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heraus, sogleich er sie nicht kannte. Sie, "die Tochter Augusts des Starken, sah den knabenhaften Oberstleutnant, den Kron prinzen von Preußen. Und diese Frau, deren Profil voll rei zender Linien und Flächen, deren keck geschwungene Lippen und sinnliche Züge es dem Thronfolger angetan hatten, sie kannte die freudlose Jugend des Gastes aus Erzählungen ihres Vaters; sie war bereit, ein wenig Freude in die Tage seines Besuches zu tragen. Ter Sechzehnjährige begann in einer Vision zu leben, fühlte nur die Nähe der einzigartigen Frau und atmete den Duft dieses Begegnens in jugendlich-diony sischen Zügen ein. Bis er trunken wurde, sie bestürmte, um ihre Liebe anflehte. Am 20. Februar 1728 gab es in Dresden keinen Menschen, der glücklicher war als der Kronprinz von Preußen. Der König Friedrich Wilhelm vermißte zum ersten Mal den Gute-Nacht-Wunsch seines Sohnes. Grumbkow zwinkerte August dem Starken an der Festtafel verständnis voll zu. Sie waren die beiden einzigen, die Bescheid wußten ... In den beiden Liebenden entstand jener Drang zur Ab sonderung, zur Isolierung, wie er immer in zwei Menschen vorhanden ist, die sich gegenseitig ausschließlich erfüllen möch ten. Die Orczelska wußte nun, daß sie das erste Weib war, das Friedrich begegnete. Dieses jungfräuliche Gefühl ermög lichte ihrem Empfinden eine neue Wertgebung für jene Dinge, die erblaßt, abgestumpft, fast verschütte: waren. Sie hatte in die freudlose Jugend eines Mannes unendlichen Jubel ge tragen! Trotzdem gab sich die „Messalina Europas", wie die Orczelska völlig unzutreffend von der Nachwelt vielfach genannt wurde, keinen Illusionen hin, etwa die Ewigkeits- und Ver sprechens-Schwüre des Verliebten ernst zu nehmen. Es war bei Friedrich das Dankesgestammel, das ihr Königreiche zu Füßen legte, Kronen auf die dunklen Locken drückte, sie in weite Purpurmäntel hüllte. Drei Wochen flossen in einem Fest- und Feier-Taumel dahin. Jeder Tag sah Friedrich und die Orczelska beisammen. Sie dachten an kein Ende ihrer Zweisamkeit. Bis ihm die Ge liebte an einem Abend selbst eröffnete, daß Friedrichs Vater den Wunsch ausgesprochen habe, sie möge während der An wesenheit der preußischen Gäste nach Warschau reisen; König August habe ihr daraufhin seine Galakutsche zur Verfügung gestellt. Friedrich war starr vor Schreck. Er witterte Ränke, die -ihn von der Gräfin trennen wollten. Der Schmerz drohte ihn zu zu ersticken, dieser jugendlich erste Enttäuschungswahnsinn, der oft zum Selbstmord, zum Auslöschen des unerträglichen Leides führt. Aus Briefen an seine Schwester Wilhelmine wissen wir, wie schwer Friedrich der Abschied von der Orczelska wurde. Er konnte sie nicht vergessen. Auch dann nicht, als August ihm als „Ersatz" die Tänzerin Formera zuführte. Man gab ihm eine schöne Sklavin, die auf Befehl ihres Herrn in seinen Be sitz überging. Sie war nicht die Frau, die ihn nach dem Er lebnis mit Anna Katharina fesseln konnte. Noch nach vielen Jahren gedenkt er der Gräfin und schreibt an Voltaire: „Eine liebenswürdige Person hauchte mir in meiner zartesten Jugend zwei Leidenschaften auf einmal ein: Liebe und Dichtkunst. Dieses kleine Wunder der Natur, mit allen nur möglichen Reizen begabt, besaß Geschmack und Zartheit und versuchte mir beides mitzuteilen. In der Liebe ist es mir vortrefflich, in der Dichtkunst schlecht gelungen. Seit jener