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Wilsdruffer Tageblatt : 08.08.1931
- Erscheinungsdatum
- 1931-08-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193108083
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19310808
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19310808
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1931
-
Monat
1931-08
- Tag 1931-08-08
-
Monat
1931-08
-
Jahr
1931
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 08.08.1931
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Sie Bedrohung der Pressefreiheit. Echo auf die Kundgebung der Preußenregierung. Die Kundgebung der preußischen Regierung zum Volks entscheid haben am Freitag alle Blätter veröffentlichen müssen. Eine Stellungnahme dazu ist meistens unterblieben, weil man Wohl annahm, daß eine Erwiderung in der gleichen Nummer nicht erlaubt sei. Einige Berliner Blätter veröffent lichen jedoch die Kundgebung gleichzeitig mit einer sehr scharfen Kritik daran. Die Blätter, die der preußischen Regie rung nahestehen, drucken die Kundgebung ohne jede Stellung nahme über die Zweckmäßigkeit des Schrittes ab. Der Vor wärts bringt gleichzeitig eine Art amtliche Begründung der Maßnahme, m der es heißt, daß von einer Bedrohung der Pressefreibett in diesem Falle keine Rede sein könne. Erst in den Abendausgaben nahm auch die Presse der Linken und des Zentrums Stellung. Die Blätter der Rechten üben an der Kundgebung zum Teil sehr scharse Kritik, soweit dies mit Rücksicht aus die Pressenot verordnung möglich ist. Der Berliner Lokal- Anzeiger beginnt seine Stellungnahme so: „Seitdem es so etwas wie eine Zeitung gibt, hat noch niemals eine Regierung die Macht in Anspruch genommen und in Anspruch nehmen können, die oppositionelle Presse zu zwin gen, in einer Weise, die völlig gegen ihre Überzeugung geht, für die Politik eines von ihr bekämpften Ministeriums m vor geschriebener Aufmachung Propaganda zu machen. Die Prefle- notverordnung vom 31. Juli gibl zum ersten Male einer Re gierung diese Macht. Die preußische Regierung Braun-Seve ring macht zum ersten Male von dieser Macht Gebrauch." Die agrarische Deutsche Tageszeitung nimmt Punkt für Punkt der Kundgebung vor und sagt dabet u. a.: „Gewissenlos sei es. behauptet die Kundgebung, der preu ßischen Staatsregierung die Schuld an dem schweren wtrtschaft- nchen Unheil aufzuladen, das letzt über das deutsche Volk her eingebrochen ist. Diese preußische Staatsregierung mag mit Menschen- und mit Engelszungen reden und jeden Tag Zei- tungspapier, das sie nicht bezahlt, mit Kundgebungen be pflastern: sie wird in weitesten Teilen des deutschen Volkes nicht die Überzeugung ersticken, daß sie als Hauptboll - Werk des Sozialismus in Deutschland auf vielfältige Art die Mitschuld trägt an der Abwärtsentwicklung unserer politischen und wirtschaftlichen Situation." Sehr scharf ist die Kritik in der Deutschen Allge meinen Zeitung, die, wie bekannt, Kreisen der Reichs regierung sehr nahe steht. Das Blatt ist vor allem darüber ent rüstet, daß die Kundgebung auch von den Zentrums ministern unterschrieben ist, die sich damit gegen die Volks partei und gegen die Rechtsgruppen wendet, die im Reich die Politik Brüning unterstützen. Das Blatt bezeichnet die Kundgebung als schwere Beleidigung dieser Parteien, und fordert den Rücktritt der Zenttumsminister in Preußen. Es beginnt seine Kritik mit folgenden Sätzen: „Nur mit Entrüstung und Empörung kann man den In halt dieser Kundgebung zur Kenntnis nehmen. Die Antwort darauf muß sein, daß jeder verantwortungsbewußte und staatspolitisch eingestellte Stimmberechtigte am Sonntag zur Wahlurne geht, sich am Volksentscheid beteiligt, mit „Ja" stimmt, und damit für die Auflösung des Preußischen Land tags eintritt. Es ist unerhört, daß sich unter dieser Kund gebung der preußischen Staatsregierung auch Namen der Minister