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für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, *0» .Wilsdruffs Tageblatt' erscheint MI allen Weittngea n-chnritt-gs suhl. B»pi,,prei,! Bei «bholsn« in »er »eschLstsstell« und den Ausgabestellen 2 «M. im Monat, bei gnstellnn, durch di« Boten 2,30 NW., bei Poftdestellung r AM. inrüalich Abtraa. . gebühr. Ltn,elnummccn !»«pf,.AllePosianst-ltm Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegeud Postboten »ad NN,er-Aus. tet«rrund Geschäftsstellen — 7s nehmen ,u ,eder Zeit Be- »«llunoen entaeaen. Im Falle hSherer Gemalt, Arie« »der sonstiger BetriebsstSrungrn besteht dein Anspruch »us Lieferung er Zeitung oder Kürzung des Bezugspreise,. — RL-Kseudung eingesandter Schristftüede «efalgt nur, menu Porto beiliegt. g-schr^b.n.G-schrinüng.. "'^ t-rtUch-u Teil. 1 Aeichsm«». R.chmeisung.gebkchr 20 «Äch.p^,»z^«L. Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 »^u.hmeu mir deine Dar««.. J^»-ba.,°n,pruch-.Ii,«'^.?W^2b Kla«° eingezo,^, mmd.n must °»-.b°r«ust,-„.b-rinK°»b-r, geE.Au^ig« nehmen Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauvtmannschaft Meisten des Amts. Gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstremamts Tharandt und des Finanzamts Nassen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 237 — 90. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Sonnabend, den 10. Oktober 1931 Ar neue ReWMett Vriimg. Gesetz und Not. Wahlkampf in England. — „Gottesland." — Von Chequers nach Washington. „Gesetz ist mächtig, mächt'ger ist die Not", — dieser Ge zanke Goethes muß ja heute so oft als Grund oder als Entschuldigung gelten dafür, daß überall in der Welt massenhaft und in größtem Umfange bestehende Gesetze von der Not sozusagen ins Kleiderspind gehängt werden. Sie passen nicht mehr und die Not reißt große Löcher in sie hinein. Altehrwürdigster parlamentarischer Brauch, altüberkommene Gewohnheit fliegt in Englands poli tischer Gegenwart w»e Plunder beiseite, — trotzdem war hier die Not doch nicht so stark, um z. B. dem Kabinett Macdonald ein längeres, über die Erledigung der ihm ge stellten und genau bezeichneten Aufgabe hinausgehendes Leben zu verleihen, ohne daß dieses Notkabinett das eng lische Polk zu einem Urteil hierüber aufforderte, auf fordern mußte. Die Aufgabe selbst ist erfüllt, menschlichem Ermessen nach: die Sanierung des englischen von schwerstem Defizit bedrohten Staatshaushalts. Nun soll das englische Volk am Wahltag entscheiden, ob die Art der Sanierung durch das Koalitionskabinett Macdonald- Baldwin von der Mehrheit des englischen Volkes gebilligt wird. Aber am 27. Oktober sollen ja auch noch Wahlurteile gefällt werden über die „Schuld am 20. September" — dem Tag der Lösung des Pfund Sterlings vom Goldstan dard — und daher auch über die „Schuld" an der trostlosen Wirtschaftslage. Und dazu kommen — was ja an und für sich unsinnig ist — „Urteile" über die Pläne und Metho den die von den einzelnen Parteien als mehr oder weniger unfehlbare Heilmittel für die wirtschaftliche Besserung auf die Tische der Wahlversammlungen niedergelegt werden und^or1 um Gläubige werben, Programme, Wahlver sprechungen, die dann hinterher auf die grausam-harte Wirklichkeit, aus die „mächtigere Not" stoßen und daran zerschellen. Das hat ja gerade die Arbeiterpartei unter ihrem Führer Macdonald erleben müssen, der es ebenso wenig — trotz aller Programme und Wahlversprechen — gelungen ist, mit der Arbeitslosigkeit und der Wirtschafts- not Englands fertig zu werden wie ihren Vorgängern, den Konservativen. Denn für „Programme" vor der Wahl gilt meist ein anderes Dichterwort: „Stets ist die Sprache kecker als die Tat" Macdonalds Kabinett hat sich aber diesmal nicht gescheut, in seinem Aufruf an das englische Volk ganz offen, ehrlich und richtig zu sagen: „Da angesichts der sich ständig ändernden Bedingungen der Gegenwart nicht vorauszu sehen ist, was noch kommen wird, so kann niemand ein ins einzelne