Zeit war ich öfter verliebt und alle Zeit Dichter." Wir haben keinen Grund, wie es non manchen frag würdigen Seiten geschehen ist, auf einen von den beiden Men schenkindern, die sich beglückten, einen Stein zu werfen, denn „ich glaube nicht, daß Cato Cato war, als er jung War." Die Forderungen des Handwerks. Zur Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Vorstände des Deutschen .Handwerks- und Gewcrve- kammertages und des Reichsverbandes des deutschen Hand werks traten in Hannover zusammen, um zur derzeitigen Wirtschaftslage Stellung zu nehmen. Die Stellungnahme der Vorstände läßt sich wie solgt zusammensassen: Die Wiederherstellung des Zahlungsverkehrs wurde lebhaft begrüßt, insbesondere auch, daß nach der An kündigung des Reichskanzlers in seiner Rundfunkrede die letz ten Bindungen für die Sparkassen in kürzester Frist fallen werden. In der Aussprache wurde betont, daß sich die für die Kreditversorgung der Wirtschaft in Frage kommenden In stitute wieder in erster Linie den Ausgaben zuwenden sollen, die von ihnen in der Vorkriegszeit durchgeführt wurden, daß also die Sparkassen sich in erster Linie der Pflege des Real- kredits wieder widmeten. Maßnahmen, die von einer in flatorischen Wirkung begleitet sein könnten, wurden grundsätzlich abgelchnt. Zu der Frage der hohen Verzugszuschläge für Steuerrückstände sind Verhandlungen mit dem Reichsfinanrministerium in Aus sicht genommen, uni kleinere rückständige Steuerbeträge von den hohen Zuschlägen zu befreien. Für den notwendigen Umbau im Innern muß die dringend erforderliche Vcrwaltungsreform endlich ihrer Verwirklichung emgegengesührt werden. Auf wirtschaftspolitischem Gebiet ist jeder überflüssige Zwang für die Wirtschaft zu beseitigen und ihr für die Steigerung ihrer Leistungsfähigkeil größtmöglichste Freiheit zu geben. Insbe sondere wurde die baldige Aushebung der Wohnungs- Zwangswirtschaft für unerläßlich bezeichnet. Bestehende Bindungen für Preise und Löhne sind gleichfalls einer ernsten Überprüfung zu unterziehen. Die zu führende Sozialpolitik darf an der Leistungsfähigkeit der Wirtschaft nicht achtlos vorübergehen. Die Steuerpolitik muß auf eine gerechte Lastenverteilung Rücksicht nehmen und darf die Möglichkeit zur Kapitalbildung nicht unterbinden. Mit der Neuregelung des Finanzausgleichs darf leine Verschie bung der Lasten zuungunsten des gewerblichen Mittelstandes verbunden werden, vielmehr mutz seine Durchführung von einem wesentlichen Lastenabbau begleitet sein. Es wurde be schlossen, zu dieser Frage eine ausführliche Denkschrift aus- zuarbeitcm bei der die übrigen mittelständischen Gruppen zur Mitarbeit herangezogen werden sollen. Die Vorstände des Kammertagcs und Nelchsverbandes wiesen auch darauf hin. daß die Reparationslasten angesichts der inzwischen elngeirelenen Entwicklung völlig untragbar geworden sind Auch hier läßt sich eine durch greifende Revision der außenpolitischen Bindungen nicht länger mehr aufschiebsn. Die Vorstände bedauerten lebhaft, daß in dieser Zeit, die ein Zufammensiehsn aller Wirtschaftsgruppen gebietet, der Reichslandbund beabsichtige, durch die Verpflichtung seiner Mitglieder zur Einhaltung von Mindestpreisen zum Schaden des Handwerks und der übrigen Volksteile den freien Wett bewerb auszuschalten. Der von den Spitzenverlrelungen des Handwerks dem Reichskanzler unterbreiteten Bitte, bei allen Maßnahmen, die in der Regierung für