befinden, die der Zentrumspartci angehören." In der Presse der Linken und des Zentrums lst man über die Kundgebung nichts weniger als erfreut. Nur der Vor wärts setz! sich für Braun ein, die Germania, das Zen trumsblatt, sagt: „Wir halten uns verpflichtet, schon jetzt zu sagen, daß die preußische Slaatsregierung bei ihrem Schritt nicht gut be raten war, und daß der Kamps um Preußen dadurch kompli ziert worden ist Niemand kann sich darüber im Zweifel sein, daß die Telegramme Dingeldeys auch noch andere ernste politische Verwicklungen andeuren." Und die demokratische Bossische Zerrung schreibt: „Wir fürchten, die preußische Regierung Hai gestern einen Bumerang abgeschleuderi. Wir hoffen, daß er nicht auf sie zurückfällt. Und damit künftig niemand in die Gefahr komme, zum Bumerang zu greifen, darum fordern wir, daß bei der vom Reichspräsidenten in die Wege geleiteten Abänderung der Presscverordnung diese Rechte fallen." Auch außerhalb Preußens hat das Vorgehen der preußischen Regierung das größte Aufsehen erregt. Die Ar- beitsgemelnschäsl der bayerischen Presse ersucht in einen, Telegramm an die Reichsarbeitsgemeinschaft der Deut schen Presse in Berlin, sich dafür einzusetzen, daß die Presse- Notverordnung, aus die sich die preußische Regierung bei ihrem Vorgehen gestützt Hal, schleunigst aufgehoben wird. Eine Erwiderung auf die Kundgebung. Die am preußischen Volksentscheid beteiligten rechtsstehen den Parteien und Organisationen veröffentlichen eine Erklä-- rung gegen die Kundgebung der preußischen Regierung, in der es heißt: „Sämtliche Zeitungen in Preußen sind unter Berufung aus die Pressenotverordnung des Reichspräsidenten gezwungen worden, eine Kundgebung der preußischen Regierung gegen den Volksentscheid zu veröffentlichen. Eine sachliche Erwide rung auf die Kundgebung erübrigt sich ln diesem Augenblick der Entscheidung. Wir sind überzeugt davon, daß nicht nur unsere bisherigen Anhänger in Stadt und Land, durch der artige Kundgebungen nicht wankend gemacht werden, sondern daß darüber hinaus alle wirklich freiheitlich denkenden Männer und Frauen aus diese Kundgebung die einzig mögliche Ant wort geben und mit Ja stimmen." * Ein Aufruf Kiffers. Der Führer der Nationalsozialisten Adolf Hitler richtet an seine Anhänger in Preußen eine Kundgebung, in der er sie auffordert, beim Volksentscheid am Sonntag mit Ja zu stimmen, um die Auflösung des Preußischen Landtags herbei- zusühren. * Sie Aussichten des Volksentscheids. Die preußische Verfassung gibt dem preußischen Volk das Recht, direkt in einer Volksabstimmung sich darüber zu ent scheiden, ob der Landtag aufgelöst werden soll oder nicht. Er klären sich mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten für Auflösung, dann ist das Schicksal des Landtags entschieden. Die Väter der Versassung haben bei der Einführung dieser Bestimmung an die Möglichkeit gedacht, daß die Volksstim mung sich innerhalb kurzer Zeit so ändert, daß der Landtag nicht mehr als Spiegelbild der Volksmeinung angesprochen werden kann. In diesem Fall soll der Volksentscheid die Kor rektur ermöglichen. Der letzte Preußische Landtag, der jetzt noch die Geschicke des Landes bestimmt, ist am 20. Mai 1928 gewählt worden. Damals erhielten die jetzt in Preußen re gierenden Parteien, Sozialdemokratie, Zentrum und Staats- parlei 9175 000 Stimmen, alle Parteien rechts vom Zentrum bekamen 6 744 000 Stimmen, die Kommunisten 2 237 000 Stimmen. Die Mehrheit der Regierungsparteien war also von An fang an sehr gering, und die Regierung fußte auf nicht ganz sicheren Boden. In welcher Richtung sich die Volksstimmung seit dem Jahre 1928 entwickelt hat, zeigten die letzten Reichstagswahlen vom 14. September 1930. Die an der preußischen Regierung beteiligten Parteien erhielien da mals zusammen 8 395 000 Stimmen, die Oppositionsparteien einschließlich Kommunisten über 12 