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Nachmeisungsgedrhr 20 Reich,pseuuige. B»m geschriebeneTrscheivung». - tage und Platzoorschrtfte» werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berü-tfichtigt Aueei^». annahm«bi»vorm.louhr. — — — Für di« Richtigkeit da« durch Fernruf üdermitteltcnAitzeigrn üdernehmen wir keine Lar an tte. Jeder Radatianspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen «erden must oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 204 — 90. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdrufs-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Mittwoch, den 2. September 1931 Großstadtpolttik oder Volkspolitik? Noch ist nicht zu erkennen, in welcher Weise sich die lüngste Notverordnung der Relchsregierung zur Sanie rung der Länder und Gemeinden auswirken soll. Die Anwendung ist Sache der Landerregierungen. Es scheint, daß die Notverordnung den Negierungen vor allem die Möglichkeit geben soll, die Gemeindefinanzen in Ordnung zu bringen, wobei die Finanzen der Großstädte oie Hauptsorge bilden. In der Notverordnung stecken verschiedene Möglichkeiten, je nach der Auffassung, von der man bei der Anwendung avsgeht. Am einfachsten wäre natürlich das Abstreichen vom Etat, solange, bis die Ausgaben Och den Einnahmen anpassen. Damit wäre ein Augenblickserfolg erreicht, mehr nicht, und die alten Fehler würden sich sehr bald wiederholen. Daß dazu diese sevr r t N koreiche Notverordnung erlassen wurde kann "jd" Uch nicht gut denken. Es geht ja heute um mehr als nur um die Hilfe für kurze Zeit, es geht um die Anpahung an eine Lage, mit der wir uns sicher für eine i e b r langx Zett werden abfinden müssen, so schmerz- "0^ auch ist, das zwingt zu einer grundsätz - ctchen Abkehr von den Fehlern der vergangenen Jahre. Einer der schwersten Irrtümer war ohne Zweifel dre Annahme, daß die Zukunft des deutschen Volkes heute allem aus der Entwicklung der Großstädte beruhe. Aus diesem Irrtum heraus entstand eine Politik, die Groß stadtpolitik, aber keine Volkspolitik war, eine Politik, die die großstädtischen Massen mit dem Volk verwechselte. So ist manches Gesetz zu erklären, das zwar für die Ver hältnisse der Großstadt paßt, nicht aber für die kleine Stadt und für das Sand. Und so kam es auch zu der mehr als großzügigen Finanzpolitik der Großstädte. Es wäre nie dazu gekommen, wenn nicht unsere gesamte Po litik im Großstadtwahn befangen gewesen wäre. An Warnern Hal es zwar nicht gefehlt, aber sie fanden kein Gehör. Es ging ja alles so schön, Geld war in Hülle und Fülle vorhanden, waren die Kassen leer, wurden sie mit neuen Steuern oder auch mit einer Anleihe, vielleicht vom Ausland, neu gefüllt. Die Stadtparlamente wurden bej der Eitelkeit gepackt, wenn es um die Millio nen für die kühnen Pläne eines „weitsüchtigen" Magistrats ging. Da sagten sie totsicher freudig Ja und Amen, denn sie wollten der Stadt doch nicht den Ruhm nehmen, das größte Schwimmbad Europas, die schönste Schule der Welt, die größte Festhalle Deutschlands zu haben. Nein, das wollten sie nicht und bewilligten. Und dann das Kapitel W o h u u n g s p o l i t i k. Von den 17—18 Milliarden Mark Hauszinssteuergelder, die seit 1924 in Neubauten gesteckt worden sind, ist sicher der allergrößte Teil in den Großstädten hängengeblieben. Da entstanden kostspielige Bauten mit allem Komfort der Neuzeit, aber mit ebenso modernen Mieten, die gerade von denen, die wirklich unter der Wohnungsnot litten, nicht bezahlt werden konnten. Erst im letzten Jahre hat die Reichsregierung die Parole ausgegeben: Nur noch billigste Kleinwohnungen! Aber es war schon zu spät, es fehlt heute das Geld, um gerade diese notwendigsten