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Wilsdruffer Tageblatt : 29.10.1931
- Erscheinungsdatum
- 1931-10-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193110290
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19311029
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19311029
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1931
-
Monat
1931-10
- Tag 1931-10-29
-
Monat
1931-10
-
Jahr
1931
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 29.10.1931
- Autor
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die Buchform hat, findet dieselbe Verbrechensgliederung statt, aber ohne Etikettierung von Lebensjahr und Körpermaße. Dem Publikum werden die neuesten Bilder vorgelegt, und es muß bei dieser Albumform sämtliche Bilder durchsehen. Gleich gültig, ob 2000 oder 3000 Aufnahmen. Sicher ist indes keines falls, daß sich unter diesen neuesten Bildern das des Täters auch wirklich befindet. Nehmen wir an, die Aufnahme er folgte am 29. März 1927; im Mai wird er zu 5 Jahren „2" verurteilt. Bis zum Monat Mai und später gehen viele neue Bilder ein. Da seit dem Herstellungstag des Bildes — dieses ist ja maßgebend — keine Aufnahme mehr vom Täter gemacht worden ist, wird er nach fünf Jahren sicherlich nicht von dem Einsichtnehmenden erkannt werden können, wenn er dann ein neues Verbrechen begangen hat; das ist der Nachteil der Buch form. Abgesehen von dem Einsichtnehmenmüssen in eine verwirrend große Anzahl von Bildern. Bei der Karteiform kommen nur Aufnahmen bestimmter Größe und bestimmten Alters in Frage. Hier werden ganz wenig Aufnahmen dem Publikum vorgelegt und auch nur der in Betracht kommende Teil der Lichtbilder, unter den sich der Verbrecher befinden muß, wenn von ihm überhaupt ein Photo in der Lichtbild- sammluna liegt. Stirbt ein Delinquent, so kann sein Bild aus der Kartei jederzeit entfernt werden, nicht aber aus dem Album, weil dort das Bild festgeklebt ist. Sie schlafen wie die Murmeltiere- Wie komme ich am besten durch den Winter? — Meister Grimbart und sein „Schmalzloch". — Der Igel will aui jeden Fall schlafen. Von G. A. B r ü d e r n - Wien. „Du altes Murmeltier!" Ich weiß nicht mehr genau, wer mir dies Kosewort kürzlich an den Kopf warf. Die Person spielt ja auch keine Rolle. Und wenn es zufällig meine Frau gewesen wäre, so würde ich es doch nicht sagen. Das ist man halt seiner Männlichkeit und Würde schuldig. Also lassen wir das. Ich wollte ja auch vom Murmeltier reden und nicht von meiner besseren Hälfte. Ich glaubte mancher unter uns wünscht im Augenblick sehnsüchtig, er könnte wirklich ein Murmeltier sein und über den bevorstehenden Kummer dieses Winters hinüberschlafen. Dann brauchte er sich nicht mit dem kargen Geld des Erwerbslosen durch den Winter zu hungern und zu frieren. Das Murmeltier hat's wirklich gut. Im Sommer darj es sich vor seinem Sommerbau sonnen und mit dem Nach barn vom nächsten Loch ungestört einen kleinen Gevatter klatsch halten, denn ein Wächter sitzt ja über ihm auf hohem Stein, und der Warnungspfiff schrillt auf, sobald eine Ge fahr im Anzuge ist. Im Hervst, wenn die Jungen das Gröbste überstanden haben, bereitet sich Herr Murmel mit Familie ebenso einfach wie praktisch auf den Winter vor. Er gräbt eine tiefer gelegene und geräumige Wintcrwobnung mit einem acht bis zehn Meter langen Gang. Die Mündung verstopft er fein säuberlich mit dem „Zapfen", einem Ge misch von Heu, Steinen und Erde, und