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Wilsdruffer Tageblatt s Blatt Nr 215 — Dienstag, Leu 15. Sept. 1981 Moll d« «och eioe Mutter host... Aur 50 Wiederkehr des Todestages von Wilhelm Kautsch am 15. September. Wenn du noch eine Mütter hast. So banke Gott und sei zufrieden: Nicht Allen auf dem Erdenrund Ist dieses hohe Glück Leschieden. Wenn du noch eine Mutter hast. So sollst du sie mit Liebe pflegen, Daß sie dereinst ihr müdes Haupt In Frieden kann zur Ruhe legen. Denn was du bist, bist du durch sie; Sie ist dein Sein, sie ist dein Werden, jSie ist dein allerhöchstes Gut Und ist dein größter Schatz auf Ecken. Des Vaters Wort ist ernst und streng, Die gute Mutter mildert's wieder, Des Vaters Segen baut bas Haus, Der Fluch der Mutter reißt es nieder. Sie hat vom ersten Tage an Für dich gelebt mit bangen Sorgen; Sie brachte abends dich zur Ruh Und weckte küssend dich am Morgen. Und warst du krank, sie pflegte dein, Den sie mit tiefstem Schmerz geboren, And gaben alle dich schon auf, Die Mutter gab dich nicht verloren. Sie lehrte dich den stommen Spruch, Sie lehrte dich zuerst das Reden; Sie faltete die Hände dein Und lehrte dich zum Vater beten. Sre lenkte deinen Kindessinn, Sie wachte über deine Jugend, Der Mutter banke es allein, Wenn du noch gehst den Pfab der Tugend. Wie ost hat nicht die zarte Hand Auf deinem lock'gen Haupt gelegen! Wie ost hat nicht ihr frommes Herz Gefleht für dich um Gottes Segen! Und hattest du die Lieb verkannt, Gelohnt mit Undank ihre Treue, Die Mutter Hat dir stets verzieh'n, Mit Liebe dich umfaßt aufs Neue. Und hätte selbst das Mutterhebz Für dich geforget noch so wenig, Das Wen'ge selbst vergiltst du nie, Und wärest du der reichste König! Die größten Opfer sind gering. Für das, was sie für dich gegeben, Und hätte selbst das Mutterherz So schenkte sie dir doch das Leben. Und hast du keine Mutter mehr, Und kannst du sie nicht mehr beglücken, So kannst du doch ihr frühes Grab Mit frischen Blumenkränzen schmücken! Ein Muttergrab, ein heilig Grab, Für dich die ewig heil'ge Stelle! O, wende dich an diesen Ort, Wenn dich umtost des Lebens Welle. Wer den Pfennig nicht ehrt... Berufsverbandstagungcn als Parlamentsersatz. Der zwölften westfälischen Beamtentagung in Bielefeld überbrachte Reichsminister Treviranus die Grüße des Reichskanzlers Dr. Brüning, der bedauere, infolge Vortrages beim Reichspräsidenten nicht an der Tagung teilnehmen zu können. Der Kanzler habe darauf hingewiesen, daß er das lebhafte Bedürfnis gehabt habe, gerade der Beamtenschaft Klarheit zu geben, welche Wege er in seiner Politik vor sich sehe. Er halte es für dringend notwendig, nachdem das Parlament vor läufig ausgeschaltet sei, aus den Tagungen derBerufs - verbände die Möglichkeit einer Kritik und Gegenkritik über die Maßnahmen der wenigen verantwortlichen Männer ar srechtzuerhalten. Unter Hinweis auf die be vorstehenden neuen Maßnahmen der Regierung, vor die das deutsche Volk gestellt werden müsse, betonte Minister Treviranus, die Regierung sehe es als gegeben an, das Erforderliche auch mit der nötigen Rücksichts losigkeit durchzuführen, da sie auf die Wohlfahrt der Gesamtheit zu achten und danach zu handeln habe. Treviranus behandelte dann die Ursachen, die zu der heu tigen Krise geführt haben, und wies darauf hin, daß die Notverordnungen den Versuch darstellten, über die stärkste Krise hinwegzukommen, um zu einer Reform zu gelangen. Mit leeren Kassen bleibe dies aber eine nicht lösbare Aufgabe. Wenn wir den Anforderungen gerecht werden wollten, müßten wir einschneidend sparsam Wirtschaften. Die Frage der Tributzahlungen hielt der Minister für eine geringere Sorge als die um den