Volltext Seite (XML)
MsdmfferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft/ »i» ,WU»druffrr Tageblatt» erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. »^ngavrei» Bei Abholung in »er Geschäftsstelle und den Luagadcstellea 2 RM. im Monat, bei Zustellung durch der Säten rZO RM., bei PostdefteUung r LM. zuzüglich Abtrag» ., . — . g-bühr. Einzelnummern ri«dsg AllePostanstalten Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgeaeud Postboten und,nser-Ans. ieÄgerund Geschöstsstellen - — nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gemalt, «rie, oder sonstiger BetrtebsstSrungen bestrht dein Anspruch ans Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreise». — Bücksenbung eingesandter Lchrtststich« ersulgt nur, »euu Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenprei«: di« 8g«spalte«e R«rmz«U« 20Rpsg., die 4 g «spalt«»« ^ri!« den ««tlichen Dekannt»och»»gen Pfennig, die 3 gespaltene NeklaAe-aile i« textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachrvriiungsgebtchr 20 Reichrpsenai-e. m^-n^ch^^üchkAt Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 annahme bis vvrm.1V Uhr. — Für di« RichtiykM d«r dvrch FernrufübermitteltenAn-eiH«« übernehme« rotr keine Garantie. Jeder Aadatlanspruch erlischt, wen« der Betrag dmrch Kluge einseraae« werden muß oderderAnftraggeber in Konkurs gerLt. A»-eisen nehmen alle BermittLAngsstellen aMtVevsn. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts« gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts No gen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 248 — 90. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruss-Dresden Postscheck: Dresden 2640 WLWMMMAWZTLNM-WWSMWWMMZElW Freitag, den 23. Oktober 1931 England im Wahlkampf. (Von einem Sondermitarbeiter.) London, im Oktober. Der englische Freihandel, den nicht jeder liberale Politiker außerhalb Englands als Vorbild pries, existiert !n Wahrheit schon seit geraumer Zeit nicht mehr. Zölle wurden unter allen möglichen Gesetzen und Verordnungen schon längst erhoben. Trotzdem werden sich die in der liächsten Woche stattfindenden Wahlen wieder um diesen Freihandel drehen. Der viel mißbrauchte Ausdruck mutz eben in einer Zeit herhalten, in der keiner der englischen Führer eine zündende nationale Parole findet. Alle Wahlmaniseste, die hier täglich auf uns regnen von allen Seiten, von Frommen und Gottlosen, von Beamten und Privaten, von Parteien und Klubs, sagen eigentlich ausnahmslos dasselbe. Das Ziel ist Wiederherstellung des Verhältnisses vom Papierpfund zum Gold und Ausbalancierung von Einfuhr und Aus fuhr, das heitzt Einschränkung des Imports, Steigerung ses Exports. Das ist Zoll schütz und nichts anderes Alle diese Manifeste sehen gleich aus, klingen müde Ist England müde? Fast scheint cs so. Wäre es anders, sann würde England nicht von Frankreich auf dem zrotzen internationalen Feld herumgezerrt werden, wie es den Pariser Machthabern gerade patzt. Stände wirklich hinter den Phrasen bestimmter Parteiführer nationaler Wille zur Aufrichtung, dann wäre längst eine Mobili sierung der riesigen immer noch vorhandenen nationalen Werte erfolgt, nicht nur innerhalb, sondern auch außerhali der Landesgrenzen. Aber nichts geschieht. Nicht nur be fremde Beobachter, sondern aufrichtige englische Politiker und Patrioten selbst behaupten, datz diese Wahl nureia Kampf um Parlamentssitze sei. Das ist nich: sehr erhebend, auch nicht vom deutschen Standpunkt aue- gesehen. Denn wir wollen wieder ein starkes England sehen. England aber überläßt heute Parrs und Washington die Weltentwicklung. Der Zusammenbruch Deutschland- und aller seiner kleinen Anlieger, der furchtbare Zustand Chinas und Indiens, die schwere Krise in Nord- und Süd amerika haben die Männer, die jetzt die Wahlproklama tionen entwerfen, immer noch nicht belehrt, daß di. englische Krise keine Spezialkrise, sondern ein Teil de> Weltkrise ist. Der