die Überwindung der Wirtschaftskrise vorbereitet werden, einen sachverständigen Vertrauensmann mit der mittelstänpischen Wirtschaft zu beteiligen, wurde zu gestimmt. Nach Rückkehr des Reichskanzlers von seiner Rom reise wird diesem die Auffassung des Berufsstandes zur Lage in mündlicher Aussprache noch einmal ausführlich dargelegt werden. Wie der französische Vcrgnügnngsdampser „St. Phitbert" durcb deutsche BcrcwnoSdompscr nehobcn wird. „NauirSus" fähri nicht zum Nordpol. Dieses Jahr nur kleinere Probefahrten. Das U-Boot „Nautilus", das zum Nordpol fahren wollte, ist jetzt von Bergen ausgelaufen. Der erste An laufhafen wird Tromsö sein. Große Menschenmassen hatten sich im Hafen angesammelt, und viele kleine Boote begleiteten das U-Boot aus dem Fjord hinaus. Pro fessor Bjerknes vom Geophysischen Institut in Bergen äußerte sich, daß das U-Boot gerade zur gün stigsten Zeit in die Eisregion kommen werde. Wahr scheinlich werde das Boot zwei bis drei Wochen im Eise arbeiten, aber Mitte September müsse es nach Spitzbergen zurück. Man müsse davon ausgehen, daß es in diesem Jahre nur bei kleineren Probefahrten mit Spitzbergen als Basis sein Bewenden haben könne. Unter den Pol zu gehen, wäre in diesem Jahre unmöglich. Schwere Wolkenbrüche. Große Verheerungen richtete ein Unwetter an, das über das Gebiet des Achensees nicderging. Die Straße nach Jenbach ist an mehreren Stellen durch große Erdmassen verschüttet. Ganze Hänge und Waldstreifen wurden durch die Wassermassen zu Tal gerissen. Die Erd- und Schlammassen erreichten auf der Straße teilweise eine Höhe von vier bis fünf Metern. Auch in Jenbach selbst richtete das Unwetter vielfach großen Schaden an. Die Wassermassen sind in die Häuser eingebrochen. Gewitter über England. Von schweren Gewittern, die zeitweise mit tropen artigen Negensällen verbunden waren, wurde England heimgesucht. Am schwersten hatte in London die U-Bahn zu leiden, deren tiefergelegene Strecken den Ver kehr für mehrere Stunden einstellen mutzte, während viele Straßenbahnlinien durch Kurzschluß vom Strom ab- geschnitten wurden. 4000 Telephonleitungen sind durch Blitzschlag zerstört worden. Der an Häusern angerichtele Sachschaden läßt sich noch nicht übersehen. Soweit bisher bekannigeworden ist, sind keine Menschenleben zu beklagen. Auch Vie weitere Umgebung Londons hatte stellenweise schwer unter dem Unwetter zu leiden. In Southampton wurden vier Straßenbahnwagen vom Blitzschlag getroffen und einer in Braud gesetzt. Ein Wirbelsturm richtete in Christchurch großen Schaden auf einer Farm an, wo bei Hunderte von Kleinvieh umkamen. In Wimburn (Derby) setzte der Blitz mehrere Häuser in Brand. Furchtbare Unwetterkatastrophe in Mittelrußland. 58 Todesopfer. In mehreren Bezirken Mittelrutzlands richtete ei« Unwetter furchtbaren Schaden an. Ein in das Unglücks gebiet entsandter Negierungsausschust stellte fest, daß bei dem Unwetter 58 Personen getötet worden sind. 24 Häuser wurden vom Wirbelsturm völlig zerstört, über 1200 Menschen sind obdachlos geworden. Viel Vieh ist um gekommen. Sehr groß ist auch der Schaden in den Wäldern. Die Obdachlosen sind vorläufig in Kasernen untcrgebracht morden. Krediisorgen der Landwirtschaft. Ernlefinanzierung und Zinsenfragen. Die Restriktionsmaßnahmen auf kreditpolitischem Gebiet haben nach Berichten deutscher Landwirtschafts- kammern schwerste Bedrängnisse für die Land wirtschaft