Wohnungen zu schaffen. Dagegen stehen zahlreiche Neu bauten in den Großstädten leer, weil niemand mehr die hohen Mieten bezahlen kann. Auch das Kapitel Industrie- Werbung ist sehr interessant. Man hat durch günstiges Geländeangebot und durch Gewährung von Steuervor teilen die Industrie in die Großstädte gezogen. Heute aber sind viele Fabriken geschlossen, und den Städten ist als Erbschaft die Sorge um Tausende von Arbeitslosen geblieben. Während die Großstädte Milliarden verschluckten, fehlte auf dem Lande und in der kleinen Gemeinde das Geld mehr und mehr. Nun liegt das Ergebnis dieser Politik vor uns; es ist wahrhaftig nicht erfreulich, nicht nur finanziell, auch in anderer Hinsicht Nach den neuesten Statistiken sind in den deutschen Großstädten rund 40 Prozent aller jüngeren Ehen kinderlos, in Berlin sind es 54 Prozent aller Ehen. Das sind furcht bare Zahlen. Unter den 40 Prozent sind Wohl zahl reiche Fälle, in denen wirtschaftliche Gründe zwingend sind. Aber ebenso zahlreich sind die Fälle, in denen Kinder un willkommen sind, weil man aus gewisse teure Lebens- bequemlichkeiten der Großstadt nicht verzichten will. Aus dem Lande und in der kleinen Stadl ist diese Scheu vor dem Kinde Gott sei Dank noch nicht zu finden. Das Land ist immer noch die Quelle, aus der sich das Volk erneuert. Aber es darf nicht übersehen werden, daß das Beispiel der Großstädte allmählich auch auf das Land einwirkt, wenn das Land weiterhin stch gegenüber den Großstädten zurückgesetzt fühlt. Darum ist die Frage Großstadtpolitik oder wahre Volkspolitik mehr als nur eine finanzielle Angelegenheit, es ist eine Schicksalsfrage im wahrsten Sinne des Wortes. Und wie sie heute zu be antworten ist, kann nach den Lehren der letzten Jahre nicht mehr zweifelhaft sein. Sie italienischen Sanken halten still. Bei der Associazione ticnica bancaria italiana tagte der Ausschuß der italienischen Banken, die an deutschen Banken Forderungen haben. Der Ausschuß beschloß, dem Baseler Abkommensentwurf zuzustimmen. M MM M Was wird aus der Zollunion? Österreich unter finanziellem Druck. In Genf fand von neuem eine vertrauliche Unter- edung zwischen Reichsaußenminister Di. Curtius und Schober statt. Von beiden beteiligten Seiten wird erklärt, daß man sich über die jetzt im Völkerbundrai bei der Behandlung des Zollunionsplanes einzu nehmende Haltung noch nicht endgültig schlüssig geworden sei. Es ist jedoch zu erwarten, daß die Erklärungen, die Dr. Curtius und Schober im Rai abgeben, selbstverständ lich in voller Übereinstimmung stehen werden. Da der Wortlaut der Haager Entscheidung noch nicht vorliegt, können die Verhandlungen über die Stellung der deutschen und österreichischen Regierung noch nicht zum Abschluß gebracht werden. Von österreichischer Seite wird jedoch darauf hingewiesen, daß neben dieser Frage das finan - > zielte Hilfegesuch Österreichs im Vordergrund stehe, da mit einer Abberufung der Österreich von der Bank von England gewährten 150-Millionen-Schilling- Anleihe zur Sanierung der Kreditanstalt in nächster Zeit gerechnet werden müsse und daher sofortige finan zielle Hilfsmaßnahmen für Österreich uner läßlich wären. Im Zusammenhang mit der Havasmeldung, daß das Gutachten des Ständigen Internationalen Gerichtshofes in Sachen der Zollunion zugunsten Deutschlands, aber zuungunsten Österreichs ausgefallen sei, wird mitgeteilt, daß eine endgültige Entscheidung des Gerichtshofes noch nicht gefallen ist, so daß die Meldung zumindest zeitlich den Tatsachen vorauseilt. Eine baldige Entscheidung des Gerichtshofes dürfte aber zu er warten sein. In Haager unterrichteten Kreisen herrscht die Meinung vor, daß der Gerichtshof einen Mehrhetts» und einen