Besucher, der sich nur kurze Zeit in England aus hält, sieht im allgemeinen nur London und geht, entzück, von den Formen des Verkehrs, der Höflichkeit des einzel nen Engländers, der Ruhe der Bevölkerung und bei Raffiniertheit aller Londoner Bewegungsmittel, vob Staunen nach dem unruhigen Kontinent zurück. Wer aber hier ständig lebt und damit die täglichen Sorgen des Engländers teilt, ist weniger beglückt. Denn er tragt dir schwere Steuer mit und stöhnt mit 45 Millionen Eng ländern über die hohen Kostender Lebenshal tung. Aus den grünen Inseln ist man sehr geduldig Trotzdem schüttelt der fremde Beobachter darüber den Kopf, was dem Wähler hier an Widersprüchen Vorgesetz: wird. Irgend etwas stimmt hier eben nicht. Die Lebens mittel sind, vom Produzenten gekauft, ebenso teuer wie in Deutschland. Das Endresultat, nämlich das vorgesetzte Essen, kostet das Dreifache. So ist es mit allem hier. Die Arbeit wird zu hoch bezahlt. Der Zwischenhandels verdienst ist zu groß. Die Menge derjenigen, die, ohne viel zu arbeiten, gut leben wollen, die bisher Staats pensionäre der ganzen Erde waren, ist zu hoch. Der Lohn kann aber nicht heruntergesetzt werden, weil das eine nationale Katastrophe wäre. Aus diesen Widersprüchen haben die Parteien den Honig ihrer Manifeste gesaugt, ein Kunststück! . . Man spricht vom engltscycn gesunden Menschenver stand. Nachdem sich die Liberalen in drei Gruppen gespalten haben und damit politisch fast bedeutungslos geworden find hätte man annehmen müssen, daß sie sich Stärkeren anschließen, anstatt selbständig in ihren Teilen weiter zu vegetieren. Auch von den Sozialisten hat sich eine kleine Gruppe abgcsprengt. Aus diese Weise kristallisiert sich rn den geschlossenen konservativen Block liberale und sozialistische Gruppen. Alles in allem muß man sagen, saß diese Wahlen Angstwahlen sind, daß ihnen der nationale Schwung, den wir an England immer bewun dert haben, fehlt. Schon im Auftakt spürt man die Müdig keit und nach alledem ist nicht zu erwarten, daß England mit dem neuen Parlament in der internationalen Ent wicklung jene aktive kontrollierende Stellung wieder ein nehmen wird, die allein das zur Weltwirtschaft unfähige Frankreich in seine Schranken weisen könnte. Keine Anslösms der BMMMW. München. Die der gestrigen Landtagssitzung vorliegen- Anträge veranlaßten eine stundenlange heftige Debatte, sich bis in die Nachtstunden hinzog. Die Anträge der - eutschnationalen und Kommunisten auf Auflösung des Land tages wurden mit 94 gegen 20 Stimmen abgelehnt. Auch der Antrag der Deutschnationalen und Nationalsozialisten, der sest- sEn, null, daß der Landtag mit nur 113 Mitgliedern nicht mehr Ableb und daher aufzulöscn sei, verfiel der Großer EinOng Lmk » MPrk Damoklesschwert und KuS-pel. Warnungen an Laval und Hoover. Mit Freudenschüssen, Parade, großen Aufzügen und Rathausreden begrüßte Newyork den französischen Ministerpräsidenten Laval bei seiner Ankunft auf ameri kanischem Boden. Diese Feierlichkeiten gehen über das Maß des sonst bei politischen Empfängen Üblichen hinaus und zeigen, datz man dem Ministerbesuch ganz besondere Bedeutung beimitzl. Der Besuch wird nur kurz sein, und es ist fraglich, ob das Resultat dem großen Aufwand ent sprechen wird. Schon sind bittere Tropfen in den Becher der Freude gefallen, denn der Beschluß der New- yorker Großbanken, die V e r z i n s u n g des sranzö- sischenKapitalsin Amerika nicht zu erhöhen, scheint das kürzliche Abkommen zwischen der Bank von Frank reich und der Federal Reservebank ernstlich in Frage zu stellen. Der Untergouverneur der Bank von Frankreich soll diese Erhöhung zur Vorbedingung für die Be lassung der 200 Millionen Dollar in Amerika gemacht haben. In Kreisen der Bank von Frankreich nimmt man anscheinend an, daß es den französischen Unterhändlern doch noch gelingen werde, eine Erhöhung desZins- fußes durchzudrücken. Sollte dies jedoch nicht der Fall sein, so erscheint es