gehendes Programm aufstellen, das bestimmte Versprechen enthält!" * . . mächt'ger ist die Not" — mächtiger selbst als Amerikas Wirtschaftskraft. „Solls ovn ommtr^", „Gottesland", so nennt in stolzer Bescheidenheit der Amerikaner seine Heimat, offenbar weil, wie die Spötter behaupten, dort — der Dollar „allmächtig" ist! Aber der beherrschte ja sogar die Welt, bis der französische Franc begann, ihm erst heimlich, dann offen die Füße des Herrscherthrones anzusägen. Da hat man denn in Wa shington nicht lange gezögert und gewartet mit Gegen maßnahmen. Hoover ist nie ein Mann kleinlicher Ent schlüsse oder weilausholender „Programme" gewesen, son dern unmittelbarer Taten; er will die Not der Geld- und Kreditinflation, die daraus sich ergebende Erstarrung im Wirtschaftsleben, das Sinken der Preise für die agrarischen und industriellen Rohstoffe durch zweifellos gewagte, Gesetzmäßiges, aberVersagendes beiseiteschiebende Aktionen auch jetzt unmittelbar anpacken. Und unter diesen bisher so „mächtigen Gesetzen" befindet sich auch der scharfe, un bedingte Schutz des Dollars. Nicht daß nun etwa Amerika sich auch vom Goldstandard seiner Währung löst — man bat ja 20 Milliarden Mark in Gold als Besitz —, aber man will durch eine absichtliche, beträchtliche Erweite rung des Notenumlaussdie einaesrorenen Kre dite wenigstens in Amerika selbst auftaucn, will ganz be wußt den Notenumlauf, das „Kreditvolumen", viel größer gestalten, als dies das „Handelsvolumen", also derUmfang der Wirtschaft selbst erheischt. Wenn man mag, dann kann man das „Aufblähung" des Kredits und damit des Noten umlaufs nennen, also — „I n f l a t i o n" I Aber die ist es nicht, weil die Golddecke über der amerikanischen Wäh rung auch dann noch beneidenswert groß bleibt und dar über außerdem als zweite kostbar-große Schutzdecke die riesigen Schätze dieses „Gotteslandes" liegen. Wenn Englands Premierminister sein Volk zur Wahl aufruft, wenn der Präsident Hoover von der Aufstellung eines Aktionsprogramms auch sofort zur Tai schreitet, so finden wir Deutschen ebenso in den Worten Macdonalds wie Hoovers den Hinweis darauf, daß „die Kriegs schulden und Reparatione n" schon überreif für eine Revision sind. Dabei ist es überhaupt erst vier Monate her, seit Dr. Brüning in Chequers den ersten Vorstoß in Richtung auf die Revision des Joung- Planes machte. Jetzt will auch Hoover, dessen Staatssekre tär Mellon ja damals in London anwesend war, über die „internationalen Negierungsschulden" mit dein franzö sischen Ministerpräsidenten bei dessen Besuch ein „A rran- gein ent" treffen. Ein internationales Gesetz ist auch der Woung-Plan, aber „Gesetz ist mächtig, mächt'ger ist Das neue Kabinett ernanni. ÄußeresrBrüning, Inneres: Groener. Reichspräsident von Hindenburg hat den Reichs: kanzler in seinem Amte als Reichskanzler bestätigt. Auf Vorschlag des Reichskanzlers hat der Herr Reichspräsi dent den Reichsminister Dietrich als Reichsministei der Finanzen und Stellvertreter des Reichskanzlers, den Reichsminister D. h. c. Groener als Neichswehrmini- ster, den Reichsminister Dr. h. c. Steg er Wald als Reichsarbeitsminister, den Reichsminister Dr. Schätzel als Reichspostminister, den Reichsminister Dr. h. c, Schiele als Reichsminister für Ernährung und Land wirtschaft bestätigt und mit der Wahrnehmung der Ge schäfte des Reichsministers des Auswärtigen den Reichskanzler Dr. Brüning, mit der Wahrnehmung de, Geschäfte des Reichsministers des Innern den Ncichs- wehrminister Dr. h. c. Groener beauftragt. Zum Reichswirtschaftsminister hat der Herr Reichspräsident auf Vorschlag des Reichskanzlers den preußischen Staatsmini ster a. D. Pros. Dr. Warmbold, zum Reichsverkehrs- minister den bisherigen Reichsminister ohne Geschäfts bereich Treviranus und zum Reichsminister der Justiz den Staatssekretär im Reichsjustizministerimn Dr. Joel ernannt. Neichspostminister Dr. Schätzel hat feine endgültige Erklärung über sein Verbleiben im Amte sich noch Vorbehalten. Das bisher von Treviranus verwaltete Amt des Reichskommissars für die Oststelle wird anderweitig be setzt werden. Die Entscheidung hierüber steht noch offen. * Jie beiden neuen Reichsminister. Berlin, 9. Oktober. Reichswirtschaftsminister Professor Dr. phil. Dr. der Landwirtschaft, ehrenhalber Hermann Warm- bvld wurde 1876 in Klein-Hemstedt (Bezirk Hildesheim) ge boren; er studierte Landwirtschaft und Volkswirtschaft, wurde 1911 Landwirtschaftlicher Organisator in Estland und 1913 Leiter der Abteilung sür Wirtschaftsberatung bei dem Haupt ritterschaftsdirektorium in Berlin. 