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Wilsdruffer Tageblatt I 2. Blatt. Nr 888 - Mittwoch, den 9 Dez. 193l D Tagesspruch. . Die Leiden sind wie die Gewitterwolken: 2n der Ferne sehen sie schwarz aus, lieber uns kaum grau. Paul. Hoovers Lahresboischafi. Borschläge für Wiederbelebung der amerikanischen Wirtschvsl In der gemeinsamen Sitzung der beiden Häuser dec amerikanischen Kongresses wurde die Jahresbot- schafides Präsidenten Hoover verlesen, die den Rechenschaftsbericht des Präsidenten, die Bestandauf nahme der die gegenwärtige Wirtschaftskrise bestimmenden Faktoren und das Notstandsprogramm zur Behebung der Depression umfatzt. Aber Deutschland und die deutsche Frage. erklärte Hoover, „die Wirtschaftskrise in Deutsch land und in Mitteleuropa nahm im letzten Juni Aus maße allgemeiner Panik an, die erkennen ließen, daß diese Böller ohne fremde Hilfe zufammenbrechen mußten. Dir Furcht vor solchem Zusammenbruch hatte unsere Pro dulten- und Wertpapiermärkte in Verwirrung gebracht und auch andere Völker bedroht, was wiederum neue Ge fahren für uns heraufbcschwor. Von größter Bedeutung war daher die Notwendigkeit unserer Mitarbeit, um das deutsche Volk vor der unmittelbar bevorstehenden Kata strophe zu schützen und seinen wichtigen Anteil am Fort schritt und an der Stabilität der Welt zu bewahren. Aus diesem Grunde sind von Amerika das Schuldenfcierjahr und das Stillhalteabkommen in die Wege geleitet worden." ZurFragcdcrArbeitslosigkeit erklärte Hoover, daß die Regierung bestrebt gewesen sei, durch Schaffung neuer Arbeitsmöglichkeiten, durch Ein richtung von Arbeitsnachweifen und durch die Abdrosse lung der Einwanderung dem heimischen Arbeitsmarkt eine Erleichterung zu verschaffen. Hoover betont aber, daß er sich jeder unmittel baren oder mittelbaren Erwerbslosen- fürsorge widersetze, denn „der Zusammenbruch und die vermehrte Arbeitslosigkeit in Europa ist teilweise durch solche Maßnahmen verschuldet worden". Als Maßnahmen zur Wiederbelebung j der Wirtschaft . schlügt Hoover vor: erstens, eine drastische Verminde rung der R e g i e r u n g s a u s g a b e n und eine vor übergehende, höchstens auf zwei Jahre berechnete, Cteuererhöhung; zweitens, wettere Kapitalbeteili gung der Regierung an den Bundeölandbanlen zur Be- Schaffung billiger Kredite für die La n d w i r t s ch a s t; drittens, Gründung von Baukreditbanken zur Förderung der Heimbauiätigkeil; menens, Schaf fung einer „W iederaufbaugesellschost", die den notleidenden, aber innerlich gesunden Industrien, Eisenbahnen, Finanzinstitulen und landwirtschaftlichen Kreditanstalten gegen taugliche Sicherheiten vorübergehend Vorschüsse leisten soll. Fünftens schlägt Hoover eine Er weiterung der bei den Federalreservebanken diskontfähigen Papiere vor; sechstens, eine Bankgeseysorm, sieben- lens eine Hilfsaktion für die Eisenbahnen und achtens, eine Lockerung der A n t i t r u st g e s e tz - g e b u n g. Weiter empfiehlt Hoover eine gewisse Verein- fachung der Bundesverwaltung und eine ge setzliche Verankerung der Einwanderungsbeschränkung Hoover schloß seine Jahresbotschaft mit den zuversichtlichen Worten, daß das auf persönliche Initiative gegründete Wirt schaftssystem auch den Sturm der gegenwärtigen Krise überstehen werde. Der Kampl u Deutschland dringt auf schnelle Hilfe. Frankreich fühlt sich in Basel „vereinsamt". Der Tributausschuß in Basel hat seine Arbeiten fort gesetzt, um die geschäftlichen Fragen endgültig zu regeln. Dr. Melchior hofft möglichst rasch, also vor aussichtlich am Mittwoch, zu dem eigentlichen Kern st r o b l e m der Verhandlungen, derPrüfung der deutschen Gesamtlage, überzugehen, die er mit einem Bericht ein leiten wird. Deutschland hat dazu den Vertretern bereits ein umfangreiches Material in drei Sprachest zugestellt. Der deutsche Vertreter ist bereit, den Mitgliedern des Ausschusses in eingehender Weise Aufschluß über alle Fragen zu geben und diese, wenn gewünscht, noch durch