dann legt sich die ganze Familie im weich gepolsterten, warmen Kessel zum Winterschlaf nieder. Damit ist für sie der gesamte Fragen komplex: „Wie komme ich durch den Winter?" auf ideale Weise gelöst. Dem bekanntesten unter unseren heimischen Winter schläfern bereitet die Frage ebenso wenig Kopfzerbrechen. Meister Grimbart, der Dachs, der mit feinen kurzen Brauten und seinem gedrungenen Leib den Eindruck eines mürrischen und trägen Gesellen erweckt, hat sich im Sommer ein ordent liches Wänstlein angemästet und strotzt von Fett. Er weiß aus Instinkt und alter Erfahrung — er wird durchschnittlich zwölf Jahre alt — seinen Kessel so anzulegen, daß dieser unter der Frostgrenze bleibt. Das ist Wichtig, weil die körperwarme ves Dachses während des Winterschlafes an sich bedeutend herabgemindert ist. Zu Beginn des Herbstes sammelt Meister Grimbart trockenes Laub oder lang- stengcliges Moos, das er zu Ballen zusammenscharrt und in den Kessel schiebt. In seinem warmen Bett rollt er sich dann zur Kugel zusammen, und die ganze Welt kann ihm Lis zur nächsten Lichtmeß gestohlen werden. Alles, was er braucht, hat er ja bei sich, das Fett, von dem er zehrt, ohne in seinem Schlaf etwas davon zu merken. Er tut uns freilich nicht — wie im Volksmund oft behauptet wird — den Gefallen, sich aus dem „Schmalzloch" zu beköstigen. Diese kleine schlitzäugige Oeffnung unmittelbar unter dem Bürzel scheint eher — wie bei seinen Vettern, den Stinktieren — ein etwas verküm mertes Schutzorgan zu sein, scheidet sie doch eine schleimige Flüssigkeit aus, die nicht gerade angenehm duftet. Nahrhaft ist sie sicher nicht. Der Igel ist ein anderer unter den bekannten Winter schläfern unserer Heimat. Anfang November sucht er sich unter einer Hecke oder in einem hohlen Baum ein geschütztes Plätzchen und vergräbt sich dort tief unter trockenem Laub und Moos. Er ist ein hartnäckiger Schläfer, der sich selbst dann zum weltvergessenen Schlummer zusammenrollt, wenn er zum Haustier wurde und ein warmes Plätzchen gesunden hat, das ihn vernünftigerweise der Notwendigkeit des Win terschlafes entheben müßte. Er hält die ihm von der Natur oorgeschriebene Ruhepause selbst im warmen Stall ein. Der Bär, der gewaltigste unter allen Winterschläfern, hat unsere Heimat wohl für immer verlassen. Auch ein anderer dieser Gilde, der den bezeichnenden Namen Sieben schläfer führt, weil seine Winterpause nicht weniger als sieben Monate währt, geht in Deutschland seinem Ende ent gegen. Häufiger ist sein kleiner Vetter, die Haselmaus, die den Winterschlaf in einem kunstvoll gebauten Nest verbringt und sich leicht zähmen läßt. Der Hamster ist sprichwörtlich geworden wegen der Vorräte, die er in seinem Bau auf stapelt. Das im Kriege so gebräuchliche Wort vom Ham stern, das stets eine Art Angstpsychose des Betreffenden aus drückt, ist wirklich glücklich abgeleitet, denn der Hamster kann in den seltensten Fällen die von ihm aufgestapelten Vorräte aerzehren, schläft er doch die meiste Zeit im Winter, um nur dann aufzuwachen, wenn die Witterung wärmer ist. Der Maulwurf wird von den einen als Winterschläfer bezeichnet, andere sprechen ihm die Fähigkeit dazu ab. Viel leicht ist es richtig, wenn man sagt, die Entscheidung darüber, ob er sich zum Winterschlaf genötigt sieht, hängt ganz davon ab, ob er sich ein frostfreies Nest gegraben'hast in dessen Umgebung er Nahrung findet, oder ob sein Gang so wenig lief in die Erde führt, daß er