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Wilsdruffer Tageblatt : 15.10.1931
- Erscheinungsdatum
- 1931-10-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193110150
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19311015
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19311015
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1931
-
Monat
1931-10
- Tag 1931-10-15
-
Monat
1931-10
-
Jahr
1931
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 15.10.1931
- Autor
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Auf verlorenem Posten. Skizze von Paul K a p P - Neuhausen O.-Pr. Das halb verfallene Wirtshaus lag nur einige Schritte von der Grenze au einer verlassenen Heerstraße, die ihren Zweck eingebüßt hatte. Nur wenige Bäume boten Schutz gegen den wütenden Sturm, der um das Haus raste. Es war stockfinstere Nacht. Der Wirt stand oben an der Treppe, hatte einen späten Gast versorgt und hielt schützend die Hand vor das Licht, damit der durch Mauerritzen dringende Wind es nicht verlösche. Im Begriff, die Treppe hinab zu steigen, erregte etwas seine Aufmerksamkeit. Er stand still und lauschte. „Es ist richtig", murmelte er. „Die Halunken sind immer noch hinter ihm her." Nun blies er das Licht aus, stieg behutsam die Treppe hinab und tastete sich im Dunkeln nach der Gaststube, wo seine Frau und ein zwölfjähriger Junge ihm entgegensahen. „Fort mit dem Licht!" sagte er, zur Lampe gehend und sie auslöschend. „Warum?" fragte seine Frau ängstlich. „Man umschleicht das Haus." Eine Weile blieb es still. Dann sagte die Frau leise: „Du setzt Dich immer mehr der Feindschaft dieser Leute aus: und das Geschäft steht still." „Das liegt an der schlechten Zeit, Frau, nicht an uns." „Wenn die Leute aber nicht mehr Herkommen -" „Pst! sei nur still! Sie werden gleich hier sein." „Wer ist der Fremde?" „Er ist ein Deutscher. Das genügt, um ihn zu schützen.' Der Wirt war, indem er dies sagte, ans Fenster getreten und horchte hinaus. „Es stimmt", sagte er, „ich höre sie draußen tuscheln. Und nun merkt auf, was ich Euch sage: Du, Frau, gehst ins Schlafzimmer und meldest Dich nicht! Der Hans aber folgt meiner Anweisung von vorhin und achtet auf das Lichtzeichen." Er hatte kaum ausgesprochen, als man draußen stark gegen die Haustür Pochte. Noch wartete er, indes seine An gehörigen hinaus schlichen, bis sich das Pochen mehrfach wiederholt hatte. Dann steckte er ein Licht an und ging, um zu öffnen. — Vor der Tür standen mehrere Gestalten, die sogleich hineindrängten. „Es geht nicht", sagte der Wirt. „Ich darf Euch jetzt nichts verabfolgen." „Komm nur herein! Wir haben mit Dir zu reden." Der Sprecher schloß die Haustür, vor der einige Männer als Wache zurückgeblieben waren, und ging ins Gastzimmer, wohin ihm die anderen und der Wirt folgten. „Was — zum Teufel! —" sagte der letztere ärgerlich, „habt Ihr jetzt auf deutschem Gebiet zu suchen? Ihr seid doch Littauer." „Stimmt, Freundchen." „Schmuggler?" Der Anführer stellte sich vor den Wirt hin und sah ihm trotzig ins Gesicht. „Ich denke", sagte er, „Du kennst uns ganz gut und weißt, daß wir von der Polizei sind." „Danach seht Ihr gerade aus! Macht, daß Ihr über die Grenze zurückkommt, bevor unsere Grenzbeamten Euch er wischen!" „Die sind weit