nicht ausgeschlossen, datz die Bank von Frankreich ihr Geld aus Amerika zurückzieht, was natürlich zur Folge haben würde, daß auch die übrigen Pariser Großbanken ihre Guthaben vollständig löschen würden. Gewisse französische Kreise führen als Grund für das Ultimatum an die amerikanischen Banken an, daß es das Damoklesschwert sei, das über dem Haupt des Präsidenten Hoover bei seinen Besprechungen mit Laval schwebe. Laval strebe nach dem Weltfrieden, aber im französischen Sinne, und der Franc sei der Knüppel, mit dem er die französische Übersetzung des Wortes „Sicherheit" in den Kopf des amerikanischen Präsidenten hineinpauken wolle. Aber nicht nur in bezug auf das Verhältnis Ame rika-Frankreich werden Stimmen von Pessimisten laut, sondern auch ein Erfolg für die Behebung der W el t- wirtschaftskrise wird mit einigem Zweifel be trachtet. Der bekannte schwedische Volkswirtschaftler uns Währungsfachmann Professor Gustav Cassel wendet sich in einem Artikel mit einer Warnungan Lavalund Hoover. Er schreibt u. a.: „Haben Laval und Hoover verstanden, was es gilt? Haben sie sich so sehr von Kriegstraditionen und wirtschaftlichen Zwangsvorstellungen freimachen können, datz sie radikal mit der Politik zu brechen vermögen, die die Weltwirtschaft an den Rand des Abgrundes geführt hat?" Cassel stellt fest, datz die Tributsorderungen ohne die geringste Rücksicht auf Deutschlands Zahlungs schwierigkeiten festgesetzt worden sind. Trotz der Kata strophe, die jetzt über die Welt hereingebrochen sei, habe man sich noch nicht die Frage vorgelegt, ob es für Deutsch land möglich sei, auch nur einen kleinen Bruchteil der Reparationen zu zahlen. Man befürchte, datz Deutsch land durch wirtschaftliches Aufblühen wieder erstarken könne, und fordere die Tribute, um es am Boden zu halten. Deutschland sei nicht imstande gewesen, auch nur einen Pfennig der Reparationen selbst zu zahlen; die deutsche Auslandsverschuldung sei um 18,2 Milliarden Mark ge stiegen. Jetzt könne Deutschland nichts mehr borgen; im Gegenteil: das Ausland entziehe ihm die kurzfristigen Kredite. Nun frage man sich, was denn eigentlich ge schehen solle, wenn das Moratorium ablaufe. Es sei für Deutschland unmöglich, in nächster Zukunft irgendwelche Zahlungen aufzubringen. Frankreich komme jedoch nicht nach Washington mit einem Programm, in dem diese Tatsache berücksichtigt werde. Es gebe kein An zeichen dafür, datz sich die Staatsmänner, die sich jetzt in Washington trefsen wollten, über die Gefahr ein seitiger Goldverteilung klar seien. Eine Her absetzung der Kriegsschulden sei in Wirklichkeit kein Opfer. In Washington werde man jedoch über unwesentliche Dinge sprechen und weiter so handeln wie bisher; man werde sich auf alle Weise Gold aneignen, das Preisniveau herabdrücken und die letzten Reste des Vertrauens und der Zahlungsmöglichkeit vernichten. Darauf werde man die Hände in Unschuld waschen. Es nütze nichts, zu versuchen, Frankreich und Amerika davon zu überzeugen, datz sie unrecht handelten. Aber der allgemeine Ruin werde auch sie bald erreichen. Fraglich sei nur, ob die Wahrheit erkannt werde, ehe es zu spät sei. * Laval in Newyork. Empfang anf dem Rathaus. 2er Staatskutter der Stadt Newyork, „Macon", der Laval an Land brachte, wurde von einer großen Zahl von Marine- und Armeeflugzeugen begleitet. Sämtliche Dampfer im Hafen begrüßten das Fahrzeug mit Sirenen geheul, während die Batterie auf der Gouverneurinsel den Salut von 19 Schuß feuerte. Laval sprach dem Bürgermeister Walker seine Bewunderung für die Stadt Newyork aus, wo er seine Pilgerfahrt abschlietze, die in London begonnen und dann nach Berlin geführt habe. Er habe dabei immer das Ziel im Auge gehabt, zur Behebung der Weltkrise beizu tragen. Frankreich sei friedliebend und die Behauptung ganz abwegig, daß es die Vorherrschaft in Europa an strebe. In einer von Zweifeln zerrissenen Welt müssen unsere beiden großen Demokratien gemeinsam