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Wilsdruffer Tageblatt : 08.07.1931
- Erscheinungsdatum
- 1931-07-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193107086
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19310708
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19310708
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1931
-
Monat
1931-07
- Tag 1931-07-08
-
Monat
1931-07
-
Jahr
1931
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 08.07.1931
- Autor
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Wenige Minuten später pullt ein Boot zum Strande Stolz weht Deutschlands Kricgsflagge am Heck. — Sie müsser dem Zerlumpten ins Boot helfen, ihm zu trinken geben. Unt bald darauf steht ein namenloser Deutscher vor dem Kom mandanten: „Englische Kreuzer vor und um Neu-Guineas Am 24. September S.M.S. ,Cormoran' hier eingelaufen, vor mir gewarnt, versteckte sich vor zwei verfolgenden englischer Kreuzern und entkam. Seit 26. ist Friedrich-Wilhelms-Hafcr von zwei Feindbataillonen besetzt." Der Kommandant weiß, was diese wichtige Nachrich ihm bedeutet. Mit teilnahmsvollem Blick aber sieht er aw den Melder, fragt: „Sie sind an Land bald verloren. Woller Sie nicht an Bord bleiben?" In dem gelben, vom Fieber zernagten Faltengesicht vm ihm straffen sich die Muskeln: „Niemals, Herr Korvetten kapitän! Ich muß auf Posten bleiben, bis..." Eine Stunde später bringt das Boot ihn in seine Höll« zurück. Mit starrem Blick sieht er das deutsche Schiff Anker aufgehen und Fahrt aufnehmen. Drüben ein Winken! Er wendet sich zu seinen Krokodilen zurück, wo er am sichersten ist. Trotz allem... ein Klingen und Schwinger erfüllter Pflicht ist in ihm. Ahnt er, daß seine Nachricht der „Prinz Eitel-Friedrich" befähigt, noch auf lange Wochen der Schrecken Englands zu sein, als letztes deutsches Schiff, das die offene See hält? Tausende von Deutschen, die stumm und namenlos ferr von der Heimat für ihr Volk sich einsetzten, sind verschollen. Auch von dem einsamen Posten auf Neuguinea wissen wir nichts mehr. Sein Name ist unbekannt, nur seine Tat finden wir in Deutschlands Kreuzergeschichte verzeichnet. Und doch eins braust und jauchzt in uns, wenn wir der Tat dieses Namenlosen gedenken, der da in tiefster Seele der Heimat getreu war. Kann ein Volk, das solche Männer sein eigen nennt, untergehen? Feiertag. Skizze von Georg Eschenbach. Sie hatten sich während ihres bisherigen Zusammen lebens kaum gezankt. Auf diese Tatsache war Ludwig Bartels beinahe stolz, denn er schrieb das Verdienst am ruhigen Ver lauf ihrer Ehe sich fast allein zu. Er war eben ein schlechter Menschenkenner. Vielleichl ftand er sich in dieser Beziehung selbst im Wege. Das Bild seines Wertes, wie er es sah, war wohl in zu großen Aus maßen gemalt worden, um neben sich im engen Nahmen seiner Häuslichkeit noch Platz für seine Frau zu lassen. In Wirklichkeit wäre ohne ihr stetes Einlenken, sobald eine Meinungsverschiedenheit auftauchte, die Ehe schon lange gescheitert. Else Bartels war zu klug und gut, um auf einer Ansicht zu bestehen. Sie sah, was hinter ihrer Ehe verborgen lauerte und nur auf den Augenblick wartete, um hervorzu springen, sobald sie ihren Willen hätte durchsetzen wollen. So schwieg sie, wenn ihr Mann eine Meinung äußerte, der sie rnnerlich nicht verpflichten