Volltext Seite (XML)
ZT «V 8 ? 3 2 8-ZrZL 2-2. 8^ ^2-^3 3. L 8« L 2 -rs ." 8 Sonntags-Üettage Nr. ry WNsüruNer cageblatt 8. 8. IYZI Meine kriebnille in der tranLölttehen Fremdenlegion. Von Hellmuth Wüstner Es ist nun bereits über ein Jahr her, haß ich durch meine mit Glück begünstigte Flucht dem Joche ber französischen Fremden legion entronnen bin. Wenn ich an die vierjährige Lebenszeit zurückdenke, so ist es mir immer noch unfaßbar, baß es wirklich wahr ist, daß ich nicht mehr ein der Hölle Verschriebener, nicht mehr der Fremdenlegionär Nr. 1845 und Prisonier Nr. 6089 bin, sondern frei wieder bin, frei mich wieder in der deutschen Heimat bewegen, frei wieder über meinen eigenen Körper, mein verlorengegangen.es Ich wieder verfügen kann. Unauslöschlich sind die Eindrücke, die ich in der franzöfichen Fremdenlegion ge wonnen habe, und immerwährend wird all bas Schwere in den vier langen Jahren durchlebte meine Gedankengänze durchkreu zen. Meinen nachfolgenden Schilderungen fetze ich das Motto vor: „Wer wissen will, was Freiheit ist, der muß ein Fremden legionär gewesen sein." Vielfach bin ich aufgefordert worden, einen Vortrag über meine Erlebnisse in der französischen Fremdenlegion zu halten. Da ich kein Redner bin, sehe ich davon ab, doch lege ich meine Erlebnisse hier schriftlich nieder. Vieles ist schon über die französische Fremdenlegion geschrie ben worden, und manchen habe ich sagen hören, daß in ben Be richten über die Fremdenlegion vieles übertrieben sei. Dem ist aber nicht so; wer selbst drüben war, kann das behaupten. Wenn man die Fremdenlegion „die Hölle auf Erden" nennt, so bedien, man sich dieses Ausdruckes mit Recht. Die vielen Berichte ehe maliger Fremdenlegionäre, insbesondere über die unmenschliche Behandlung, die schlechte Verpflegung und die ungeheuren Stra pazen stimmen alle überein. Demzufolge kann kaum jemand daran zweifeln, daß gerade das unglaubhaft Scheinendste nicht der 'Wahrheit entspräche. In ber Fremdenlegion ist alles möglich, was man hier für unmöglich hält. Das wirb mir jeder ehemalige Fremdenlegionär bestätigen können. Gewiß gibt es zwar Stra fen, die es früher in der Fremdenlegion gegeben hat, heute aber nicht mehr in Anwendung kommen. Deswegen sei aber nicht ge sagt, daß die Fremdenlegion von heute um vieles besser sei. Die französische Fremdenlegion wird ihr ewiges Bild behalten! Die Annahme, baß die Fremdenlegion eine Verbrecherarmee sei, ist heute nicht mehr ganz zutreffend. Die geradezu erschreckende Arbeitslosigkeit, welche jetzt in Deutschland herrscht, treibt Tau sende von anständigen, brauchbaren Menschen in die Fremdenle gion. Haben wirklich einige etwas auf dem Kerbholze, so sind es doch in ben meisten Fällen nur geringfügige Vergehen. Ausge schaltet sei natürlich nicht, daß es nicht auch schwere Jungens, gang schwere Jungens darunter mit gibt. Täglich melden sich Hunderte junger Deutscher freiwillig in die Fremdenlegion, um beiNot und den Entbehrungen des Landstraßenlebens zu entgehen. Würden alle wissen, was sie drüben erwartet, so würden die mesten es vorziehen, lieber in Deutschland im Straßengraben zu verrecken. Trotz der vielen Warnungen gegen die Fremden legion sind die meisten der jungen Leute völlig unüberlegend in ihrem Tun, indem sie blind ins Verderben rennen, aus welchem es den wenigsten vergönnt ist, sich wieder zu retten. Die Reue, die bitterste Reue ergreift jeden, der dann einmal drüben ist. der Kafard stellt sich ein, man desertiert, um sich der Sklaven ketten zu entledigen. Wehe aber demjenigen, dem die Flucht nicht gelingt. Das Kriegsgericht verdoppelt, verzehnfacht sein Elend, und für viele gibt es dann überhaupt kein Entrinnen mehr aus dem Labyrinth der Leiden. Seelisch und moralisch wer den die Menschen in der Fremdenlegion zugrunde gerichtet. Die meisten kennen sich dann selber nicht mehr, sie werden zum Vieh. Die Verrohung kennt keine Grenzen. Das Herz wird zu Stein und entbehrt jeglichen menschlichen