Minderheitsbericht veröffentlichen und der Havasbericht im wesentlichen dem Inhalt des Mehrheitsberichtes entsprechen dürfte In unterrichteten Kreisen in Berlin wird der Auffassung Ausdruck ge geben, daß bis zum Bekanntwerden des Gutachtens des Haager Gerichtshofes über die Zollunion voraussichtlich noch einige Tage vergehen dürften. Alles, was in der Presse bisher hierüber erschienen sei, seien nur mutmaß liche kurze Auszüge aus dem zweifellos sehr langen Gut achten des Haager Gerichtshofes. Wie aus französischen Kreisen in Genf verlautet, ver tritt die französische Regierung zum deutsch-österreichischen Zollunionsplan nach wie vor den Standpunkt, daß eine jetzt WUMM. Zollunion zwischen Deutschland und Österreich rechtlich unzulässig sei und politisch unter keinen Um - ständen anerkannt werden könne. Falls Österreich eine Finanzhilfe des Völkerbundes in Anspruch nehmen wolle, so könne diese Hilfe, soweit Frankreich be teiligt sei, nur unter bestimmten Bedingungen gewährt werden, die einen formellen Verzicht Österreichs auf eine Zollunion mit Deutschland für die Zukunst in sich schließen würden. Mtsch-östmeWsche RiilkM- krkIöruWN. Genf, 1. September. Leber die Erklärungen, die der deut sche und der österreichische Außenminister im Rat bei der Bera tung über die Zollunion abgeben werden, ist im Großen bereits eine llebereinstimmung erzielt worden, obwohl die Verhandlun gen auch am Mittwoch noch fortgesetzt werden. Die beiden Ab ordnungen stehen in Fühlung mit ihren Regierungen in Berlin und Wien und die Erklärungen der Außenminister werden in folgedessen in voller Uebereinstimmung mit diesen erfolgen. Es <st in Aussicht genommen, daß schon in der am 3. September statt findenden Tagung des Europa-Ausschusses von Curtius und von Schober eine Erklärung abgegeben wird, sodaß damit bereits vor der offiziellen Verhandlung im Rat die Stellungnahme der bei den Regierungen bekannt sein wird. In den sorgfältig vorbereite ten Erklärungen wird, wie mitgeteilt wird, jeder Hinweis ver mieden werden, der als ein grundsätzlicher Verzicht auf den Ge danken einer Zollunion zwischen Deutschland und Oesterreich ausgelegt werden könnte. Dagegen kann erwartet werden, daß in den Erklärungen übereinstimmend zum Ausdruck kommen wird, daß im HiÄW auf die seit der MaitagMg eingetretenen Ver änderungen in-der gesamteuropäischen Lage und die jetzt im Rah men des Europaausfchusses eingeleiteten Bemühungen zu einem allgemeinen Wirtschaftsplan und einer allgemeinen europäischen Zollangleichung zu gelangen, der vorliegende Plan einer Zoll union diesem Versuchen untergeordnet und eingegliedert werden soll. Veröffentlichung des Saager Gutachtens am Sonnabend. Der Ständige Haager Gerichtshof wird am Sonn abend in einer öffentlichen Sitzung das Gutachten über die deutsch-österreichische Zollunion bekanntgeben. Weiterer Oiskontabbau. Diskontsatz 8, Lombardsay 1V Prozent. Die Geld- und Goldverhältnisse bet der Reichs bank haben nach Überwindung der Zahlungsmittelkrise wieder ein normales Aussehen gewonnen, nur die Ent wicklung aus dem Devisenkonto soll, wie verlautet, weiter hin nicht voll befriedigend sein. Doch haben die Ereignisse der letzten Zeil zur Genüge gezeigt, daß auch außer- ordentlich hohe Diskontsätze keinen nennenswerten Rückfluß der Devisen an die Reichsbank zur Folge gehabt haben. Die Reichsbanl hat daher nicht gezögert, der Wirt- schäft den so notwendigen Diskontabbau weiterhin vor- zuenthalten und den Diskontsatz von 10 auf 8 undde n Lombardsatz von 12auf1VProzent smit Wirkung vom 2. September) herabgesetzt. Schwer lastete aus der Wirtschaft der Druck der h o h e n Z i n s e n, die sich durch den hohen offiziellen Dis kontsatz