durch die Kälte zur Untätigkei! oerurteilt ist. Ein unsicherer Kantonist in dieser Beziehung st auch das Eichhörnchen, das sich ähnlich dem Hamster Wintervorräte sammelt und im Gegensatz zu anderen Tieren 'einen ununterbrochenen Winterschlaf halt. Die Fledermaus dagegen verkriecht sich für den ganzen Winter in irgend eine Höhle oder einen unterirdischen Gang, und kümmert sich nicht darum, ob die Aerzte es für schädlich halten oder nicht, nienn man mit dem Kops nach unten hängt. Zu den kaltblütigen Wirbeltieren, die Winterschlaf falten, gehören Schlangen, Eidechsen und Lurche. Am inter essantesten ist hier das Gebaren der Blindschleiche, ^m j Frühjahr und Sommer ist sie ein regelrechter Einsiedler, doch im Oktober finden sich oft Dutzende von ihnen zu sammen, um bis in den März hinein zu einem Klumpen ge ballt die Kälte zu verschlafen. Ein wunderschönes Plätzchen ;um monatelangen Schlummer suchen sich unsere Frösche im Schlamm der Teiche aus. Von den Fischen machen es ihnen unter anderen der Karpfen und der Schlammbeißer nach. Alle Kaltblüter verbringen den Winter in völliger Starre, ebenso die Wirbellosen, vor allem Schnecken und Insekten. Sie wissen alle nichts vom Jammer des Winters, und in dieser Beziehung sind sie uns Menschen trotz aller unserer Hilfsmittel weit überlegen. Denn unser Winterschlaf be schränkt sich auf eine Wintermüdigkeit, die ein gesteigertes Schlafbedürfnis mit sich bringt. Das ist leider alles, was wir vom „alten Murmeltier" an uns haben. MMN Hotei hin gar nichts za sage«. Ein Volk, das nur Pantoffelhelden kennt Bei der Hochzeit ist der Bräutigam überflüssig. — Der Ehemann muß ständig aus der Walze sein. Von E. Conz. Maner haben nichts zu sagen? Als ob das etwas Beson ! deres wäre! Das ist doch eine ganz alte Leier. Sehr richtig. Aber es soll hier zur Abwechslung einmal s nicht von uns europäischen Pantoffelhelden dre Rede sein, die s wir freiwillig (?) auf die uns vom Gesetz zuzesprochene Macht j über das weibliche Geschlecht verzichtet haben, sondern von j Volkern, bei denen die Weiberherrschaft durch Sitte und Ueber- s lieferung so fest verankert ist, daß der Mann auch rechtlich nicht : die geringste Rolle spielt. Gewöhnlich erfreut sich die Frau bei den primitiven Völkern keiner Achtung, und Ehrfurcht vor dem Weibe kann 'chon als Beweis für die höhere Kultur des betreffenden Stammes angesehen werden. Dies würde unter anderem auch «uf die Einwohner der niederländisch-indischen Wund-rinsel Bali zutreffen, wo der gesamte Handel und das Geldwesen rn den Händen der Frauen liegen. Letzteres ist zwar bei uns Europäern auch oft der Fall — besonders am Lohntag —, aber im Gegensatz zu den Frauen von Bali haben sich unsere besseren Hälften hier ein Recht einfach angemaßt, das ihnen gesetzlich gar nicht zusteht. Außerdem besitzen auf Bali allein die Mädchen das Recht, den Ehepartner zu wählen. Ein Mann dar' keine vorübergehende Frau ansehen und sich erst nach zwei Stunden auf den Platz setzen, den vorher eine Frau innegchabt hat. Ein unverheirateter Jüngling ist ohne jede Bedeutung, führt nicht — wie es bei uns jetzt Mode ist — das große Wort. Aber die Vorherrschaft der Frauen ist auf Bali noch gering im Vergleich zu der Gewalt, die bei dem auf Sumatra hausenden Stamm der Menangkabau die Weiber üb-r das männliche Geschlecht ausüben. Hier gilt der Mann nur als notwcnviges Uebel, als Mittel zur Erhaltung der Art. Im Beginn seines Erdenwallens