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Tagesspruch. Das Mitleid ist die letzte Weihe der Liebe, vielleicht die Liebe selbst. Heine. Was Elmkand Mr Wler sagt. Brünings und Hitlers Außenpolitik. Während einige der englischen Berichte aus Berlin eine starke Nervosität über die Absichten Hitlers wider spiegeln, erklären einige Finanzzeitungen, daß die Äuße rungen Hitlers keineswegs Grund zu Besorg- n isse n gäben. Ein genaues Studium der Worte Hitlers zeige, daß Hitler es keineswegs an staatsmännischer Ein sicht fehlen lasse. Seine Ansichten über die Erfüllung der Privaten Schuldverpflichtungen seien befriedigend Auch seine Auffassung, daß Deutschland keine wahnsinnig hohen politischen Schulden zahlen könne, ohne das Wirtschaftsleben in der Welt völlig durcheinander zu brin gen, stimme mit den Ansichten aller verständigen Leute überein. Die Ablehnung der politischen Schulden als Mittel, aus Deutschland politische Zugeständnisse herauspressen zu wollen, sei keineswegs gleichbedeutend mit einer Weige rung, überhaupt keine Tribute zahlen zu wollen. Man er blickt nichts Alarmierendes in der Äußerung Hitlers, daß er sich keinen politischen Erpressungen unterwerfen wolle. Die Revision des Versailler Vertrages werde bei den kommenden Verhandlungen eine große Rolle spielen müssen, weil Hitler weite Kreise des deutschen Volkes hinter sich habe. Anstalt Zugeständnisse auf wirt schaftlichem Gebiet zu machen, die politischen Fesseln aber zu verewigen, sollte man gerade diese Fesseln lösen, um in Deutschland einen aus freien Stücken entstehenden Willen zur Erfüllung der finanziellen Verpflichtungen auszulösen. Die „Times" betont, daß die Ansicht Hitlers über die Tribute Gemeingut des ganzen deutschen Volkes sei. Hitler wolle sein Ziel ganz ehrlich nur auf ver fassungsmäßigem Wege erreichen und sei auch an scheinend bereit, seine Absichten auf dem Wege über den Eintritt in eine Koalitionsregierung schrittweise in die Tat umzusetzen, obwohl Teile der Partei ihrem Führer auf dem Pfade der Mäßigung noch nicht folgen wollten und alles oder gar nichts forderten. Es sei bemerkens wert, daß Hitlers Ansichten über die Außenpolitik und auch zum Teil über die Innenpolitik mit der von Brüning schon seit langem angekündigten und verfolgten Politik übereinstimmten. Hitler reist nach Italien? Adolf Hitler ist das österreichische Visum für die Durchreise nach Ungarn und Italien bewilligt worden. * Nationalsozialistische Führer in Nom. Die nationalsozialistischen Rcichstagsabgeordneten Dr. Nieland und Strieder sind zum Besuch der nationalso zialistischen Ortsgruppen und Stützpunkte in Italien in Rom eingetrofsen In Florenz hielt Dr. Nieland einen Vortrag über die Ziele und das Wesen des National sozialismus. NeGemeinderaiswahlen inWmi^ Neue nationalsozialistische Ersolge. Der Ausfall der Gemeinderatswahlen in Württem berg bestätigt abermals die Umgruppierung der Wähler massen, die sich bei allen Wahlen der letzten Zeit gezeigt hat Die Nationalsozialisten, die in den württembergischen Stadtparlamenlen bisher noch nicht vertreten waren, haben in der Landeshauptstadt Stuttgart ihre Stimmen gegenüber der letzten ReichSlagSwohi verdoppeln können. Sie haben diese Gewinne wieder zum größten Teil auf Kosten der bürgerlichen Einheitsliste erzielt, die aus Demo ¬ kraten, Deutscher Volkspartei, Volksrechtspartei und Na tionaler Volksgemeinschaft bestand. Die Sozialdemokratie marschiert in Stuttgart zwar noch immer an der Spitze, doch hat sie gegenüber den Reichstagswahlen schwere Einbußen erlitten. -Ihre Itimmenzahl ging um etwa 25 Prozent zurück, die dies mal nicht den Kommunisten zugute gekommen sind. Es ist also anzunehmen, daß