Bestand des Reiches. Hier gehe jede Kritik fehl. Wir hätten erfahren müssen, daß trotz des Feierjahres die Lasten von Tag zu Tag größer geworden seien. Wenn wir keine neuen Einschränkungen aufkommen lassen wollten, müßten wir äußer st sparsam leben. Die neue Notverordnung, die in der nächsten Woche, wahrscheinlich am 22. oder 23. September, er scheinen werde, bringe Positives und Negatives gemischt heraus, weil dem deutschen Volke nicht zugemutet werden oürfte, eine Fülle von S p a r m a tz n a h m e n über sich er gehen zn sehen, ohne datz die Entlastung gleichzeitig Tatsache werde. Es sei zu fordern, daß die ausländischen Gläubiger zum Stillhalten gezwungen würden. Ferner müßten die Arbeitslosen wieder durch besondere Maßnahmen an die Arbeit gebracht und überschüssige Men schen der Großstadt zurückgesiedelt werden auf das Land. Für diese Arbeiten der Not müsse eine Reihe von Vor schriften, wie die Bauvorschriften, außer Kraft gesetzt werden. Die Beamtenschaft frage mit Recht, ob ihr nicht Sonderopfer abverlangt würden, die die anderen Stände nicht zu tragen brauchten. Es sei aber aus geschlossen, die Steuerschraube in Deutschland weiterhin anzuziehen, da das niemals den erwarteten Erfolg ein bringen werde. Es müsse vielmehr den Steuerzahlern und Sparern die Möglichkeit gegeben werden, Eigen kapital aufzuspeichern. Zum Schluß betonte Treviranus, daß nur der im Strom versinke, der den Mut verliere. Er führte dabei das Beispiel der Rethel-Siedlung bei Bielefeld an und forderte, daß der dort herrschende Pfcnniggeist in unserem Volke wieder hochkommen müsse. Lin Aufruf der österreichischen Bundesregierung. Die österreichische Bundesregierung ließ einen Anschlag anbringen, in dem es u. a. heißt: „In einer Stunde der schwersten Not unseres Vater landes hat ein kleiner Bruchteil von Bundesbrüdern, jeder Verantwortung bar und gewissenlos, unsere österreichische Heimat mit verbrecherischem Leichtsinn in eine Lage gebracht, aus der im Innern und in den auswärtigen Beziehungen unsagbare Gefahren hätten entstehen können. Es obliegt dem ganzen Volke, dieser Gefahr mit allen gesetzlichen Mitteln und mit der gebotenen Strenge entgegenzuireten. In dieser Schicksalsstunde ist es ein Trost, daß der Bundesregierung erprobte und verläßliche Machtmittel, Bundesheer, Polizei und Gendarmerie, zur Verfügung stehen, die vollständig in der Macht der Regierung allen Situationen gewachsen sind Auch die Bundesbahn, Post. Telegraph, Telephon haben ihre Aufgaben voll erfüllt. Mii Genügtuung wird festgestcltt, daß dank der Pflichttreue aller Staatsorgane und der Gesetzestreue der über wältigenden Mehrheit unserer Mitbürger das Unternehmen aus einen Teil des Bundesgebietes beschränkt und auch dort ohne Erfolg geblieben ist. Die Bundesregierung wird pflichtgetreu die Schuldttagenden mit der ganzen Strenge des Gesetzes zur Verant wortung ziehen."Die Bundesregierung hat verfügt, daß alle Beamten, die sich an dem Anschlag des Heimatschutzes irgendwie beteiligt haben. ihrer Ämter enthoben werden. Gegen diese Beamten sollen Disziplinar- oder strasgerichtliche Verfahren eingeleilet werden. Der Heimwehrführer Fürst Slarhemberg, der verhaftet wurde. Zur Verhaftung Starhembergs wird bekannt, die ober österreichische Landesregierung habe festgestellt, datz Starhem- berg aus seinem Schloß Eserding die Bewegung in Obcröstcrreich geleitet und Weisungen an die Verbände telephonisch erteilt habe. Als sein späterer Aufenthalt wurde das Schloß Hochscharten bet Weitzenkirchen ermittelt, das dem Grafen Coreth, einem eifrigen oberösterreichischen Hetmwehranhänger, gehört. Hier wurde Slarhemberg verhaftet. Ein Gesuch Starhembergs um freies Geleit wurde