läßt den jungen Mc- nanglabau nichts vermuten, daß er später nur Sklave sein wrrd. Er genießt im Hause seiner Mutter das gleiche Recko wie die Mädchen. Sein Leiden beginnt aber, sobald eine Jung frau ihn zum Mann auserkoren hat. Er selbst wird hierbei nicht um seine Meinung gefragt. Der Priester sagt zu ihm: „Ich verheirate Dich mit diesem Mädchen, und Du bekommst zwanzig Gulden Mitgift." Damit ist die Sache erledigt, der junge Ehemann geht nach Hause unk z liefert seiner Mutter treu und brav die Mitgift ab. Inzwischen feiern seine Frau und die weibliche Verwand, j schäft fröhlich Hochzeit. Die Feier dauert acht Tage lang, unk ! nicht einer fragt nach dem Bräutigam, der zu Hause arbeite, muß. Auch die anderen Männer der Verwandtschaft haben Lc: der Hochzeit nichts zu suchen. Man amüsiert sich entschiede: besser ohne sie, ganz abgesehen davon, daß es keiner Frau i: oen Sinn kommt, ein so untergeordnetes Wesen wie einen Mann an Essen, Trinken und Tanz teilnehmen zu lassen. Am achten Tage zieht die ganze Hochzeitsgesellschaft zum Hause der Bräutigamsmutter, wo der junge Mann festlich geschmückt — etwa in europäischen Schuhen und steifen: Kragen — darauf wartet, daß er abgeholt wird. Aber auch bei dieser Gelegenheit würdigt ihn niemand eines Wortes, und schweigend zieht er im Hause seiner Schwiegermutter ein, wo er in Zukunft wohnen und dulden wird. Er nimmt hier die untergeordnetste Stellung ein, rangiert gesellschaftlich hinter dem jüngsten Kinde, auch wenn dieses männlichen Geschlechtes ist. Er muß außer dem Kochen alle Arbeiten verrichten, darf aber — was bei den Amazonen der griechischen Sage nicht der Fall war — auch die Waffen zur Verteidigung des Stammes ergreifen. Er selbst besitzt nichts. Alles gehört der Frau, und diese wieder untersteht der be dingungslosen Gewalt der Mutter, seiner Schwiegermutter also, die oft bis zu sechzig Töchter, Enkelinnen, Nichten, Schwiegersöhne und SKwiegerenkel unter ihrem Dach be herbergt. z Da die Menangkabau Mohammedaner sind, so besteht Lei ihnen auch die Sitte der Vielweiberei. Aus dieser heraus ergibt sich für den Mann oft eine Wohl einzigartige Stellung aus der ganzen Erde. Er darf bis zu viermal verheiratet werden. Seine zweite, dritte und vierte Frau sind meistens solche, die in ihrer ersten Ehe mit dem Mann nicht ganz zufrieden waren und ihn sortgejagt haben. Dann war im gleichen Dorf ein anderer Jüngling, der ihnen gefiel. Da nun die Menangkabau- damen keine Eifersucht kennen, so kann die des unliebsamen > Ehesklaven ledige zu ihrer Nachbarin gehen: „Dein Mann ge- ! fällt mir. Ich werde ihn heiraten." Die andere hat nichts dagegen einzuwenden, weil es die Sitte verbieten würde. Sic teilt sich eben mit der anderen oder mit den drei anderen in den Mann. Dieser muß bei jeder Frau einen Monat bleiben unk » darf dann zur nächsten ziehen. So befindet er sich dauernd aus s der Wanderschaft. Natürlich lassen sich selbst in einem so gequälten Wesen, s wie es die Männer der Menangkabau sind, nicht alle Gefühle s unterdrücken, und so kann es einmal Vorkommen, daß der Ehe- s sklave Lei einer Frau, die ihn besser behandelt oder hübsche: s ist als die nächste, sich etwas länger aufhält und das Weiter- s wandern vergißt. Dann ist der Krach da. Gnade dem Sünderi s Er bekommt sicher zum Empfang eine Tracht Prügel. Das Leben müßte für diese unglücklichen Geschöpfe cim ständige Qual sein, hätten sie nicht einen Trost: Sie können