Hinzuziehung des einen oder anderen besonderen Sach verständigen ergänzen zu lassen. Deutschland dringt aber auf beschleunigte Be ratungen, denn ein weiteres Hinauszögern der Regelung der Rcparationsfrage gefährdet nicht nur die laufenden Kredite Deutschlands, sondern untergräbt seine ganze Kreditwirtschaft. Daß von französischer Seite den Beratungen noch viele Schwierigkeiten gemacht werden werden, ist nach der bisherigen Haltung Frankreichs außer Zweifel. Durch die Wahl des Italie ners Beneduce zum Vorsitzenden und die Ablehnung des von Frankreich vorgeschlagenen Belgiers Franqui zeigt sich die französische öffentliche Meinung sehr ver ärgert und man schiebt dieses Ergebnis Machenschaften der Deutschen zu. Man spricht zum Teil mit unverhüllter Erbitterung über die Haltung der übrigen Staaten und die Vereinsamung Frankreichs. Man fürchtet wohl, daß Frankreich nicht die genügende Gefolgschaft finden wird, um seine rücksichtslosen Pläne durchzusetzen, die es noch einmal vor einigen Tagen in einer Note zufammengefaßt hat, die den Botschaftern der Länder, die auf der Baseler Konferenz durch Sachverständige vertreten sind, zu gegangen ist. Die französische Regierung legt darin noch einmal ihren Standpunkt in der Reparationsfrage und der Frage der kurzfristigen Kredite fest. In dieser Note beißt es u. a.: Die Weltkrise sei Die Verschlechterung des ArSMmarttes. Nach dem Bericht der Rcichsanstalt für Arbeits vermittlung und Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 16. bis 30. November 1931 ist die erwartete jahres zeitliche Verschlechterung des Arbeitsmarktcs in der Bc- richtszeit cingetrctcn. Die Zahl der Arbeitslosen nahm um rund 214 ÜÜO zu und betrug am 30. November nach den vorläufigen Meldungen der Arbeitsämter rund 5 057 OVO Personen. Die Zunahme liegt im Nahmen der Schätzungen der Reichsanstalt. Sie beläuft sich gegenüber dem Stand Mitte des Monats auf 4,4 Prozent. Der überwiegend jahres zeitliche Charakter der Bewegung kommt in der Tatsache zum Ausdruck, daß die Zahl der Arbeitslosen in den Saisonautzenberufen um 7,7 Prozent, in den übrigen Ve- russgruppen nur um 2,4 Prozent gegenüber dem Stand vom 15. November zugenommen hat. Seit dem sommer lichen Tiefstand war in diesem wie im vorigen Jahre eine Zunahme der Arbeitslosenzahl um etwa 1,1 Millionen zu verzeichnen. Der Stand der Arbeitslosigkeit ist jetzt ähnlich wie im Sommer um etwas über 1,3 Millionen höher als zu den Verglcichszeiten des Vorjahres. Die Zahl der Hauptunterstützungsempsünger belief sich am 30. November insgesamt auf rund 2 772 000. Im einzelnen betrug sie in der Arbeitslosenversicherung rund 1366 000 und hat seit Mitte des Monats eine Steigerung um rund 118 000 erfahren; Hauptunterstützungsempfänger in der Krisenfürsorge wurden, nach einer Zunahme um rund 24 000, Ende des Monats rund 1406 000 gezählt. i äie Tribute. sicherlich zum großen Teil verantwortlich für die deutsche Finanzlage. Die französische Negierung glaubt aber, dach die Zahlungsunfähigkeit Deutschlands auch in den besonders großen Haushaltsabgaben und in den systematisch übertriebenen Anleihen der deutschen Regierung zu suchen set. Die französische Negierung erkennt die Notwendigkeit an, Maßnahme« zu ergreifen, um Deutschland bei seinen augenblicklichen Schwierigkeiten zu unterstützen. Sie wird sich hierbei van dem Wortlaut der Vereinbarung leiten lassen, die »ach den Besprechungen des französischen Ministerpräsidenten mit dem amerikanischen Staatspräsidenten in Washington veröffentlicht worden ist. Obgleich die französische Re gierung bereit ist. weitgehende Zugeständnisse zu machen» um der Notlage des Reiches zu steuern, besteht sie daraus, daß die Reparationszahlungen grundsätzlich aufrechterhaltcn bleiben, da keinerlei Beweis dafür vorliegt, daß Deutschland dauernd zahlungsunfähig bleibt und da der geheiligte Charakter der internationalen Abkommen unbedingt ge wahrt bleiben mutz. Die augenblickliche Finanzlrise in