Mitgefühls. Wenn es auf ber Welt etwas gibt, was zum Himmel schreit, so ist es die Frem- , ehemaliger Zremdenlegionär. denlegion. Wer sich der Fremdenlegion verschreibt, der ver schreibt sich dem leibhaftigen Teufel. Die Franzosen können gut schreien „vive la France". Hätten sie die Fremdenlegion nicht, wo wären dann ihre Kolonien- Frankreich ist sich der wichtigen Bedeutung seiner Fremdenlegion wohl bewußt, und wird darum niemals daran denken, dieselbe abzuschafsen. Ich bin kein Schrift steller und verstehe mich nicht aufs Wortesehen. Kann ich jedoch durch meinen Bericht — er mag sein, wie er will — dazu bei tragen, die deutsche Jugend vor dem Eintritt in die französische Fremdenlegion zu warnen, so ist der Zweck meiner Mühe erfüllt. * Im Oktober 1935 befand ich mich wie so viel unzählig andre auch auf der Walze. Meine Bemühungen, Arbeit zu bekommen, waren ergebnislos. Von Tag zu Tag wurde ich« mißmutiger und haderte mit dem Schicksal. Ich lenkte meine Schritte der Nhein- pfalz zu, welche erst vor kurzem von den Franzosen geräumt worden war, zu damaliger Zeit jedoch noch unter der Trikolore Frankreichs stand. Sv kam ich eines Abends in Neustadt a. d. H. an, die Taschen leer, mit hungrigem Magen. In der Herberge übernachtete ich. Andern Tags irrte ich planlos in den Straßen umher, nicht wissend, was nun werden sollte. Das Landstraßen- leben behagte mir nicht, da ich an stetes Arbeiten gewöhnt war. In Gedanken versunken stehe ich plötzlich vor dem Verwaltungs gebäude der französischen Besatzungstruppe. Ich sehe die Triko lore, bas blau-weiß-rot angestrichene Schildwachhäuschen und den französischen Posten davor. Der Gedanke „Fremdenlegion" durchzuckt mich; ja, wie wäre es damit? Ich war mit vielen zu sammengekommen, welche mir die Fremdenlegion als garnicht so schlimm als wie sie in Deutschlaird immer hingestellt würde, ge schildert hatten. Was Wahres konnte schon daran sein; ich über dachte meine Lage, und da sich in mir auch noch ein Teil Aben teurerlust rege machte, so ging ich fest entschlossen dem Eingänge des Gebäudes zu. Zwei französische Offiziere kamen gerade die Treppe herunter und fragen mich, was ich wollte. Ich antworte te auf Deutsch, daß ich mich in die Fremdenlegron melden möch te. Das Wort Legion verstehend, verwiesen sie mich in ein Zim mer des ersten Stockwerkes. Daselbst wurde mir statt aller Ant wort ein Zettel in die Hand gedrückt; auf dem Zettel stand in deutscher Sprache geschrieben: „Bewerber für die französische Fremdenlegion wollen sich nach dem Flugplatz Lachen-Speyerdorf bemühen and sich daselbst melden." Ich verließ das Verwaltungs gebäude und lief nach dem französischen Flugplatz Lachen- Speyerdorf. Dort angekommen, führte mich ein Posten in eine Baracke. In einem Büro nahm mir ein Korporal meine Brief tasche mit sämtlichen darin befindlichen Papieren ab. Nachdem ich auch nach etwa gefährlichen Gegenständen untersucht wor den war, führte man mich eine Treppe hinauf in eine große Bo denkammer. Diefe betretend, nahm ich wahr, daß ich mich nicht allein in ihr befand. Zwei junge Männer weilten darin, mit welchen ich alsbald auch in ein Gespräch kam. Der eine wollte sich ebenfalls wie ich in die Fremdenlegion melden, während jedoch der andere ein ausgedienter Legionär war und nur des halb hier weilte, um sich für seine Weiterreise nach seiner Hei mat Thüringen eine Geldunterstützung von den Offizieren der Besatzungstruppe zu erbitten. Ich srug ihn, wie es in der Frem denlegion zuginge, er drückte sich aber auf meine Fragen so un bestimmt wie nur möglich aus, so daß ich so gut wie garnichts in Erfahrung bringen konnte. Möglich konnte sein, daß allen ehe maligen Fremdenlegionären, welche hierher kamen, verboten wurde, den neuen Bewerbern etwas abschreckendes über die Le gion zu sagen. Vielfach ist es aber auch so, daß die meisten den ken: „Wenn ihr etwas wissen wollt, dann steckt nur eure Nase selbst hinein, haben wir uns den Schnabel verbrannt, so könnt