weg", sagte der Littauer. „Und wir werden gleich gehen, sobald wir den Mann hervorgeholt haben, den Du versteckt hast." „Um mir Unsinn zu erzählen, brauchtet Ihr mich nicht aus dem Schlaf zu wecken." „Unsinn sprichst Du selbst. Wir sahen Licht im Hause und hörten Euch sprechen, als wir der Spur des Flüchtlings, der uns in der Dunkelheit entkam, bis hierher folgten." „Dawn seid Ihr Wohl im Dusel", rief der Wirt wütend. „Und nun schert Euch hinaus! Ich hätte gar nicht öffnen fallen." „Wir wären auch so hineingekommcn, Mann. Deine Haustür verträgt keinen Fußtritt. Aber nun höre zu! Du kannst eine Belohnung verdienen, und unsre Kundschaft ist Dir sicher. Es handelt sich nm einen Politischen Verbrecher, der entfloh." „Ein Littauer?" „Nein, ein Deutscher." „Mir scheint, Ihr seid auch nicht weit davon her. Ich entsinne mich jetzt auf Eure Namen: Thalis, Lehmanis, Vor- chertas nennt Ihr drei da Euch, nicht wahr? Also heißt Ihr in Wirklichkeit Thal, Lehmann und Borchert. Schämen solltet Ihr Euch!" ' „Und Dich soll der Teufel holen!" brüllte der Littauer wütend. Er wandte sich an die andern: „Vorwärts! Durch sucht das Haus! Wir haben keine Zeit zu verlieren." „Nein", sagte der Wirt, „das habt Ihr freilich nicht. Unsere Krenzbeamten werden gleich hier sein." Er hatte, um mehr Licht zu schaffen, die Lampe angezündct, ging zum Fenster und öffnete die Läden. „Wozu das?" fragte der Anführer. „Damit die Beamten besser den Weg finden." Der Littauer wollte die Läden wieder schließen, stieß aber aus d u energischen Widerstand des Wirtes. Und im gleichen Singen blick dröhnte vom nahen Wäldchen her ein Schuß, dem bald e n zweiter folgte. Die anderen Littauer, die bereits an eine Durchsuchung des Hauses gehen wollten, kehrten schleunigst um und sahen fragend auf ihren Anführer. „Warte, verräterischer Hund!" knurrte dieser, vom Wirt ablassend, der ihn hohnlächclnd ausah: „Nun lauft, lauft, damit Ihr Erich selbst in Sicherheit bringt und nicht mit deutschen Gefängnissen Bekanntschaft macht!" Jetzt noch ein Schuß, schon in größerer Nähe. Sogleich stoben die nächtlichen Eindringlinge hinaus und verschwanden in der Dunkelheit, indes der Wirt die Läden wieder schloß. Einen Augenblick blieb die Gaststube leer. Dann erschien der zwölfjährige Hans mit einer Flinte in der Hand. „Das hast Du brav gemacht, mein Junge", sagte der Wirt schmun zelnd. „Nun müssen wir abwartcn, ob durch Deine Schüsse die Grenzbeamten herbeigelockt wurden." Seltsame Tiersreundschaft. Humoreske von Paul Böllert! Professor Leo Brak, seines Zeichens Entomologe ein weitgereister Mann dazu und prächtiger Erzähler, erschien nur selten am Stammtisch; er meinte, daß ein richtiges Bier- fest, Wie er solche in Afrika mitgemacht habe, mindestens drei Tage dauern müsse. Hier aber: Kaum sei man zwischen sieben und elf Uhr abends auf deu Geschmack gekommen, müsse man schon aufhören; warum sei hier ein Rausch etwas Unanständiges? Er für seine Person ziehe die afrikanischen Trinksitten vor: Unanständig sei, wer kemen Rausch hätte. Trotzdem war Brak einem kühlen Trünke nicht abgeneigt; wenn er auch meinte, daß Negerbier vorzuziehen sei. Dessen Lob sang er in allen Tonarten der Liebe, nur schwer konnte man ihn auf ein anderes Thema bringen. Einmal aber war auf der