konnte, und wenn ein Wunsch in ihr auftauchte, von dem sie'wußte, Ludwig würde doch kein Verständnis dafür haben. Sie verkroch sich förmlich in sich selbst und schuf um sich einen Panzer, hinter dem sie ihr letztes Sehnen nach Freude vor dein rücksichtslosen Alltag verbarg. So waren beide zu dem geworden, was die Mitwelt ein friedliches Ehepaar nannte. Nur ahnte niemand, daß Else über diesem Frieden langsam zugrunde ging. Doch eine Freundin sah es einst. Gertrud Menke war vor vier Jahren dem Gatten in die Fremde gefolgt und besuchte Else zum ersten Mal wieder. Sie sollte ein paar Tage bei den Bartels bleiben, und sie wußte bald, wie diese friedliche Ehe enden mußte. Sie sah mit Schrecken, daß ihre Freundin lang sam verkümmerte, und sie dachte einen Augenblick daran, dem Manne rücksichtslos ihre Meinung zu sagen: „Sie lasten Ihre Frau verhungern! Ersticken in diesem grauen Alltag!" Doch sie schwieg, denn sie erkannte, daß sie ihn nur zum Widerspruch reizen würde. Eines Tages aber sagte sie bei Tisch: „Uebermorgen ist Sonntag, und den Morgen darauf fahre ich fort. Der schönste Abschluß für meinen Besuch hier würde es sein, Wenn Sie beide, Herr Bartels und Du, Else, mir die Freude eines ge meinsamen Ausflugs ins Grüne machen wollten." Sie sah den Hausherrn fragend an, und diesem lag schon ein Nein auf der Zunge, weil der Vorschlag seinen Gewohnheiten widersprach. Doch Gertrud wartete nicht erst auf die Ablehnung, sondern sagte: „Herr Bartels, Sie sind doch ritterlich genug, um mir diesen Wunsch zu erfüllen!" Er fühlte sich ein wenig geschmeichelt, weil er solche Worte in seiner Ehe nicht mehr hörte, und er sagte: „Ja." Else hatte gelernt, sich zu beherrschen. So konnte sie jetzt ihr Erstaunen verberaen. — Der Tag war herrlich. Gertrud hatte das Recht für sich in Anspruch genommen, den Weg bestimmen zu dürfen. Eie sprach von einer Wiese auf einem Bergrücken, von dem aus man über Täler und Hügel sehen könnte: „Ich war gern dort oben. Denn ich sah dort nichts mehr von dem, was ein paar Stunden weit hinter mir in der Stadt lag. Ich konnte auf Berge blicken, die etwas Unbekanntes verbargen. Ich dachte mir, dort drüben müßte etwas Herrliches sein, ein unbe kanntes Paradies. Ich träumte davon, und das war mein Feiertag." Ludwig Bartels sah sie ein wenig erstaunt an, und dann schritt er zwischen ihr und Else in den Hellen, unge wohnten Sonntag hinein. Er wunderte sich. Niemals hatte er daran gedacht, daß jeder Baum, jede Wiese ein neues Wunder enthüllen könnte. Erst Gertrud mußte ihm die Augen öffnen, die graue Alltags brille von ihnen fortnehmen, die er auch hier noch aus alter Gewohnheit tragen wollte. Er streifte die junge Frau mit manchem erstaunten Blick und sah dann auch zu Else hinüber. Er dachte dabei: „Ist denn plötzlich eine Wandlung mit ihr vor sich gegangen, oder konnte ich bisher nicht gut sehen? War sie nicht gestern noch ruhig wie immer, ja fast teilnahmslos, und heute ist sie vergnügt?" Er fand nicht recht Zeit, sich selbst die Antwort auf seine Fragen zu geben, denn plötzlich war er selbst viel zu neugierig, zu sehen, was Wohl die nächste Weg biegung, die nächste Lichtung an neuem Unbekannten ihm er schließen würde. Sie kamen zu der Bergwiese. Ein paar Bänke standen dort, und zwischen den Tannen im Hintergrund lag ein Gast haus. Die Drei