nach Me thoden suchen, die die Ruhe und das Gleichgewicht wieder herstellen, und müssen diese Methoden wirksam anwendcn. Ich spreche im Namen eines Landes, das entschlossen ist, seine Bemühungen mit denen Amerikas zu verbinden, um den Gefahren zu begegnen, die unsere Kultur bedrohen. Laval reiste nach Washington weiter, wo er abends an dem Galadiner im Weißen Hause teilnahm. * Begrüßung Lavals in Newyork. Ein Reparationsgegner empfängt den Minister. Die „Isle de France" mit dem französischen Minister präsidenten Laval an Bord traf pünktlich im Newyorker Hasen ein. Der mit französischen und amerikanischen Fahnen reich geschmückte Staatskutter der Stadt New york holte Laval und seine Begleiter von der Quaran- täncstation ab. An Bord des Schiffes befand sich der städtische Empfangsausschuß unter Führung des Aufsichtsratsvor sitzenden der Chase Nationalbank, Wiggin. Infolge der frühen Morgenstunde hatte sich nur eine geringe Zahl von Neugierigen an der Battery eingefunden. Der Ernennung Wiggins zum Vorsitzenden des New yorker Empfangsausschusses mißt man in unterrichteten amerikanischen Finanzkreisen angesichts der bekannten Stellungnahme Wiggins für die Streichung der R e p a r a t i o n s z a h l u n g e n, die er als das beste Ge schäft für Amerika bezeichnete, große Bedeutung bei. Im Batterypark wurde Laval von Staatssekretär Stimson offiziell begrüßt, worauf die Fahrt über den Broadway nach der City Hall angetreten wurde. Ein langer Zug Automobile, an der Spitze die französischen Gäste und die amerikanischen Regierungsvertreter, fuhr den Broadway entlang, wo er mit Konfetti und Papier st reisen förmlich überschüttet wurde. Washington, 22. Oktober. In Washington empfing Laval im Zuge erneut Pressevertreter, die er bat, die Welt nicht durch Berichte über angeblich gefaßte Entschlüsse in Auf regung zu versetzen, wenn tatsächlich keine Entschlüsse gefallen seien. Er habe die Absicht, mit Hoover freimütig alle Fragen zu besprechen, die augenblicklich die Weltmsinung bewegten. Da nach zog sich Laval mit Stimson in dessen Privatabteil zurück, wo dann die amerkanisch-sranzösijche Aussprache ihren Ansang nahm. Der erste Besuch beim Präsidenten Hoover ist für 18 Uhr (MEZ.) angesetzt. * Washmgioner Befürchtungen. Die Washingtoner Regierungskreise zeigen sich besorgt über die hartnäckigen Gerüchte, daß Laval beabsichtige, die Sicherheitspaktsorderungen in den Vorder grund zu stellen. In Washington wird erneut unzwei deutig zu verstehen gegeben, datz die amerikanische Regie rung nicht in der Lage sei, derartige Wünsche zu berück sichtigen. Die wichtigste Frage sei die der Wiederbelebung der kranken Weltwirtschaft. Daher müßten in erster Linie die Fragen der Kriegsverschuldung, des Goldstandards, der Kreditverteilung und derAbrüstung behandelt werden. Die Frage eines Sicherheits- oder Garantiepaktes zur Sprache zu bringen, sei für Hoover eine zu starke Belastung und daher nicht erörterungsfähig. Grandis Besuch in Berlin. Was Mussolini von der Reise hofft. Wenn der französische Ministerpräsident im Weißen Hause in Washington seine Hauptbesprechung mit dem amerikanischen Präsidenten haben wird, wird der ita lienische Außenminister Grandi am Sonntag in Berlin der deutschen Negierung seinen Besuch machen. Der italienische Staatschef Mussolini, der auch cin- geladen war, mußte dringender Regierungsgeschäfte wegen zu seinem großen Bedauern den Besuch absagen, den er aber später einmal nachzuholen gedenkt. Über den Geist, in dem die Verhandlungen Grandis in Berlin stehen sollen, erklärt das Blatt Mussolinis, die „Popolo d'Jtalia", u. a. folgendes: „Die gegenwärtige Krise kann nur mit ett r allge meinen Verständigung überwunden werde Keine Nation kann sich ihr eptzichen, selbst wenn s sich mit Barrikaden von Goldbarren oder Zoll auern und Festungen umgibt. Nach der Waffenruhe müssen die Gemüt: beruhigt und der Kriegshatz ebenso abgebaut werden > die ge-