Millionen Stimmen, mit anderen Worten die preußische Regierung war eigentlich in die Minderheit geraten. Soll nun der Volksentscheid Erfolg haben, fo müssen rund 13 400 000 Ja-Stimmen abgegeben werden. Es müßte also den Verfechtern des Volksentscheids nicht nur gelingen, alle Anhänger die bei den letzien Reichstagswahlen für sie ge stimmt haben auch jetzt zur Abgabe einer Ja-Stimme zu be wegen, sie müßten außerdem noch einen Zuwachs von meh reren hunderttausend Stimmen bekommen. Die Gegner des Volksentscheids glauben nicht daran, daß die erforderliche Zahl zusammenkommt, andererseits wird jedoch auch daraus hinge wiesen, daß man angesichts der Ereignisse der letzien Wochen auch mit der Möglichkeit rechnen muß, daß die erforderliche Stimmenzahl erreicht wird. Es kann leicht möglich sein, daß die Notverordnungspolitik der Reichsregierung sich beim Volks entscheid auswirkt. Schwere Ltnweiier. In Frankreich 20 Millionen Frank Sachschaden. Ganz Frankreich wurde von zum Teil schweren Ge wittern heimgesucht, die in verschiedenen Provinzen großen Schaden angerichtet haben. Am schlimmsten wirkte sich das Unwetter ans, das sich über Tours und Umgegend entlud und für über zwanzig Millionen Frank Sachschaden anrichtete. Etwa zehn Minuten lang fielen Hagelkörner von der Größe eines Hühnereis herab und durchschlugen fast sämtliche Dächer der Häuser, zertrümmerten die Fensterscheiben und richteten am Wald- und Feldbestand großen Schaden an Telegraphen- und Telephonleitungen wurden zerstört. Die noch auf den Feldern befindliche Ernte und der Weinbau müssen als vernichtet anaeieüen werden. Unwetterkatastrophe in Südtirol. In den Grenztälern nördlich von Bruneck ging ein ver heerendes Unwetter nieder. Felder und Wiesen wurden über schwemmt, Erdlawinen führten vielfach zu Wasserstauungen. Vom Hochgall und vom Windgall stürzten große Steinlawinen in den Antholzer See. Infolge der vielen Hunderttausende Kubikmeter Gestein trat das Wasser über die Ufer Eine brausende Flut, vermengt mit Steinen und Bäumen, ergoß sich durch das Tal. Die gefähr deten Häuser waren jedoch bereits geräumt. Els Häuser wurden stark beschädigt. Die Straßen, die Telephon- und Telegrahyen leitungen sind zerstört. Die Bahnanlage bei Komaten-Muylen wurde stellenweise vollständig eingerissen. Groß sind auch die Verluste an Vieh. Wann wird M NeulWand erholen? Professor Sprague über Deutschands Zukunft. Professor Sprague, der Wirtschaftsberater der Bank von England, der als Prüfer der deutschen Wirtschafts- Verhältnisse in Deutschland weilt, erklärte auf die Frage nach den Möglichkeiten einer wirtschaftlichen Erholung Deutschlands, daß Deutschland wahrscheinlich das erste Land in Europa sein werde, das sich erhole, sobald die Preise für Rohmaterial anzögen und der Welthandel sich wieder belebe. Seine Schwierigkeiten lägen in erster Linie auf dem Gebiete der Finanzen und des Staatshaushalts, während seine industrielle Organisation und seine natürlichen Hilfsquellen erst klassig seien. Die gegenwärtige Regierung führe Spar maßnahmen durch, die man früheren Regierungen aller dings vergeblich schon angeraten habe. Professor Sprague sprach dann die Befürchtung aus. daß England im Wett bewerb zurückbleiben werde, wenn es jetzt nicht sofort An strengungen mache, seineProduktionskostenund feine Ausgaben herabzusetzen. „Wir wollen helfen!" Vollshilfe für den Winter. Die in der Deutschen Liga der freien Wohl fahrtspflege zusammengeschlossenen Spitzenverbände: Innere Mission, Caritasverband, Jüdische Wohlfahrt, Deut sches Rotes Kreuz, Fünfter Wohlfahrtsverband und Christliche Arbeiterhilfe haben sich mit der Reichsregierung eins in oer Überzeugung erklärt, daß der gesteigerten Not im kommenden Winter durch ein umfassendes Hilfswerk Rechnung getragen werden muß. Es sind bereits jetzt Richt linien für die Vorbereitung einer Volkssammlung