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Fracht- und Rollgeldtarise für Wein, insbesondere bei Stückgut, einwirken. * Bekanntlich macht das Anleih eablösungs- gesetz einen Unterschied zwischen den Anleihebesitzern, die ihre Kriegsanleihen vor dem 1. Juli 1920 erworben haben, und denen, die nach dem 1. Juli 1920 in den Besitz dieser Anleihen kamen. Während die ersteren als Alt besitzer das Auslosungsrecht und das Recht auf Vorzugs renten besitzen, wird hinsichtlich der Neu besitz an leihe bestimmt, daß eine Rückzahlung und Verzinsuna vor Erlöschen der Reparationsverbindlichkeiten nicht ge fordert werden kann. Nunmehr ist beim Landgericht I Berlin gegen das Reich eine Klage erhoben worden, die darlegen soll, daß die hinsichtlich des Neu besitzes getroffene Regelung der Verfassung widerspricht. In Apenrade fand eine Versammlung von Mit gliedern der dänischen Randersbewegung statt. Es wurden einige wichtige Entschließungen gefaßt. In der einen wird erklärt, daß jeder, der einen durch Zwangs- auktion verkauften Hof übernimmt, als Person ohne bürgerliche Rechte angesehen werden soll. Außerdem sollen an einem bestimmten Tage alle Meierei- und Schlachtereibetriebe stillgelegt werden, voraus gesetzt, daß auch die anderen nordschleswigschen Ämter und die Hauptleitung des Verbandes zustimmen. Der erste GachtteserLMgWrozeß. Urteil in Düsseldorf. — Verhaftung der Angeklagten. Im ersten Düsseldorfer Sachlieferungsprozeß, in dem Kommerzienrat Max Falk und der französische Staats angehörige Joseph No blot wegen Betruges und Ver gehens gegen die Bestimmungen des Sachlieferungsab kommens angeklagt waren, wurde das Urteil verkündet. Der Prozeß, der am 5. Oktober vor dem Düsseldorfer Schöffengericht begonnen hatte, behandelte einen Zucker- lieferungsvertrag bzw. die Fälschung eines Kon nossements, wobei von feiten der Angeklagten ein Betrag von zweieinhalb Millionen Mark auf unrecht mäßige Weise verdient worden sein sollte. Kommerzienrat Falk wurde wegen vollendeten Be truges und Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versiche rung zu einem Jahr zehn Monaten Gefängnis, Joseph Noblot wegen schwerer Urkundenfälschung in Tateinheit mit vollendetem Betrug und Abgabe einer falschen eides stattlichen Versicherung zu zwei Jahren Gefängnis ver urteilt. Bei Joseph Noblot wird die Untersuchungshaft an gerechnet. Das Gericht beschloß, die Angeklagten sofort in Haft zu nehmen, da Noblot eines Verbrechens und Falk eines Vergehens dringend verdächtig sind und bei beiden Fluchtverdacht vorliegt. Ser Anschlag auf die Aechenbahn in Marl Dreizehn Komunisten verhaftet. Das Polizeipräsidium Recklinghausen teilt mit, daß es gelungen sei, den D y n a m i t a n s ch l a g auf die Zechenbahn der Zeche Blasiert in Marl, der bekanntlich in der Frühe des 2. Oktober geschah, auf die Spur zu kommen. Die Ermittlungen haben ergeben, daß in der betreffenden Nacht in der Wohnung eines Gruppenführers des Kommunistischen Kampfbundes Besprechungen statt gefunden haben. Mehrere Personen haben diese Woh nung verlassen und können für die Zeit nach Verlassen der Wohnung bis zur Ausführung des Sprengstoffatten tats kein einwandfreies Alibi nachweisen. Die Kriminal polizei nahm 13 Kommunisten fest; vier davon wurden dem Amtsgericht Dorsten zugeführt. " Sachverständige im Calmette-Prozeß. Dr. Altstadt „füttert" sein Kind mit Bazillen. Im Lübecker Calmette-Prozeß richtete der Vertreter der als Nebenkläger zugelassenen Eltern an den Angeklag ten Dr. Altstadt