gebracht. Die starke Heraufsetzung des Zinsen dienstes muß die Notlage aufs äußerste verschärfen, sie unterbindet zurzeit jeden Personal- und Real kredit. Alle Erwartungen werden daher aus die Erntesinanzierung, die aber ohne eine erträg liche Regelung der Zinsensrage nicht zu lösen ist, gesetzt. Infolge der Notverordnung ruhte der Geldvcrkehr mehr oder weniger vollständig. Landwirtschaftliche Er zeugnisse waren daher entweder überhaupt nicht oder nur zu außerordentlich niedrigen Preisen verkäuflich. Gelränkesteuer und Sparsamkeit. Ein Notbehelf für notleidende Gemeinden. Der Retchsfinanzmtntster hatte kürzlich in seiner Privatwohnung Vertreter des Mittelstandes empfangen und mit ihnen die Frage der Vergnügungssteuer und der Gemeindegetränke st euer besprochen. Der Reichs finanzminister erklärte, er glaube, daß die Vergnügungssteuer nicht abgeschaffl werden könne. Was die Gemeinoegetränkesteuer anlange, so glaube er, daß die Gemeinden bei größerer Sparsam keit imstande seien, ohne eine solche Steuer auszukommen. Die Steuer sei nur ein Notbehelf für solche Gemeinden, die in besonderer Notlage seien, und ein Zeichen. daß mehr gespart werden müsse. Auch die Gesellschaften der Stadt Berlin wurden in der Besprechung erwähnt Der Reichsfinanzminister erklärte, Oberbürgermeister Sahm habe gelegentlich geäußert, daß alle überflüssigen Gesellschaften beseitigt werden sollten. Der Mi nister gab der Hoffnung Ausdruck, daß die Beseitigung mit Beschleunigung erfolgen werde. <7/6 D/6Ü6 rÄ ck/6 AwMe . Koman von Keims von Koüsrmunn Copyright bv Klkwin keucktvaager, Us!Is lS3l f36 „Aha! Also doch sich verleiten lasten zu den .Raketen- aktiew..." Sättler nickte vor sich hin mit zusammen- gepreßten Lippen. „Da steht es freilich schlimm." „Ach — und es sind noch andere Schulden da, von denen niemand etwas ahnte! Die Frau Kommerzienrat — sie war immer so gut zu allen Menschen — für die ist es am allerschwersten." Helmuts mühsam arbeitende Gedanken fingen die letzten Worte aus. „Tante Thilde — sie litt ja auch. Ich möchte hin zu ihr", sagte er plötzlich. „Jetzt noch, Helmut?" Sättler hob die Brauen. „Es ist gleich halb ein Uhr, lieber Junge. Komm lieber mit mir ins Hotel; hier ist ja doch nichts weiter für uns zu tun, können nur abwarten, wie sich alles entwickelt, und die nächsten nötigen Schritte besprechen." Sie verabschiedeten sich von dem Prokuristen, der ins Konferenzzimmer zurückhastete, gingen an dem türöffnen- den Beamten hinaus in die laue Juninacht. „Ich möchte doch hinaus. Vielleicht ist Tante Thilde allein", sagte Helmut halb zu sich selbst, den Fuß auf der untersten Stufe behaltend. „Es drängt mich zu ihr." „Na, dann meinetwegen", gab Sättler gutmütig nach. „AVer ich fahre mit! Wenn sie dich hineinlassen, ist's gut, wenn nicht, kommst du mit mir zurück." Helmut nickte. In schneller Fahrt ging es Wetter hinaus durch die schönen, gepflegten Straßen der vornehmen Villenkolonien Halensees. Im Markmannschen Hause brannte noch Licht. Auf den Hupenruf des Chauffeurs öffnete sich bald die Pforte. Helmut neigte sich hinaus zum alten Portier, und fragte. Ja, die gnä' Frau wäre noch auf, glaube er; der Herr Doktor Rittberger wollte ja nochmal herauskommen. „Unsere junge Frau Milly hat Schreikrämpfe gekriegt, da hat er sie nach Hause gebracht. Ach Gott, Herr Helmut, das Unglück!, das Unglück!" Dem greisen Portier standen die Tränen in den Augen. Helmut