1917 wurde er Professor an der landwirtschaftlichen Hochschule in Hohenheim und 1919 Mi nisterialdirektor im Landwirtschaftsministerium in Berlin. Dem Kabinett Stegerwald im Jahre 1921 gehörte er als Landwirt- schastsminister an. Nach seinem Rücktritt wurde er 1922 Vor standsmitglied der Badischen Anilin- und Sodasabrik in Lud wigshafen. Reichsjustizminister Dr. jur. Curt Walter Joel wurde 1865 in Greiffenberg (Schlesien) geboren, er studierte Iura und wurde 1899 Staatsanwalt in Hannover und später ist Berlin. 1906 wurde er Reichscmwalt in Leipzig, 1908 Vortragender Nat im Reichsjustizamt und 1917 Direktor in diesem Amte und stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat. 1920 wurde Dr. Joel zum Unterstaatssekretär und später zum Staatssekre tär im Reichsjusüzmmisterium ernannt. Seit dem Rücktritt des Reichsjustizministers Professor Dr. Bredt ist Dr. Joel Leiter seines Ministeriums. Hindenburg dantt den Scheidenden. Der Reichspräsident hat den aus der Reichsregkerung ccusgeschiedenen Reichsministern Dr. Curtius, Dr. v. Gus- rard und Dr. Wirth die Entlassungsurkunden mit per sönlichen Begleitschreiben übermittelt, in denen er ihnen seinen Dank sür ihre dem Vaterlande in schwerer Zeit ge leisteten Dienste ausspricht. sie N o l". und so führt nun doch eine Linie von Che quers über Berlin nach London und Washington. Aber zu langsam für uns Deutsche verlängert sich diese Linie, — wir können nicht warten, weil bei uns sie Not am mächtigsten ist. Und die — Notver ordnung mächtiger als jedes Gesetz. Jedoch die Not wegzuverordnen, diese wirtschaftliche, soziale, politische Not, vermag auch sie nicht; und das hat nun zurinnen - politischen Krise geführt, die so in unmittelbarstem Zusammenhang mit der weltwirtschaftlichen und welt politischen Entwicklung steht. Freilich wird sie und ihre Lösung auch bestimmt durch die „sich ständig ändernden Bedingungen der Gegenwart", die außerdem „nicht vor auszusehen sind", wie Macdonald nüchterft feststellte. Ge wiß ist es auch nicht möglich, ein „ins einzelne gehendes Programm" zu konstruieren zwecks Überwindung der Krise in der deutschen Innenpolitik, aber was uns fehlte and was wir verlangen müssen, sind eindeutig klare Maß nahmen, die zum mindesten zum Ziel sich setzen, mäch tiger zu werden und zu wirken als selbst die Not. Grune Front gegen ein Kabinett Brüning. Von gut unterrichteter Seite wird mitgeteilt: Im Zu sammenhang mit den langwierigen Verhandlungen Brü- nmgs über eine Kabinettsumbildung ist die Tatsache wichtig, daß sich die gesamte Grüne Front (nicht nur der Retchslandbund, dessen Oppositionsstellung bekannt ist! darüber einig geworden ist, daß angesichts des bisherigen agrarpolitischen Versagens der Reichsregierung unter Brünings Führung auch einem ungebildeten Kabinett Brüning, das in Wirklichkeit nichts als eine unwesentlich veränderte Neuauflage des zurückgetretenen werden wird, kein Vertrauen entgegengebracht werden könne. MBttlinttMttttzunineueuKMnett Berlin. Die Morgenblätter beschäftigen sich mit der nun erfolgten Ernennung des neuen Kabinetts Brüning. Die Ger mania sagt L a..