setzten sich, und während sie auf das Esten warteten, sahen sie zu den Bergen hinüber, die Gertruds un bekanntes Paradies verbargen. Ueber der Welt lag ein Hauch von Feiertagsstimmung. Sie sogen ihn in sich ein mit der Luft, die sie atmeten. Dann brachte ihnen die derbe Kellnerin mit kräftigem Armschwung das Essen. Es schmeckte Ludwig Bartels ganz anders als zu Hause, und das Bier war ihm die köstlichste Er- srischung. Erst jetzt kam ihm zum Bewußtsein, wie sehr er oanach gelechzt hatte. Er sah zu Else hinüber und wunderte sich über die leichte Röte, die ihr Gesicht belebte und ver schönte. So hatte er sie kaum noch gekannt. Sie schien seinen Blick zu fühlen und sah auf. Ihre Augen trafen sich, und beide wurden fast verlegen. Dann griff er zum^Glas und-trank ihr zu. Auch Else mundete der wohltuende Trank und gern folgte sie seinem Beispiel. In ihren leuchtenden Augen lag stummer, verwunderter Dank. Da stand Gertrud auf: „Sie bleiben ja noch hier? Ich möchte ein paar Blumen dort unten pflücken und sie als Er innerung an meine Wiese hier mitnehmen. Wenn ich zu lange ausbleiben sollte, so wissen Sie, wo ich bin, Herr Bartels." Sie blieb lange fort. Ihre Blumen hatte sie bald ge pflückt, doch dann setzte sie sich ins Gras. Sie dachte nicht an ihre Berge dort drüben, denn sie brauchte sich ja nicht mehr nach einem unbekannten Paradies zu sehnen. Ihre Gedanler waren bei ihnen, den beiden Menschen dort oben. Doch gerad« deshalb blieb sie müßig sitzen, bis sie auf dem Schotter de- Weges Schritte hörte. Ludwig Bartels stand neben ihr: „Sie haben uns woh! vergessen?" Sie schüttelte nur lächelnd den Kopf. Da verstand er sie und wurde ein wenig rot. Und dann sagte er lebhafte „Haben Sie auch die Wandlung bemerkt, die mit Else vor sich ging?" „Ja", antwortete sie, „und ich will Ihnen das deuten, was Ihnen noch ein Rätsel zu sein scheint. Sie wußten et vielleicht gar nicht, daß Ihre Ehe an einem schweren Uebel krankte, am Alltag. Sie waren zu sehr mit sich selbst be schäftigt, um ahnen zu können, daß jede Frau ihren Feiertac haben muß, soll sie nicht innerlich verkümmern. Sie sehen jo nun, wie einfach es ist, Else und sich selbst diesen Feiertag zu bereiten, da die Frau an nichts anderes denken soll als an das Auskosten der Stunde." Ludwig Bartels sagte nichts darauf. Doch er gab Gertrud die Hand. Da sie sich ja noch nicht verabschieden wollten, so konnte dieser Händedruck nichts anderes sein als ein Dank und ein Gelöbnis. Sein Maseottchen. Eine Wochenend-Geschichte von Fritz Winkler. „Alles muß Sinn und Zweck haben", sagte Paul Schnorr und verlegte entschlossen sein Betätigungsfeld in die Groß stadt, leider bisher ohne den rechten Erfolg. Aergerlich fla nierte er wie alle Tage um die Zeit durch die Bummel straße, guckte den Mädchen gewohnheitsmäßig dreist unter die Hüte und entdeckte plötzlich unter einem em allerliebstes rotes Mäulchen, das ihn unternehmungslustig anlachte, drehte sich nach ihm um und vrallte dabei mit einem Herrn zu sammen, der auf sein höfliches „Verzeihung!" so etwas sine „Meintswegen!" zurückgeraunzt bekam. Trotzdem aber grinste der zweckbewußte Paul stillver gnügt, faßte seine rechte Hand verstohlen mit der linken und drückte sie herzlich. „Gratuliere, Paulchen", beglückwünschte er sich, „hast Du fein gemacht. An die Kleine da mußt Du Dich 