die Frage, weshalb er den Erlaß des preußischen Ministers über die Diphtherieschutzimpfung in Parallele zu dem Handzettel über die Calmette-Fütterung gestellt habe. Dr. Altstädt erwiderte darauf, daß seiner Ansicht nach eine weitgehende Analogie zwischen Divb- MWWe Arme« M Wik-rufs sud Mgegeod halten sich bei Bedarf bestens empfohlen: Installateur 3 otler, Ferd. (Inh. Ludw. Hellwig), Markt 10. »-«- 542. Kolonialwaren- und Landesprodukten-, Tabak- und Zigarrenhandlung Rentsch, Kurt, Parkstraße 1342. Ladestation für Akkumulatoren und Batterien 3>chunke, Arthur, Zellaer Straße 29. s^> L. Malergewerbe Schindler, Edwin, Hohestraße 134 D. s-o- 71. 8 Milch- und Butterhandlung 8 Barthel, Alfred, Braunsdorf (tägl. Lieferung ins Haus) D Molkereicrzeugnisse jeglicher Art (tägliche Lieferung frei Haus) Dampfmolkerei Blankenstein (Inh. Hans Bräuerl. Schlcifanstalt, Drechslerei und Schirmreparatur. Werkstatt Aberle, Kurt, Meißner Straße 266. Schlossermeister Bräuer, Karl, Töpfergasse 246. R i ck el. A r t b u r (W Trepte Nachfolger), Rvsenstraße 73 Schatzschneider, Max (vorm. O. Legler), Zedtlerstr. 189 Stuhlfabrik Schreiber, Arthur, Löbtauer Straße 298 g. 51. 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Auf verschiedene andere Fragen erklärte Dr. Altstädt, daß sich das Calmette-Verfahren in den letzten Jahren als voll kommen unschädlich erwiesen habe. Er habe sein eigenes Kind mit den Calmette-Bazillen „gefüttert". Es wurden dann die Sachverständigen aufgcrufen. Dabei ertönte auf feiten der Eltern Gelächter. Der Vor sitzende verbot dies mit dem Hinweis daraus, daß noch vor keinem deutschen Gericht eine so trauriae Anaeleaenbeit und ein tiok kiomun von kni2 Hermann (Raser OopvriLkt Martin keuckt variier, Nalle (43 Sie wurden beide eingestellt. Und sie hatte nun noch einmal Hoffnung. Zwei Menschen, so dachte sie, die das ganze Jahr hindurch arbeiten, die müssen doch ihr Leben fristen und auch noch etwas mehr verdienen können. Die mußten endlich so weit kommen, daß sie sich ein paar Hühner kaufen, eine Ziege halten und später sogar ein Schwein anschaffen tonnten. Etwas Garten war ja noch vorhanden. Die Blumenbeete mußte man allerdings um graben, vie Ziersträucher ausroden, um dafür Kartoffeln und Rüben zu pflanzen. Das ließe sich ja alles machen, wenn — ja, wenn... Wenn ver Forstner nämlich ausgehalten hätte! Aber zum Arbeiten hatte er nun einmal keine Lust. Er war der Meinung, das lohne sich nicht, und außerdem wolle er den vielen Arbeitslosen nicht auch noch das bißchen Arbeit wegnehmen. So kam es, daß die Frau fernerhin allein aus Arbeit in die Zementfabrik ging. Für eine Frau war es wahr haftig nicht leicht. Und man sah es ihr jetzt schon an, was ihr dieses eine Jahr angetan hatte. Dieses eine Jahr der Arbeit, ver Sorge und Ver Aergernisse halte alles aus gelöscht, was an dieser Frau einmal schön und harmonisch gewesen war. Die strahlenden und fast übermütigen Augen waren matt und trübe geworden. Die schlanke und gestraffte Gestalt ging sichelkrumm. Ihre weißen Hände, auch als Bauersfrau noch gut gepflegt, so wie sie es als Dienst mädchen von ihrer früheren Stadtherrschaft gelernt hatte, waren verarbeitet, zerschunden, rotgefroren — schlimmer als die Fäuste eines Arbeitsknechtes. Und das dichte Haar, das früher in kastanienbraunen Flechten lag, war dünn und stumpf unv grau geworden. Sogar der Hals, der sich früher weiß und schlank aus ihrem Blusenausschnitt ge reckt hatte, war welk und runzlig und von einem Kropf