Hübnerzuctü-Ausstellung zu leben gewesen, wie eine Henne und ihre sieben Kücken zusammen mit einem wilden Kater aus einem Stapfe fraßen und rührenderweise einer Krähe, die daneben saß, von ihrem Futter noch was abgaben. Der ganze Stammtisch hielt das für einen Triumph der Dressur; die Henne hatte keine Furcht vor Katze und Krähe, die Krähe stürzte sich nicht wild auf die Kückcu, und be scheiden fraß der Kater zerquetschte Kartoffeln. Da taute der Professor auf: „Triumph der Dressur, sagen Sie, meine Herren, und vergessen ganz und gar, daß Katze wie auch Huhn und Krähe höher organisierte Tiere sind, davon zwei sogar seit Urzeiten Haustiere und engste Gefährten des Menschen. Einen viel größeren Dressurtriumph erzielt der zehnjährige Knabe, dem sich die Eidechse auf die Hand setzt, ohne aus Angst den Schwanz zu verlieren, der Junge, dem die Ringelnatter ver trauensvoll in den Jackenärmel kriecht und der es schließlich auch wagen kann, seinen Laubfrosch zusammen mit der Kreuzotter in ein Terrarium zu stecken, weil die Schlange gewöhnt ist, nur aus seiner Hand das Futter zu empfangen. In Afrika, meine Herren, hatte ich ein Chamäleon — Sie wissen, ein Tier, das nach Wnnsch und Willen die Farbe wechselt —, John hieß es, dessen Dienste mir schlechtweg unentbehrlich geworden waren. Saß ich abends bei meiner Arbeit, die Spiritusglühlampe vor mir auf dem Tisch, dann schlich sich John auf den Bücherstapel und schielte mit dem einen Auge festen Blicks auf mein Haupt und mit dem anderen kreisend in die nähere Umgebung. Wagte es eine Mücke, ein Moskito, sich auf meinem Schädel häuslich niederzulassen, schwupps, schnellte John die lange, vorn s keulige Zunge heraus, fing den Frechling und verzehrte ihn H mit großem Behagen. Vergaß ich es mal, dem Chamäleon ! für solchen Liebesdienst mit freundlichem Kopfnicken zu danken, konnte ich sicher sein, daß es beim nächsten Mal streikte. Es bedurfte dann immer einigen gütlichen Zuredens, daß John seine hygienische Tätigkeit wieder aufnahm. Uebrigens verstand das Tier die Kraft seines Zungenschusses so genau abzumessen, daß ich nur ganz leise, wie Streicheln, die Berührung spürte. Sie werden nun, meine Herren", fuhr Professor Brak fort, als er die ungläubigen Gesichter rings um sich sah, „Sie werden nun mit Recht sagen, daß zwischen Chamäleon und Eidechse kein großer Unterschied sei und ich insofern von dem vorhin genannten zehnjährigen Knaben nicht sehr ver schieden. Aber warten Sie ab, was noch kommt! Als wir eines Abends so zusammen arbeiten, ich hatte gerade die Berdauungsorgane einer Termite unter der Lupe, höre ich einen ungewohnten Ton um die Lampe schwirren. Nanu, denke ich, was für ein Tier mag das sein? Ich sehe mich nach allen Seiten um, auch John blickt gespannt, und da entdecke ich dann zum ersten Mal in dieser Gegend einen Moskito, nach dem ich schon lange fahndete. In großen Schleifen zog er um die Lampe, schoß waghalsig dicht über den Zylinder weg, entfernte sich und kam doch immer wieder. Ich fieberte wie damals, als ich meinen ersten Löwen schießen sollte. Un auffällig verständigte ich mich mit John — ein Paar spre chende Blicke genügten — und setzte mich dann wieder ruhig an die Arbeit. Inwendig glühte ich vor Spannung, ob mein j Plan auch gelingen wurde. Und