'ranhalten, die ist Dein Maseottchen!" Der kurze Au genblick des Zusammenstoßes hatte nämlich genügt, die Brief tasche aus der Innentasche des offenen Mantels des Fremden in seine, Paul Schnorrs, wandern zu lassen, Paulchens ganz spezielle Geschicklichkeit. Sein Maseottchen holte er wieder ein, als es gerade an einer Straßenkreuzung den Fahrdamm überschreiten wollte. „Aber nicht doch, Frollein", hielt er sie zurück, „da runter geht mein Weg; Ihrer doch auch?" — „Ei freilich, gewiß!" Man schlenderte noch ein wenig auf und ab und verabredete sich schließlich für den Nachmittag, um fünf Uhr. Nachdenklich schaukelte Paul Schnorr die Brieftasche aus den Knien. Kein Geld darin, nur Papiere. Direktor Kuri Reimar — hm!... Phönixwerke. — Allerhand!... Auch mit den Papieren mußte sich etwas anfangen lasten, zwar nicht leicht, aber — holla, Paß auf, Paulchen! Von jetzt ab bist Du der Direktor Kurt Reimar. Von den Phönixwerken, ver- stehste? Also... Ganz direktoriale Würde, baute sich Paul Schnorr im näch sten Telephonhäuschen auf. In den Fenstern der Autozentrale nämlich hatte ihm ein prächtiges, leuchtend blaues Kabriolett in die Augen gestochen, das mußte er bis fünf Uhr haben Heute war Freitag; Maseottchen würde sich für eine kleine, nette Wochenend-Fahrt gewiß nicht undankbar zeigen. Der Wagen war schon gelaufen, hatte also die Zulassung, Paßt« wieder einmal. — „Hier Direktor Reimar non den Phönix werken... Ja, das blaue!... Unsinn, heute noch!.. Wie, 8000 Mark?... Werden schon einig werden! Um fünf lassen Sie den Wagen zur Probe bei mir vorfahren vor meiner Villa, Raukestraße 14!... Um fünf, ja, aber pünktlich, ver standen?" Es mochte auf vier zu gehen, da hielt Paul eine elegante, leere Privatlimousine an: „Bringen Sie mich doch bitte zur Autozentrale, bloß um die Ecke da. Ich kann nicht gut laufen" er wies auf sein in Wahrheit ganz gesundes Bein. „Sie tun mir einen großen Gefallen."... Würdig entstieg Paul ein« Minute später dem vornehmen Gefährt, die Angestellten der Autozentrale umdrängten beflissen den hohen Kunden; Pauh kurz zu dem Geschäftsführer hm: „Sie kennen mich?... Wie, was — nicht? Kaum glaublich! Direktor Reimar von den Phönixwerken. Hier mein Ausweis! Nehmen Sie nur, Hern Heutzutage kann man nicht vorsichtig genug sein, ich könnt« Ihnen da Dinge aus unserem Großbetriebe erzählen, Ding« So, nun wollen wir mal sehen... Bin Selbstfahrer, brauche nur unter die Haube zu schauen." Man wurde schnell miteinander einig, der Geschäftsführer rieb sich die Hände; Paul, schon auf dem Trittbrett: „Zwei Tage also zur Probe. Und... eh... wieviel Kaution?.. Keine? — Bin Ihnen ja sicher, natürlich!" Die Nacht verbrachte der Herr Direktor mit seinem Maseottchen in einer idyllischen Gebirgssommerfrische. Dort fuhr er am andern Morgen, von frischem Unternehmungs geiste erfüllt, mit seinem imponierenden Wagen beim Post amte vor. „Will mir Geld schicken lassen, telegraphisch. Kann man doch hier, wie?" Die Kontoangabe in den Papieren des Direktors Reimar hatte ihn auf den klugen Gedanken gebracht. „Laste Ihnen den Paß da, damit sie die Daten durchgeben können, falls die Bank meckern sollte. Komme am Nachmittag wieder. Ach so, wieviel?... Na. nicht viel. Sagen Wir mal: SOM Mark." Paulchen ließ den Anlasser jauchzend aufheulen und dachte: Schön ist's in der