aufgestellt worden, die unter dem Namen „Volkshilfe" und dem Motto „Wir wollen helfen" Geld, Nahrungsmittel. Kleidungsstücke usw. für die Notleidenden herbeischaffen soll. Die Durchfüh rung des Sammelwerkes bleibt den Organisationen der Ver bände in den Ländern und Provinzen überlassen: der Ertrag verbleibt grundsätzlich in dem sammelnden Bezirk Die Ge schäftsführung allgemeiner Natur übernimmt die Deutsche Liga in Verbindung mit den ihr angehörigen Spitzenverbün- oeir. Art und Weise der Sammlung, die Verteilung oer Spenden und Lebensmittel. die Errichtung von Speisungen usw. sollen so rechtzeitig vorbereitet werden, daß beim Ein tritt des Winters die Hilfsmaßnahmen sofort geordnet ein setzen können. Nach den Erfahrungen im vergangenen Win ter hat sich gezeigt, daß der Wille zum Geben in der Bevölke rung noch vorhanden ist und bei der inzwischen verschärfte« Notlage erst recht weiterhin vorhanden sein durfte. Auch tüe selbst notleidende landwirtschaftliche Bevölkerung wird heute noch bereit sein, sich an den Sammlungen von Lebensmittel« in erheblichem Umfange zu beteiligen. Macdonald Md Simson angeln. Wochenende fern von Politik. Nach seiner Ankunft in dem von dem amerikanischen L-taatSfetretär Sttmso n gemieteten Jagdhaus „Shibccroß", erklärte Macdonald, daß er dorr levsgr lich ein paar Erholungslage verbringen wollte, um zu angeln oder spazierenzugehen und sich an der schönen Gegend zu erfreuen. Sie würden keine geschäft lichen Angelegenheiten irgendwelcher Art er örtern. Hierüber hätten sie sich ganz deutlich geeinigt. Stimson gab keine weiteren Auskünfte, aber sein Sekretär sagte, daß Stimson und seine Frau zum ersten mal seit längerer Zeit einen Urlaub genössen und daß sie nichts anderes tun wollten, als sich z u erhole n. Die Einladung an Macdonald sei als eine Art Dank für die Gastfreundschaft anzusehen. die Stimson bei mehreren Ge legenheiten in der Amtswohnung des Ministerpräsidenten genossen habe. Der Gouverneur der Bank von England, Montague Norman, ist erkrankt, und zwar an heftigen nervösen Darmbeschwerden. Man nimmt an, daß die anstrengende Tätigkeit der letzten Wochen den unmittelbaren Anlaß zu seiner Krankheit gebildet hat. ^61° Ä6 DwÜS rst ck/6 A/HMs Mkök' ... Koman von Uslma von Hellermann Martin keaditivanKer, Halle 1931 s38 „Schon Zeit!?" sagte oer Professor verwundert. „Ja, mein Schatz, erst Bad, dann Liegekur. Langweile dich nicht zu sehr!" erwiderte sie, neben ihn tretend und liebkosend über das graue Haupt fahrend, das sich ihr eut- gegenhob. Der Professor legte einen Arm um sie. Wange an Wange verharrten sie einen Augenblick im beglückenden Gefühl ihrer innigen Zusammengehörigkeit. Dann löste sich Frau Anna sanft aus den zärtlich haltenden Händen, küßte ihren Mann aufs Haar und ging in ihr Zimmer. Kurz darauf hörte er die Stimme der Schwester. — Eine Tür wurde geöffnet. Frau Anna war fort. Schnell raffte der Professor einige Manuskriptbogen zusammen und begab sich nach dem Lesezimmer im Erd geschoß, nachdem er den Portier von seiner Anwesenheit unten benachrichtigt hatte, falls ein Anruf aus Berlin käme. Es saßen nur noch zwei ältere Herren unten, die ver tieft in den Zeitungen lafen und seine stumme Verneigung ebenso stumm erwiderten. Professor Hardt legte seine Bogen auf einen der vor handenen Schreibtische zurecht, schraubte seine Füllfeder aus und sammelte mit Anstrengung seine Gedanken zum Weiterarbeiten an seinem neuesten biologischen Werk. „Diese Versuche haben bewiesen, daß die einzelnen Zellen gleiches Formbildungsvermögen besitzen, daß sich aus den Teilen immer das Ganze entwickelt..." Nebenan spielte jemand Billard. Durch die halb offen stehende Tür, in deren Nähe er saß, konnte Professor Hardt den einsamen Spieler sehen — ein blasser Mann in mitt leren Jahren, der mit gelangweilter Miene nach den Elfen beinbällen stieß. — Nun gesellte sich