abgelebnt. Im Lager der bei Kloster neuburg bei Wien festgenommenen 300 Mann starken Heim wehrabteilung wurden etwa 1000 Patronen und eine Anzahl von Gewehren beschlagnahmt. Wie aus Finanzkreisen erklärt wird, hat der Putsch aus die Börse und auch in finanzieller Beziehung keinerlei un günstige Einwirkung gehabt. Drei Geburtstagsfeiern. Kardinalerzbischos Dr. Schulte 60 Jahre alt. Am 14. September vollendete der Kölner Erzbischoj Dr. thtzol. und vr. jur. Karl Joses Kardinal Schulte sein 60. Lebensjahr. Der Kardinal hat sich besonders durch zwei Taten große Verdienste erworben. Er hatte während des Weltkrieges als Bischof von Paderborn aus eigenen Mitteln eine weitverzweigte Kriegsgefangenenfürsorge, die allen Ständen und Konfessionen zugute kam, eingerichtet und hatte sich später während der Separatistenbewegung im Rheinland als ein starker Hort des Deutschtums und deutscher nationaler Gesinnung erwiesen. Aus theologischem Gebietx Hal Kardinal Schulte es sich immer angelegen sein lassen, für die wissenschaftliche Fortbildung der katholischen Geistlichkeit zu sorgen. Der Reichspräsident und der Reichskanzler haben dem Kardinal die aufrichtigsten Glückwünsche zum Geburtstage übermittelt, der Reichspräsident in einem persön lichen Schreiben, der Reichskanzler telegraphisch. 60. Geburtstag des Fürsten Aloys zu Löwenstein. Am 15. September feiert Fürst Aloys zu Löwen- stein seinen 60. Geburtstag. Fürst Löwenstein ist eine der markantesten Gestalten der katholischen Laienwclt. In ganz Deutschland bekannt wurde er als Vorsitzender des Zentral komitees der deutschen Katholikentage. Karl v. Weinbergs 70. Geburtstag. Generalkonsul Dr. e. h. Karl v. Weinberg in Frank furt a. M., einer der führenden Männer der deutschen chemischen Industrie, beging am 14. September die Feier seines 70. Geburtstages. Bei der I. G. Farbcnindustrie, in die seim Anilinfarbenfabrikation eingegliedert wurde, bekleidet er das Amt eines stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungs- rates und des Aufsichtsrates. Der breiten Öffentlichkeit gegen- über dürfte Karl v. Weinberg weit bekannter durch seine Be ziehungen zum Pferdesport geworden sein. Die blau-weißer Farben seiner berühmten Zuchtstätte Waldfried sind auf alle« Rennplätzen bekannt. Urheberschutz durch E. Ackermann. Romanzentrale Stuttgart 45j Mit ihm war man dann ins Lehrerhaus gegangen. Diese Stunde dort würde dem Grafen und Inga niemals aus dem Gedächtnis kommen! Was man da an seelischer Erschütterung erlebt — die namenlose Verzweiflung der ganz gebrochenen Frau Lenz! Die Stimme bebte dem Grafen, und Inga schluchzte laut aus. Hanno schlug bei diesem Bericht des Vaters die Au gen nieder — er konnte doch wirklich nichts dafür! Trot zig sagte er: „ich kann es auch nicht ändern, Vater! Und ich leide sehr; denn ich habe Ebba sehr lieb — wie lieb eigentlich, weiß ich erst seit heute! Und wäre nicht das dunkle Geheimnis ihrer Herkunft — ob mit oder ohne Einwilligung von euch hätte ich sie zu meiner Frau ge macht! So aber weiß ich, was ich unserem Namen schuldig bin —" „Das hättest du vorher bedenken müssen, mein Sohn, und durftest der kleinen Ebba ihren Herzensfrieden nicht rauben! So fällt der größte Teil der Schuld auf uns!" Hanno machte eine ungeduldige Gebärde — „bitte, keine Borwürfe, Vater! Vor allem müssen wir jetzt daran denken, Ebba zu finden! Ich meine, einem geschickten De tektiv müsse es gelingen!" Inga weinte leise vor sich hin. Diese erste große see lische Erschütterung, die über ihr so sorglos und sonnig verlaufenes Leben gekommen, hatte sie ganz auseinander gebracht — und immer tauchte das ernste, traurige Gesicht Christels vor ihr auf, wie er