ein Teil der ehemaligen sozial demokratischen Wähler nationalsozialistisch gewählt oder sich an der Abstimmung nicht beteiligt hat. Besonders hervorzuheben ist noch, daß die Deutschnationalen ihre Stimmenzabl gegenüber der Reichstagswahl um etwa 1206 erhöhen konnten. In Eltingen in der Nähe von Stuttgart, wo sich die marxistischen und bürgerlichen Gemeindevertreter die Waage gehalten haben, ist eine marristische.Mehrheit zu stande gekommen. Im allgemeinen kann man seststellen, daß die Nationalsozialisten in alle Gemeindeparlamente einziehen werden. Ihr Anteil an der Gesamtstimmenzahl beträgt etwa 22 Prozent, L Die Erlöserllrche in Moskau in die Lust gesprengt. Die Erlöserkirche in Moskau, die zu den schönsten Bau denkmälern der Welt zählte und deren sünf Kuppeln zu den charakteristischsten Wahrzeichen der Stadt gehörten, ist mit sechs Dynamitladungen in die Luft gesprengt worden. An ihrer Stelle soll nun der „Palast der Sowjets" errichtet werden. Kongreßerössnung in Washington. „H u n g e r p i I g e r" vor dem Parlament. In Washington trat der 72. Kongreß der Vereinigten Staaten zusammen. Die Verlesung der Botschaft des Präsidenten Hoover erfolgt erst am Dienstag in einer ge meinsamen Sitzung beider Häuser. Präsident Hoover wird dem Parlament einen großzügigen Hilfsplan zur Be lebung der amerikanischen Wirtschaft vorlcgen. Daß auch Amerika immer tiefer in den Strudel der Weltwirtschaftskrise gerissen wird, zeigt ein „H u n g e r m a r s ch" nach Washington. Dort trafen 1200 „Hungerpilger" ein, um bei dem Parlament zu demon strieren. Die gesamte Stadtpolizei ist ausgeboten worden, um für Ordnung und die Unterbringung in Baracken zu sorgen. Das amerikanische Schatzamt hat für insgesamt 1,3 Milliarden Dollar neue Schatzscheine mit einer Laufzeit von 3,6 und 12 Monaten bei einer durch schnittlichen Verzinsung von 3 Prozent zur Zeichnung auf gelegt. Die Riesentransaktion dient in der Hauptsache zur Abdeckung der Mitte Dezember fällig wer denden Verbindlichkeiten in Höhe von 1,1 Milliarden Dollar. * Kundgebung vor dem Kapitol. Die etwa 1400 Hungerpilger, die sich in Washington eingefunden hatten, begaben sich auf den Kapitolsplatz, wo sie von der Polizei umzinaelt wurden. Eine Abord nung von zehn Mitgliedern durfte sich in das Kapitol be geben. Die Saalwächter entfernten jedoch die Abordnung, die ihre Forderungen weder dem Repräsentantenhaus »och dem Senat vorbringen konnte. Die Hungerpilger versuchten darauf, die polizeilichen Absperrungen zu durchbrechen, was ihnen aber nicht gelang. Später versuchten die Teilnehmer des Hungermarsches, bis zum Weißen Hause vorzudringen, um dem Präsiden ten ihre Wünsche vorzutragen. Präsident Hoover lehnte es jedoch ab, sie zu empfangen. Die Polizei unterbrach daraus die Kundgebung und räumte das ganze Negie rungsviertel. Hochschulen und Giu-enien. Vollsitzung des Preußischen Staatsrats am Freitag, Der Preußische Staatsrat wird am Freitag dieser Woche zu einer Vollsitzung zusammentreten, um die Vor lagen über die Rechtsverhältnisse der Studenten und die Disziplin aus den staatlichen wissenschaftliche« Hochschulen sowie die preußische Verordnung zur Durch führung des Milchgesetzes zu beraten. Unter -er schwarzen Jahne. Bauern drohen mit Acht und Bann. In Qlfersheim (Rhein Hessen) fand eine Landvolkkundgebung statt. An vielen Häusern wehten schwarze Fahnen. Die Kundgebung faßte eine Entschließung über die Leistung oder Nichtleistung öffent licher Abgaben. Die Überwachung der Durchführung der Beschlüsse wurde einem zehngliedrigen Rat Überträgen. Wer gegen die bäuerliche Schickfalsgemeinschaft verstoße, solle geächtet und aus der Dorfgemeinschaft ausgeschlossen werden. Gin