s ihren Frauen fortlaufen, wann sie wollen. Sie sagen einfach s zu ihr: „Ich will nicht mehr mit Dir verheiratet sein." Damit ! ist die Sache erledigt, und der Mann kehrt in das mütterliche Haus zurück oder geht zu einer von seinen anderen Frauen. ! Er wechselt freilich damit nur die Herrin. Die Kinder aus diesen wunderlichen Ehen gehören stets i der Mutter. Sie kümmern sich überhaupt nicht um den Vater, j und er hat keine Verantwortung für sie. Was schließlich auck s etwas wert ist. Denn bei uns Europäern gibt es ja Männer' j "sich "icht mehr zu sagen haben als die Menanglabaugattem Von ihnen verlangt man aber, daß sie für die Kinder sorgen. Da haben es also die Menangkabau doch besser. . Etwaigen Interessenten sei aber vor einer Auswandcrune m das Gebiet der Ehesklaven von Sumatra widerraten. Die Menangkabaudamen heiraten nur innerhalb ihres Stammes. Knud Sims Rächt. Skizze von N. C. Krumbholz. Verstohlen betrachtete Gerda van Leeden den Herrn, der sich auf dem Platz gegenüber niedergelassen hatte. Es war der elegante Typ des Mannes von Welt, der aus fast alle Frauen Eindruck zu machen Pflegt — jung, gesund und vornehm. „Die Fahrkarten bitte! — Dieses Abteil ist aber nicht erster, sondern zweiter Klasse, mein Herr!" „So! — Na, ich sitze hier auch ganz gut. Das heißt, wenn Gnädigste gestatten, daß ich rauche." Geziert lächelnd sah Gerda zu dem Fremden auf. „Aber bitte, ich gestatte es gern, denn ich fröne selbst diesem Laster." Bald waren sie in angeregter Unterhaltung. Frau van Leeden erzählte, daß sie telegraphisch zu ihrer erkrankten Schwester gerufen worden sei, und er war auf der Reise zu seiner Großmama. So verflossen in angenehmer Weise die Stunden. „Da fällt mir gerade ein, Gnädigste könnten mir einen großen Gesallen tun. Ich habe eine Originalpackung Marzipan bei mir, das Lieblingskonfekt Großmamas. Natürlich wird der Zollbeamte die Packung nicht nur auseinander reißen, sondern auch den Inhalt in Unordnung bringen. Mit einer Dame, und besonders einer so schönen", fuhr er, ihr tief in die Augen sehend, fort, „Pflegt man doch nicht so umzugehen. Würden Gnädigste daher so liebenswürdig sein, das Konsekt für mich zu verzollen? Sind wir jenseits der Grenze, fordere ich mein. Eigentum zurück, denn was würde Großmama Wohl sagen, käme ich ohne das gewohnte Geschenk zu ihr!" „Aber gern, Graf Düren, geben Sie die Bonbonniere, bitte, gleich her! — Himmel, ist das eine schöne Packung! Ich schlage aber vor: Wir öffnen den Kasten selbst und entfernen einige Stücke daraus, da gilt der restliche Inhalt dann als Neiseproviant und braucht überhaupt nicht verzollt zu werden." „Ein genialer, ein köstlicher Gedanke! Wir Männer sind ja so ungeschickt." Kurz vor dem Grenzübergang entfernte sich Graf Düren und betrat erst wieder das Abteil, als die Zollschwierigkeiten überwunden waren. Gerda van Leeden überreichte ihrem Reise gefährten die Bonbonniere mit strahlendem Lächeln. Er dankte,, er fand die gnädige Frau reizend, er fagte ihr allerhand Schmeichelhaftes, verließ aber bald darauf das Abteil und kam nicht mehr zurück. — Ungefähr eine Woche später saßen fünf angesehene Dia mantenhändler wie jeden Donnerstag an ihrem Stammtisch beim Abendschoppen. „Du meinst, Owen kommt noch heute zurück?" „Ja, in drei Stunden ungefähr wird er hier sein." „Also ist ihm die Sache tatsächlich gelungen", stellte Bris- kator fest. „Was hat denn Owen vor? Ihr vergeßt, daß ich vorigen Donnerstag