll aber keine kritiklose Einführung von aller hand „Jmpszwängen" empfohlen werden. Eine gesetzlich ungeordnete Impfung muß ungefährlich und hochwirksam sein. Von der Pockenimpfung ist dies erwiesen. Lindere Impfungen wird man, soweit sie ge nügend erprobt sind, empfehlen, aber nicht er zwingen können. Gegen die Tuberkulose. Von Professor Dr. Druno Lange. Leiter der Seuchenabteilung tm preußischen Institut für Infektionskrankheiten „Robert Koch"-Berlin. Es gilt als Grundsatz in der modernen Seuchen bekämpfung, den Herd der Ansteckung zu erfassen. Alle vorbeugenden Maßnahmen laufen darauf hinaus, die Quellen zu verstopfen, aus denen die Keime der anstecken den Krankheiten ausströmen und die Volksgesundheit be drohen. Der Staat Hal in diesem Abwehrkampf dem Arzt und dem Hygieniker manche wirksame Handhabe gegeben, auch wir in Deutschland können mit einem ge wissen Stolz das Werk betrachten, das beispielsweise auf dem Gebiete der Tuberkulosefürsorge geschaffen wurde. Der Gedanke der soaenannten Tuberkulose-