Volk, das nicht versichert sein will. Alters- und Invalidenversicherung in der Schweiz vbgelehnt. Das Schweizer Volk hat die Einführung der Alters- und Hinterbliebenenversicherung abgelehnt, nachdem es bereits vor sechs Jahren die grundsätzliche Ein führung der Versicherung beschlossen hatte. In jahrelangen Beratungen wurden vom National- und Ständerat die Einzelheiten festgelegt. Nun entstand in diesem Sommer eine starke Opposition gegen die Versicherung. Es wurden die notwendigen Stimmen aufgebracht, die er reichten, daß die Versicherung und ihre Ausführungsgesetze noch einmal zur V o l k s a b st i m m u n g zu bringen seien. Die Verschlechterung der Wirtschaftslage in Verbin dung mit dem bevorstehenden allgemeinen Lohn- und Gehaltsabbau sowie die Ängst vor jahrelanger Prämienzahlung für Versicherte und Arbeitgeber hat da zu geführt, daß das Volk nun mit st arker Mehrheit die Alters- und Hinterbttebenenverstcherung sowie die zur Aufbringung der Staatszuschüssc vorgesehenen Tabak- und Zigarcttcnbcstcucrung abgclehnt hat. Gchisfsnnglücke in -er Ostsee. Von der Ostsee wird eine Reihe von Schiffskata strophen gemeldet. Die Besatzung des an der finnischen Küste gestrandeten schwedischen Dampfers „Inga" wurde nach KVstündigen fürchterlichen Strapazen aus dem von der Brandung überspülten Wrack gerettet. Der zweite Maschinist wurde jedoch über Deck gespült und ertrank. Da die 16 Schiffbrüchigen drei Tage und drei Nächte lang ohne Proviant und ohne Möglichkeit, sich zu erwärmen, aus dem Schiff zubringen mußten, befanden sich alle in vollkommen erschöpftem Zustande. Mehrere waren be sinnungslos und mußten bei der Nettungsarbeit in die Boote getragen werden. Der an der schwedischen Küste gestrandete Hamburger Dampfer „Olga" konnte, nachdem ein Teil der Ladung auf den Bergungsdampfer übernommen war, von der Un tiefe weggezogen und in einen Hafen geführt werden. Auf dem gestrandeten deutschen Dampfer „Mild burg" befinden sich noch der deutsche Kapitän und sieben Mann der Besatzung. Man hofft, den Dampfer bergen zu können, wenn günstige Witterung eintritt. Oovvritzkt kv Nullt» 'V s53 Frau von Döming zog es jedoch woanders hin. Sie wußte, daß Dietrich von seiner Reise zurückgekehrt war, und wollte ihn überraschen. Da Eugenie es scheinbar nichi fertig brachte, von ihm zu sprechen, wohl auch nichts hören mochte, hatte sie ihre Absicht nicht erwähnt. Weihnachten hatte ja fast jeder Mensch, ob alt oder jung, seine Heim lichkeiten. Nun hielt das Auto in der Bülowstraße, und Frau von Döming stieg die beiden Treppen empor. Auf ihr Klingeln erschien der Diener und verkündete, daß der Herr Baron vor einer Stunde nach dem Gute seines Vaters ab- Sereist sei. Es war für die alte Dame eine bittere Enttäuschung, ^ie hatte sie sich auf das Wiedersehen mit Dietrich gefreut! A stand ja ihrem Herzen näher venn je. Sie nahm eine und schrieb einige Worte darauf. Dann trat sie Rückfahrt wieder an, hier und da noch ein kleines Spiel- ^ug kaufend. Bei ihrer Heimkehr trat Eugenie ihr strahlend entgegen, --llles war fertig, und die Kinder waren vollzählig, vielfach bau Müttern und älteren Geschwistern begleitet, erschienen. Nur Frau von Döming hatte noch gefehlt. Nun folgte eine wundervolle Feier. Die Kinderaugen leuchteten auf, als ne ven kerzengeschmückten Baum sahen, und Elfriede saß am Flügel, die „Stille Nacht, heilige Nacht" der Kinder- , ^gleitend. Mancher Mutter gingen vor Rührung die Augen über; das Glück leuchtete aus allen denen bei den Bescherten, sondern auch bei venen, die da geben dursten. lieb?