Deutschland, heitzt es in der Denkschrift weiter, ist einer endgültigen Feststellung der Zahlungsfähigkeit Deutschlands nicht günstig. Die Untersuchung mutz sich daher aus eine vorläufige Regelung beschränken, die nur zeitliche« Charakter tragen kann. Wenn später eine internationale Konferenz der Reparationsmächte zusammenberufen wird, so wird man die gesamte Frage der deutschen Zahlungs fähigkeit von neuem aufrollen können. Auf alle Fälle muß diese Untersuchung die wichtige Frage der deutschen Kapitalien im Auslande einschlietzen. Es müssen Maßnahmen gelrossen werden, um diese Kapitalien wieder nach Deutschland zurückz«- führcn. Was die Frage der k u r z f r i st i g e n Kredite angeht, so weigert sich die französische Regierung, den praktischen Wert einer Vorzugsbchandlung dieser Kredite anzucrlennen. Die französische Regierung ist außerdem der Auffassung, daß eine Änderung des Uoung-Planes nur gleichlaufend zu einer Änderung der interalliierten Schulden möglich ist. Heimkehr des Kreuzers „Emden". Der Kreuzer „Emden" ist in seinen Heimathafen Wilhelmshaven eingelaufen. Es hatte sich eine vieltausendköpfige Menschenmenge trotz ungünstigen Wet ters eingefundcn, um den Kreuzer willkommen zu heißen. Der Kommandant wurde von dem Stationschef, Vize admiral Tillessen, dem Befehlshaber der Linienschichffe, Konteradmiral Förster, sowie dem Inspekteur des Bil dungswesens, Konteradmiral Schultz, der dem Kreuzer voräusgefahren war, willkommen geheißen. Sodann wurde die Schleuse geöffnet, und unter den Klängen der Bordkapelle wurden die Angehörigen von der Menschen menge stürmisch begrüßt. Reichspräsident von Hindenburg hatte ein Tele gramm folgenden Wortlautes an den Kreuzer gerichtet: „Dem Kreuzer „Emden" übersende ich bei der Rückkehr in die Heimat beste Willkommensgrüße." Gleichfalls hatte der Ches der Wärmeleitung, Admiral Näder, und der Flottenchef telegraphisch seinen Dank für die erfolgreiche Auslandsreise abgestattet. Nach fünf- tägigem Aufenthalt in Wilhelmshaven wird sich der Kreuzer am 14. nach Flensburg-Mürwik begeben, wo die Offiziersanwärter zur Ablegung der Fähnrichsprüfung von Bord gehen. Die „Emden" kehrt darauf «ach Wilhelmshaven zurück, um die Marinewerft zur Über holung aufzusuchen. Sie wird dann dem Linienschiffs verband zugesellt werden, wo sie das außer Dienst ge stellte Linienschiff „Hannover" ersetzen wird, bis das Panzerschiff „Deutschland" in Dienst gestellt wird, so daß dann die „Emden"-Besatzung das erste deutsche Panzer schiff in Dienst stellen wird. 8-71^ UM »AM WMWW ll o U kl V o dl 1 0 tl dl dl 8 o tt K copvrlAkt kV Msrtin kkike MM-UUUMUMMUMtWüM >56 Nun hatte Eugenie ihm klar gemacht, vaß sie den, Ivie ei geglaubt, noch immer Geliebten maßlos verachlele Ob, wie batte er da aufgeatmet! Aber wie war es dann zu gegangen, daß sie noch ein langdauernoes Rendezvous iu dem Tiergarten mil ihm Haven konnte? Er Hütte sich it,r zu Füßen werfen mögen, um von ihr Verzeihung zu er flehen. Bei dem letzten Gedanken kam wieder diese rasende Eifersucht und beherrschte ihn. „Die Ansichten meiner Schwester sind für mich durchaus nicht zu entschuldigen Ich billige sie nicht, und wenn ich einem einzigen Manne voll und ganz vertraute, so ist das Är lieber Vater gewesen. Ich habe ihn geliebt und ver- v-eses allein hat mich heute hierher geführt. Ich an Ihnen etwas von der Dankbarkeit abtragen, die de». Verstorbenen schulde. Ich weiß, daß Ihnen un- a"8°neh^^ Zusammenkünfte mit einem Manne, dessen amen iH „ich! nennen will, drohten, und glaubte mit ^Yrem Einverständnis zu handeln." Eugenjx hatte sich in einen Lehnstuhl fallen lassen; sie kauerte darin fassungslos. Die Augen hatte sie bedeckt, und ein krampfhaftes Zucken ging durch ihren Körper. Jetzt sah sie empor. Konnte denn noch Schlimmeres kommen? Die Angelegenheit Leon Rachctte war für sie erledigt. iw wirklich mit dem Schrecklichen noch einmal vor dem Richter erscheinen? Ihre Augen sahen entsetzt zu dem sprechenden