ein zweiter Herr hinzu, wurde erfreut begrüßt. Deutlich konnte Professor Hardt hören, was die beiden zusammen sprachen: „Ja, mit dem Achtuhrzug augekommen. — Ach, ich schlafe ausgezeichnet unterwegs, nehme immer Schlaf coups. — Danke, nee — bloß Vorsichtsmaßregel! So 'ne kleine Diät- und Ruhekur, ehe ich deine Damen an der See besuche. Wollen dann noch zusammen ins Gebirge, wenn's Wetter schön ist. — Mein Schwager? Mies, mies! Der arme Kerl schwitzt Blut vor lauter Angst, hat nix zu lachen: sein Bankier hat falliert. Faule Sache — Depots angegriffen und dergleichen hübsche Sachen ge macht. Gestern abend hat er sich in seiner Wohnung er schossen. Hat sich schön aus dem Staub gemacht, nachdem er die anderen 'reingelegt hat! — Wie? Markmann, ja, Leopold Markmann, die große Bank in der Tauentzien- straße. — Ganz recht, heutzutage ist nix mehr sicher; die solidesten Häuser betrügen. Na, mein Schwager kann noch von Glück sagen, hat noch andere Eisen im Feuer. Bin nur froh, daß ich meine Finger von den verdammten Malzaktien ließ, die Markmann mit so großem Tamtam aus den Markt warf. — Das wußten Sie nicht? Der war der Hauptmacher, stand hinter der ganzen Sache. Erst stiegen die Aktien rasend im Kurs, dann — bums, fielen sie mit der Promptheit eines abgeschossenen Ballons. Das war wohl Markmanns Verderben. Na. dem kann nun keiner mehr was anhaben; aber bei dem Krach ver liert mancher sein Ganzes. Die Passiva soll die Aktiva ums Doppelte übersteigen, munkelt man." Professor Hardt saß da mit der Feder in der halb er hobenen Hand, starrte auf den weißen Bogen vor sich, auf dem kleine schwarze Teufelchen einen wilden Reigen vollführten. Satz regungslos — wie gelähmt von dem Gehörten. Die Stimme drinnen klang weiter, gewichtig und laut. Mit einem ärgerlichen Brummen erhob sich einer der beiden! zeitunglesenden Herren und zog die Tür hart ins Schloß. Was hatte der gesagt — Leopold Markmann erschossen — Depots angegriffen — Bankrott — Schulden zweifach so hoch wie alle Guthaben — Leo, sein alter Freund, ein Betrüger ... Herrgott, laß mich klaren Kops bewahren! Ich träume gewiß — Ein kleiner Page mit funkelnden Livreeknöpfen stand plötzlich vor ihm. „Herr Professor Hardt? Berlin ruft an —" Der Gerufene erhob sich schwerfällig, ging steif und gerade ausgerichtet wie ein Automat, fühlte seine Glieder nicht. Stand in der kleinen Zelle hinter der Vorhalle, ohne zu wissen, wie er hineingekommen war. Helmuts Stimme: „Bist du's, Vater? — Leider habe ich nichts Gutes zu melden, lieber alter Herr ..." Ein Zögern. Es siel dem Jungen schwer — „Ich weiß schon: Leo Markmann hat sich erschossen, nachdem er sich am Eigentum fremder Menschen vergriffen hat. Die Bank hat die Zahlungen eingestellt." Kalt, ton los, als würde eine auswendig gelernte Lektion wieder holt. Ein erschrockener Ausruf. „Woher weißt du —* „Man hat es sich soeben hier erzählt?" „Muttchen — ?" „Die ahnt noch nichts." „Du mußt sie schonend davon unterrichten, Pater, damit sie es nicht auch unversehens erfährt!" „Ja!" „Deine Stimme klingt so fremd, Vater — geht es dir schlecht? Behalte nur den Kopf oben, mein lieber, guter alter Herr; vielleicht ist doch noch etwas zu retten! Du hast dein Amt, ich kriege den Brunnen — wir werden's schon schaffen!" Wie herzlich er tröstete, der gute Bub. — „Hast du noch Bargeld sürs erste? Das Weitere findet sich schon. Grütze Muttchen innigst! Ich bleibe wohl am besten hier, bis einigermatzen Klarheit herrscht. Vater, hörst du mich? Vater — Vater —" Dem Professor war der Hörer mit jähem Ruck aus oer Hand gefallen, klirrte gegen die Wand. Der linke Arm hing schlaff herab — er starrte verständnislos daraus herab, ritz mit der Rechten am Kragen entlang: eine Blut welle schoß ihm zu Kopf, färbte das fahle Gesicht in ein böses Dunkelrot. (Fortsetzung folgt.»
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