nickte ihm zu, drückte schweigend die Hand des Alten, den er seit seiner Kindheit kannte. „Geh hinein, Jung! Sieh, ob du Frau Markmann sprechen kannst. Ich warte hier im Wagen. Ist schon gut, alter Kerl, schon gut..." Sättler schlug dem Freund tät schelnd auf die Schulter und griff dann nach seinem Zigarettenetui. — War das ein Chaos!. Verweinte Gesichter sah Helmut bei seinem Eintritt. Hände streckten sich ihm entgegen, Hilfe heischend, froh, ihn da zu haben. Hier war er ja wie ein Kind des Hauses bekannt und geliebt. „Gnä' Frau sitzt drüben", flüsterte die Mamsell, mit scheuer Geste nach dem Herrenzimmer. „Sie hält die Totenwache beim Herrn..." „Allein?" „Sie wollte es so. Als Frau Milly zu weinen begann, hat sie sie hinausgeschickt. Man dürfe dem Toten die letzte Ruhe nicht stören, sagte sie. Da hat Herr Doktor seine Frau heimgefahren. Er will noch einmal kommen, wenn's geht. Frau Milly hat sich aber immer an ihn geklammert und gerufen, er solle sie nicht allein lassen. Na, wir sind ja auch da — mag sie ihren Mann behalten. Gnä' Frau ist nicht verlassen." Sie schluckte, wischte sich die roten Augen mit einer energischen Bewegung, die deutlich verriet, auf wessen Sette ihre Sympathien waren. „Ich bleibe gern über Nacht, wenn ich darf", fagte Helmut leise. Erfreut streichelte die kleine rundliche Frau seinen Arm, nahm ihm dienstbeflissen Hut und Handschuhe ab. „Ach, lieber Herr Helmut, das wäre uns allen eine große Erleichterung! Darf ich Herrn Doktor anrufen und es ihm melden? Dann braucht er doch nicht nochmals hier heraus zu hetzeu. — Die Reisetasche ist im Auto — jawohl. Marie, spring schnell hinunter und sag dem Herrn im Auto, Herr Hardt ließe den Herrn Direktor schön grüßen, er bliebe hier über Nacht und er würde ihn morgen früh um neun Uhr im Hotel anrufen. — Ja, da drinnen, Herr Helmut! Gehen Sie nur hinein, ich richte inzwischen das eine Gastzimmer sür Sie her." Helmut Hardt stand auf der Schwelle. Der große, ihm wohlvertraute Raum war matt erhellt durch Kerzen schimmer, der den beiden Silberleuchtern entfloß, die ost die festlich geschmückte Tafel geziert. Auf dem breiten Diwan lag lang ausgestreckt eine reglose Gestalt, von seide ner Steppdecke halb verhüllt, über der Stirn eine weiße Binde. Wachsbleiche Hände lagen gefaltet auf der Brust. Aus einem Sessel neben dem Diwan wandte eine schwarzgekleidete Frau mit seltsam flimmerndem Haar den Kopf nach dem Eindringling, ohne sich zu erheben — lang sam und schwerfällig, als schmerze jede Bewegung. Er loschene Augen ruhten auf ihm, Augen, die tief in die Höhlen gesunken schienen. „Helmut..." Er kam auf sie zu, küßte die kalte Wange, setzte sich auf die breite Lehne ihres Sessels und zog sanft die zusam mengesunkene Gestalt an sich, die müde den Kopf gegen seine Schulter legte. Lange saßen sie schweigend da. Erst nach geraumer Zeit fiel das erste Wort. „Es ist gut, daß du da bist, Helmut." „Ich kam vor einer Stunde in Berlin an. Es trieb mich zu dir. Darf ich heute nacht bei dir bleiben, Tante Thilde?" Der matte, erloschene Blick tastete sich langsam wieder zu ihm empor: „Wenn du es ohne Haß im Herzen zu tun ver magst ..." . „Ich hege keinen Groll gegen Onkel Leo", sagte Hc^ mut leise und fuhr mit der Linken liebkosend über das blonde Haar, das so höhnisch flimmerte über dem starre« Gesicht, das die verfallenen Züge einer kranken Greist« trug. (Fortsetzung folgt.)