empor. Er sah Vie Ängst in dem flehenden ^lict unv schwieg. Nach einer langen Spanne Zeit erhob r-Mädchen. Einer Nachtwandlerin gleich ging i'a keinen -Zimmer zu verlassen. Es konnte ° niam un7 7" "°"en Wett geben, der so elend, zo elmam und trostlos war wie sie. » ' > Dietrich trat ihr entgegen. Sie durste nicht so vo r ihm gehen. Ein Jammer ohnegleichen lag auf ihrem Gesicht. „Wünschen Sie noch etwas, mein Herr?" fragte sic tonlos. „Ist Ihr Rachedurst noch immer nicht befriedigt? Fühlen Sic denn nicht, daß ein Mehr über meine Kräfte geht?" Er sah, wie traurig sie sprach, und ein Schmerz schrie in ihm, dem er keine Worte geben konnte. Er wollte ihre Hand erfassen; aber sie entzog sie ihm. „Nicht weiter!" sagte sie traurig. „Nach der Verachtung die Beleidigung ... Ein Schimpf wäre es, den sie mir jetzt zufügten." Er ging nicht von der Tür. „Gnädiges Fräulein, gehen Sie nicht so von mir! Ich flehe Sie an, lassen Sie uns beraten, wie ich Ihnen bei- stehen kann!" Sie hatte die Augen gesenkt. Jetzt schlug sie sie zu ihm ' auf. Es schien, als ob sie sich überwinden müßte, noch ein- ! mal zu sprechen. „Nun denn, wenn Ihnen mein Vater so lieb gewesen ; ist, so retten Sie den vor der Schande, der sie verderben wollte!" Aus alles andere war er vorbereitet gewesen, hierauf nicht. Also liebte sie den Mordgesellen doch noch immer? . Mit einer Bitterkeit ohnegleichen neigte er das Haupt. „Was in meiner Macht steht, werde ich tun, mein Fräu lein, und ich will versuchen, den, der mir nach dem Leben ! trachtete, sofort zu befreien. Ob Sie mit ihm glücklich z werden, das ist eine andere Sache — meinen Segen haben , Sie dazu." Er kannte sich in seiner Erregung nicht mehr. Alles Edle, das ihn immer vor anderen ausgezeichnet hatte, war in seinem Innern zu Gift geworden, und dieses Gift, fühlte er, würde ihn dem Wahnsinn nahe bringen. Jetzl war Eugenie die Ruhigere. Trotzdem kam es auch aus i ihrem Munde maßlos bitter: „Und Sie glauben, daß ich mich jemals mit einem Wüst- i ling, einem verkommenen Menschen, den ich verachte, ver- einen würde? Wie denken Sie doch so gering von mir! Es scheint, Sie haben die Rolle des Verachtenden besonders eingeübt." Er drehte sich um. Sie sollte nicht in sein zuckendes Antlitz sehen. Die Leidenschaft, die derart von ihm Besitz genommen, spiegelte sich darin wider. Er konnte nicht mehr zurück. Er mußte ihr auch das noch sagen, was er mit seinen eigenen Augen gesehen. Jetzt war er der Falter, der in den Bereich der Flammen geraten, und er fühlte die Todesqualen. Seine Augen loderten ihrem Blick entgegen. Mit harter Stimme sagte er: „Glauben Sie denn, daß ich Ihre Zusammenkunft im Tiergarten als einen Zufall angesehen habe? Halten Sie mich wirklich für so harmlos, daß ich später, als Sie von ihm kamen und in die Elektrische stiegen, nicht wußte, welches Idyll sich in den Anlagen abgespielt hatte?" Eugenie war bei seinen ersten Worten zusammengezuckt. Also darum der feindliche, kalte Blick, als er ausgestiegen war! Nun wußte sie, warum er kaum den Hut zum Gruß berührt hatte. Er hielt sie wirklich für derart leichtsinnig, daß sie heute einen Hilferuf gegen den, dem sie einstmals vertraut, erschallen ließ und morgen ein: „Komm, ich er warte dich!" Das Hilflose ihrer Haltung, die flehenden Augen, alles hatte sich an ihr verändert; cs schien, als wäre sie gewachsen unter feinem Vorwurf. „Nun denn, ich habe Ihnen bereits so viel gesagt, daß Sie mich, ohne daß ich gefragt werde, vor dem Richter wie vor der ganzen Welt vernichten können. Ich habe aber nur von mir erzählt. Sie können mit dem Material machen, was sie wollen. Was ich Ihnen auf Ihre grausame Beleidigung nun sagen mutz, betrifft meinen Vater, den Sie zu verehren angaben. Für ih« bitte ich Sie, über das, was ich Ihnen jetzt sage, z« schweigen. Ich habe die Zusammenkunft in den Anlage« nicht zu einem Schäferstündchen, sondern zu einer Aus einandersetzung mit — meinem Bruder — gehabt." (Fortsetzung folgt?