richtig: Kaum saß ich > einige Minuten unbeweglich, als sich der Moskito näherte. ! Lange blieb er still in der Luft stehen, beäugte mich miß trauisch und saß plötzlich auf meiner Nase. Vorsichtig zwinkerte ich dem John zu. Im nächsten Augenblick schoß seine Zunge, und ich konnte ihm den Moskito unbeschädigt aus dem Maule nehmen! Das, meine Herren, ist ein Triumph der Dressur! Der Moskito lebte noch. Am Stechrüssel und an den Fühlern erkannte ich bald, daß er ein Weibchen war. Folglich hieß er fortan Suse. Zuerst hielt ich sie in einer Flasche, fütterte sie alle drei Tage von meinem linken Arm und hatte sie bald soweit an mich gewöhnt, daß sie das Blut zur Nahrung anderswo schöpfte, aber immer wieder in ihre i Behausung zurückkehrte. Mit John hielt sie gute Freund schaft. Sie saßen häufig nebeneinander aus den Büchern. Nur manchmal erhob sich Suse von ihrem Platz, um mir ! zur Freude um die Lampe einige Achten und Schleifen zu fliegen, einen Sturzflug darzustellen, einige Loopings und : Rollings zu drehen, daß jeder Kunstflieger vor Neid er- > blaßt wäre." Solcherart erzählte Professor Leo Bark, ein weitgereister s Mann, Wenn er sich am Stammtisch einfaud. Nixi. Humoreske von Hans von Kahlenberg. Nixi, die Arme um die Knie verschränkt, hockt im Sand i neben Rup, der auf dem Rücken liegt. Beide sind im Bade- anzug. Das Boot irgendwo unter den Hängeweiden ist fest ! gemacht; sie haben geschwommen, sind wieder trocken geworden i satt, müde und zu gegenseitiger Aufschließung geneigt. Merk s würdig ist, daß man immer sentimental wird in einer Ar s Verdauungszustand; hungrig sind wir scharf, knapp und gr - bieterisch. Rup seufzt. Den Kopf hat er Nixi zugedreht, währen! s seine Zehenspitzen unter den angezogenen Knien sacht un! j rhythmisch den Sand klopfen. Nein, er raucht nicht! Zun ! Rauchen hat er keine Lust; Rauchen profaniert. Nixi hat ihn nicht gefragt, warum er seufzt. Eigentliä s empfindet das Rup als Härte, als unschwesterlich. Er fühl . sich so sehr als Bruder Nixis, die er seit acht Jahren kennt Zehn Jahre war sie damals, ihre Eltern bewohnen Nachbar- Villen in Nikolassee. Rups zweiter Seufzer gleicht schon mehr einem Knurren Nixi lacht grob. Wie ein Junge, rauh, quieksig und schadenfroh „Du bist überhaupt ein Straßenjunge, gar kein Mädchen!' tadelt Rup. Er seufzt vornehm und in aufreizender Heimlich tuerei zum dritten Male; fast hätte er gegähnt, und die Wir kung des Seufzers wäre verloren gegangen. „Als ob ich nicht wüßte, daß Du verliebt bist! In Herthc Königstein. Na, und sie " In Rups Alter, dreiundzwanzig, gibt man niemals zu nicht wieder geliebt zu werden. „Ich liebe Hertha", sagt w j einfach, mit schöner, männlicher Festigkeit. „Klar! Sie flirtet mit Dir." „Das bleibt zu beweisen." Entschieden ist Nixi kein kon- I geniales Gemüt, zu vertraulicherem Ergießen geeignet. „Warum fährst Du denn mit mir heute? Und nicht mst Hertha?" Rup gesteht: „Wir haben uns gezankt." Rup kann nur nicht mehr schweigen, obgleich von Nixis Seite eigentlich nm ! ein Grunzen erfolgt ist. „Ich werde sie überhaupt nicht wieder- ! sehen. Das ist beschlossen. Gestern, als ich sie mit meinem Zweisitzer vom Tennis zurückfuhr, fand der Zank statt. Alsc s wir sind fertig. Für alle Zeiten geschieden. N u r " - . Nixi hat