Welt. Nachmittags holen wir uns den Zaster. Morgen schicken wir das Maseottchen mit bestem Dank heim. Dann sausen wir los und verkloppen den Wagen und dann weiter so... so leben wir... halli — hallo! Vorzüglich klappte das alles, wirklich großartig. Der Postbeamte winkte schon von weitem. „Bitte quittieren, Herr Direktor!" — „So, schön. Na, dann mal her!" Plötzlich — kalter Schreck fuhr ihm in die Glieder — legte sich ein eiserner Griff um seinen Arm. „Sie sind verhaftet. Einen Direktor Reimar von den Phönixwerken gibt es nämlich gar nicht, der Paß ist gefälscht, Wohl aber einen langgesuchten Hochstapler, der einen Paß auf diesen Namen führt. Und der sind Sie!" Zwar stimmte das nicht ganz, aber was half es? Nein- gefallen! stöhnte Paul vor sich hin, böse reingefallen! Das Maseottchen im Wagen riß die Augen weit auf, als ihr Kava lier vorbeigeführt wurde, und Paul machte die seinen lief seufzend zu. Melle« Sie dar Wilsdruffer Tageblatt Wrckkmirssb^ Koman vva kk (22. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) Geräuschlos räumte Dora das Teegeschirr zusammen und entfernte sich mit einem leisen Gutenachtgruß; sie dachte, ganz gewiß hat es wieder Streit gegeben, und ohne, daß sie es sich selbst eingestand, empfand sie doch eine heimliche kleine Freude darüber. Der Major stand vor dem Schreibtisch und blätterte in dem von Dora geschriebenen Manuskript. Wie ihre Hand schrift mit den großen, klaren, steilen Buchstaben ihn sym pathisch berührte! Das war doch etwas anderes als Hor tenses krause, verworrene Schriftzüge! Er war wirklich froh, daß Dora ihm die Arbeit des Schreibens abgenom men hatte. Langsam ging er hinüber in sein Schlafzim mer. Auf dem Nachttisch stand ein Teller mit zwei Aepfeln; die Abendzeitung lag daneben, wie immer, wenn er zeitig ausging und spät wiederkam. Es war doch angenehm, je manden zu haben, der fürsorgend um einen bemüht war. Mit den Jahren wurde man doch ein wenig bequem! Ob Hortense als Frau ihm solche Aufmerksamkeiten, solches Eingehen auf kleine Wünsche und Eigenheiten ent gegengebracht hätte? Ausgeschlossen! Sie war es, die ver wöhnt sein wollte! Er hatte gar kein Verlangen mehr nach ihr, nachdem er die kurze Enttäuschung überwunden, die ihm anfangs ihr trotziges Nichtmitkommen doch ver ursacht hatte. Der Major war recht müde. Wohlig dehnte er sich im Bette, schloß die Augen und war bald eingeschlafen. Gegen Morgen schreckte er auf, er hörte ein ganz behutsames Oeffnen der Vorsaaltür, hörte Doras flüsternde Mahnung an Prinz, sich ruhig zu verhalten. Er mußte vor sich hin lächeln — der Hund hing beinahe mehr an Dora als an ihm. Prinz mußte da jein, wo seine Dora war, und er freute sich darüber. Der Hund war ihm sehr wert, und gekränkt hatte es ihn immer, wenn Hortense unfreundlich und abweisend gegen das treue Tier war. Als Dora ihm den Kaffee brachte, bemerkte er, daß sie ein wenig blaß und übernächtigt aussah. Er fragte nach Herta. „Das Kind hat stark gefiebert. Nach meiner Auffassung bekommt es die Masern. Wenn Herr Major es erlauben, würde ich Frau Ingenieur gern etwas beistehen. Sie ist so überängstlich und selbst sehr zart. Und ich verstehe mit Kindern umzugehen. Wegen Ansteckung brauchen Herr Major wirklich nicht besorgt zu sein," fügte sie, ein kleines Zögern von ihm bemerkend, mit einem reizenden Lächeln