nicht hier gewesen bin", ließ sich ein anderer hören. „Ach richtig, Du warst ja nicht da, Haalen. Na, das müssen wir Dir erzählen. — Wie Du ja weißt, ist Owen immer so vorlaut, nimmt den Mund so voll. Soll erst mal was leisten, der Bengel. So kamen wir am vergangenen Donnerstag auch wieder in Streit. Ich hatte ein paar wundervolle Steine von Kerr erhalten, Steine, für die ich im Sommer, wenn die Amerikaner wieder kommen, gut und gern 200 000 Mark Herausschlage. Owen behauptete nun, er könnte die Steine mit Leichtigkeit unverzollt über die Grenze bringen. Wir stritten lange hin und her und wetteten schließlich um 5000 Mark." „Und wenn er geklappt wird, sind die Steine futsch, weißt Du das, Krampke?" „Nur unter Umständen) Haalen. Aber trotzdem habe ich mich natürlich gesichert, das Geschäft macht Owen auf eigenes Risiko. Er hat Woerne 150 000 Mark übergeben, die ich mir nehmen kann, wenn die Steine verloren gehen." „Die Sache gefällt mir nicht, Krampke. Sie ist zu qewagt." „Du kennst eben Owen zu wenig, ihn reizt es. Na, und da ich nichts zu verlieren habe..." „Ihr hättet ihm abraten sollen, das sind wir schon dem alten Owen schuldig. Oder will der Junge etwa mit den Steinen durchgehen?" „Du vergißt die Garantiesumme, die ist vorhanden und liegt, von mir selbst gezählt, verpackt und gesiegelt im Geld schrank", fiel Woerne ein. „Na, da ist ja die Sache in Ordnung, aber ich hätte sowa nicht gewagt, weder an seiner noch an Eurer Stelle." Als eine Stunde nach diesem Gespräch vergangen war, erhielt Krampke ein Schreiben, das er an der Handschrift soforr als von Owen stammend erkannte. Erregt überflog er die Zeilen und übergab sie laut aufstöhnend Woerne mit der Bitte, sie voMlesen. „Verehrter Herr Krampke", begann der Angeredete, nach dem er sich mit einem Schluck gestärkt hatte. „Solange ich zurückdenken kann, haben Sie mich für einen Mann gehalten, der nichts weiter als der Sohn seines Vaters ist. Nun, dem war nie so. Als Vater starb, hinterließ er so gut wie nichts, und ich war auf mich selbst angewiesen. Ihre geringe Meinun von mir wurmte mich oft, und ich habe seit Jahren beschlossen. Ihnen das gelegentlich heimzuzahlen. Nur um dieses Ziel zu erreichen, schlug ich mir ungefähr fünfzig Abende in Eurer langweiligen Gesellschaft um die Ohren. Die Steine sind un verzollt ins Ausland gelangt, aber sie werden nie mehr in Ihren Besitz übergehen, sondern den Grund zu einem neuen Vermögen legen. Wie mir die Schmuggelei gelang? Nun, ich veranlaßte eine Dame mit Hilfe eines gefälschten Telegramms, zu ihrer angeblich schwer erkrankten Schwester zu reisen. Unterwegs machte ich unter hochtönendem Namen ihre Bekanntschaft und bat sie, eine Bonbonniere für mich zu verzollen, da Beamte das Eigentum schöner Frauen behutsamer anzufassen Pflegen usw. Die Steine waren von einer Vertrauten in das M^rzipan- konfekt gebacken und hernach sachgemäß verpackt worden. So, das ist alles. Daß die hinterlegte Summe Falschgeld ist, brauche ich wohl nicht erst zu sagen. Einst hoffte ich, durch diese Scheine reich zu werden, aber sie tragen alle die gleiche Nummer und sind also unverwendbar. Wie Sie jetzt zu spät einsehen werden, werter Herr Krampke, bin ich nicht so grün, so dumm und ungeschickt, wie Sie stets von mir dachten. Die Steine sind also für Sie verloren. Aber was bedeuten 150 000 Mark bei einem Niesenvermögen wie dem Ihren?"
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