der Reichsbanl ergaben. Der während der Zahlungsstockung geltende Satz von rund 15 Prozent war zwar vor drei Wochen schon aus 10 Prozent erniedrigt worden, aber er war immer noch zu hoch, und der weitere Diskontabbau wird von der Wirtschaft begrüßt werden. Allerdings ist anzustreben, daß über kurz oder lang der Diskont zum mindesten auf die Höhe von 7 Pro zent, auf der er vor der Julikrise stand, weiter zurück geschraubt wird. Dr. Luther über die Herabsetzung des Reichsbankdiskonts. Reichsbankpräsident Dr. Luther begründete die vom Reichs bankdirektorium beschlossene Herabsetzung des Reichsbank diskonts von 10 aus 8 Prozent und des Lombards von 12 aus 10 Prozent wie folgt: Die reibungslose Durchführung des Anfang August wieder aufgenommenen Zahlungs- und Bankverkehrs hatte es der Reichsbank ermöglicht, ihren Diskontsatz von 15 aus 10 Prozent und den Lombardsatz in zwei Abschnitten von 20 bis aus 12 Prozent zu ermäßigen Eine weitere Senkung des Diskont satzes war schon damals in Aussicht genommen für den Fall einer befriedigenden weiteren Entwicklung der allgemeinen Lage. Inzwischen ist etne gewisse Beruhigung elngetre- len, wobei aus die in Basel gepflogenen Verhandlungen über die Weiterbelassuna der in Deutschland noch vorhandenen Aus landsgelder. deren förmlicher Abschluß freilich noch aussteht, hingewiesen sei. Der Status der Reichsbank Hai stch im Lause des Monats August im Sinne fortschreitender Entlastung entwickelt. Schon heute ist erkennbar, daß die U l l i m o b e l a st u n g der Bank, deren genaue Ziffer im Augenblicke noch nicht vorliegen, sich in durchaus mäßigen Grenzen gehalten Hal. Die Reichsbank ist bestrebt, ihre wiederhcrgestellte Kredit- bereilschasi tunlichst weilen Wirtschaftskreisen zugute kommen zu lassen. Die Reichsbank hat an alle Anstalten einen Rund erlaß ausgcsendel, iu dein die Annahme von guten Handels wechsel» empsohlcn wird, ebenso wie Vic Umgestaltung von Kontokorrentkreditcn in Diskont- und Wechselkredite, deren Grundlage gecigneles Material aus dem Güterumschlag bilde» soll. Insbesondere überschreitet Ver Notenumlauf mit etwa 4380 Millionen in keiner Weise das übliche Matz. Die Deckung der Noten durch Gold und veckungsfähige Devisen wird etwa 39,3 Prozent betragen gegenüber 36,1 Prozent Ende Juli. * Der Golöhunger -er Neichsbank. Ablieserung der Devisen bis zum 5. Sepiember. An zuständiger Stelle wird nochmals darauf hingcwiescn, dass die Ablieserung ver Devisen aus Grund der Verordnung vom 29. August 1931 bis zum 5. September 1931 zu erfolgen hat. Hierzu ist jeder verpflichtet, der Devisen im Werte von mehr als 1000 Mark besitzt, und zwar: 1. ausländische Zahlungsmittel (z. B. ausländische Banknoten, Goldmünzen, Schecks, Wechsel usw.); 2. Forde rungen in ausländischer Währung (z. B. sämtjiche Bankgut haben in ausländischer Währung bei in- und ausländische» Banken oder sonstige Forderungen in ausländischer Währung, die in den nächsten drei Monaten fällig werden); 3. ausländische Wertpapiere, sofern sie nach dem l2. Juli 1931 er worben worden sind und schließlich 4. Gold (außer den vor erwähnten ausländischen Goldmünzen alle außer Kurs gesetzien Goldmünzen, Feingold und legiertes Gold, sowohl Nohgold Wie Halbfabrikate, nicht dagegen Schmucksachen). Die Anbietung und Ablieserung der Devisen hat bei der Reichsbanl und allen Devisenbanken zu erfolgen Vordrucke brauchen nur in den Fällen ausgefülll zu werden, wenn jemand beantragt, ihm seine Devisen zu belassen, da er ie zu volkswirtschaftlich gerechtfertigten Zwecken braucht. Wer einen Verpflichtungen zur Ablieferung nicht nachkomntt, wird treng bestraft. Auskunft erteilen die Reichsbankanstatten und die Devisenbanken.