hinzu, das zwei Grübchen in ihren Wangen zum Vorschein brachte. Wie jung das Lächeln sie machte! Er war ein wenig ängstlich aus Selbstsucht. „Keine Sorge, Herr Major; da müßten ja alle Mütter, die ihre erkrankten Kinder pflegen, ebenfalls krank werden Ich will Frau Wohlfahrt hauptsächlich im Haushalt helfen, damit sie sich ganz Herta w'dmen kann." Am Nachmittag hatte Maurus in der Stadt zu tun Wie mit Gewalt, gegen seinen Willen, zog es ihn nach der Luisen- und Eartenstraße. Diese, vom Hauptverkehr etwas abgelegene Straße kannte er dennoch sehr gut; mehr als einmal hatte er Hortense ja zu ihrer Schneiderin begleitet. Im Grunde widerstrebte seiner vornehmen Gesinnung dieses Nachspionieren. Aber in einer gewißen Selbstquä lerei hatte er einem inneren Drängen nach Klarheit nach geben müßen, denn Unbestimmtheiten machten ihn nervös Er blickte aus seine Uhr; es fehlte nicht viel an vier Uhr Bei der Schneiderin war sie stets pünktlich gewesen, wie nie bei ihm! Nicht fünf Minuten dauerte es, jo sah er die elegante Gestalt des Architekten von Toop um die Ecke biegen und juchend um sich blicken. Seine Ahnung hatte ihn nicht be trogen! Nun fehlte nur noch Hortense! Denn was hatte der Architekt hier zu suchen? Dem Hause der Schneiderin gegenüber war ein Zi garrengeschäft. Von dort konnte er die Straße leicht und unauffällig beobachten, ohne selbst gesehen zu werden. Er ging hinein, kaufte einige Zigarren, die er umständlich bezahlte, während er mit dem Geschäftsinhaber eine kleine Unterhaltung anknüpfte. Und bei dieser Gelegenheit be merkte er, daß Herr von Toop nicht lange zu warten brauchte. Hortense kam bald, sehr fesch und elegant in der neuen Pelzjacke aus Wildkatze, die sie sich von ihm als Weihnachtsgabe gewünscht. Wenn auch die Ausgabe dafür seine Verhältnisse eigentlich weit überschritten, so hatte er dennoch nicht gerechnet, um der Geliebten eine Freude zu machen! Ein bitteres Gefühl stieg in ihm auf. Ganz genau konnte er sehen, wie vertraulich sie Herrn von Toop be grüßte, ihn dabei übermütig anlächelnd, während er „sehr überrascht von der unerwarteten Begegnung" ihre Hand an seine Lippen zog. Scherzhaft drohte sie mit dem Finger Er sprach überredend auf sie ein; sie zögerte, hielt den Blick sinnend zu Boden gesenkt, verneinte, gab aber schließ lich doch nach; denn sie ging nicht hinauf zur Schneiderin sondern stieg mit dem Architekten in einen Kraftwagen, der, an ihnen vorüberfahrend, von Herrn von Toop an gerufen wurde. Komödianten, dachte Maurus verächtlich Er wußte genug. Langsam ging er wieder nach dem Stadt- innern. Er wollte nicht mehr an Hortense denken. Es störte ihn. Nachdem er seine Besorgungen erledigt, fuhr er nach Hause Wie behaglich war es doch in seinem traulichen Heim! Er setzte sich vor den Schreibtisch Mancherlei war doch durch seine Krankheit liegen geblieben und harrte der Erledigung. Hortenses Bild störte ihn, als seine Augen darauf fielen; er drehte es um. Dora war drüben bei Frau Ingenieur Wohlfahrt. Es gab ein paar ersprieß liche Arbeitsstunden. Kurz vor sieben Uhr kam sie mit Prinz herüber, um für das Abendeßen zu sorgen. Als sie ihm den Tee brachte, bemerkte er, daß sie ein Helles Wajchkleio trug. Sie lächelte etwas auf seinen verwunderten Blick. (Fortsetzung folgt.)
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