sich so tapfer beherrschte mit Rücksicht auf den Vater, wre er jeden Vorwurf, der doch so nahe gelegen, unterließ! In gedrückter Stimmung verlief der Rest des Tages. Am nächsten Nachmittag gedachte der Graf mit Inga wieder abzureisen; in wenigen Tagen wollte Hanno nach kommen, um die Feiertage bei den Eltern zu verleben. Am liebsten wäre er in Reinshagen geblieben! Der Ge danken an Ebba, sein geliebtes Mädel, verließ ihn nicht — wie war sie ihm doch ans Herz gewachsen! Allerlei kühne Pläne stiegen in ihm auf. Wurde sie gefunden, wollte er jedes Bedenken und Ueberiegen schwinden las- sen — sein mußte sie werden, seine liebe kleine Frau, sie, die ihm so viel Angst und Sorge eingejagt! Und fest wollte er sie halten, damit sie nicht wieder an Fortlaufen denken konnte! Für sein leidenschaftliches Temperament war dieses tatenlose Warten unerträglich! Am anderen Vormittag ließ sich der junge Pfarrer beim Grafen melden, der ihm sofort ansah, daß ihn etwas Besonderes aufs Schloß geführt, und dieses Besondere konnte nur mit Ebba zusammenhängen! Hatte er Nachricht? Und was für welche? War Ebba gefunden —? — Und wie —? „Ebba hat geschrieben!" sagte Christian Lenz schnell, da er die Erwartung auf dem Gesicht des anderen sah. „Ebba hat geschrieben —? Von wo? Wo ist sie —?" „Ich weiß es nicht! Doch wollen der Herr Graf Eb bas Brief selbst lesen! Vorhin bekam ich ihn. Nachdem die Eltern ihn gelesen, habe ich mich beeilt, den Brief hier her zu bringen!" Mit vor Aufregung bebenden Händen entfaltete der Graf das ziemlich umfangreiche Schreiben, dessen Brief umschlag eine italienische Marke mit dem Poststempel „Milano" trug. Er las: „Mein lieber Bruder! Bis 18. Dezember hattet Ihr mir Urlaub für Dres den gegeben; diese Zeit ist nun beinahe verstrichen, und ich müßte eigentlich an das Wiederkommen denken, wenn ich noch dort wäre! Ich bin aber nur vier Tage bei Inga ge wesen! Da Ihr dies aber nicht wissen durftet, habe ich vorläufig nicht geschrieben, wohl wissend, wie ich Euch durch mein unartiges Schweigen kränkte! Aber wenn Ihr wüßtet —! Christel, ich kann vor läufig nicht wieder zu Euch zurückkehren! Wenn Du diese Zeilen in Händen hältst, bin ich wahrscheinlich schon nicht mehr in Deutschland! Ich weiß, daß ich Euch großen Schmerz zufüge — doch ich kann nicht anders! Als eine Verfemte, Verachtete kann ich nicht bei Euch leben! So höre! Frau Gräfin Reinshagen hatte vier Tage nach mei ner Ankunft in Dresden einen anonymen Brief ganz ähnlichen Inhalts wie Du bekommen! Frau Gräfin machte mir die bittersten und ungerech testen Vorwürfe, ohne meine Verteidigung hören zu wol len. Sie war der Ansicht, ich sei die Geliebte ihres Sohnes, und für solche Person sei kein Platz in ihrem Hause! Ich war der Verzweiflung nahe und so grenzenlos traurig darüber, daß Frau Gräfin, die bisher die müt terliche Liebe und Güte selbst gewesen, mich auf einen anonymen Brief hin ohne weiteres verdammte! Obwohl sie mich von meinem ersten Lebensjahre an kennt, traute sie mir dennoch zu, daß ich vergessen hätte, was ich Euch, ihr und mir selbst schuldig bin! Das hat etwas in mir getötet — denn wenn Men schen, die einen kennen, so denken, was kann man da erst von Fremden erwarten? Inga aber hat treu zu mir gehalten! Nie werde ich ihr das vergessen! Was hättet Ihr nun gesagt, wenn ich so schnell wie der zurückgekommen wäre? Und das Gerede und Getuschle im Dorf —? Ich hätte das nicht ertragen können! Die Eltern hätten mir ja keine Borwürfe gemacht — aber jeden Tag hätte ich sehen müssen, wie sie Heiden und sich in Gram verzehren. Und ich trage die Schuld daran — ich, das Findelkind, dem sie so viel Liebe ent gegengebracht haben! Fortsetzung solgt.