einen Grashalm zcrknabbert, kitzelt ihn unter der Abwehr uießen muß. Er niest unwillig, in empörter „Nur...?" „Ich habe geschworen, sie nicht wiederzusehen. Hertha ist z eine Kokette. Herzlos." " „Koko!, Koko!" lockt Nixi einen weitab klovfenden Sveckt. „Kennst Du das, Nixi?" Ohne hinzusehen, faul jetzt ihrerseits, auf dem Bauch und sich wie am Bratspieß drehend, rät Nixi: „Irgend etwas, das Hertha gehört: ihr Täschchen. Ein Buch. Ein Fuchspelz." „Ja, aber Nixi! Du bist doch ein Tausendsassa, Nixi. Eine Hexe!" Nixi nimmt das Seidentuch, silbergrau mit roten, runden Tupfen, Blutstropfen. Schnuppert daran: „Hering mit Ka mille. Attraction personelle. Desir inavoue", höhnt Nixi satanisch. „Man muß doch so etwas wiederbringen. Das gehört sich doch! Abgeben — oder schreiben. Mit der Post schicken." „Ich putze mir die Nase drin. Da!" Nixi, dies Scheusal, tut es herzhaft. „Jetzt brauchst Du eine Woche mindestens zur chemischen Reinigung. Und Deine Liebste kann warten. — Gerade das, was sie nicht beabsichtigte." „Ich muß ihr schreiben. Ich gebe vor, mich von dem Tuch nicht trennen zu können, weil es ihr gehört. — Das letzte An denken." „Ich behalte es und mache mir einen Wischlappen draus." „Man könnte ihr ein viel schöneres kaufen für das ver lorene. Ein ganz teures." „Rup, hast Du Geld?" Nixi hat die Hand aufgespcrrt, gleichfalls eine Bubenhand, klein, hart und dreist. „Sei kein Mondkalb, Rup! Du imponierst ihr als harter Mann. Sie wird Dir schreiben. Sie erkundigt sich nach Dir." „Du kennst Hertha nicht. Woher solltest Du auch, Du Säugling? Sie ist sehr stolz." „Ich behaupte, daß sie das Gelump absichtlich verloren hat, daß sie Dich nur fester anbinden will. Sie will Dich haben, Rup!" Nixis Worte sind Balsam, weicher, üppiger Blumen schmeer. Rup ringelt sich darunter. Er schließt die Augen, blinzelt. „Wenn Du jetzt aushältst, kriegst Du sie. — Sprich oon mir, laß sie eifersüchtig werden! Sprich gar nicht! Morgen sind wir den ganzen Tag weg. Uebermorgen haben vxix Wett schwimmen im Luftschiffhafen." „Dn bist doch ein guter Kerl, Nixi!" „Ein Honigtopf, Zuckerkringel." „Wenn sie sich nicht melden sollte! Wenn ryr Zorn echt ist!" „Mädchen, die eine Echarpe vergessen, sind niemals echt. Geschiedene Eheleute nehmen immer die Möbel mit." Das Argument leuchtet Rup ein. Er streckt sich befriedigt wieder im Sand, große und mutige Gedanken kreuzen sich in seinem Kopfe. Nixi beachtet ihn gar nicht, wie ein Adorant knieend und Sonne 'einschnappend. Braun ist Nixi, ziegelbraun, schwarz haarig. Eine ägyptische Vasenfigur. „Weißt Du, daß der Zank eigentlich um Deinetwillen entstanden war? Hertha findet Dich unweiblich." „Ich finde sie eine Gans, weiß und goldene Gans. — Ich hatte eine solche Gans als Sparbüchse." Eine Mücke hat die Beterin in einen allerdings auffällig schmalen Knöchel gestochen; Nixi scheuert ihren Knöchel mit Spucke und Hingabe. „Nein, sie ist schön! Echt germanisch." Rup träumt von Hertha, von Weiß und Gold, Flachs und Schnee. Flimmernden und weitgedehnten Flächen. Rup ist eingeschlafen. Er hat Nixi nicht beobachtet, die sich angeschoben hat, rittlings, mit niedriger, witternder Nase über ihm hängt. Aristokratisch und gebogen wirkt Herthas Nase, während Nixis Augen spiegelnden Schlehbeeren