^^ - Wieder die große Menschen- ' » ,ett dem L.ode ihrer Lieben in einem Winkel verkrochen hatte. Auch Eugenie feierte das wunderbare Fest anders als sonst. Früher war sie die Empfangende, heule die Gebende. Als die Beschenkten später ihre Sachen mit Hilfe der Erwachsenen zusammengepackt und mit Jubel oder Scheu sich verabschiedeten, atmeten die beiden Damen glücklich auf. Elfriede hatte es übernommen, etliche Kinder nach Hause zu bringen. Sie sauste im Auto mit den Kleinen nach Hause und verstand es, sich auf die verschiedenen Kinderseelchen einzustellen. Dann trieb es sie mit Unruhe wieder zurück. Sie hatte seit Monaten heimlich gearbeitet, um Fräulein Eppen eine Freude zu machen, und davon hing für sie der Hauptglanz des Festes ab. Ob Fräulein Eugenie sich wohl freuen würde? Uno sie freute sich wirklich. In dem Raume, in dem die drei Engverbündeten die Nachfeier erwarteten, wohnte das Glück. Es war eine weihevolle Stunde, die folgte. Der Zauber der Kinderseier ergoß seinen Glanz noch über den Abend bis in die Heilige Nacht, und Eugenie hatte das Glücklichmachen dabei kennengelernt, hatte Werte entdeckt, die ihr eine Quelle neuer Freuden erschlossen. * » * Nun war Frau von Döming sechs Wochen in Berlin und rüstete zur Abreise. Von Dietrich hatte sie eine Gratu lation zum Jahreswechsel aus Waldungen erhalten. Ein herzlicher, lieber Brief war es, der ihr Freude bereitete, aber auch — Sorgen. Dietrich hatte nicht die Absicht, nach Berlin zurück zukehren. Er wollte sich ganz der Arbeit hingeben und dann ins Ausland gehen. Wie eine Flucht kam es Frau von Döming vor Sollte es mit Eugenie im Zusammen hang stehen? Er fügte für diese nur einen förmlichen Gruß bei. Frau von Döming geriet in ernste Grübelei und las den Bries wieder und wieder. Einige Worte be unruhigten sie. Es ging daraus hervor, daß Dietrich irgend etwas plante, was er selbst noch nicht aussprcchen mochte. Ging er mit dem Gedanken um, sich einen Hausstand zu gründen? Es schien ihr so; aber sie vermißte die Freude dabei. Es lag auf allem, was er über sein Leben und seine Zukunft berichtete, etwas Hoffnungsloses zwischen den Zeilen. Wenn er klar und freudig die Absicht aus gesprochen, eine Gefährtin an seinem Leben teilnehmen zu lassen, wäre sie froh gewesen. Sie war etwas bitter über seine Undankbarkeit gegen Eugenie. Diese hatte sich für ihn aufgeopfert, wochenlang sich um ihn gesorgt und — nun dieser Dank! So lieb ihr Dietrich war, so weh tat es ihr, daß sie sich in etwas doch geirrt hatte. War er die vornehme Natur, die sie in ihm bisher vermutet hatte? Bei ihr lautete die Losung: „Dankbarkeit verpflichtet!" Eugenie war still, als ihr Frau von Döming den Gruß überbrachte. Ein eiliges Not trat in ihr Gesicht. Im übrigen erschien sie kalt und gleichgültig. Es wurde auch nicht weiter von Herrn von Waldungen gesprochen. Kurz vor der Abreise erwähnte Frau von Döming, daß sie bedaure, Dietrich nicht gesehen zu haben; es wäre ihr, als ob er vor einer Wendung seines Lebens stehe. Eugenie erbleichte; es schien, als ob ein körperlicher Schmerz sie peinigte. Eine Frage: „Und was weiter?", die ihr brennend auf der Zunge schwebte, unterdrückte sie. Sie verließ das Zimmer und rief draußen dem Reitknecht zu, er möge die Pferde zurecht machen. Dann warf sie sich auf ihren schönen Rappen und sprengte mit ihrem Begleiter davon. Im Hause zwischen den Wänden konnte sie es nicht aushalten. Selten hatte das edle Tier die Launen seiner Herrin so empfunden wie heute. Eugenie war unruhig und unberechenbar. „Cäsar" hatte die Gerte wiederholt gespürt und war scheinbar froh, als plötzlich gewendet wurde und der Weg zurückführte. Eugenie fühlte, daß es auch draußen im Reiche der Tannen und der wundervollen Waldlust nicht besser wurde. Nun versuchte sie es mit der Ruhe des Heims. (Fortsetzung folgt.)