- In wenigen Tagen wird das Kabinett vor dem Reichstag Gefolgschaft fordern für eine Politik, die sich an nichts anderem orientieren will als an den sachlichen Lebensnot wendigkeiten unseres Volkes. Die'e große Stunde des Reichs tages wird eine Schicksaksstunde Deutschlands jein. Die Män ner des Kabinetts haben nur die Bindung an eine große Sa che: An die Aufgabe nämlich, aus Deutschlands größter Notzeit einen Weg zu bahnen, auf dem Land und Volk gesichert wer den können. Der Lokalanzeiger spricht von einer Not lösung. Die Rechtstarnung, die der Sinn der Aktion Brünings war, ist mißglückt. In der langen Reihe von Absagen, die Brii- l nmg erhalten hat. liegt eine starke Minderung feines politischen Ansehens. Ls ist eine Notlösung, ausreichend möglicherweise sür die paar Tage Reichstag, sür die gerechnet wird, daß Brü ning keine ganz schlechte Chance habe, sich mit seinem neu-alten Kabinett durchzudringen. Der Tag sagt, es bleibt selbstver ständlich beim alten Kurs, vor Mem bei unbedingter Rücksicht nahme auf die sozialdemokratische Kontrolle. Schon daraus er gibt sich, daß die Haltung der nationalen Opposition gegenüber dieser Neuauflage des alten Kabinetts durch die Forderung be stimmt ist. die wir immer wieder gegenüber dem ersten Kabi nett Brüning erhoben, als sein Versagen in vollem Umfang er kenntlich war: Rücktritt einer Regierung, die kein Vertrauen im Lande genießt! Die Vossische Zeitung stellt fest, daß es nicht nur keine Rechtsschwenkung gegeben habe, sondern nicht einmal eine Halbvechksdrehung. Die Negierung habe die Ver fassung zu verteidigen und eine soziale Revolution zu verhüten, dis M Ausland als das deutsche Gespenst erscheine. Der Vor wärts findet die Ernennung Groeners zum Innen- u. Wehr- mimster Äs den weitaus interessantesten Punkt der neuen Liste. Eine Gefälligkeit für dis Rechte bedeute Groeners Ernennung zum Innenminister gewiß, nicht. Die D. A. A. betont, die jetzige Regierung fei kaum stärker als die frühere. Dafür aber zeichne sie sich durch viele ihrer Fehler aus. Das zweite Kabinett Brü ning stelle eine schwere Enttäuschung dar. Die Persönlichkeiten, die sich weigerten, in das Kabinett einzutreten, hätten anschei nend die ihnen angebotenen Garantien nicht für ausreichend gehalten. Dieser Geburtsfehler des neuen Kabinetts sei zugleich seine schwerste Belastung. Die Deutsche Tageszeitung verweist auf die Stellungnahme der Grünen Front zum neuen Kabinett Brüning. Dem Blatt scheint bei der Gesamtlösung der Personenfrage und bei der innerlich unveränderten alten Ten denz des Gesamtkabinetts irgendwelche Gewähr für eine aktive Agrarpolitik nicht gegeben. Nach dem Berliner Tage blatt ist der rechts Flügel im neuen Kabinett verstärkt. Vie les spreche dafür, daß die erzwungene Demission und die osten tative Zurückhaltung von Persönlichkeiten m,t Rang und Na men der neuen Regierung geschadet habe. Die parlamentari schen Aussichten für das Kabinett seien äußerst unsicher. Der Börsen-Courier begrüßt es besonders, daß der Kanzler auch mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Auswärtigen be traut worden ist. Alles in allem: Brüning habe jetzt wieder über den Winter bin einen starken Rückhalt. Die Börsenzei tung unterstreicht, daß Brüning nicht den Mut gefunden habe, nach rechts zu operieren obwohl er dunkel empfunden habe, daß eme solche Option sich nicht mehr länger aushalten lasse, w»nn man nicht die Spannungen in der Oeffentlichkeit noch er höhen wolle. Die Rechtsorientierung, der einzige Sinn der Re gierungskrise, sei unterblieben. Man müsse hoffen, daß sie nur um kurze Zeit hinansgefchoben sei. Diese Kabinettsbildung stelle sich als Stückwerk, als Produkt der Entschlusslosigkeit dar. Die Harzburger Tagung. „Willenskundgebung der nationalen Bewegung." Der deutschnationale Vertreter im Arbeitsausschuß der Nationalen Opposition, Reichstagsabgeordneter SÄnuot- Hannover, äußerte sich über die Harzburger Tagung einem Journalisten gegenüber: Der Zeitpunkt wurde mit Rück sicht auf den Reichstagsbcginn gewählt. Daß er eme Willenskundgebung der Millionenfront der' gesamten nationalen Bewegung gerade am Vorabend der amercka- n'sch-französischen Verhandlungen ermöglicht, werten wir als besonders alücklicknm Umstand. Bei der inneren