gleichen. „Nixi!" ruft er einmal im Schlaf, reckt zwei Arme aus. „Ich bin's, Deine Hertha!" zimpert Nixi. Das ernüchtert ihn, er erwacht, will sic trotzdem heruntcr- ziehen. Aalglatt, — eine sammetne Schlange ist Nixi. „Geh doch zu Deiner Hertha! Küsse die Hertha, Du Dummkopf! Schwindler! Schürzenjäger Dn!" „Aber Nixi —" Nixi hat sich losgemacht, mit einem kräftigen Boxerstoß gegen seine Nase. „Kommst hierher und betrügst mich, säuselst 'mir Fadheiten vor! Da — da und da!" Das ist Herthas zer rissenes Halstuch, das ihm klatschend um die Backen fliegt. „Nie wieder will ich mit Dir zu tun haben. Ich sehe Dich nicht mehr. Magst Du sehen, wie Du nach Hause kommst! Für mich bist Du Schnurps. Nicht existierend. Mist." Nixi ist in heftigen federnden Sprüngen zum Boot ge flogen, hat es losgemacht. Sie stößt ab: „Grüße doch Hertha! Nun rufe die süße, bleiche Hertha, Du!" Ein Teufelsding. Rup begreift nicht. Nichts. Plötzlich sieht er ein Helles Ding auf der Erde, wo Nixi gelegen hat. Nixis kleinen Taschenspiegel, ihr Lieblingsgerät, sein Ge schenk, hübsch geschliffen und mit einer schmalen Silbersassung. Betäubt steckt Nnp das Gerät zu sich, besieht es dann Wieder. Besieht sich. Seine Backe brennt, seine Haare starren naß und zerzaust. Auf einmal grinst er. „In Ordnung", sagt Rup. Das hinterlistige Gewehr. In der Zeit, da man beim Schweizer Militär noch Vor oerlader führte und das Schießen in kommandierten Salver ruf dem Exerzierplatz geübt wurde, geschah es einmal, daß dic Flinte eines Gardisten viermal hintereinander nicht los ging Dessenungeachtet hatte der brave Baterlandsverteidiger abei 'desmal wieder geladen, sodaß sich schließlich fünf Schuß in Rohr seiner Flinte angesammelt hatten. Da endlich schluc die Zündung ins Pulver, und die ganze Ladung brannte aü einmal ab. Die Flinte hielt diese Strapaze zwar aus, aber sie rächte sich durch einen Rückstoß, der den Schweizer zi Boden streckte. Als ein Unteroffizier hinzu eilte, um das Gc wehr aufzuheben, warnte ihn der Soldat: „Rühre den hinter listigen Schelm nicht an, es stecken noch vier Schuß darin er wird Dir den gleichen Streich spielen wie mir." * Es gibt noch heute Potemkinsche Dörfer. Die Russen bemühen sich bekanntlich mit allen Kräften, den berühmten Stalinschen Fünfjahresplan rechtzeitig durch zuführen. Wie dieses Ziel erreicht wird, beleuchtet sehr gut der Bericht eines russischen Ingenieurs, der vor einiger Zeit an der Einweihung des kaukasischen Zentralwasserwerks teil nahm, bald danach jedoch ans Rußland flüchtete. Das er wähnte Werk wurde von der gesamten Sowjetpresse als großer Erfolg gefeiert, wobei die Blatter nicht unterließen, gebührend daraus hinzuweisen, daß die Turbinen der Anlagen vollständig in Rußland hergestellt seien. In Wirklichkeit hatte der ge nannte Ingenieur aber nach Abschluß der Feierlichkeiten bei einer näheren Besichtigung der Turbinen Gelegenheit, sich davon zu überzeugen, daß sie sämtlich deutscher Herkunft waren. Man hatte sie einfach dadurch in echt sowjetische Fa brikate umgewandelt, daß man die deutschen Fabrikzeichen sortmeißelte. — Der selige Potemkin, der seiner Zarin blühende Dörfer aus Pappe vorführte, treibt, wie man sieht, in Rußland rmmer noch sein Wesen.
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