noch obendrein verunziert. Pfeifend ging der Atem durch den kranken Hals. Dem Forstner blieb es natürlich nicht verborgen. Schöne Frauen mochte er schon immer leiden, von ihren Händen ließ er sich wie Wachs behandeln. Je unansehn licher die eigene Frau jetzt wurde, desto mehr verlor sie auch an Einfluß auf ihn. Er unterlag jetzt jeder lieder lichen Schankmamsell. Diese feine alte Schwäche war mit vielen anderen Schwächen noch beherrschender in ihm ge worden. Die eigene Frau ging arbeiten und mußte das Brot verdienen; für selbstverständlich sah er es bald an. Zu Hause sitzen, war nur langweilig für ihn. So trieb er sich in den verkommensten Wirtshäusern herum. So weit war es mit ihm gekommen, daß er der Frau die hart erschundenen Groschen heimlich für Schnaps entwendete. In Gasthäusern mit Schankmamsells und mit liederlichen Frauenzimmern war er stets zu finden. Er spielte und soff und kam mit jedem Tage mehr herunter. An ihm war auch die Zeit nicht unbemerkt vorübergegangen. Auf gedunsen, verschwommen waren seine Züge. Die kleinen Augen blickten unruhig und wässerig. Er hatte nicht mehr die harten, festen Bauernhände, vie zuzugreifen und zu leiten wußten. Groß und fleischig sahen sie aus, waren zittrig und ungeschickt, und wußten nur das Schnaps glas und das Kartenspiel zu halten. Morsch und auf gedunsen war sein Körper — der ganze Mensch war faul, liederlich und verkommen. Wie diese beiden Menschen, so war auch der Hof ver armt, verwahrlost und heruntergekommen. Noch lagen die Trümmer der Scheune und der Stallungen herum. Wenn auch an einen Aufbau nicht zu denken war, so wollte sich der Bauer nicht einmal zu einem Aufräumen bequemen. Die halb verbrannten und verkohlen Balken waren zwar weggeräumt, das heißt, sic hatten zum Heizen und Kochen Verwendung gefunden. Aus Steinen und Schutt war aber leider kein Brot zu backen; das alles lag noch so, wie es vcr Brand zerstört und verschüttet hatte. verhandelt worden sei. Dr. Altstädt wurden von den Sach verständigen verschiedene Fragen vorgelegi. Auf die Frage, weshalb er sich vor Einführung des Calmette-Verfahrens nicht an das Reichsgesundheitsamt gewandt habe, erklärte er, daß er aus dem zweieinhalbjährigen Schweigen des Reichsgesundheitsamtes nur den Schluß habe ziehen können, daß dort die Bedenken gegen das Calmette-Ver fahren fallengelassen worden seien. Auf Befragen eines anderen Sachverständigen, ob die „Fütterung" in Lübeck eingeführt worden sei, weil die Tuberkulose gerade hier besonders verbreitet sei, erwiderte Dr. Altstädt, daß der Kampf gegen die Tuberkulose seine Lebens aufgabe sei. Wie verlautet, soll die Sowjetregierung den Antrag gestellt haben, daß ein Sowjetvertreter zur Ver handlung zugelasien werde. Zum Schluß der Sitzung genehmigt das Gericht eine Reihe von Beweisanträgen, nach denen der frühere Direk tor der Landesversicherungsanstalt der Hansestädte, Dr. Bielefeldt, zu laden ist, um über die „Kaffeetafel in Paris" und über die angebliche Äußerung des Präsidenten des Reichsgesundheiksamtes, Dr. Hamel, der Weg für die Einführung des Calmette-Verfahrens in Deutschland sei jetzt frei, auszusagen. Ferner gab das Gericht dem An trag der Sowjetregisrung, einen Beobachter zuzulasien, statt. Die Verhandlung wurde dann auf Donnerstag vertagt. Lin die AowervrdnmWn in Preußen. Dr. Böhm Dritter Vizepräsident. tt. Berlin, 14. Oktober. Im Preußischen Landtag stand aus der Tages ordnung zunächst die Wahl des Dritten Vizepräsi denten, die durch die Mandatsniederlegung des Abg von Eynern (D. Vp.) erforderlich geworden ist. Gewählt wurde Abg. Dr. Böhm (D. Vp.), der 28b Stim men erhielt. Das Haus beginnt hierauf die politische Aussprache, in deren Mittelpunkt die Mitztrauensanträge der Deutsch nationalen und der Kommunisten gegen das Staatsministerium stehen. Die Regierung ist durch den Minister des Innern, Severing, vertreten. . Abg. Dr. von Kries (Dtn.) wirft der Regierung und den Koalitionsparteien vor, daß sie die Verfassung nicht beachteten. Auch die preußische Notverordnung sei verfassungswidrig. Preußen müsse unter allen Umständen bestehen bleiben. Die Deutschnationalen erstreben die Wiederherstellung ver Bismarckschen Verfassung. Abg. Haas (Soz.) meinte, hinsichtlich der Auslegung der Verfassung solle man die Entscheidung des Staatsgerichtshofes abwarten, der ja von den Deutschnationalen angerufen wor den sei. Als der Redner der Rechten „Verstockungspolitik" vor- wirft, kommt es zu stürmischen Auseinandersetzungen zwischen Sozialdemokraten und Deutschnationalen. Die letzteren verlangen, daß der Redner Namen nennen solle und rufen ihm schließlich zu: „Sie sind ein Verleumder." Dann verlassen die Deutschnationalen und ein Teil der Volksparter unter Protestkundgebungen den Saal. Die preußische Regie rung habe recht, wenn sie Beamte zur Rechenschaft ziehe, die durch Beteiligung am Volksentscheid bekundet hätten, daß sie im „Dritten Reich" mit von der Partie sein wollten. Abg. Baumhoff (Ztr.) wendet sich dagegen, daß gewisse Leute in Lurusonmmobilen nach Bad Harztmrg gesabren seien. Der neue Vizepräsident ves Preußischen Landtages. So war von dem alten und reichen Sandbauernhose nichts anderes übriggeblieben als der Platz, auf dem das neue Wohnhaus stand, und ein Haufen Schutt und Asche, der kaum das Wegschaffen lohnte. Verwahrlost und ver wildert war der Garten. Die Bäume standen vertrocknet da, mit vom Winde gebrochenen Aesten und von Wild lingen bewuchert. Leer und öde war der große Hof, auf dem unter dem alten Forstner die vielen Sandwagen und Kutschen kaum noch Platz zu finden wußten. Auch nicht mehr ein Stückchen Ackerboden gehörte zum Hofe — alles war verkauft und zu Geld gemacht, und andere Besitzer ernteten dort Früchte. So war mit dem Bauer auch der stolze Hof herunter gekommen. Und es war nur noch eine Frage von Tagen, bis auch das Wohnhaus und der letzte Rest des ehemaligen Bauernhofes zwangsweise versteigert wurden, denn dem Forstner war nun auch noch die letzte Hypothek, jene Goldmarkhypothek, die er in der Inflation und während des Baues so freudestrahlend ausgenommen hatte, da er doch der Meinung war, er würde sie einst aus der Westen tasche abbezahlen können, gekündigt worden. An ein Aufbringen des Geldes war gar nicht zu denken, denn dem Forstner borgte jetzt niemand mehr. So stand das Wohnhaus vor der Versteigerung, und dann blieb dem ehemals so reichen und stolzen Sandhosbauern und seinem Weibe nichts anderes übrig, als den so leicht er erbten Grund und Boden des alten Hofes für immer zu verlassen — so arm wie eine Kirchenmaus. Diesen reichen Hof, den sie nur nicht zu erhalten und zu verwalten ver standen. Es war noch eine kurze Reihe von Tagen, bis dem Forstner nun auch noch das Dach über dem Kopfe gepfändet würde. * * Karl Forstner war noch immer voller Unruhe und Aufregung. Das Ziel war ihm noch viel zu weit, der Zug fuhr ihm nicht schnell genug. Nach Hause! Nach Hause!, rief ihm das Rattern der Rüder, der Schlag des eigenen Herzens zu. (Fortsetzung folgt.)